B.L.’s 7.1. – hohle Hand

18.38
Mein heutiger Tagebucheintrag ist eine Übersetzung des Tages in Schriftform. Der Tag ist verloren. Darum entspricht der Tagebucheintrag einem nicht vorhandenen Original. Allerdings kann die Entsprechung nicht mehr nachgeprüft werden. Er ist wie die hohle Hand, die sich heute auf ihre eine nackte Brust gelegt hat. Möglich, daß mich wieder das eigentliche Übersetzen beeinflußt. Das Brot- wie das literarische Übersetzen. Das Brotübersetzen hat seine wirtschaftliche Berechtigung und muß nicht näher beleuchtet werden, hat aber einen unerfindlichen Einfluß auf das Denken. Formulieren kann ich’s nicht, höchstens durch ein Beispiel aus meiner anfangs den Text sehr wörtlich nehmenden Arbeitsweise illustrieren:
„Bauunternehmen, das eine komplexe Regie- und Koordinierungsrolle spielt in Bezug auf die Arbeiten im Rahmen des Produktionsprozesses eines Bauwerks.“
Gemeint ist die Definition eines „General Contractor“. So der „italienische“ Ausgangsbegriff. Zu reflektieren wäre jedenfalls über diesen Einfluß.
Das andere Übersetzen, das literarische, verfolgt mich anders. Zuletzt heute morgen im Abschlußessay zu Barbara Wiedemanns Dokumentationsarbeit über die Celan so fatale Goll-Affäre. Es ging zuletzt über die ganz persönliche Seite, die für Celan das Übersetzen hatte. Ähnlich wähle ich selbst die Gedichte, die ich mir „aneignen“ möchte. Denn das ist es für mich: ein Aneignen des Textes, der dann meiner wird, und so sich jeder Beliebigkeit widersetzt. Gedanken, die mich auch in Bezug auf mein Projekt verfolgen, alle Belli-Sonette aus dem Römischen übersetzt vorzulegen. Überlegungen hierzu reifen langsam heran, begleitet von so wörtlichen und interlinearen Übersetzungsversuchen, wie oben im Beispiel des Brotübersetzens wiedergegeben. Aber die zu berücksichtigenden Ebenen sind ein wenig komplexer, weil eben nicht nur der Wortsinn transportiert werden muß, sondern auch eine Dynamik, die im Text selbst liegt. Beispiel auch hier:

Die Erschaffung der Welt

Als Jesus Christ die Welt am Kneten war,
den Teig zum Kneten, den gab es da schon,
grün sollt’ sie sein, und groß und rund, nicht wahr,
wie eine Melone, ein Luftballon.

Er macht’ die Sonn’, den Mond, den Globus, klar,
und Sterne zuhauf, ’ne Quintillion:
drauf Vögel, Tiere und der Fische Schar:
pflanzt’ die Pflanzen und sprach: „Genug davon!“

Ach ja, er erschuf ja auch den Menschen,
und dem Mann das Weib, Eva und Adam;
„Finger weg vom Apfel!“, drohte sein Ruf.

Doch als er sah, daß sie ihn aßen, barsch
brüllt’ er da, weiß Gott, ganz laut und stramm:
„Ihr kommenden Menschen, ihr seid am Arsch“.

Irgendwann mal mehr davon. Also vom Übersetzen, vom Belli, von der hohlen Hand des Übersetzers usw.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .