Das Weblog als Dichtung. (3).

Denn anders als etwa ein Buch scheint sich das Netz quasi-direkt mit dem Ganglion verschalten zu können, was zum Beispiel den Suchtcharacter erklärt, den Chats für ihre users annehmen können, aber auch die auffällige Kürzung des Zeitgefühls, das wohl jeder mit dem Computer Beschäftigte schon erlebt hat: Binnen weniger Minuten sind Stunden vergangen. Möglicherweise wird quasi überbrückt, was ich einmal den Widerstand des funktionalen Materials nennen möchte. Eine solche scheinbare Unmittelbarkeit kommt auch sehr vielen ‚normalen’ Weblogs zu, da sie, glaube ich, die distanzierteste Form höchster Intimität sein können, also völlig offenbarend und zugleich ebenso schützend, die sich vorstellen läßt: Die Öffentlichkeit bekommt sozusagen die Rolle eines oft auch zustimmenden Beichtigers. Sie wird, in der Form einer mehr oder minder anonymen community, ElternObjekt. Dies nun beschreibt ziemlich genau das Verhältnis des Schriftstellers als Künstler (nicht des Schriftstellers als journalistischer Aufklärer; das sind zwei verschiedene Berufungen) zur Öffentlichkeit, insoweit sie metaphorischer Stellvertreter des Idealen Lesers und eben nicht funktionale – auf einen Mehrwert definierte – Zielgruppe ist. Selbstverständlich ist der Ideale Leser zugleich eine Projektion des Künstlers, indes seine notwendigste: denn ihm vertraut er sich völlig an, wenn er gräbt.

3 thoughts on “Das Weblog als Dichtung. (3).

  1. Bildschirmarbeitsplätze Bitte in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass die lange Verweildauer vor Computermonitoren häufig auf einen physiologischen Grund zurückzuführen ist, der mittlerweile sehr gut wissenschaftlich erklärt ist:
    Die Computermonitore (gleichgültig welcher Bauart) emittieren im Mittel ein Licht mit einer Farbtemperatur von 6000° K. Dies entspricht der Farbtemperatur des Tageslichts. Somit suggeriert das abgestrahlte Licht eines Computermonitors unserem Gehirn – auch abends oder nachts – es sei hellichter Tag. Damit bleiben wir auch ungewollt nachts tagaktiv. Leider. Ich bin auch schon mehrmals mit abgefaulter, toter rechter Hand auf der Computermaus der morgendlichen Stunde gewahr geworden. Tipp: dann mehrmals stark mit der linken Hand auf den rechten Arm schlagen, bis das Blut wieder zirkuliert und die Hand und der Rest der Extremität einen gesunden rosigen Farbton annimmt. Dann geht’s weiter am Rechner… 🙂

    1. Das wußte ich nicht. Danke. Es benimmt aber meiner Wähnung nichts: Denn daß die scheinbar direkte Verkoppelung mit dem Ganglion einen physiologischen Grund hat – wahrscheinlich wohl mehrere solcher Gründe -, liegt auf der Hand. Ich hege da überhaupt keine metaphysischen WirkVorstellungen. Auch ein direkt am Kopf zu tragender Chip, der dem Gehirn etwa, während es ohne materiale Anschauung lernt, die haptische Qualität eines Buches suggerieren könnte, wirkte logischerweise physiologisch. (Eine Vorstellung, übrigens, die mich seit langem beschäftigt; in THETIS wird in diesem Zusammenhang von ‘Informatik-Fixern’ gesprochen, die vor der Tiburtina herumliegen.)

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