Children of Men. Von Alfonso Cuaron.

>>>> Gesehen. >>>> Wie erzählt, setzte mich Katanga auf diesen Film an. Empfundene Ambivalenzen reizen mich, sie bringen Kopf und Herz zueinander in Widerspruch, was neuerliche Denkbewegungen auslöst. Das allein schon ist ein Genuß.

Hab mal eben durch im Netz auffindbare Kritiken gegooglet. Toll ist sowas:
Richtig schlimm verscherzt es sich die Regie aber erst mit dem Zuschauer, als sie entscheidet, die letzte halbe Stunde des Films mit dem Geschrei eines Säuglings unterlegen zu lassen. Das ist auf Dauer nur schwer auszuhalten.Björn Helbig heißt der Mensch, der das schreibt und wahrscheinlich selbst keine Kinder h a t. Auch so kann negative Betroffenheit entstehen: Die Leute (etwa Kritiker, die ja – jaja! – a u c h Leute sind) werden an ein eigenes Manko erinnert, und das nehmen sie dem A u t o r übel. Bei mir kam das Säuglingsweinen nämlich völlig anders an: Es derart konsequent in Kontrast zu der harten Kriegsszenerie, also mit Kriegsgeräuschen zu verschneiden, empfand ich als einen ausgesprochen gelungenen, unmittelbar evidenten Kunstgriff – ebenso wie, daß Regisseur >>>> Alfonso Cuaron, der auf dem hinter dem Link auffindbaren Bild seinem Hauptdarsteller Clive Owen seltsam ähnlich sieht, eine Szene mit dem Alt-Hippie Jasper (Michael Caine) nahe an der Schwelle zur Hörbarkeit ein Lied aus Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ unterlegt – für mich sehr eigenartig passend zu den miteingespielten Beatles, die mir ja nun g a r nicht nah sind. Hier hat die Menschlicheit eine solche Kraft in ihrer Darstellung, daß ich selbst dieser für mich sonst kaum erträglichen Musikrichtung ausgesprochen nahekam. Wenn jemand (wenn Kunst) d a s schafft, ist da Kraft.
Interessant an dem Film ist weiters, daß sehr plausibel – einfach qua, nennt Katharina Döbler sowas, „Kraft der Behauptung“ – gezeigt wird, wie auch demokratische Systeme (hier: ein auf zwanzig Jahre später hochgerechnetes Großbritannien) zu faschistischen mutieren können, sowie nur die Lebensgrundlage der eigenen Bevölkerung bedroht ist; Cuaron scheut sich nicht, Szenen, die wir aus realen heutigen Flüchtlings-, bzw. Auffanglagern für sog. Wirtschaftsemigranten kennen, mit solchen zu montieren, die deutlich an die nationalsozialistischen Deportationen von Juden und politisch Unliebsamen erinnern – bis hin zu stand„recht“lichen Erschießungen. Der Grat zwischen Humanität und Massensadismus, etwa beim Militär, ist bei Cuaron hauchdünn; ich teile seine Einschätzung. J e d e r Mensch, der darauf getrimmt ist, sich sozial anzupassen, und dessen Credo (dessen Prägung) soziale Anpassung ist, ist bei entsprechender Umjustierung des politischen Systems, in dem er lebt, in aber auch a l l e rkürzester Zeit zum Menschenrechtsverbrecher zu machen – eben weil für ihn das Soziale psychisch überwiegt. Das gilt aber für Widerständler, die ihren Widerstand über Gruppen herstellen, ganz genauso; auch das zeigt der Film. Der Rebell Luke (Chiwetel Ejiofor) gehorcht ganz denselben Sozialdynamiken wie seine Gegner des Staatsapparates; ein Spiegel sämtlicher gewalt-revolutionären Bewegungen. Dies alles bildet Children of Men ab und erzählt es. Und das ist schon mal was.
Problematisch kommt mir allein die Behandlung der plötzlichen weltweiten Kinderlosigkeit vor, einem an sich mythischen Thema – nämlich um so mehr, als wir es global ja nicht mit Kinderlosigkeit, sondern mit exponentiellem Bevölkerungswachstum zu tun haben. Daß die sog. Erste Welt Infertilitätssymptome hat, ist nun wahrlich kein Grund, sie auf die „übrige“ Welt hochzurechnen, sondern steht auf einem Blatt, das noch viele weitere Themen der Zivilisationskrankheiten verzeichnet. F ü r das mythische, bzw. für ein biblisches Moment spricht auch, daß sich die „faschistischen“ Soldaten teils bekreuzigen und das harte Gefecht sogar von ihnen unterbrochen wird, als die junge Mutter mit diesem-ersten-neuen-Menschen-wieder-seit-Jahren durch das völlig zerschossene Haus langsam herab(!)steigt, während das Militär noch und noch nach oben(!) ballert. Aber Cuaron nimmt dieses Thema nicht eigentlich auf, sondern läßt es als zu akzeptierende Situation einfach stehen. Man merkt da, wie sehr er sich hier dem Realismus verschrieben hat; dieser ist aber eine prinzipiell zu schwache Kunstform, um angemessen mit Schicksalhaftem umgehen zu können. Er muß es a l s Schicksalhaftes, seiner eigenen Doktrin halber, sogar verleugnen. Ich denke, daß die Ambivalenz, von der ich >>>> im heutigen Arbeitsjournal spreche, unter anderem von h i e r herrührt. Nicht die Schwäche eines bestimmten Regisseurs drückt sie aus, sondern die Schwäche der gewählten Kunstrichtung selber.

2 thoughts on “Children of Men. Von Alfonso Cuaron.

  1. @Kinder & Ruhe: in Jena an einer roten Ampel gesehen:

    “Uns regt nichts auf – wir haben KINDER” – steht auf dem Schild in der Heckscheibe… Lacht.

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