20.22
Ein Sommertag. Unter der Decke drehten Fliegen sich in ewigem Kreisen. Viele waren es nicht. Schließlich stellte ich doch noch ein größeres Buch vor die von der Katze herrührende Lücke im Fliegengitter (die Katze hatte nämlich herausgefunden, daß das Fliegengatter hochschnellt, wenn man nur kräftig dagegen drückt, womöglich noch unter Verwendung der Krallen): „Geschichtliche Hinweise“ steht auf dem braunen, in Plastik eingeschlagenen Einband, herausgegeben von einer der ältesten Banken, die’s gibt: Monte dei Paschi di Siena. Überrest einer unliebsamen Erinnerung an eine dann doch mal versuchte Dolmetscher-Erfahrung, in Siena. Ich begriff damals, daß dies nicht mein Metier sei. Dolmetschen bedarf ganz anderer Fähigkeiten als das Übersetzen. Man wird praktisch zu einer Ich-losen Schaltstelle, zu einem Automaten mit eintrainierten Mechanismen, die ich aber nicht hatte. Nur noch zweimal ließ ich mich noch zu so etwas überreden, da war ich aber schon durch schriftliche Übersetzungen in der Materie drin, und man sagte mir, ich solle nur wortwörtlich übersetzen, was gesagt werde, da es um Verhandlungen ging. Und ließ es mir einigermaßen wohl gehen. Bei Essen und Trinken. Dennoch, man hängt den ganzen Tag mit Ingenieuren herum und muß sich die immer gleichen Sprüche und Witze anhören. Jeder will einem seine kleine Alltagsphilosophie weismachen, und man muß das alles möglichst im selben Tone weitergeben, obwohl man gleichzeitig völlig anderer Meinung ist. Man scheint gut zu verdienen in dem Metier, die Preisgabe seiner selbst ist aber auch sehr hoch. Drum bewundere ich ein wenig die Leute, die in der Lage sind, das zu schaffen. Und da fällt mir grad wieder ein, wie es damals war, als ich noch mit meiner Frau in Deutschland unterwegs war, bei meinen Schwestern, bei den Verwandten. Das war immer sehr ermüdend: ich mußte alles zweimal sagen, weil sie ja kein Deutsch konnte. Ich war also der Katalysator aller Gespräche, bei denen meine Frau dabei war. Gut, daß ich auf dieses Thema gekommen bin, sonst hätte ich den ganzen Hyperion in seiner vorlezten (sic!) fragmentarischen Fassung zitieren müssen, um meine Herzensstimmung zu illustrieren, und mich in Herzensergießungen eines zu ergehen, der als Bruder in seinem eigenen Körper der Klausur frönt. Ab und zu aus seinen Augen heraus winkend, wenn er sich unbeobachtet fühlt.
Ein wahrhaft herzerhebender Wink…