Freitag, der 25. November 2005.

6.09 Uhr:
[Mozart, Il nozze die Figaro. Walter, 1937.]
Immerhin um halb sechs hochgekommen (um halb fünf stellte ich den fiependen Wecker um eine weitere Stunde nach hinten ein); die Erkältung, vor allem dieser Husten ist deutlich zurückgegangen; mit etwas Glückwerde ich nächste Woche wieder laufen und auch Krafttraining machen können.
Also d r e i MozartAufnahmen muß ich vergleichen, bzw. etwas darüber schreiben:

  • Don Giovanni, Furtwängler 1954
  • Cosè fan tutte, Karajan 1954
  • Il nozze di Figaro, Walter 1937.
  • Abgabe des nicht kurzen Textes bereits heute mittag, also muß ich ARGO wieder hintanstellen. Na gut, es wird a u c h eine Reflektion über historische Aufnahmen an sich werden, über den FetischCharakter einiger Kunstprodukte, sowie den Markt der den Fetisch ziemlich gewinnbringend zugleich konstruiert wie profaniert. Und dabei dennoch beim Mozart bleiben. Das wird das kabinettige KunstStück werden, das ich so im Kopf habe gerade, aus dem mir Claudius Seidels Satz nicht aus dem Kopf geht: die Ouvertüre zum Nozze sei die Marseilleise der Deutschen (ganz so bonmot’sch sagte er’s nicht, dennoch ist dieses Aperçu nicht meine, sondern seine Erfindung; ich habe dem Gedanken nun lediglich die Formulierung um die Schultern gelegt).

    Gestern fast den ganzen Abend über in >>>> Usha Rebers Dissertation gelesen, in welcher die „Anderswelt“-Romane, unter die sie zu recht den ganzen Zyklus befaßt, also auch VERWIRRUNG und WOLPERTINGER, auf ihre Nähen zu den Metarmophosen Ovid’s sowie ihre speziellene metamorfotischen Les- Schreibarten analysiert werden. Spannend zu lesen, was man selber wollte und nun ‚herauskommt’, spannend aber auch, wo Reber weit darüber hinausgeht und Zusammenhänge herstellt, die mir ‚unterliefen’ rein aus der Eigengesetzlichkeit der poetischen Bewegung. Enorm viel Text, übrigens, fast 150 TyposkriptSeiten; das g a n z e Buch wird ein ziemliches Konvolut werden.

    Und endlich mit >>>> Hella Streichers „Höhe Welten“-Roman begonnen, der seit Monaten bei mir am Schreibtisch lag. Streicher beschwert sich permanent über die Mißachtung, die das Buch im Literaturbetrieb erfahren hat und (nunmehr saisonbegründeterweise) weiterhin erfährt. Sie schimpft, zetert und zeigt Zusammenhänge auf. Damit hat sie recht, die Ablehnung bzw. das Schweigen über dieses Buch ist nur damit zu erklären, daß ‚man’ diese Autorin nicht w i l l und sie ganz bewußt unterdrückt. Denn der Text ist ausgesprochen elegant, hat Kraft, Rhythmus und – was sich bei realistischen Schreibern nicht so oft findet – Konstruktion. Jedenfalls soweit ich das nach den ersten knapp 50 Seiten beurteilen kann. Anders als meine auf einen kybernetisch widerständigen (elitären) Ästhetizismus abzielenden Kunst-Romane hätte „Höhe Welten“ ganz unbedingt das Zeug zu einem Bestseller, und zwar einem, der zugleich sein eigenes Niveau hält und nicht mit Fettschwarten nach dem Leser wirft. Unterhaltsam, voll bösem Witz und einer ausgesprochenen (sozialen) Characterisierungskunst. Dabei eben n i c h t – wie meine Arbeit – n e b e n dem ‘Zeitgeist’, sondern ausgesprochen gekonnt seine Wellen reitend: das s i r r t manchmal derart unter der Gischt, daß es eine rechte Freude ist.

    21.43 Uhr:
    [Mozart, Così fan tutte. Karajan im Jahr meiner Zeugung.]
    Das waren jetzt zwei intensive Mozarttage. Ich habe meinen Artikel für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung fertigbekommen, der Redakteur war zufrieden; am Sonntag wird der Text bereits publiziert sein; dann will ich von Den Dschungeln einen Link auf ihn legen. Es wird Ihnen einsichtig sein, daß ich bei einem kleinen Artikel für eine große Zeitung nicht vorab Auszüge in Die Dschungel stellen kann.
    Müde jetzt. Ich höre noch einmal, abschließend sozusagen, Karajans beeindruckende Così von 1954. *** war hier, um für den Jungen, der morgen ein erstes Turnier hat, den JudoAnzug vorbeizubringen, den sie noch in der Wäsche hatte. Es war wieder etwas näher zwischen uns. „Wie halten wir es Heiligabend?“ Sie wird herkommen, um mit dem Jungen und mir zu feiern, evtl. auch mit Eigner und seiner Tochter, wobei ihr das bei unserem vorhergegangenen Chaos auch wieder nicht so lieb wäre. Und nächste Woche möchte sie auch gerne wieder mit dem Jungen und mir in die Kinderoper. Dazu Prothoe mit enorm weitem Herz: „Und ich habe mich überdies auch nicht in Dich verliebt; ich fühle mehr so ein Hoffen und Bangen in bezug auf die dramatische Liebesgeschichte.“ Frauen sind etwas unfaßbar Großartiges, letztlich.

    Keinen Handschlag ARGO heute. Auch morgen wird Arbeit daran nur eingeschränkt möglich sein, da der Junge dieses Turnier hat, für das wir bereits um 8 Uhr morgens in der S-Bahn sitzen müssen. Also mach ich mich mal bereit, daß ab Montag wieder alles auf den Schienen rollt. (Die Augen fallen mir zu. Natürlich hatte ich k e i n e n Mittagsschlaf heute. Strukturschwäche nennt man das.