Das Schiff Kunst. Mittwoch, der 27. Dezember 2006. montgelas.

Alt werden aber, das ist
wie Rom, wenn statt Geschwätz
es nicht ein Scheingefecht,
nicht Spiel – den Tod verlangt.
Boris Pasternak

Ich gebe zu, dass es mir Mühe macht in diesen Tagen, das alte Jahr geht zu Ende das Neue Jahr kündigt sich an, Paul Reichenbach im Tagebuch zu vertreten. Das christliche Äthiopien, las ich heute, führt seine Truppen gegen islamische Soldaten in Somalia. Der Kampf der Kulturen, der ja eher ein Krieg um Ressourcen ist und Kulturelles nur vorschiebt, offenbart seine Barbarei in Afrika, dem verlorenen Kontinent. Und kein Staufer ist in Sicht, der mit List und Macht Einhalt gebietet. Das Neue Jahr wird beginnen, wie das Alte endet. Mit Krieg. Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Die christliche Weihnachtsbotschaft ist bis auf die Zähne bewaffnet zum Söldner verkommen, der alles niedertrampeln will, was sich ihm in den Weg stellt. Der Verlust säkularer Utopien, die postmoderne Dekonstruktion aller Hoffnungen, bereitet schleichend jenem Armageddon den Boden von dem die Offenbarung des Johannes berichtet. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“…, nur kann ich es nicht blicken… es sei denn, ich entschließe mich Freibeuter im Sinne Foucaults zu werden. Foucaults Schiff wird die Kunst für mich sein. Ein schaukelnder Raum, ein Ort ohne Ort, der aus sich selber lebt, der in sich geschlossen ist und gleichzeitig dem Unendlichen des Meeres ausgeliefert ist und der, von Hafen zu Hafen, von Ladung zu Ladung, von Bordell zu Bordell, bis zu den Kolonien suchen fährt, was sie an Kostbarstem in ihren Gärten bergen”. Nur so kann ich dem apokalyptischen Albtraum, der mich ab und zu anfällt, begegnen, hoffe ich. Die Kunst – ein Schiff, das allen Stürmen bisher trotzte. “Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch” meinte Adorno und der Pirat Celan widersprach ihm eindrucksvoll. Auf dem Schiff Kunst will ich Matrose sein, ohne Interesse an Heuer. “In den Zivilisationen ohne Schiff, ohne Kunst (Einfügung von mir) versiegen die Träume, die Spionage ersetzt das Abenteuer und die Polizei die Freibeuter” schreibt Foucault.

Brise Marine

La chair est triste, hélas ! et j’ai lu tous les livres.
Fuir ! là-bas fuir ! Je sens que des oiseaux sont ivres
D’être parmi l’écume inconnue et les cieux !
Rien, ni les vieux jardins reflétés par les yeux
Ne retiendra ce coeur qui dans la mer se trempe
O nuits ! ni la clarté déserte de ma lampe
Sur le vide papier que la blancheur défend
Et ni la jeune femme allaitant son enfant.
Je partirai ! Steamer balançant ta mâture,
Lève l’ancre pour une exotique nature !

Un Ennui, désolé par les cruels espoirs,
Croit encore à l’adieu suprême des mouchoirs !
Et, peut-être, les mâts, invitant les orages
Sont-ils de ceux qu’un vent penche sur les naufrages
Perdus, sans mâts, sans mâts, ni fertiles îlots…
Mais, ô mon coeur, entends le chant des matelots!

SEEWIND

Das fleisch ist müde ach! die bücher sind gelesen.
Entfliehn! nur fort! Ich spür der vögel trunknes wesen
Das zwischen fremder gischt und himmelsbläue schwebt!
Nichts auch der garten nicht der noch im auge lebt
Hält dieses herz zurück das sich zum meer gewendet
O nächte! nicht der schein den still die lampe spendet
Dem unbeschriebnen blatt in scheues weiß gehüllt
Die frau auch nicht die jung die mutterpflicht erfüllt.
Ich reise! Schwankend schiff du wirst den anker lichten
Und mastenschaukelnd nun den bug nach süden richten!

Schmerz von erwartungen enttäuscht so grausam oft
Noch auf ein lebewohl der taschentücher hofft!
Die masten sind vielleicht die schon den wettern winken
Die gleichen die im sturm einst mit dem wrack versinken
Nur splitter trümmer fern der insel grünem flor…
Doch lausche o mein herz lausch dem matrosenchor!

Stéphane Mallarmé
übertragen von Carl Fischer

2 thoughts on “Das Schiff Kunst. Mittwoch, der 27. Dezember 2006. montgelas.

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