Zu den DTs’. Revision. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (27).

[Verdi, Falstaff.]

DTs: In die Falle des Privaten getappt. Es ist die Falle einer simulierten Community, der das Literarische Weblog sich mitzuteilen glaubt. Dadurch projiziert sich die Imagination des Literarischen auf diese, s i e also wird erfunden, anstatt daß es sich selber als Kunstwerk schafft.

Es tritt dieses Private aber wie ganz von selbst in die Cyberwelt ein, man fühlt sich vertraut und erzählt. Das läßt schließlich von der Form, die einen anfangs so reizte, und wird zum Zwiegespräch mit einem Leser, den es grad ab-, den es fremd halten sollte. Dialoge sind in der Nähe nicht möglich, lediglich Versicherungen einer Sympathie, die so tut, als wäre man eines, ohne daß doch möglicherweise überhaupt etwas ist. Damit wird das Literarische Weblog zu einer „Mitteilung an die Freunde“, für die es allenfalls am Rande gemacht ist. Oder, wie die DTs in Den Dschungeln, zu einer Mitteilung für sich selber, als Selbstvergewisserung und Kontrollapparat, der einen zwingen soll, die Arbeit nicht schleifen zu lassen, und also mit der Blamage spielt, die, schleift sie dann doch, öffentlich wäre. Das mag eine pfiffige Berechtigung haben, unterhöhlt indes den ästhetischen Boden, auf dem allein Die Dschungel – als Kunstvorhaben – wachsen können.

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[Andererseits haben Zusammenhänge zu interessieren begonnen, wie ein privates Erleben zu Motiven in Romanen wird, namentlich in ARGO. Deshalb werden die DTs trotz der Bedenken weitergeführt. Aber sie werden fortan nicht mehr auf der Hauptseite erscheinen, sondern einzig noch im „Tagebuch“.]

13 thoughts on “Zu den DTs’. Revision. Kleine Theorie des Literarischen Bloggens (27).

  1. Auch wir Leser tappen in eine eigene Falle, in die der von Ihnen angesprochenen „Imagination des Literarischen“. Dieser Illusion entkommt man vielleicht nur, wenn man auf Kommentare verzichtet.

    1. Oder indem die Leser sie literarisch umformen. Als Erzählung, als Meinung, als seinerseits Paralipomenon. Schriebe etwa jemand als Kommentar zu einem DTs seinen eigenen Tagesablauf, bekäme das Unternehmen einen ästhetischen Witz. Und schüfe vielleicht sogar literarische Welt.

    2. „Die Namen der zweiundneunzig Personen in diesem Buch beginnen alle mit den Buchstaben FALL.
      Die Namen entstammen der letzten Ausgabe des von der Untersuchungskommission über das Nicht Identifizierte Gewaltsame Ereignis – NIGE – alle zehn Jahre veröffentlichten Leitfadens.“

      Peter Greenaway: Voli fatali [The Falls] (dt. von mir nach der italienischen Übersetzung)

    3. Wohlan, sagt sich der Leser im Schutz seiner Anonymität, geben wir zum Besten, was vielleicht nicht gut genug ist, liefern wir als Kommentar ab, was ständig in Gefahr ist, die gebotene Gelegenheit zu missbrauchen, etwa für Eier-Scharmützel, deren unfreiwilliger, aber aufschlussreicher Ertrag darin lag, uns sogar beim Eier-Kauf von der Geschichte einholen zu lassen. – Es trifft durchaus zu, dass Ihr Weglog einen bis in den Alltag hinein „beeinflusst“. Wie aber dem entsprechen? Angemessen wäre wohl, ein eigenes Weblog anzulegen. Aber auch damit wären solche Fragen kaum beantwortet. Soll ich etwa sagen, dass, wenn ich gelegentlich in die Gudvanger Straße gehe, die Duncker-Straße überquere (ich lebe z.Z. aber nicht in Berlin) oder dass irgendwo da in der Nähe auch N.Wodin wohnen muss? Soll ich – hysterisch oder wichtigtuerisch – sagen, dass Sie in Ihrem ungeheizten Zimmer sich ziemlichen Gefahren aussetzen? Denn sind nicht etwa Walser oder Hölderlin in der Kälte verrückt geworden? Soll ich sagen, dass ich mir – veranlasst durch den Anfang von ARGO – vorgestern die TB-Ausgabe von Sebald, Luftkrieg und Literatur besorgt habe, um nochmals zu lesen, was ich da an kaum vorstellbaren Bildern wieder verdrängt habe, wobei die sehr interessierte Buchhändlerin auch nicht weiterhelfen konnte, bei Celine die Passage über Hamburg zu finden? Soll ich sagen, dass mich seit Wochen die Frage beschäftigt, wie der „Der Sanfte“ als realer den Weg in die Geschichte zurückfinden kann? Er mit seinem Anteil von durchaus so etwas wie Hoffnung oder Erlösung? Soll ich nachfragen, wie das Verhältnis von Text und Bildern, wenn sie mehr sein sollen als bloße Merkposten, gestaltet sein soll (und also in die Theorie des literarischen Bloggens eingehen sollte)? Soll ich mich derart an etwas – ja – ranschmeißen? Da taucht so etwas wie vorweggenommene Scham auf, die es etwa verhindert, nachts um zwei Uhr auf Ihre Seiten zu schauen. Ich sehe hier eine – nicht von Ihnen zu verantwortende – Falle. Oder Gefahr. Oder nicht wiederzuerlangende Unbefangenheit.

