Arbeitsjournal. Montag, der 16. Juli 2007.

5.15 Uhr:
[Arbeitswohnung. Fußbad & latte macchiato.]
Es riecht, wenn es heiß ist in Berlin, in den Treppenhäusern so, wie es roch, als ich hierherkam in den Osten, 1994: immer noch nach Kohle, die in Kellern lagert – ein Geruch, fast Duft, nämlich nach Kindheit, der sich in allen übrigen Zeiten fast völlig verloren hat – selbst im Winter, wenn in einigen Haushalten noch mit Kohle geheizt wird, riecht es nicht mehr so. Fiel mir auf, als ich gestern Ans Terrarium zurückkam, und eben wieder, als ich die Treppe zur Arbeitswohnung hinanstieg.
Es geht heute früh sofort an die Elegien, um halb neun muß ich noch mal für eine Stunde zur Familie hinüber, aber dann geht’s mit Eile weiter. Das Arbeitstempo ist entschieden zu langsam, wenn aus den BAMBERGER ELEGIEN bis zum Winter noch ein Buch werden soll. Es ist aber auch Administratives zu besorgen, auch liegt da schon wieder ein noch nicht geöffneter Brief, den ich eben im Briefkasten gefunden habe und dessen Absender auf Anwälte schließen läßt. Den guck ich mir aber erst nachher an, um mir jetzt nicht die Arbeitslaune vergällen zu lassen.
Guten Morgen.

7.11 Uhr:
Als ich – für die Sechste Elegie auf der Suche nach einer arabischen Entsprechung für atman>>>> das hier las, wurde mir plötzlich der Grund klar, der mich immer wieder Suren in meine Texte übernehmen läßt; es ist ja keine Gläubigkeit, so wenig, wie wenn ich zunehmend aus dem AT zitiere, sondern das starke Gefühl von Schönheiten, die ich entdeckt habe und nun nicht mehr missen will, ohne daß ich doch zugleich den autoritären Überbau akzeptieren wollte. Im Gegenteil zielt alle meine Arbeit auf eine Auflösung des Autoritären ab, auf seine Verflüssigung… was n i c h t Relativierung bedeutet, n i c h t Profanierung, n i c h t Banalisierung. Das Kunststück muß darin bestehen, die gesamte Aura eines Religiösen, auch seinen schönen Ernst, zu bewahren, ohne sich aber dabei zu beugen. Sich nicht zu beugen, heißt wiederum n i c h t: zu mißachten, sondern als Stolzer unter Stolzen dem stolzen Gott ins Haus zu treten und zu sagen: Ja, s c h ö n sind deine Wohnungen, und ich erbitte, ohne zu betteln, das Gastrecht unter Herren (unter Frauen, frouwen). Dann wird Allah von seinem Wein geben und nach den Künsten m e i n e r Kelter fragen. Gut allerdings, wenn man drauf antworten kann. Unerläßlich.
Ich bin mir des Umstands bewußt, daß >>>> diese Art der Vereinnahmung eine kapitalistische Strategie ist, doch in diesem Fall zweifellos eine Tugend.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .