6.55 Uhr:
[Frankfurtmain, Brückenstraße.]
Um Viertel vor sechs auf, nachdem wir gestern bis spät in die Nacht noch beisammen- mehr -standen als -saßen, weil ich immer wieder auf den Balkon ging, um zu rauchen. Es nieselte leicht, was angenehm war. Es gab Rotwein, schweren. Zu viert hörten wir die Montage ab nach dem Abendessen; ich war vorbereitet, noch weitere Revisionen anbringen zu müssen, aber der Höreindruck war dann insgesamt anders. Sogar Leukerts kritische Frau, ihrerseits eine Feature-Autorin, die auch selbst produziert, war dann überzeugt. Sie hatte vortags, nachdem sie in die zu einem Drittel angelegte Collage hineingehört hatte, einige Bedenken geäußert, die mich geärgert hatten, aber ziemlich berechtigt waren. Ich werde darüber später schreiben, wenn ich über den Vierten Produktionstag berichte: im Zug nach Berlin will ich das niederschreiben; jetzt freue ich mich auf den Morgenkaffee. „Man muß“, sagte Clair jedenfalls gestern frühnachts, „durch die ganze Hölle hindurch, dann steht der Pettersson mit einem Mal ganz d a… und direkt i c h kriege jetzt Lust, diese Sinfonien zu hören.“ Auch Do war hergekommen und hatte zugehört und genickt. Leukert wirkte mehr als zufrieden. „Ich habe mir da aber auch gar keine Sorgen gemacht, ich wußte, daß das Stück gut wird“, sagte er – und ich mußte dran denken, wie ich bis ganz zuletzt vor der Produktion noch gebangt habe und eigentlich auch mit dem Typoskript noch unzufrieden gewesen bin. Jetzt aber stimmt es, und bis heute morgen, bis jetzt, hier an dem kleinen Schreibtisch (meine übrigen Sachen hab ich bereits gepackt, sogar geduscht hab ich schon, um die Abfahrt nicht zu verpassen), gehen mir Fragmente und Melodiebögen aus diesem Pettersson-Requiem nicht aus dem Kopf.
Einiges, das im Typoskript noch verlangt war/vorgeschlagen ist, habe ich schließlich fallenlassen: so gut wie alle Fremdtexte (mit Ausnahme der Gesprächspartikelchen) und außer Brittens Libera me aus dem War Requiem gibt es auch keine andere Musik in dem Stück als nur Petterssons. Und das ist gut so.
Jetzt ist für die GEMA-Meldung des hrs noch eine Aufstellung der verwendeten Musiken mit genauen Zeit- und Quellenangaben zu schreiben; das ist nüchterne Fliegenbeinzählarbeit, aber durch die moderne Musiksoftware kein Problem. Und das Steueramt Frankfurt, wegen meiner Gewerbesteuer-Schulden von 1986 (!!), hab ich vergessen; für die muß ich wegen weiterer Stundung dringend heute noch meine Schulden-, Einnahmen- und Belastungsaufstellung schreiben und hinausschicken, damit sie am Montag dort auf dem Schreibtisch liegt. Sonst greifen die direkt aufs Konto zu, und das wär mehr als blöd, auch wenn gar nichts Nennenswertes drauf ist und drauf sein k a n n. Aber es würde die ohnedies knapp ausbalancierte Konstruktion Bamberg-Berlin sehr gefährden, wenn ich plötzlich wieder auf Barwirtschaft übergehen müßte. Ich werd da vielleicht mal nachher aus dem Zug anrufen und Bescheid geben, daß am Montag alles dort liegt. Schon wegen der beiden kommenden Babies sollte ich es vermeiden, einen Offenbarungseid leisten zu müssen. Für mich selbst wär mir das vollkommen wurscht, aber in der neuen Situation ist sowas zu bedenken.
Nachmittags seh ich dann meinen Jungen und die Geliebte wieder. Und freu mich sehr darauf.
Guten Morgen, Leser.
….. und eben bringt mir Leukert, wie jeden Morgen dieser drei Tagen meiner ‚Gastschaft’ im Hause, die französische Schale Milchkaffees an den kleinen Schreibtisch… so daß ich hier kurz abbrechen und mit der Schale auf den Balkon treten will, um zu rauchen und der nun vergangenen Produktion noch ein bisserl nachzusinnen.
10.23 Uhr:
[ICE FFM-Berlin.]
Der Zug ist ziemlich voll, doch hab ich noch einen Sitzplatz, allerdings ohne Tisch und Stromanschluß, ergattert. Ab Fulda zumal wird’s ziemlich eng werden. Aber damit komm ich schon klar. Jetzt ist jedenfalls erstmal vom >>>>Vierten Produktionstag des Pettersson-Requiems zu erzählen. Einen Liter kalten Kakao von Landliebe hab ich mir als Proviant besorgt.
Sehr müde.
14.45 Uhr: