6.26 Uhr:[Hotel Petrusa, Stromboli.]
Früh zu Bett gegangen, mit dem Einbruch der Dunkelheit fast. Man gleicht sich in der Naturnähe dem Tageslauf an – eine Erfahrung, die ich immer wieder gemacht habe und vor allem aus Afrika kenne. Man wacht dann auch mit dem Tages(licht)anbruch auf. Der direkte Hotelbereich öffnet erst ab sieben, so daß ich erst einmal noch hier in dem kleinen Zimmer tippe, obwohl der Junge noch schläft.Bedeckt ist es draußen und s e h r stürmisch heute; Wolken ballen sich, die Baumwipfel sind in zerrissen wilde nach Ost/Nordost flatternder Bewegung. Überall heult es, aber es ist ein tiefes Heulen, wie durch eine lange Röhre mit breitem Durchmesser geheult. Ich >>>> trage erst einmal das Gestern nach.7.10 Uhr:
Bin in den als kleinen Aufenthaltsbezirk eingerichteten Raum vor der Rezeption umgezogen, der um sieben geöffnet wird, um den Jungen ungestört weiterschlafen zu lassen und einen latte macchiato zu trinken. Es hat zu regnen begonnen; der junge Hotelier bittet drum, dieses Wetters wegen das Frühstück heute im Gastraum einzunehmen. – Ich bin nicht unruhig; Wetter kann auf See jederzeit umschlagen, man steckt nicht drin. Nur froh bin ich, daß wir – schon der Bergtour wegen – festes Schuhwerk und dicke Klamotten mitgenommen haben. Auf den Vulkan hoch will ich eh nicht vor Montag. Also weiter am >>>> Bericht von gestern.
8.45 Uhr:
Die Sonne kommt durch. Der Junge schläft noch immer. Muß mal fragen, bis wann wir hier frühstücken dürfen. Danach werd ich zum Internet Point losziehen, E-Post checken und beantworten und dann die Vulkan-Bergführer kontakten. Und ich will mit dem Wind-Gedicht für die Galerie Jesse beginnen.
10.19 Uhr:
Die Gesetze auf solch einer Insel, zumal außerhalb jeder Saison, sind eigen. Also fand ich derzeit noch immer keinen Internet-Zugang. Die Libreria hat weiterhin geschlossen, bei dem anderen Internet Point sei der Computer „rotto“. Ich werd‘s in einem der Hotels versuchen, eines schrieb ich mir ja bereits in Berlin heraus. Vielleicht klappt es da. VOLLTEXT-MEERE, als „Ausweis“, nehme ich mit.
Es regnet wieder, aber nur leicht. Im Hotel sind wir die einzigen Gäste.
13 Uhr:
[Stromboli, bei Barbara Engele.]
Wir sind bei Barbara Engele „gelandet“, die uns >>>> Marco Fulle als Ansprechadresse genannt hat, trinken Wein, plaudern und plaudern, und hier darf ich auch ins Netz. Barbara vermietet uebrigens auch… (Sie erkennen an den Umlauten die italienische Tastatur)… also bei Interesse das >>>> Kontaktformular auf der fiktionaeren Website verwenden, ich leite dann weiter… jetzt werden Spaghetti gegessen, wir knuepfen Kontakte, der Aufstieg auf den Vulkan wird vorbereitet…. Fotos stelle ich morgen ein, da ich keine „Linkung“ vom Apparat zum Computer mitgenommen habe… es regnet immer mal wieder, dann kommt die Sonne durch… es gibt Wein…
NACHTRÄGE (geschrieben 15. 4. 2007):
[Im Wind.]Lange noch saßen wir bei Barbara E., deren Tochter Francesca hinzukam; ich ging ins Netz, bereitete das Reisejournal vor, stellte es ein, fand dabei >>>> diesen ausgesprochen fremdartigen Kommentar – fremdartig, weil ich nicht weiß, was er da soll. Aber ich scher mich nicht drum, sondern lasse ihn stehen. Entscheiden Sie selbst.
[Er wurde offenbar geloescht, jedenfalls finde ich ihn jetzt (15.4., 17.18 Uhr) nicht mehr; vielleicht hat sein Urheber erkannt, wie deplaziert er war.]
