Arbeitsjournal. Sonnabend, der 9. Dezember 2006. Bamberg. Berlin.

5.34 Uhr:
[Villa Concorda Bamberg.]
Sehr viel wurde gestern nun nicht geschafft mit der ARGO-ÜA, aber es war auch wirklich viel Mailwechsel mit >>>> Dielmann wegen der >>>> Liebesgedichte, auch mit Prunier, und auch UF hat sich zurückgemeldet. Und dann hab ich, das ist ja mal nicht zu unterschätzen, im Bamberger Studio grundlegend für Sauberkeit gesorgt. Hier jedenfalls schon einmal die Seite bei dielmann, auf der Sie sich, falls Sie mögen, >>>> die Vorzugsausgabe der Liebesgedichte sichern können. Wenn die 99 Exemplare weg sein werden, werden sie weg sein. Ich werde aber noch eigens hier über Die Dschungel sowie über >>>> die Fiktionäre darauf verlinken.
Nachmittags erreichte mich ein Anruf von D. vom >>>> Opernnetz: für mich lägen für heute abend Karten in der Lindenoper zurück; es hat also geklappt, und >>>> darauf freue ich mich enorm, bin fast etwas fiebrig. Also fahr ich bereits heute nach Berlin, anders, als eigentlich geplant war. Ich werd den 11.09er ICE oder den 13.09er nehmen, dann bin ich immer noch pünktlich um 18.30 Uhr an der Abendkasse. Schade aber, daß mein DAT-Recorder defekt ist. Doch habe ich ja die hinreißende >>>> Nagano-Aufnahme, und ich hab sie auch hier in Bamberg; die kann ich nun zur Vorbereitung des Abends im Zug hören, mich wieder einhören in dieses superbe Stück.
Jetzt aber ARGO; >>>> Skamander tritt zum ersten Mal auf.Übrigens beißen Mäuse auch keinen Faden erotischer Dominanzen ab.

23.37 Uhr:
[Berlin, Küchentisch.]
Aus der Oper zurück; musikalisch war >>>> das teils großartig; szenisch aber, wiewohl Mußbachs Ansatz nachvollziehbar und wohl auch schlüssig ist, bin ich mir nicht ganz so sicher. Bereits eben, nach Hause radelnd, formulierte ich im Kopf Einwände, auch Grundüberlegungen zu dieser eigenwilligen Oper selbst; zu Datei bringen werde ich das aber erst morgen. Dabei ist auch auf das Programmheft einzugehen, Programmbuch, muß man sagen; ich schätze Materialbände mit viel Text.

Erzählen will ich jetzt etwas anderes. Nämlich habe ich im ICE nach Berlin meine Mutter gesehen. Ich saß im Raucherabteil ganz hinten, das Gesicht zur 1. Klasse, also mit dem Rücken zur ganzen übrigen 2. und sowieso das Gesicht eigentlich übers ARGO-Typoskript gebeugt. In dem Moment aber döste ich, es war Mittagszeit, ich hatte einen meiner Schals über den Kopf geworfen, den anderen um Nacken und Schultern… da seh ich, wie eine ältere, hochgewachsene, aber agile Frau an mir vorbei der nächsten 1.-Klasse-Toilette zustrebt, karierte Hose, weiter, teurer Pullover darüber, das blonde, mittlerweile totblonde Haar nur z u bekannt kurz, die dicke Brille. Das ging wie ein Schrecken durch mich, ich drückte mich geradezu in den Sitz zurück und unter meine Schals, aber so, daß ich noch beobachten konnte. Die Frau wandte mir nun, zehn/fünfzehn Meter weiter zur Toilettentür gedreht, ihr Profil zu. Es war gar keine Frage mehr. Sie war es.
Sie mußte an mir vorbei zurückkommen, verschwand gerade in der kleinen Kabine. Ich hatte nicht die geringste Lust, sie auch nur weiter anzusehen, geschweige irgend ein Wort mit dieser Frau zu sprechen. Also zog ich mir den Schal g a n z übern Kopf, lugte aber noch heraus, um mitzubekommen, wie lange ich in dieser Stellung verharren müsse, wann die Frau die Toilette wieder verließ – um mich dann ganz schlafend zu stellen, völlig verborgen vom Schal, wenn sie vorbeiginge.
So auch kam es. Sie verließ die Toilette, ich zog den Schal fast übers ganze Gesicht, mimte Schlaf, dann war die Person vorbei. Es hatte etwa Bedrückendes, daß ich auf gar keinen Fall bemerkt werden, daß ich auf gar keinen Fall mit ihr auch nur einen Satz wechseln wollte. Es war auch beschämend, daß man sich so verstecken muß.
Was dann aber weiter und weiter in mir umging, war die Projektion dieser Szene auf mein eigenes Kind: Was muß geschehen sein im Leben eines Kindes, daß es als Erwachsener seine eigene Mutter nicht mehr sehen will? Was muß geschehen sein, daß es eigentlich nur noch hofft, daß die – höchst gesunde, machtvoll zähe – Mutter endlich stirbt? Damit man endlich von ihrem Alpdruck frei ist und sagen kann: Mich hast du vor dir n i c h t unter die Erde gebracht? – Grauslich.

Mit ARGO s e h r gut weitergekommen.

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