Eine Reise zum Stromboli (2. Tag, Freitag). Nach Stromboli. Auf Stromboli. (Stromboli 4). Reisejournal (13. April 2007).

18.25 Uhr:
[Hotel Petrusa, Garten-Loggia, Stromboli.]
Wind… W i n d… das ist der erste Eindruck dieses Mal; er bestimmte auch die Fahrt mit dem aliscafo, die nach Stromboli fast nicht stattgefunden hätte… des heftigen Sciroccos wegen, der nach den Eruptionen des Vulkans nunmehr die Insel bestimmt… aber der Reihe nach; ich hoffe, Ihnen die Erzählung noch vor Ladenschluß einstellen zu können. W i n d aber, so denke ich, daß ich das Gedicht für die Galerie Jesse betiteln werde. Er fegt um jede Ecke, streicht durch jede Fuge, es ist der allererste Sinneseindruck – und derjenige, der momentan auch b l e i b t. Heute nacht werde ich eine Minidisc mit dem Wind aufnehmen, sie anfüllen mit Wind… aber, schrieb ich, der Reihe nach.

Gestern nacht noch, da schlief der Junge bereits, trug ich auf dem Balkon des „Hotels“ Trieste vom gestrigen Abend das Fehlende noch nach (und >>>> stell es jetzt mit ein {dort ab NACHTRAG, 22.35 Uhr}); dann ging ich schlafen.

Die Nacht war in der Tat laut; nur wenige Gäste schien das IGUANO zu beherbergen, aber diese waren deutlich bemüht, ausgelassen abtanzende Menge zu simulieren; zudem, als man schloß gegen morgens um drei, wurde laut gerufen, mit den Türen geschlagen, es hallte enorm; dennoch war ich ausgeruht, als der Handy-Wecker um fünf ging. Immerhin war es da still; ich rauchte die Morgenzigarette auf der Balkon-Loggia, dann weckte ich den Jungen, der erst gar nicht wachzukriegen war, aber dann behauptete, er habe von all dem Rumoren gar nichts mitbekommen.
Wir verließen das Trieste pünktlich um halb sechs, sclurften (er), scheppten (ich) uns durch das gerade erwachende, noch finstere Catania, waren innert fünfzehn Minuten am Bahnhof und hatten also noch Zeit für den latte macchiato; ich lasse den Jungen wie mich selbst in Italien seinen Morgencaffè trinken und habe überaupt nicht den Eindruck, daß ihm das schade – seine gerade sieben Jahre nun hin oder her.

Pünktlich um 6.15 Uhr verließ der Zug Catania, der Junge war bereits so munter, daß er sich irgendwann zu dem Satz hochschwang: „Hauptsache, ich bin schmutzig!“ Womit er zum Ausdruck brachte, ihn inspiriere die Aussicht nicht sehr, abends wieder duschen zu sollen. Seinem Gesicht war nämlich die halbkalte Dusche im Trieste gar nicht mehr recht anzusehen.
Der Alte, womit ich nach wie vor den Ätna meine, rauchte bilderbuchartig vor sich hin, über dem Meer stand noch scharfsichlig Mond, verblaßte, und knapp die südlich Kalabriens aufgehende Sonne brachte das Meer zum Gleißen. Wir fuhren, immer mit stupendester Aussicht zu beiden Seiten, an Taormina vorbei, an Giardini Naxos darunter, das im >>>> Sizilienbuch eine kleine Rolle spielt; dann wurde der Zug unversehens langsam; schließlich stand er. Ich ahnte schon was, ließ mich aber (noch) nicht nervös machen. Wir mußten in Messina umsteigen, um nach Milazzo zu kommen, von wo die Fähren auf die Äolischen Inseln abgehen. Neben uns begannen Sizilianer, sich über die Zugverspätung zu unterhalten; nun w a r es nicht mehr zu verdrängen, und ich fragte vorn in der Lokführerkabine nach. „Oh!“ rief der Schaffner. „Nein, das schaffen Sie nicht mehr. Aber ich helfe Ihnen. Wenn wir da sind, zeige ich Ihnen die Busstation. Vielleicht schaffen Sie es noch mit einem Bus.“ Inschallah, dachte ich. Sich aufzuregen, bringt eh nichts.BILD Stick 3 Im Zug 130407
Wir kamen an. „Binario sette!“ rief mir der Schaffner zu, „presto, presto!“- Sofort das Zeug geschnappt und losgerannt… ge„schnappt“ ist bei den beiden Rucksäcken u n d dem Umstand, auch auf die Sachen des Jungen achten zu müssen, eine Art understatement… Doch wir schafften‘s…sogar mit massig Zeitüberhang, weil seinerseits der Milazzo-Zug Verspätung hatte. Wir hatten ihn kaum erklommen, merkte ich schon, woher er kam: war die Nacht durch den ganzen weiten Weg von Rom herabgekommen und mochte vor etwa einer Stunde von der Eisenbahnfähre über die Meerenge gebracht worden sein. Jedenfalls lagen noch immer schlafende Leute in den Abteilen. Wir weckten sie mit unserer Aufgeregtheit. Zumal wir dann noch lange auf dem binario herumstanden… mehr als eine halbe Stunde, weil man auf andere Anschlußreisende in Richtung Palermo wartete. Nun werde, dachte ich, der Anschluß an die Fähre knapp, die nur einmal täglich, dachte ich, fahre… endlich ging‘s los, in einem Bogen quasi u n t e r der Stadt durch. Es war trotz des nunmehr sehr hellen und schon speziell sizilisch-warm gewordenen Tages längere Zeit dunkel. So daß wir beide einnickten, mein Junge und ich.

Ich wurde wach, weil wir standen. Ich luge aus dem Fenster. Kein Stationsschild zu sehen, aber deutlich ist‘s ein Bahnhof. Wo herrjeh sind wir? Ich frage die beiden im Abteil Mitreisenden. Sie wissen es auch nicht. Einer Eingebung folgend, trete ich aus dem Abteil, schaue aus anderen Zugfenstern, lese ein Schild, das nur halb zu sehen ist: „…azzo“ – ach du Scheiße. „Das ist Milazzo?!“ frag ich welche, die sich an mir vorbeiquetschen. „Sì, Milazzo…“ Wo ich denn hinwolle. Zum Hafen. „Da müssen Sie den Bus nehmen. Aber der Zug fährt gleich weiter, Sie haben keine Zeit.“ Ich meinen Sohn rufend aufgeweckt… „Schnell, schnell, wir müssen raus!“ Er geistesgegenwärtig wie ich, quasi spontanwach, greift sein Zeug, ich ziehe den Rucksack von der Ablage… und wo ist der kleine Rucksack mit dem Latop? wo sind die Nahrungsmittel? Jesses! Aber los jetzt… wir rutschen mehr, als daß wir ausstiegen, hinaus… die Stationsvorsteherpfeife schrillt, der Zug ruckt an, fährt weg.
Ruhe.
Kleine öde Piazza vorm Bahnhof. Auch das ist für Sizilien nicht untypisch, daß die Bahnhöfe weit außerhalb der Ortschaften sind; die eigentliche, die lebendige Infrastruktur besorgen Busse. So einer kommt dann auch, dem orario nach viel zu früh. Sizilianerstimmung, man steht vorm Bus und raucht. Wir kommen ins Gespräch, „aber Sie wissen, daß Stromboli gesperrt ist“ – „chiuso“, sagen die beiden… ich erzähl ein bißchen, den Jungen lassen sie schließlich umsonst mitfahren. Wir erreichen den Hafen, steigen mit einigen anderen Touristen aus.
An der Mole erzählt mir der Mensch von der siremar: nein, die Fähre gehe nur donnerstags und montags, aber… sowieso… „Stromboli fahren wir heute nicht an.“ „Wie bitte?!“ „Scirocco ist, man kann nicht anlegen. Aber erkundigen Sie sich nach Genauerem im ufficio.“
Ich also zur Siremar. Der Mann an der Kasse zuckt die Achseln. Selbe Auskunft. Was tu ich jetzt?
Ich rufe mit dem Handy – teuer, teuer, weil über Deutschland nach Italien zurück – Jesses Kontakt auf Stromboli an, Frau L., die die Unterkunft am Vulkan besorgt hat. „Ja, das ist richtig, hier kann derzeit kein Boot anlegen, der Seegang ist zu hoch, damit haben wir es manchmal hier zu tun.“ „Und was mach ich jetzt? Soll ich versuchen, erst mal überhaupt auf eine der Inseln zu kommen.“ „Das wär das Vernünftigste. Fahren Sie erstmal bis Lipari, da kann man sich sehr schön aufhalten. Milazzo ist eher schrecklich.“ „Gut, ich melde mich wieder.“
Wir hatten einige Zeit, nahmen an der Hafenbar Cornetti, caffè, Wasser und ich einen Grappa. Und ich rief noch Claudia Jesse von der Galerie Jesse an, woüber ich ja den Auftrag, über Stromboli zu schreiben, habe; wir machten .aus, daß ich halt, falls der Scirocco so anhalte, über „eine R e i s e zum Stromboli“ schreiben würde, nicht aber dann über den Stromboli selbst… wenn man nicht ankommt, was soll man tun?