Die Flasche Wein leerte sich über die Spaghetti, die wir dann a u c h noch aßen, uns übers Leben auf Stromboli unterhaltend, die letztlich ja glückenden Versuche, sich über Wasser zu halten (hübsche Formulierung hier) vermittels Kunsthandwerk und Untervermietung, „meine Kinder sind erwachsen, ich kann das jetzt“ – das Leben der Pendlerin zwischen sehr verschiedenen, immerhin europäischen Welten, wie ich das auch von >>>> Eigner kenne, auch >>>> von meinem Vater, halb Aussteiger, halb aber eben doch assoziiert – eine ruhige, ruhende, möcht ich sagen, Sicht auf die Dinge. „Was darf ich dir für den Internet-Zugang geben?“ „Eine Münze – symbolisch, damit man weiß, daß das Leben was kostet.“
Schließlich zogen wir ab, der Junge und ich, der mit Cleopatra gespielt hatte und gar nicht mehr wegwollte; Cleopatra heißt die Schäferhündin Francescas, bisweilen kabbelt sie sich – die Hündin, nicht Francesca – liebevoll mit einer der Katzen, „die Katzenbabies hat sie für ihre eigenen Babies gehalten, hat sie in der Schnauze hinausgetragen, wieder hereingetragen…“ – Wir steigen die kleine Höhe wieder ab, für mich geht‘s in Richtung eines späten Mittagsschlafs, es ist kurz vor halb drei. „Gefällt‘s dir hier?“ frag ich den Jungen. „Papa, ich will hier gar nicht mehr weg.“ Auch wenn für ihn das Sprachproblem begonnen hat, eines zu s e i n – vor anderthalb Jahren in Olevano bei Eigner war das für ihn, damals fünf, noch keines gewesen; er hatte sofort bei anderen Kindern Anschluß gefunden; jetzt weiß er nicht recht, was er tun soll, wenn man ihn anspricht. Er beginnt, die Folgen des Turmbaus zu Babel zu begreifen – nein, zu spüren. So oft es geht, schick ich ihn darum allein fort, irgend etwas zu besorgen, nur mal ans Meer runterzulaufen – nur, damit er für sich einen Umgang damit findet, sich sprachlich durchzuschlagen lernt und nicht scheut, sondern mitbekommt, daß ‚es‘ immer irgendwie geht. Aber er hält sich im allgemeinen eng an mich.
Um vier, nachdem ich wieder aufgestanden bin, kleiner Ausflug zum Posten der Bergführer. Ich will herausbekommen, was solch eine Tour kostet und ob das vielleicht auch ohne finanzielle Intervention von Deutschland aus geht. Doch die Posten sind nicht besetzt; ich frage in der Bar nach… „niemand da? Vielleicht wegen des schlechen Wetters…“ (tempo brutto sagt man). Ich abermals hin, Telefonnummern notiert, bei einer zweiten kleinen Station gibt es auch eine Internetadresse, ich notier sie. Dann, auf dem Rückweg, entscheide ich mich, mit dem Jungen noch eine Tour d e n sentiero entlang zu unternehmen, der erlaubt ist: also zur Sciara del fuoco, der Feuerrutsche, über die die meiste Lava ins Meer abgeht. „Zieh die dicken Schuh‘ an, wir gehen auf den Berg.“ Er ist aber auch s ofort dabei. Ich möchte vor allem herauskriegen, wie er sich bei einem Aufstieg anstellt, ob er das schon schafft mit seinen kurzen sieben Jahren – wichtig für die Tour mit dem Vulkanführer, die ich für Montag plane, damit man sie nicht abbrechen muß, weil‘s dem Jungen zu schwer wird. Aber er hält gut mit, ich gehe meinen normalen, schnellen Schritt; er hält das völlig durch. „Mit dir kann man ja richtig loswandern..!“ Es muß halt nur was zu sehen geben.
Das gibt‘s dann. Erst steil hoch, dann rechtsseitlich weg, ein Pfad, der durch mediterranen Bewuchs geht, wilder Fenchel, Macchia, Ginster, Kapern, sehr selten Bäumchen, alles stachlig-dickicht, Ölblätter, dicke Rinden. Vieles blüht. Hin und wieder sind Bäumchen schwarz verbrannt – ich bin mir aber nicht sicher, ob von Menschenhand, um den Pfad freizuhalten.
