DTs. (14. Oktober 2004).

7.40 Uhr:
[Schulhoff, Flammen.]

Seit langem einmal wieder über die Musik, über Busonis Faust, eingeschlafen. Plötzlich ein Geräusch, das mich an ein Nagetier denken ließ: Da lebt was im Bettkasten unter der Arbeitscouch. Hellwach fuhr ich hoch. Es raschelte täuschend echt, ich lauschte. Nichts. Legte mich wieder, um zum Wecker zu greifen, da nagte das Geräusch erneut. Ein ganz verzwicktes “Tu was! Tu was!” Und wirklich ist es, seit ich aufgestanden bin, weg.
Dafür funktioniert der Kühlschrank wieder. Er scheint sich eigenmächtig abgetaut zu haben, denn das seit Wochen an tiefste Arktis erinnernde Eisfach ist völlig frei, ich hab ja auch fast einen halben Eimer voll Wasser aufgewischt. Im Moment, da ich die Pavoni mit Espressopulver füllte, begann der Kühlschrank zu summen. Es gibt Geschehen, die sich nicht begreifen lassen; aber wenn sie gutgehen, ja Situationen letztlich verbessern, muß man das auch gar nicht mehr.

Also jetzt den Anfang von Argo skizzieren.
Um elf Analyse, dann wieder Arbeit (der Fantastik-Aufsatz wartet), um 16 Uhr hol ich meinen Jungen.
Abends schließlich das Takemitsu-Projekt unter Nagano in der Staatsoper.

15.10 Uhr:

Schon mal die Pressekarte von der Staatsoper geholt, auf ein paar Blog-Sätze reagiert und den Komplex um “antiquierte Sprache” verlinkt und ergänzt. Für Katanga Boxen in die andere Wohnung gewuchtet. Jetzt Titelblatt für Argo, eine erste Inhaltsübersicht. Sieht aus, als ginge es los. Eigentlich müßte ich meine gegenwärtigen Lektüren unterbrechen und selbst noch einmal in “Thetis” und “Buenos Aires” tauchen, damit ich in den Argo-Entwürfen keine Fehler mache. Parallel mit den Notizen lesen, deren erste ich wohl bald hier einstellen werde. Das Weblog wird allmählich zum Reservoir von Ideen, insbesondere die Notate müßte ich alle wiederlesen. Die Idee, den Sanften in den Roman einzubauen, ist wunderschön; das wird eine vorübergehende Insel der Ruhe.
(Interessant, wie selbstverständlich sich die Rubriken verschränken. Denn dieses hier gehört ebenso ins Tagebuch wie ins Arbeitsjournal. Eigentlich müßten manche Beiträge in mehreren Rubriken zugleich abgespeichert werden; das hätte erheblich mehr Wahrheit. Darüber für die Kleine Theorie des Literarischen Bloggens nachdenken. Und mal bei twoday fragen.)

(Ich hab mich eben entschlossen, diese DTs-Einträge, wenn der jeweilige Tag vorüber ist, aus der Hauptseite Der Dschungel herauszunehmen und allein in der Tagebuch-Rubrik stehenzulassen. Das ist für die hier versuchte Ästhetik sehr viel angemessener, weil sie Hintertüren und Verstecke braucht und außerdem prozessual sein will. Behauptet meine Zahnbürste. )

(Nachgetragen am 15. 10.):
Die Ablehnung über den Stipendien-Antrag beim Deutschen Literaturfonds ist eingetrudelt; wegen DLZI. Selbstverständlich hab ich damit gerechnet. Solange Peter Hamm in irgendeiner Jury sitzt, die über mein Werk befindet, ist es sinnlos, sich da überhaupt zu melden. Das wußte ich vorher und tat es dummerweise dennoch. Ich hab nicht den geringsten Schimmer, was diesen Mann zu einer derartigen Ansammlung von Machtpositionen legitimiert (bei Büchner sitzt er ebenfalls drin); die paar Gedichte, die er schrieb, können es kaum sein. Eher seine langjährige Funktion als Literaturchef beim Bayerischen Rundfunk; das desgleichen war schon ziemlich suspekt. Aber es gilt auch für Macht das marxsche Akkumulationsgesetz.
(Bei DLZI hat sicher darüber hinaus das “anrüchige” Thema eine Rolle mitgespielt: Türenknallen, weil man dem Boten die Botschaft verübelt.)

23.58 Uhr:

Selten mich so furchtbar geschüttelt. Und selten so einen Verriß geschrieben… nein, eigentlich noch nie. Das Takemitsu-Projekt an der Staatsoper ist einfach nur gräßlich. Was soll ich mehr dazu sagen? Mehr dann im Opernnetz. Jetzt besauf ich mich erstmal. Dann wirklich besser Pop.