Arbeitsjournal. Montag, der 28. Mai 2007. Pfingstmontag.

5.33 Uhr:
[Henze, El Cimarron.]
Um Viertel vor fünf hoch, herübergeradelt, die PAVONI muckt, muß wahrscheinlich gereinigt werden. Deshalb gerade mal k e i n e n latte macchiato des morgens, so müde ich auch bin nach den wieder mal nur 3 ¾ Stunden Schlaf… nach 23 Uhr sah ich im Netz noch einen Film und bin nun so müde, daß ich völlig vergessen habe, welchen. Dazu kam der Wein, der bis jetzt, aber unangenehm, hinten auf der Zunge weiterschmeckt. Auslöser war eine leichte Depression, die mich gestern befiel, als ich wieder an den Döblinpreis dachte und daran, daß mein gesamtes, mittlerweile doch umfangreiches Werk von allem Anfang an gegen heftige Widerstände durchgesetzt werden mußte und weiterhin muß, weil es unter denen, die etwas zu bestimmen hatten und haben, imgrunde immer nur Gegnerschaft gab – das hat sich, anders als ich gehofft hatte, selbst mit dem Generationenwechsel nicht verändert. Und wenn ich nun an dieser >>>> Stromboli-Dichtung sitze, ökonomisch eigentlich für nichts, dann ist auch das schon wieder ein Akt des Durchsetzens, für den vor allem gegen bewußte Ignoranz anzukämpfen sein wird; so wird es, wenn sie denn erschienen sein werden, auch mit den BAMBERGER ELEGIEN sein, so ist es mit den ANDERSWELT-Büchern und sogar immer noch mit dem im Betrieb kaum rezipierten WOLPERTINGER. Und ich dachte: „Nein, ihr kriegt mich nicht klein. Ich kämpfe meine Arbeiten in die Existenz, und wenn ich keine Kraft mehr haben werde, dann werde ich gehen… aber eben erst dann, wenn sich das, was ich geschaffen habe, jedenfalls nicht auf Dauer verdrängen lassen wird.“ Das für mich persönlich Tragische an dem allen ist, daß ich weiß, ich könnte schreiben, wie immer ich wollte, es würde weiter ignoriert, jedenfalls nicht in angemessener Weise anerkannt – das Tragische ist, daß es offenbar ums Werk gar nicht geht, sondern um Zugehörigkeiten. All die erreichten Schönheiten in den Romanen und jetzt Gedichten nützen nichts. Man nimmt sie nicht wahr, weil man sie nicht wahrnehmen w i l l.
Manchmal werde ich da mutlos, bin ich leise-verzweifelt – vor allem, wenn es momentan nichts gibt, gegen das es sich aktiv anrennen ließe… dann steht man so ziemlich in der Leere mit all seiner künstlerischen Kraft und begreift die Sinnlosigkeit. Was dann auf die persönliche Kraft geht und sehr bedrückt. In solchen Momenten braucht man seinen ganzen Willen, der aber da n n zur Depression wird, hat man zu begreifen genug Verstand, daß er zwar künstlerisch weiterführen, aber auf der Erfolgsseite ganz ebenso im Leeren landen wird, wie alles zuvor im Leeren gelandet ist. Das liegt nun nicht an den Lesern, die meine Arbeiten, wenn auch in zu geringer Anzahl, haben, sondern an den rigorosen und permanenten Verhinderungsmaßnahmen des literaturvermittelnden Betriebes. Daß sich die Literaturwissenschaft unterdessen anders positioniert, hilft in diesem Zusammenhang nicht viel; das mag Ruhm geben, nicht aber Brot.
Sie merken, ich bin grad nicht gut drauf. Sorry.

Aber der Don Quijotte schreibt jetzt mal besser an seinen Windflügeln weiter.

14.16 Uhr:
[Am Terrarium.]
Jetzt hat mich eben >>>> ein Erschauern richtig erwischt

22.30 Uhr:
[Arbeitswohnung. André Heller,Wienerlieder.]
Danach war mir vorhin (nach dieser Musi: „Im Paradeisgartl“ – es sah dauernd aus, als begänne es jeden Moment zu gießen), als wir unseren Familien-Pfingstmontagsspaziergang machten, der uns – >>>> hiernach eigentlich von innerer Logik – über den schönen, halbzerfallenen, halb noch betreuten Friedhof an der Greifswalder führte. Und nun geb ich dem, wonach mir war, nach.
Anrührend und ohne jeden Kitsch ein Kindergrab, vor dem ich lange stand…. (23. 50 Uhr: Ärgerlich! Jetzt wollte ich zweidrei Friedhofsfotografien vom Mobilchen auf den Laptop übertragen, aber das System erkannte Motorola nicht mehr, und der Update wollte nicht. Damit hab ich mich jetzt fast anderthalb vergebliche Stunden herumgeschlagen und mag nun nicht mehr. Dennoch:)


Wir sehen den Kirschbaum an, und er blüht, und die Blüten fallen.
Konstanze, 1990 – 2001


Und ich wollte, >>>> für Bruno Lampe, hernach Ella Fitzgerald hören… Lieber BL, es ist gut, Sie wieder hier zu lesen.

7 thoughts on “Arbeitsjournal. Montag, der 28. Mai 2007. Pfingstmontag.

  1. wenn ein werk noch wert erscheint für ihr durchsetzen tätig zu werden, dann ist eine keine schöne, aber dennoch eine jedem in milderer form zu wünschende sache.

  2. exakt das ,ist mir bei ihnen auch ein ewiges rätsel?sie entbehren so viel für ihre arbeit und ich bin davon überzeugt,dass sie erfolg hätten,wenn sie sich etwas nuancierter auf die kunst des kampfes einlassen könnten…das ,was sie beklagen gibt es wirklich überall,nicht nur im literaturbetrieb und es ist auch einfach menschlich…mir fällt auf,dass sie sehr oft zu schnell reagieren in ihrer wut und das veröffentlicht ergibt wirkliche diskrepanzen…z.b. als sie grass als war es tattrig ?(,jedenfalls in dieser art )darstellten,das ist letztendlich unfair,jeder wird älter und hinterlässt nur einen merkwürdiges bild,was ihnen im normalfall gar nicht entspricht….dennoch viele türen wieder schliesst…ein künstler kann ein enfant terrible sein,allerdings nicht auf allen ebenen…und auch wenn ich weiß,was jetzt ihre gedanken dazu sind,so ehrenwert theoretisch die sind,praktisch verhindern sie ihren erfolg selbst…und sie können das gern auch löschen..:-)

    1. Weshalb sollte ich das löschen? E i n Aspekt Der Dschungel ist zu dokumentieren, und zwar mit möglichst vielen konkreten Namen. Dann hat wenigstens die Nachwelt etwas davon. Zu Grass – da >>>> habe ich selbst von einem Altersschutz gesprochen, und es wäre zu meiner von Ihnen nicht zu Unrecht getadelten Bemerkung überhaupt nicht gekommen, verübte nicht der alte Mann den von mir auch so bezeichneten Machtmißbrauch. Im Gegenteil war ich stets einer von denen, die Grass’ens Werk verteidigt haben und auch den M a n n noch verteidigten, als man ihn unfair (und er selbst sich ungeschickt) wegen der SS’erei denunzierte. Etwa >>>> h i e r.
      Und n a t ü r l i c h reagiere ich schnell in meiner Wut, Schnelligkeit ist eine meiner entschiedenen Stärken. Und ich w i l l nicht taktieren. Was ich verlange, deutlich und entschieden verlange, das ist, daß unabhängig von einer Person das Werk und n u r das Werk betrachtet wird, und das g e n a u und ohne Vorbehalt. Ich erwarte das mit dem Recht dessen, der es ebenso hält. Was nun dieses „einfach menschlich“ anbelangt… da tut es mir leid, nein, tut’s n i c h t… dann bin offenbar ich n i c h t menschlich. Es ist für mich überhaupt kein Problem, selbst das Werk tiefexistentieller Feinde, wenn es denn etwas taugt, hoch zu ehren – auch das Werk von Verstorbenen, die ich persönlich einfach nur mies finde, wie etwa Celine. Bei jemandem wie Gesualdo fällt das offenbar auch anderen nicht schwer – sie brauchen allerdings offenbar historischen Abstand., der mir ganz egal ist.

      Verstehen Sie bitte… es kann nicht darum g e h e n, ein Werk nach der sozialen Verträglichkeit oder dem leiblichen, gar den sexualorientierten Gefallen seines Urhebers zu bewerten – so wenig, wie es, wenn auch „menschlich“, so doch zutiefst amoralisch gewesen ist, mich nicht einmal meiner Herkunft, sondern allein meines N a m e n s wegen wegzuisolieren. Ja, auch das ist menschlich. Und Lynchjustiz ist menschlich. Menschlich ist letztendlich alles, was das Hirn geprägt hat. Daß wir aus der Falle der Determinationen nicht herauskommen, weiß ich freilich auch. Auch nicht aus der der sozialen Determination. Anzeigen sollte man es dennoch, auch wenn man ein Betroffener ist – der getretene Hund, dem man noch verübelt, daß er drum bellt.

  3. …keinen Kaffee?… wie schrecklich. Ohne Kaffee keinen guten Morgen – bei mir jedenfalls nicht.

    Was ich besonders ekelhaft und hinterfurzig finde, ist dieser passive Widerstand (das ist für mich diese Ignoranz), der still vor sich hin gärt, und trotzdem aus dem Hintergrund immer so nach vorne tritt, er hat eine gewisse Standqualität, die immer aus eben diesem feigen Hintergrund genährt wird. Dieser passive Widerstand hat nichts mit Respekt und Achtung zu tun, und gibt Ihnen nicht die Möglichkeit sich auseinanderzusetzen, genau diese Möglichkeit (Reibung) brauchen Sie aber. Die Literaturwissenschaft wird ihr Werk immer bemerken… es den Studenten vermitteln und anerkennen, was bei den „Werken“ einiger anderer Autoren eher sehr unwahrscheinlich ist, denn Ihr Werk ist wie eine neue Matrix die sich über alles legt. Für mich ist das eine Matrix, geschaffen in der Vergangenheit (weil – wie lange dauert ein Augenblick der Gegenwart?), die ihren erzeugenden Ursprung aber in der Zukunft hat, und sich deshalb über alles legt.

    Einen Wassertropfen bewahrt man vor dem Austrocknen, indem man ihn in den Fluß wirft – dann wird er aber dazu gezwungen, mit dem Strom zu schwimmen und zu fließen. Es gibt Menschen, die wollen von Geburt an gegen den Strom zur Quelle, sie wachsen an allem, was sich ihnen in den Weg stellt. Ob das ökonomisch wertvoll ist, interessiert diese Menschen nicht die Bohne, sie gerade brauchen auch ihre eigene Art, ihren Weg zu gehen, denn aus dieser ziehen sie Kraft, genau so wollen sie ihren Weg gehen. Die Masse geht ihren Weg am liebsten auf schon ausgetretenen Pfaden, weil es so schön bequem ist – zu dieser Masse gehören auch die für mich sogenannten „virtuosen Schriftsteller“. Für mich bedeutet Virtuosität immer die Begeisterung der Masse… Sie gehören „Göttinnen sei Dank“ nicht dazu und deshalb wird man auch noch in Generationen über Ihr Werk sprechen… Ihre Matrix wird im Laufe der Generationen immer deutlicher werden. Sie haben das dann innerhalb eines Lebens geschafft – andere Menschen kriegen ja ihr halbwegs normales Leben nicht innerhalb dieses einen Lebens geregelt, diese Menschen bemerken sich selbst ihr Leben lang nicht, Sie sich schon.

    Eine Matrix zu schaffen, ist etwas anderes, als mit seinem Tun und Handeln Geld zu verdienen. Verweigern Sie Ihrem eigenen Werk nicht die eigene Anerkennung. Erdenbewohner, die sich systematisch mit ihrer eigenen Realität selbst täuschen, haben es nicht so gern, wenn jemand das Gehirn an sich durch Gehirnsimmulation ersetzt, weil hinter jeder Simmulation ein Entwickler steckt, der für sie nicht greifbar ist…

    So jetzt brauch‘ ich den zweiten Milchkaffee… und, machen Sie Ihre PAVONI sauber, dass bringt Sie auf andere Gedanken…

    1. wenn sie sich etwas nuancierter auf die kunst des kampfes einlassen könnte von passivem widerstand sprach ich gar nicht,svarupa..
      menschlich bedeutet fehlerhaft…geklüngel,kumpanei, intrige…diese hehren ziele ,die sie haben, herr herbst, finden da leider aber nur wenig raum auch wenn es wünschenswert wäre und werden sich ,wen, nur durch einen heftigen quantensprung jemals vollziehen,wenn es nicht sogar nur eine utopie ist?
      es war in keiner zeit dieser menschheit anders und ich möchte gar nicht wissen,wie viele deshalb gescheitert sind,obwohl sie großes vollbracht haben..deshalb geht es schlicht um prioritätensetzung..
      so weit zur realität dieser erde…svarupa ,mit der matrix kennen sie sich bestimmt besser aus…
      warum fühlen sie sich als getretener hund? man hat sie mit sechs anderen ausgewählt,man ignorierte sie nicht und ich denke auch an ihre vita hat man sich gewöhnt…das jemand anders sozial verträglicher war,hat eben auch mit machtstrukturen zu tun,die nie gerecht sind ,sondern immer dazu dienen bestimmtes zu stärken..
      das ist in diesem falle dann grass`s art und weise zu kämpfen ..
      ich sehe gerade im bereich der kunst einen mann aufsteigen,der eigentlich überhaupt kein künstler ist,aber sich begenadet ellenbogenhart den weg erschwindelt…mir wäre es wirklich lieber die wirklichen künstler könnten sich so vermarkten,das würde nämlich das niveau halten…

    2. oh… china-blue, meine Gedanken bezogen sich direkt auf ANH’s Gedankengut, und ich verstand schon, was Sie sagten. Menschlichkeit bedeutet Geklüngel, Kumpanei, Intrige… Menschlichkeit bedeutet aber auch Respekt, Achtung, und Akzeptanz gerade auch in der nuancierten Kunst des Kampfes, wenn man denn wirklich dazu bereit ist, sich zu stellen – passiver Widerstand ist nicht nur die Feigheit, sich zu stellen, sondern bildet auch sehr schnell und auch konsequent über Jahre hinweg ein Kollektivbewusstsein, in dem es „einfacher“ ist, sich zu bewegen und zu existieren und bestehende Regeln lediglich zu „verwalten“. Sich da „anzupassen“, hat nichts mehr mit „Kunst des Kampfes“ zu tun. Gerade von meinem Feind, dessen Leistung ich an sich akzeptiere, kann ich in der Auseinandersetzung/im Kampf sehr viel lernen. Und, Menschen, die die Regeln „brechen“, bewegen die Regeln. Ich finde, eben gerade, weil es zu keiner Zeit dieser Menschheit anders war, sind Menschen wichtig, die in ihrem Verhalten über ihren eigenen an sich selbst gestellten Anspruch in der Art und Weise, sich auseinander zu setzen nachdenken und somit ihre eigenen Prioritäten setzen.

    3. @china-blue. Ich versteh ja, was Sie meinen. Aber es besteht ein Zusammenhang zwischen der authentischen Intensität einer Dichtung und einer etwaigen Bereitschaft des Künstlers, sich Machtstrukturen wider besseren Wollens zu beugen. Vielleicht bin ich da besonders empfindlich, weil ich eben strukturell d e n k e und keinen Unterschied mache, ob sich eine Struktur im Faschismus durchsetzt oder in einer mehr oder minder human gesicherten Demokratie. Die Bewegung ist rein dieselbe. Und d a ß ich strukturell denke (vor allem: fühle), hat einiges mit der Herkunft und Geschichte meines Namens zu tun. Ich glaube tief, daß jemand, der sich h i e r anpaßt, es auch unter barbarischen Diktaturen täte – und wahrscheinlich täte er es da erst recht. Ich weigere mich, „demokratisch“-bequem nach Verhältnismäßigkeiten zu differieren. Aber daran ist seinerzeit schon mein Psychoanalytiker verzweifelt.

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