    4. Danke für diesen Text. Wobei mich die Vorstellung, Ihnen auf der Duncker zu begegnen, gerade w e i l Sie nicht hier leben, einigermaßen begeistert. Das wäre als Fiktionsspiel zu beginnen. Wenn Sie sich also einen… sagen wir nom de guerre aussuchen wollten, ließe ich Sie mitten in die Anderswelt hineinspazieren und führte, da ja auch Herbst unterdessen dort angekommen ist – ja, als Figur -, dort mit Ihnen das hier begonnene Gespräch weiter…- wobei ich warnen muß: Ich schrieb bereits weiter unten, daß sich Figuren, seien Sie auch noch so real gemeint, im Kosmos des Textes ziemlich eigenständig weiterentwickeln. Außerdem geschehen ihnen Verhängnisse, die ihr Autor (das darin unterschobene „auto“ liegt gänzlich daneben) nicht in der Hand hat. In der Wolpertinger- und Anderswelt-Ästhetik weitergesprochen, ist zudem nicht ausgemacht, ob das nicht einen Reflex auf die Wirklichkeit auslöst. Doch wenn Sie es dennoch wagen möchten…

      Wegen Céline: Katanga hat heute mein Haß-Staccato auf die fktionäre Website gestellt, dort finden Sie zuhauf Zitate. Daß die Buchhändlerin nichts mit Ihrer Frage anzufangen wußte, zeigt einmal mehr, daß dieser Berufsstand nicht ganz zu Unrecht aussterben wird. Die Bücher, auf die ich mich wegen der Nachkriegsschilderungen beziehe, sind vor allem „Norden“ und „Rigodon“. Das erste Buch ist bei rororo zu haben, das zweite bekommt man leider derzeit nur antiquarisch.

    5. Danke meinerseits für die Hinweise zu Céline. An „Norden“ hatte ich auch schon gedacht, es aber wieder aussortiert, weil vor den fraglichen Ereignissen erschienen. So scheitert man auch heute noch wie weiland die alten Griechen, als sie durch bloßes Nachdenken naturwissenschaftliche Fragen lösten, was aber nicht diffamiert sein soll.

      Im übrigen stelle ich Ihnen h i e r m i t den Namen samt Figur zur Verfügung, der oder die schon seit einiger Zeit, etwa vor anderthalb Jahren, in die Welt kamen und hinter der jetzt WM einstweilen verschwinden kann. Es ist Brem, mit vollem Namen Brem Yellowstone, was WM im Laufe dieses Jahres versehentlich zwei Mails einbrachte, die von einer jungen Frau aus einer Kugellagerfabrik in Konstanz an ihren Bruder in Yellowstone, Kanada, gerichtet waren und die sich wunderte, dass sie keine Antwort bekam. Wieso sollte sich auch Brem in diesen ihn nichts angehenden Briefwechsel einmischen? (Habe sie aber zwischendurch über diese Irrläufer unterrichtet.) – Dass diesem Brem sein eigenes Leben widerfahren kann oder wird, ist ihm bewusst, und auch, dass er durchaus Mühe haben wird, sich selbst hinterherzukommen.

    6. Dann brauche ich jetzt noch ein Bild von Ihnen. Und Sie bekommen Ihr Portrait. (Ich habe so etwas bereits mit Burkhard Spinnen gemacht, der mich eines Tages bat, ich weiß noch wie heute, wir saßen in der U-Bahn: „Bitte, laß mich doch eine Figur in Deinen Romanen werden. Und: Ich wäre gerne mal ein Böser.“ So wurde Dr. Burkhard Spinnen in THETIS entwickelt. Mein Freund kam tatsächlich nicht sehr gut weg, doch immerhin als Vater Doratas: Thetis, II, 23.)

      Allerdings kann ich Einstweilige Verfügungen derzeit nicht brauchen. Doch ist wohl dieser Schriftwechsel Bestätigung genug, daß Sie „es“ wollten. Der Kläger, übrigens, im Fall meines verbotenen Buches kannte die Stelle sehr gut und hat über die Szene, wie Spinnen selbst, ziemlich gelacht. Es war ihm also bewußt, daß ich auch anatomisch auf den Punkt genau zu arbeiten weiß.

      [Um mir das Bild zu senden: fiktionaere@freenet.de.]

    7. Zu Brem ist nachzutragen, dass er sich gleich zweimal ziemlich vertan hat. Sein Nachname ist Yellowknife und nicht Yellowstone, das ja auch nicht in Kanada zu finden ist. Zweitens bei Céline nicht richtig hingeguckt, was das Erscheinungsjahr von „Norden“ betrifft. Meinetwegen soll dies auch gleich in das Bild eingehen, weswegen er sich, d.h. ich, noch melden werde. So geht es, wenn man in seiner Fantasie nicht genau genug ist.