Leser, die Zeit wird knapp, der Wind wird kalt hier auf der Loggia, ich weiß nicht, wie lange der Buchladen aufhat, den mir Frau L. als Internet Point nannte. Deshalb schließe ich hier für heute mit einem FORTSETZUNG FOLGT und schreibe das Übrige nachher in Ruhe weiter, um es dann morgen einzustellen. Daß wir angekommen s i n d, das wissen Sie ja nun bereits. Aber wie und unter welchen weiteren Umständen… d a s… ja, das lesen Sie dann morgen. Wenn Sie mögen.
Um 19.19 Uhr auf Stromboli: ANH, der Ihnen aber noch zur Nacht ein Bild gönnt: des rauchenden Ätnas, vom Zug nach Messina aus fotografiert:

FOTSETZUNG FOLGT.

(Der mir genannte Internet Point, die wenige Schritte vom Hotel entfernte Libreria, hatte an diesem Freitag, dem 13. (ein g u t e s Datum) geschlossen; der andere Internet Point auf der Piazza hat nur vormittags geöffnet. Ich stand davor. Kehrte um. Der Wind riß an den Fahnen der dortigen Bar. Vereinzelt kleine geöffnete Läden; die meisten Häuser machen den Eindruck privaten Rückzugs, die Restaurants von fehlenden Gästen. Bisweilen röhrt ein dreirädriges Piaggo-Lieferwägelchen durch die langezogenen Gassen, die eigentlich gepflasterte, weißmauern- und zaunbegrenzte Wege sind, mehr, als daß sie wirklich Gassen wären, und die die der Ortschaft Stromboli zugehördende untere Vulkanflanke durchziehen.
Kam im Hotel an, aß mit dem Jungen zu abend – kalt, Salami, Käse und Brot, dazu Wasser und Wein. Weil heute sehr gespart werden muß und die in Catania gekauften Lebensmittel noch da waren. Der Junge hätte gerne warm gegessen, aber war dann a u c h ganz zufrieden, zumal ich mit ihm zusammen schlafen ging. Er rückte heran, seinen Kopf in meinem Arm, ich spüre die Füßchen.)

Also die FORTSETZUNG:

… wenn man nicht ankommt, was soll man tun? schrieb ich zuletzt.
Wir schifften uns also auf einem aliscafo ein ein, da war es 10.30 Uhr und überaus warm; eine ganze Menge Touristen für Vulcano und Lipari waren dabei, man kam schnell ins Gespräch, verglich Karten, fragte nach der Vulkansituation, der Junge schaute nach „Haien“.Leicht bewegte See, hatt‘ ich den Eindruck und verstand die Schwierigkeiten mit dem Scirocco eigentlich nicht. Aber das sollte sich ändern. Schon kam Vulcano in Sicht. Schöner kleiner Hafen, zu beiden Seiten in Höhen und Klüfte hinauf. Das säh ich mir auch gern mal an. Doch wir mußten weiter. Schon Lipari, Ferienbetrieb, Pause, aus dem Rucksack herausräumen, was wir jetzt nicht brauchten; ihn selbst am Deposito abgeben, bei der Siremar wegen Stromboli nachfragen: Nein, man könne noch gar nichts sagen; es sei eher unwahrscheinlich, daß ein Boot hinüberfahre. Wir spazierten etwas das Küstensträßchen entlang; es war bis zum sehr eventuellen Ablegen des Stromboli-Aliscafos nicht genug Zeit, um wirklich ins Inselinnere zu spazieren, gar zu wandern; für bessere Aussicht auf einen Berg zu steigen, fiel schon ganz aus. Also pausierten wir an einer Mauer, sahen dem Meer zu, aßen von unseren Vorräten, gingen schließlich in den Ort zurück und dort auf die Höhe ins Archäoloische Museum, von wo aus man ganz wunderbare Blicke hat.

