Arbeitsjournal. Sonnabend, der 31. März 2007.

6.27 Uhr:
{Berlin, Küchentisch.]
Dazu, >>>> die Briefe zu schreiben (17.03 Uhr), kam ich gestern dann doch nicht mehr. Verbrachte den Abend mit der Familie; als sich dort zur Ruhe gekehrt wurde, gegen 22 Uhr, radelte ich noch einmal h i e rher, um einen Wein zu trinken, noch etwas E-Post durchzugehen und zu schauen, was sich in Der Dschungel getan hatte – und sah mir dann >>>> „Children of Men“ an, auf Katangas Empfehlung, der schon tags zuvor auf den Film hingewiesen hatte und ausgesprochen ambivalent zu sein schien, wie er ihn für sich werten solle. [Hab meine „kritischen“ Anmerkungen eben dazwischengeschoben; nun werd ich gleich kreuzverlinken müssen. (7.18 Uhr).]

Kühlmann schickte mir eine kleine Kritik über die >>>> Heidelberger Lesung (9.39 Uhr), geschrieben für die Rhein-Neckar-Zeitung des 20. 3. von einem Franz Schneider; ich fand sie gestern, als ich die Arbeitswohnung verließ, im Briefkasten. Der Rezensent nennt die BAMBERGER ELEGIEN „zu redselig“ und hält entschieden meine Prosa dagegen, in diesem Fall >>>> LENA PONCE, sowie die kurzen Gedichte, die ich in Heidelberg vorlas. Momentlang ärgerte ich mich, dann dachte ich nur ‚ach Dummchen‘. Erst wollte ich dazu auch gar nichts schreiben; doch wäre das unaufrichtig, wenn ich‘s denn ernst meine mit der Protokollierung meiner künstlerischer Produktivität – zu der eben auch gehört, was gut und schlecht auf sie einwirkt. Ich bin von der kleinsten, an sich noch so uninteressanten Kritik sehr zu treffen; das zuzugeben, gehört eben dazu (und >>>> ich g l a u b e anderen Autoren nicht, daß sie so etwas nicht interessiert, sondern halte das für verschleiernde Selbstschutz-Aussagen). Allerdings kann ich auch keinen wertenden Unterschied zwischen etwa der FAZ und, sagen wir, der Offenbacher Bäckerblume machen. Was bedeutet, daß ich beides gleich ernst nehme. Wiederum bedeutet d a s: daß ich psychisch nicht hierarchisiere. Kritiker sind, egal wo und in welcher Funktion, g l e i c h wichtig zu nehmen – ob Berufskritiker oder Leser -; daß sie jeweils verschiedene Machtmöglichkeiten haben, ist unbestritten, aber im Anliegen selbst gibt es da keinen Unterschied. Wobei Sie sich bitte vor Augen halten, daß mich schlechte Kritiken zwar sehr sehr schmerzen und persönlich erbittern, aber nicht davon abbringen können, den poetischen Weg, der mir vor Augen steht, unerbittlich weiterzugehen. Ich bin nicht ‚erfolgreich‘ bedrohbar, eher im Gegenteil. Das betrifft auch ökonomische Zwänge. (Es ist sogar s o: “Du holst dir die produktive Kraft immer aus dem Kampf, immer aus dem Streit”, sagt Eisenhauer, “wahrscheinlich wärest du künstlerisch völlig gelähmt, b e k ä m e st du die dir doch so nötige Anerkennung.” >>>> Dielmann hat das mal ganz ähnlich formuliert.)

Heut morgen erst mal wieder an die Hexametrisierung der Vierten. Ich bekäm sie heute gern fertig. Mittags und nachmittags will ich für die Zwillinge dasein, damit die Geliebte einmal Luft für sich selbst hat. Und will mit meinem Jungen sein, der gestern einen heftigen, mir höchst angenehmen Anfall von Ehrgeiz hatte, und zusammen mit ihm arbeiten: er an seiner Grundschul-Mathematik, ich an meinen Texten. Ein schöne Vorstellung: Er sitzt in der Arbeitswohnung am Arbeitstisch der Zimmermitte, ich am Schreibtisch, und beide arbeiten wir – der Siebenjährige und sein Vater – entschieden unser beider Vornahmen ab.
Guten Morgen.

9.44 Uhr:
Nun bin ich d o c h nicht an die Hexameter gegangen, sondern habe mich einmal wieder >>>> mit Ungaretti beschäftigt. Die Frage, weshalb mich einige mehr oder minder locker mit dem Faschismus assoziierte Autoren so reizen (D‘Annunzio, Pound, Benn, Ungaretti usw., auch Richard Wagner), läßt sich vielleicht dahingehend beantworten, daß ich wie sie Welt ästhetisch, nicht aber moralisch wahrnehme – was mit der Lebensform zu tun hat, die die künstlerische Tätigkeit i s t – daher rühren wahrscheinlich auch die Affinitäten dieser Künstler zu den faschistischen Systemen, die das oft eben auch taten. Verkannt wird hierbei, daß die künstlerische Wahrnehmung von Welt auf gar keinen Fall eine politische Wahrnehmung sein darf. Was für Kunst unbedingt g i l t, gilt für Regierungsformen n i c h t. Diese Lehre ist aus der Vergangenheit zu ziehen (und in manchem Kommunismus oder anderen ideologisch, bzw. religiös fundierten Systemen auch noch aus der direkten Gegenwart).

[Poetologie.
Politik & Kunst.]

1 thought on “Arbeitsjournal. Sonnabend, der 31. März 2007.

  1. “Du holst dir die produktive Kraft immer aus dem Kampf, immer aus dem Streit”, sagt Eisenhauer, “wahrscheinlich wärest du künstlerisch völlig gelähmt, b e k ä m e st du die dir doch so nötige Anerkennung.”

    Das verwundert überhaupt nicht. >>> Characterschicksal nannten Sie das einmal sehr treffend. Sie s u c h e n sich ja stets und immer wieder – teils bewusst, teils unbewusst – aufs Neue Konflikte (was dem Charakter geschuldet ist), weil Sie instinktiv w i s s e n, dass sie Voraussetzung und Energiequelle sind für das Werk. Ähnliches sagte ich Ihnen kürzlich in Bamberg – bezogen auf Frauen.

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