Paul Reichenbachs, Donnerstag der 10.Mai 2007. Traum & Kitsch und eine Frage.

>>>‘Traumkitsch’
“Die Seite, die das Ding dem Traume zukehrt, ist der Kitsch”, behauptet der große Träumer Benjamin, der seine Theorie des ‘poetischen Bildes ‘ wiederum nirgendwo anders als in seinem ‘Sürrealismus-Essay’ versteckt hat… (>>>walhallada
)

“Der Traum ist die (verkleidete) Erfüllung
eines(unterdrückten, verdrängten) Wunsches.”
(Freud)

Surrealismus ist der provokativ-neoromantische Versuch einer ästh. Antwort auf eine fatale, mit Schleiern verhängte, Realität.(montgelas)

In Träumen weinen, ängstigen und lachen wir, ohne es zu wissen. Die Wünsche, obwohl wir wissen, dass die meisten nie Realität werden, im besten Fall gestehe ich ihnen asymptotischen Charakter zu, formulieren unsere Sehnsüchte. Kitsch verschleiert Traum und Wunsch, verführt die Menge ins Wolkenkuckucksheim und rettet den Einzelnen vor Adornos schneidendem, kalten Satz „..es gibt kein richtiges Leben im falschen..“ Vielen ist Kitsch ein lässliche Sünde, die Leben hilft und gegen die höllische Blutkälte derer immunisiert, die immer die rechte Wahrheit zu wissen glauben. (Der Satz muss auf den Prüfstand!!) Aus der Tiefe der Verliese verfluchte gestern >>>Netschajev die Welt und von der Höhe der Balkone salbadern heute die Bekränzten. Da ist kein Weg. Kitsch: In der alltäglichen Undurchdringlichkeit glühen seine (Irr)-Lichter und locken im undurchdringlichen Alltag in bunte verwinkelte Gassen oder endlose asphaltene Alleen . Dass es Einbahnstrassen, Sackgassen sind, hat Benjamin eindrücklich in seinem Fragment „Kapitalismus als Religion“ dargestellt. “Der Kapitalismus ist vermutlich der erste Fall eines nicht entsühnenden, sondern verschuldenden Kultus. … Ein ungeheures Schuldbewußtsein das sich nicht zu entsühnen weiß, greift zum Kultus, um in ihm diese Schuld nicht zu sühnen, sondern universal zu machen … Es liegt im Wesen dieser religiösen Bewegung, welche der Kapitalismus ist<,> das Aushalten bis ans Ende<,> bis an die endliche völlige Verschuldung Gottes, den erreichten Weltzustand der Verzweiflung auf die gerade noch gehofft wird. Darin liegt das historisch Unerhörte des Kapitalismus, daß Religion nicht mehr Reform des Seins sondern dessen Zertrümmerung ist. Die Ausweitung der Verzweiflung zum religiösen Weltzustand aus dem die Heilung zu erwarten sei.” Benjamin VI, 100f)

>>>Schillers Gedicht das Geheimnis von Sais kommt mir in den Sinn, und wie ich als Fünfzehnjähriger davor erschrak. Als sei ich der Jüngling. Als der Schleier zerriss, schaute Schillers Jüngling Isis, ich sah Leere.

Wie aber soll das ein „Jüngling“ aushalten? Und nicht nur der.

2 thoughts on “Paul Reichenbachs, Donnerstag der 10.Mai 2007. Traum & Kitsch und eine Frage.

  1. Über Pflastersteine… Augerechnet Sie fragen, ‘wie Leere auszuhalten sei’, wo doch Ihr Text selbst die Antwort bereithält…?
    Wenn ‘Verzweiflung’ das Telos des Kapitalismus ist, (und es besteht leider wenig Zweifel, dass es so ist, wie Benjamin beschreibt), dann gibt es vor der Treiberpeitsche des ‘Systems’ tatsächlich nur ein Entkommen: in dessen ‘Seitengassen’. Dorthin jedenfalls, wo buckliges Kopfsteinpflaster den FORTSCHRITT hemmt und wo ‘verwinkelte Gassen’ – gerne aufsteigend – zu Langsamkeit, Stillstand und Orientierung nötigen:
    WO BIN ICH HIER EIGENTLICH…?
    Mit dieser Frage ist man der Katastrophe in Permanenz, als welche Benjamin den ‘Fortschritt’ definiert, bereits (fast) entkommen. Es gibt Gassen, die sich als Abkürzung gerieren und eine Umkehr doch unmöglich machen, bis man realisiert, dass man im Kreis gelaufen ist; es gibt Gassen, die an Brandmauern enden und zur Umkehr zwingen… die Denkbewegung ist aber genau das, was die ‘Leere’ nicht nur ‘aushalten’ lässt, sondern sinnhaft erfüllt. Und warum das alles?
    Weil das Leben selbst nur e i n e causa finalis kennt und – Hand auf die Tastatur– am Ende dieser Sackgasse steht ein Wendehammer wohl kaum zu erwarten…!

    Heimweh

    Manchmal, wenn ich durch London geh,
    irgendwo im Nebel steh,
    ist mir zum Weinen.

    Manchmal tut das Fremdsein weh,
    wenn ich mein Wien vor Augen seh,
    mit den buckligen Pflastersteinen.

    (Hans Schmeier)

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