Dann ging es wieder zum Hafen hinunter. Nein, man wisse immer noch nicht, ob Stromboli anlandbar sei… es sei in jedem Fall riskant und deshalb der Entscheidung des Kapitäns überlassen. Ich möge entscheiden: Wenn ich mein Ticket jetzt kaufte, sei das auf eigenes Risiko. Nein, auf dem Schiff selbst könne man‘s nicht kaufen.Um meine Risikoentscheidung käme ich also nicht herum.
Ich rief wieder Frau L. auf Stromboli an. Das sei so, ja, die Situation habe sich am Steg nicht geändert. „Im Zweifel wirft man Sie auf Panarea hinaus, dann müssen Sie eine Privatunterkunft finden… Herbergen gibt es dort keine. Normalerweise klappt das aber.“ Für mich allein hätte ich ohne zu zögern dieses Risiko s o f o r t genommen; reist man mit einem Kind, ist das anders. Andererseits: der Junge h a t solch einen Vater, und Abenteuer gibt es ohne Risiko nicht. Sie prägen fürs Leben. „Notfalls schlafen wir draußen am Meer“, sagte ich. Er: „Ohne Schafsäcke?“ Ich: „Wir haben genügend Klamotten dabei.“ Er: „Au ja, das machen wir dann.“ – (Heute, 14. 4., da ich dies schreibe und durch die Scheiben ins Regenwetter seh, bin ich ganz froh, daß es schließlich doch anders kam; auch schon des Laptops wegen.) – Mit uns vor dem Aliscafo mehrere Leute für Panarea… und ein gegerbter, s e h r lebendig wirkender Mann von um die Sechzig, mit langem grauen Bart, spöttischen, dabei fast wilden und sehr menschlichen Augen (das wäre so eine F i g u r für eine Erzählung)… ein Nordeuropäer, kein Italiener, schon gar kein Sizilianer… er hatte zudem Bildung im Blick… ein Aussteiger, dachte ich, der schon seit Jahrzehnten halbzurückgezogen auf Ginostra lebt, privatgelehrt im vitalistischen, nicht Antiquariatssinn… so etwas gefällt mir ja immer, ich hab da spontan eine Achtung, die die Zuneigung streift… – Er jedenfalls, zwei Pakete bei sich, auf denen denn auch wirklich, mit Filzer geschrieben, satt GINOSTRA stand… er gab an einige Leute, die ihn befragten, Auskunft, ich trat näher… Ginostra ist auf dem Stromboli-Vulkan die andere Ortschaft, genau gegenüber und den Kratern näher gelegen; es gibt zwischen hie und dort kaum eine Verbindung, man fährt am besten, bei gutem Wetter, mit dem Boot, sonst muß man klettern, bzw. über den Vulkan. Ich wußte, daß dort Aussteiger leben; sie lebten schon von einundzwanzig Jahren dort, als ich Stromboli zum ersten Mal besuchte, über den Kratern übernachtete, sehr früh morgens wieder abstieg, um meine Fähre zu bekommen… ich war pünktlich, aber sie war schon fort, weil sie – abermals eines Sciroccos wegen – nicht mal die Bootsklappen rnterbekam… so bin ich damals dreivier Tage auf dem Vulkan hängengeblieben… Wie sich so manches wiederholt.
Jedenfalls sprach ich ihn an. Tja, das sei schwierig, aber der Kapitän des nun kommenden Aliscafos sei ein mutiger Mann, er, der – ich sag mal: – gebildete Aussteiger, sei guter Hoffnung heimzukommen. „Versuchen Sie‘s einfach? Was kann Ihnen, mal im Ernst, schon geschehen?“ A, dachte ich, wie recht er hat! was für zivilisierte, lächerliche Sörgelchen das sind, mit denen man so umgeht – wir sind ja nicht auf terra icognita, überall leben Menschen, die man um Gastfreundschaft ansprechen kann und die sie auch ganz sicher gewähren, wenn da einer mit seinem siebenjährigen Buben am Strand steht, und die Nacht kommt. Verzärtelung, dachte ich noch, – und was selbst, verbrächten Papa und Sohn tatsächlich die Nacht im Freien, am stürmenden Meer, und frören… ja du meine Güte, weshalb n i c h t? Für den Buben viel mehr lebendig prägend, als jede Schule nur sein kann.
Also los.
Und die See wurde einigermaßen bissig. Jetzt war der Wellengang zu spüren, jetzt war zu m e r k e n, daß man auf See war. (Der Junge, immer noch aufgeregt und ausgelassen, dann aber plötzlich sehr ruhig, ich merkt es, er wollte auf meinen Schoß… „Was hast du?“ „Ich bin ein bißchen schiffskrank, Papa.“ Ich beobachtete es zehn Minuten, dann fragte ich: „Magst du lieber zur Toilette?“ „Ja, besser wär das.“ Was für ein verünftiges, was für ein kluges Kind! Und sachlich dabei, nicht die Spur jammerig, männlich, dachte ich stolz. – Er übergab sich dann tatsächlich, wischte den Mund ab, ich spülte – „du bist so tapfer, und ich bleib hier in der geöffneten Tür, bis dir besser ist, das stehen wir durch“ -; dann sah der Bursche auf, grinste und sagte: „Jetzt ist es gut, ich will wieder nach vorne, will schauen. Wir passierten einen Schiffsoffizier. „Gehen Sie mit dem Kind am besten nach hinten, da liegt das Schiff ruhiger.“ Mißbilligend sah er den Jungen wieder nach vorne stürmen, sah ihn die Nase an die Scheiben pressen, gewissermaßen in die von de Tragflächen spitzende Gischt, wiederholte die Aufforderung, nach hinten zu gehen. Ich schüttelte den Kopf. „Nicht den Jungen bestrafen für die Seekrankheit. Er muß sich dem aussetzen dürfen.“ Und s e h r stolz sagte ich: „Ich k e n n e meinen Sohn.“ Immer näher kam der Vulkan.