Weit leuchtet das Meer unter uns, immer bleibt Strombolichio in Sicht – der „kleine Stromboli“- eine Felsnadel, die vor dem Vulkan aus dem Meer ragt… älter als die Insel, als der Vulkan… Vulkan einst selber gewesen… nein, nein, sondern die erstarrte Lava im Schlot eines Vulkans, den es um diese Lava, um diesen Fels, herum in Jahrtausenden abtrug… eine Zunge also ist es des Erdinneren, das sie durchs Meer herausstreckt, u n s herausstreckt… und wie ein Pickel darauf, wie ein geschwollenes Geschmackswärzchen, steht der kleine Leuchtturm…Sieht er nicht aus wie von Böcklin gemalt? Ah! und erinnert uns n i c h t ?
Doch weiter, wir wandern guten Schrittes. Und nämlich… gleichsam p l ö t z l i c h (weil, obwohl wir‘s wissen, unerwartet) – d a s: [Ich wollte hier einen kleinen Film einstellen, aber die Verbindung ist zu langsam und schafft es nicht; ich hole das in Deutschland nach… versprochen. So muessen denn zwei B i l d e r erstmal reichen):Deutlich sehen Sie den Krater oben und dann abwärts fallend die Lavarutsche… ganz bis hinab ans Meer.
Wir stehen sprachlos. Es qualmt aus dem Krater, um ihn herum weitere, kleinere Öffnungen; Lava tritt aber nicht aus. Der Junge will höher, wir steigen höher. Bis 400 Meter. An dieser Höhenlinie wieder ein Verbotsschild: Nicht hierüber hinausgehen, von nun an beginne die Erdrutschgefahr, beginne die Gefahr stürzender, rutschender Hänge. Es lockt aber enorm. Doch die Sonne steht schon tief, wir müssen noch den ganzen Weg zurückgehen… immerhin entdecke ich einen anderen, leichteren Zugang für morgen, den wir auch abends, den wir auch im Dunklen nehmen könnten… um dann zu sehen, wo etwas glüht… man kann am Meer entlang bis zur Punta Labronza… das mag öde sein, weil befahren, aber dann geht‘s immer steil hoch… und nur im Dunklen wird man auch sehen, wo es noch glüht, wo etwas austritt… nun, in der untergehenden Sonne, ist alles nur bewegter Rauch. – Als wir wieder absteigen, löst sich auf der Sciara del fuoco eine kleine Lawine und klatscht tief unter uns ins Meer. (Der Junge möchte eigentlich gar nicht mehr weg). Über uns ein Geräusch, wir sehen auf… ein Grüppchen MufflonsNunmehr kehren wir uns endgültig um, mein Sohn und ich, und nehmen den sentiero, den wir kamen. Zwei Arbeiter rumpeln auf ihren Vespe mit auseschalteten Motoren den Weg hinunter, bevor wir ins Terrain abbiegen, sie grüßen, sie sind an Aussichtsplattformen beschäftigt, die für Touristen angelegt und gesichert werden. Schade, denke ich, schade.
Es ist bereits dunkel, als wir im Ort anlangen. Der Wind geht. Man sieht auf dem Meer eine erleuchtete Fähre, von Strombolichio winkt der Leuchtturm mit Licht. Wir spazieren noch zum Meer hinab, ich sitze eine Zeitlang, der Junge ruft wieder: „Hauptsache, ich bin schmutzig!“ und wühlt Lavastrand auf, ich rauche eine Zigarette. Dann kehren wir uns zu Dusche und Abendbrot.Um 22 Uhr liegen wir beide im Bett.
./. Feuerzeug 0,60
./. caffè 1,–
./. Wein und Brot 7,85
./. Internet 2,–
verbleibende CASSA 508,50
Im Portomonnaie aber de facto nur 485,– Euro; es fehlen 20 Euro,
von denen ich mich beim besten Willen nicht erinnern kann, wo wir
sie ausgegeben haben. Der heutige Tag war billig. Dennoch muß ich
die CASSA nun leider auf den tatsächlichen Stand modifizieren:
also CASSA 485,–.