Kunst.

Verträgt die Offenbarung ihrer Machart; sie hält Entzauberung ebenso aus wie Liebe. Daß wir wissen, wie sehr etwas evolutionsbiologisch bedingt sei, chemisch, physisch, nimmt der Erfahrung-selbst nichts, sondern gibt ihr sogar noch etwas bei: gerade d a ß wir wissen und dennoch etwas empfinden, das über dieses Wissen hinausgeht. So auch bei Dichtung und bei Musik. Hier wird Kunst überhaupt erst offenbar, sowie jedes Moment von ‚Überraschung’, ‚Überrumplung’ usw. ausgeschöpft ist. Ob etwas ein Roman der Kunst sei, wird deshalb meist erst dann erfahren, wenn er beim Wiederlesen und Wieder-wieder-Lesen hält. Dann erst wird ein Geheimnis spürbar, das nicht-konstruiert ist und hinter dem k e i n Marktwille steht. Wenn sich die gesamte Fülle einer Sinfonie – irgend eines anderen Musikstücks, eines Gedichtes – überhaupt erst nach mehrmaliger Rezeption einstellt. Bisweilen ist solcher Kunstcharacter einer ersten schnellen, ergriffenen Wahrnehmung sogar abträglich; was mitgeteilt wird, versteckt sich sozusagen – und zwar eben nicht hinterm Handwerk. Die Forderung an ein Kunstwerk, es möge unmittelbar zugänglich sein, ist insofern die Aufforderung: s e i keine Kunst!
Schnelle Zugänglichkeit entspricht den Anforderungen der Information im Sinne eines definierten Gehalts von Information. Sie ist einwertig, punktuell, genau, funktional. Das eben ist Kunst n i c h t. Das Gegenteil von Information ist Aura. Information entertaint, Aura läßt erschauern, und zwar – das ist wichtig – auch den Künstler. Etwas Fremdes Fernes ist durchs Handwerk hindurchgestoßen, das Handwerk hat bloß die Membranen geschleift, man merkte es gar nicht, plötzlich steht das Andere da und sieht einen an. Deshalb läßt sich Kunst nicht erlernen.

[Poetologie.]



(Es gilt hier dasselbe wie in der Philosophie: Man kann das Fach studieren und auch seine Examen cum summa laude darin absolvieren; doch wird man dadurch nicht Philosoph. Aber man könnte es werden. Wer sich auf Kunst einläßt, hat genau dieses Risiko zu gegenwärtigen: daß man scheitert oder daß einem vielleicht nur einmal etwas gelingt. E s gelingt, wenn es gelingt.)

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