Wir erreichten Ginostra… riesige Aufregung plötzlich, Rufe, „schneller! schneller!“ Vorn hielt ein Schiffer das Seil um den Poller, mit aller Kraft, sein Schiffsfreund hielt und zurrte mit, zur Seite der Ponton ging auf und ab, ein- zweimetrig in der Amplitude, „los doch! j e t z t !“ Der andere Schiffer rennt zum Ausstieg, ich renne mit, will sehen. Man schiebt die schmale Gangway ans Bott, schiebt sie hin, zieht sie zurück… die Aussteigenden werden gestoßen, als gäbe man ihnen einen Schub, damit sie auch heil hinüberkommen… wie auf einer Wippe werden sie hochgehoben, abgelassen vom Seegang, der das Schiff hebt und wieder senkt… „schau Adrian, was ein Seegang!“… „Boaaahhh!“… auch hier ja kein Hafen, nur dieser Ponton… Das Aus- und Einschiffen braucht insgesamt keine zwei Minuten, darf es auch nicht, schon die Motoren mit voller Kraft… wir pressen uns rückwärts von dem Ponton w e g. Jetzt sind vielleicht noch zehn Passagiere an Bord, nicht mehr, vierfünf Touristen, vierfünf Einheimische… WUMM macht das Boot immer wieder, wenn es in ein Wellental knallt, sich wieder anhebt… dabei zugleich seitlich rollt. Wir passieren einen kleinen Lavasturz: glatt hat er Fels ins Meer rutschen lassen;die große Sciara del fuoco liegt auf der anderen Vulkanseite. Schon sieht man den Flecken Stromboli näherkommen. Von Ginestra waren zwei Berliner Gobetrotter eingeschifft worden, dunkelbraune Haut, gegerbt, zerrissen beim älteren, der einen Jungen von etwa vierzehn Jahren dabeihat; sie wirken schmutzig, oft im Freien campiert, und haben beide diese Sicherheit, die Leute ausstrahlen, die ihr Leben mit direkter Naturberührung verbringen. Sie sind aus Berlin. „Sieht man sich mal?“ „Berlin ist groß.“ Ich habe noch keine Visitenkarten, um etwas aufzuschreiben, schwankt das Schiff zu sehr, außerdem ist das Schreibzeug verpackt… und wir müssen bereit sein. „Ihr habt kaum Zeit, auf Stromboli wird das Aussteigen eher n o c h schwieriger als auf Ginostra.“ Letztes Jahr, erzählt er noch, habe der Vulkan auf das Örtchen eine Bombe geworfen… „ein Haus und eine Straße gingen entzwei“…ich nenne ihnen >>>> meine Website…. „da gibt es eine Kontaktmail-Adresse“… er schreibt sie sich auf… Rufe schon abermals, Schreie fast… „Wir müssen! Adé!“… den großen Rucksack hochgewuchtet, den kleinen Rucksack genommen, der Junge hat sich den seinen schon aufgestülpt… der Ponton vorn uns hebt sich übers Fenster, hebt sich unters Fenster… die Luken auf… „los jetzt!“ „Papa, mir ist wieder schlecht… ich…mir ist wieder…“ „Noch eine halbe Minute…“ „Ich kann nicht…“ und es quillt aus ihm raus. „Macht nichts“, sagt der Schiffer, „macht nichts… nur schnell jetzt…“ Wir schieben dem Jungen einen mit Plastiktüte ausgeschlagenen Müllbehälter zu… es geht dennoch etwas daneben… der Junge wischt sich den Mund… „los, Adrian, los, hinaus!“ Man w i r f t ihn fast auf die auf- und niederehende Gangway… einige Leute pulken sich auf dem Ponton… ich hinterher… wir sind draußen.

Frau L. erkennt uns gleich, nimmt uns in Empfang. Eine in ihrer sportlichen Bekleidung sehr elegant wirkende Frau zwischen vierzig und fünfzig: die Eleganz derer, die bewußt abseits leben. Dem Junge ist nahezu spontan wieder gut. Er lacht, beginnt zu plaudern, zu schwätzen. Und wir werden zum Hotel gebracht, sehen den Aliscafo noch ablegen. Sind angekommen. Und seitdem:

W I N D E

Übertrag CASSA 598,40
./.Aliscafo MIL-Lipari 21,30
./. Aliscafo Lipari-Stromboli 24,50
./. Bus Milazzo 0,85
./. latte macchiato Catania 2,60
./. Hafenbar Milazzo 8,–
./. Granita Lipari 3,60
./. Einkauf Wein & Wasser
auf Stromboli 10,–
Caffè & Grappa Stromboli 4,–
./. Esportazione 5,60
verbleibende CASSA 517,95

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