    8. Zieht das Gelbe Messer den Westen oder den Osten vor? Europas, wohlgemerkt. Des andersweltlich-heutigen. Von einer Ruine zur anderen – als kleine fiese Céline-Travestie.

      (Und wäre Brem nicht der böse Name eines Vampirs [die Ostler schrieben „Vampyrs“]?)

    9. Spontan, also zurückgreifend auf einen vorhandenen unbekannten Vorrat, heißt die Antwort unbedingt: Osten, auch wenn dabei mangels Lektüre nicht einbezogen ist, was dem Osten tatsächlich zugedacht ist. Aus dem Osten kam alles, und der Westen ist nur der letzte Schritt, bevor man sich dem Meer überantwortet, Cap Sao Vincente. So etwa in nuce ein Abstecher, wobei Anführungszeichen nachzutragen wären, durch polnische Landschaft, um dann – tatsächlich – von Fährleuten von Hand über die Odra gezogen zu werden, ist um kein Geld hier oder in der Fantasie mehr zu haben. Da vergisst auch Brem erneut, woher sein Name, er hat es tatsächlich nie gewusst. Er bittet um Nachsicht. Nachsicht dann aber doch, wenn es sich um gewöhnliche böse Vampire handeln sollte.

    10. Fein. Sie h a b e n den Osten. Ich denke, Skamander -Jassir Skamander – braucht eine rechte Hand. Gerade jetzt. Jetzt sowieso.

      Ein schönes Bild mit der Odra. Wenn Sie sich mit THETIS und BUENOS AIRES vertraut machen wollten, kämen Sie auch ganz ohne mich weiter. Ich bin lediglich… Arrangeur. Jedenfalls habe ich dies alles zu den Notizen genommen. Morgen, denke ich, werden Sie noch keine Spuren finden, da ich das Lough-Leane-Kapitel nicht vorschieben mag. Aber in den nächsten, lassen Sie mir etwas Raum, anderthalb Wochen. Skamander braucht seinen Spannungsbogen – und das Gelbe Messer, den die Frauen „Brem“ nennen werden (denn mit Skamander verhandeln sie nicht), deshalb wohl auch. Ich danke Ihnen, das Ganze bringt eine zusätzliche Fahrt in dies alles.

    11. Sir, eine Laune gibt mir ein, so anzufangen. Lassen Sie sich wirklich Zeit. Hier ist Aufschub ausnahmsweise einmal nicht der Dieb der Zeit. Und es ist ja nicht WM, der wartet – so viel Arroganz darf sein, allenfalls als Leser. Und auch ich, B.Y., brauche Zeit, etwa über den „Sanften“ zu grübeln, der mir nicht aus dem Kopf will.

    12. Argo. Anderswelt. (43). Sehr geehrter ANH,
      anbei ein Bild vom letzten Sonntag und, falls ich das technisch gebacken kriege, auch so etwas wie einen Selbstversuch mit einer neuen Camera, die mir freundlicherweise bzw. „geduldet“ die Bank finanziert hat.
      Was einstweilige Verfügungen betrifft, seien Sie ganz beruhigt. Mich interessiert nicht so sehr, ob es mich persönlich betrifft, was Sie daraus machen, sondern was Sie daraus in I H R E N literarischen Zusammenhängen machen. Deshalb ist das von Ihnen angesprochene „Portrait“ auch nicht wirklich für meine Selbstsicht wichtig. Natürlich würde sich im Streitfall die Gegenseite über das Vorzeigen einer E-Mail totlachen. Aber diesen Streitfall wird es nicht geben und zweitens steht Richtern immer noch der Grundsatz der „freien Beweiswürdigung“ zu Gebote. Ich erkläre also – einen Moment Ernsthaftigkeit im Raum – gleichzeitig auch für die Fotografin des Sonntagsbildes, dass Ihnen die beliebige Verwendung frei steht – und ich meinerseits nicht verpflichtet bin, darauf ein Auge zu werfen, s. zweites Bild, bei dem es sich doch nicht um das ursprünglich gemeinte handelt.
      Grüße und achten wir auf unsere Fallen!
      Ihr W.M.

      Sehr geehrter Herr M.,
      nun habe ich das Bild – jedenfalls eines – d o c h öffnen können. Ein insofern sehr interessantes Foto, als der Abgebildete mich sehr an jemanden erinnert, den ich kannte, der sich aber unmöglich hat letzten Sonntag lassen ablichten können; es sei denn, es gäbe „drüben“ (Schwarz)Wälder. Hingegen ist das „Auge“ n i c h t zu öffnen gewesen.
      Wie nun auch immer, es hat einen wenn auch leicht pietätlosen Reiz, dem Gelben Messer nunmehr in den Osten Europas zu helfen; für Jassir Skamanders Satrapen scheint der Mann wie gemacht. Auch darin finden sich Fallen.
      Besten Gruß
      ANH

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      ARGO 42 <<<<

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