Arbeitsjournal. Dienstag, der 27. Februar 2007.

6.15 Uhr:
[Villa Concordia Bamberg.]
Geschlafen, wie ein Kartoffelsack in der Ecke eines staubigen Kellers steht. Mit fauligem Geschmack im Mund aufgewacht, liegengelieben, Wecker überhört und und und – so sehr geht diese scheiß Nachricht von gestern frühabends in mir um, daß selbst mein Schlaf sie verdrängen wollte und also dieses Faulige bekommen hat. Insofern kein Wunder, daß mir in dem Moment, da ich mich ankleidete, >>>> d a s einfiel, wobei ich selbst ja nun zur Selbstbestrafung nicht tendiere, schon gar nicht zur physischen. Aber das ‚praktisch Theoretische‘ wird einem klar, das Menschen, die ein bestimmtes Leid nicht mehr ertragen können, es durch ein anderes ersetzen, bzw. in ein anderes verschieben, das wenigstens konkretisierbar ist und dadurch die Gestalt von etwas annimmt, das man selbst bestimmt habe. Solch einen ‚Vorschein‘ stellte nun auch ich gerne her, denn zwar will ich, wie immer (m e i n Masochsimus?) kämpfen, nur sind nurmehr, nach neuer Lage, Gegner und Combattanten völlig verschwommen, gehen ineinander über, gehen auseinander hervor – wie die schwimmenden Identitäten in meinen Romanen. Schlag ich mit dem Schwert gegen wen auch immer, treffe ich möglicherweise immer auch mich oder das, was ich liebe. Und weil auf allen Seiten derart viel Verletzung im Spiel ist, aber eben auch viel bitteres Geld, sehe ich nicht, wie sich auf vernünftig-ruhige Weise eine Lösung finden läßt. Vertrauen, Vertrauensbruch, Vertrauenssicherung gehen mit objektiven (juristischen und ökonomischen) Interessen sowie solchen auf möglichst viel eigenen Verdienst und möglicherweise Ruhmsucht restlos durcheinander.
Dann muß ich hier in der Concordia manches klären; wir Stipendiaten sollen bereits am 22. 3. die Zelte abbrechen; da vom 23. – 25. die Leipziger Buchmesse ist, kann ich das aber erst am 27. morgens tun; ich würde dann von Leipzig aus hierherfahren, am 26. klarschiff machen und am 27. das Studio übergeben. Ansonsten bliebe noch der 19. zur Übergabe und Abreise, aber d a s Wochenende wär schon in drei Wochen, die voller Termine stecken. Ohnehin, nachdem >>>> Dielmann krankheitshalber so lange schwieg und ja auch immer noch nicht >>>> das Gedichtbändchen da ist, wird wohl das Lektorat für die BAMBERGER ELEGIEN verschoben werden müssen; allerdings nach Überarbeitungslage muß es das eh.
Und, darüber darf ich jetzt schon g a r nicht nachdenken: Ab April habe ich keinerlei Einkommen mehr. Ohjeohjeohje. Hörner runter, Stier!

10.03 Uhr:
Göttinseidank! Das ist jetzt eine ziemliche Erlösung, daß die Information, die ich gestern bekam, falsch ist. Und ich n i c h t als der dastehen muß, der verraten habe. Jetzt ist mir danach zu frühstücken.

So beschwört sie und r i c h t e t die ungeschiedene Möse,
die uns als nicht soeben genommen uneinnehmbar
b l e i b t. Wir richten deshalb Delphine auch für den Krieg ab.
Denn aus Rettendem formen wir, was vernichtet: zuhandne
Dinge, museal und verfügbar für Zwecke, die wir
selber verfügen. Dennoch bleibt den Künsten Geheimnis.
Ebenso uneinnehmbar bleibt es ein Rest, den wir fühlen,
aber nicht mehr begreifen. Weshalb er uns füllt.
Aus der Überarbeitung der Dritten, der Schönheits-Elegie.

23.46 Uhr:
Den quasi ganzen Tag über an der Überarbeitung der Dritten gehockt und s e h r weit gekommen. Ich denke, daß ich morgen auf der Zugfahrt nach Berlin fertig werde damit und die ZF dieser Elegie werde in Der Dschungel einstellen können.
Nebenbei weitere Korrespondenz wegen des COUPs. Hier fand ich zudem gestern in der Post mal wieder eine Zustellungsbenachrichtigung; ich bin mir sicher, es ist ein Zahlungsbefehl. Ich hab das Schriftstück nicht abgeholt. Vielleicht tu ich‘s übermorgen, wenn ich wieder hiersein werde, vielleicht auch nicht. Soll mir die Sündenflut nachlaufen. Ich tu meine Arbeit, tu sie gut und besser als die meisten Lohnempfänger die ihre. D a s ist meins, der Rest ist bürgerliche Übereinkunft und kann mich am Arsch lecken (aber nein, ich will ihr ja nix Gutes). Wenn man mich dann eines Tages kascht, na gut, dann steht das Werk aber da. Das täte es nicht, kümmerte ich mich jetzt um derlei Zeugs.
War noch mit Zschorsch zwei Biere trinken. Irgend ein Film über die Stasi hat einen Oskar bekommen. Zschorsch: „Das ist Stasi fürs Kino, es geht um Investition und Rendite. Mit dem, wo i c h drinsteckte, hat das gar nichts zu tun.“ Soviel insgesamt zum Zustand des aufgeklärten Bewußtseins.
Haben Sie alle – wirklich alle, auch die Gegner – wunderschöne Träume. Und Sie wissen, ich meine das ernst, weil ich kein Ironiker bin.

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