B.L.’s 25.4. – Tag der Befreiung

16.17
Tag der Befreiung. Es wird in den Medien heute recht patriotisch zugehen. Gestern schon Vorübungen (wahrscheinlich) vorm Altar des Vaterlandes in Rom, an den Bus mich vorbeiführte. Eine Alte, zahnlos (die später in der via Nazionale der Kontrolleursfalle zum Opfer fiel: mit welcher Kälte sie behandelt wurde, man kramte sogar in ihrer Handtasche nach dem Fahrschein, weil sie sichtlich verwirrt war, mußte laut im Bus ihre Personalien angeben, eine Demütigung und gleichzeitig eine Selbstdemütigung): „Der Präsident!“ War er aber nicht, wie man ihr dann sagte: „Nein, das ist nicht Napolitano.“ Und es scholl in den Bus hinein und schwoll in den Ohren „Fratelli d’Italia“. Und wo so viele Befreiungstage gefeiert werden in Europa, bleibt ein deutsches Vaterland latent. Weil der Befreiungstag immer die Befreiung von der deutschen Besatzung meint. Deutschland zieht sich nur auf seine Grenzen zurück, auf seine Sprache, nicht auf ein Vaterland. Auch weil Vaterland aus einem kollektiven Leiden seine Kraft zieht. Hier vor allem aus dem Ersten Weltkrieg. Bei den Russen war’s der Zweite: Darum klingt die Internationale auf russisch gesungen so begeisternd. Das Vaterländische meint: Wir haben uns erfolgreich verteidigt. Und nicht: Wir haben erfolgreich angegriffen. Der Märtyrer-Effekt. Der amerikanische Patriotismus wurzelt allerdings eher im Einzelkämpfer, der sein Stückchen Land für sich erobert und verteidigt, das er vorher nicht hatte. Er steht somit dem Terrorismus näher, der einzelkämpferisch seinen Platz in den Medien erobert und ihn durch Wiederholungstaten verteidigen muß. Wie auch überhaupt der Terrorismus einen Patriotismus hervorruft, der sich auf die Grenzen der eigenen Haut beschränkt, der nur scheinbar im Unisono der ähnlich fühlenden Einzelnen zu einer Art Kollektiv-Gefühl wird, es aber nicht meint.
Der Tag ist glimpflich verlaufen, auch weil das Schulfaktotum doch nicht gekommen ist, so daß mir sein Schwadronieren erspart blieb. Recht gutes Verhältnis zu den Neffen. Einer fragte mich, warum ich denn nicht direkt in Amelia eine Wohnung gemietet hätte, statt in 5 Kilometer Entfernung dazu. Der Wahrheit entsprechend sagte ich, daß ich dort nicht das Richtige gefunden hätte. Er meinte sogar, ich hätte sie doch in demselben Gebäude nehmen können, in dem sie wohnen. Er will einfach die Möglichkeit haben, öfter bei mir vorbeizuschauen. Irgendwelche Lösungen in der Richtung werden sich sicher finden lassen. Kommt Zeit, kommt Rat.

4 thoughts on “B.L.’s 25.4. – Tag der Befreiung

  1. Eine kleine Korrektur. 1943 schaffte die UdSSR die Internationale als Nationalhymne ab. Auch die 3. Internationale wurde aufgelöst und zum Kominform umgewandelt, das 1948, wenn ich mich recht erinnere, aufgelöst wurde .

    1. Der Ausdruck Präzisierung, statt Korrektur, trifft besser, was ich meinte.
      B.L. :
      …Eine kleine Verwechslung zwischen Internationale und sowjetischer Hymne gebe ich Dir zu, dennoch berief ich mich wörtlich auf die „russisch gesungene Internationale“. Ich bezog mich auf den Gestus des getragenen, zuweilen etwas aufjubelnden Gesangs. … Insofern ist deine „Korrektur“ eher eine Präzisierung.
      P.R.: Ich habe es begriffen , wollte nur den Fakt korrigieren und nicht deinem Eindruck widersprechen. Er ist allemal stimmig.

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