6.08 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Bis zwei Uhr noch mit dem Profi zusammengesessen, deshalb eben erst auf. Und weil die Arbeit so gut voranging. So geht’s denn auch gleich an die Zehnte Elegie, wobei ich die Neunte erst noch für den Typoskript-Druck zurechtformatieren, zweifach ausdrucken (mit rhyth, Auszeichnung und ohne) und dann in die Hefter einheften will, um schließlich – immer wieder zwischendurch und dann, später, wenn alle dreizehn komplett hexametrisiert sind, am Stück – auf dem Papier zu korrigieren.
Die Diskussion >>>> über meine Characterfehler, die >>>> ferromonte nunmehr wiederholt gerügt hat, geht weiter. Ich weiß zwar nicht recht genau, weshalb ich mich darauf einlasse, aber es trifft mich schon, wie Kritik eigentlich immer, und wenn mich das eh beschäftigt, kann es das auch öffentlich tun. Außerdem werden dabei Positionen klar, zumindest weniger unklar, auch mir selbst. Die wiederum wirken in die Dichtung, und schon insofern ist Öffentlichkeit gerechtfertigt in einem Medium, das man, um Arbeitsprozesse zu dokumentieren, begonnen hat und zu gestalten dabei ist. Allerdings habe ich auf ferromontes letzte Replik gestern abend nicht mehr antworten, sondern werde das heute erst später tun können, da hier ja kein Netzanschluß ist derzeit – nur manchmal flirrt ein offenes Netz, das mich für Momente hineinläßt, flirrte jedenfalls gestern; es gibt Tage, da wird es von meinem Laptop-Adapter überhaupt nicht erkannt. Also stelle ich in Die Dschungel ein und reagiere auf Kommentare (und beantworte Emails oder schicke eigene hinaus ) immer nur dann, wenn ich dazu Ans Terrarium geradelt bin. Wie lange das so weitergeht, ist momentan unabsehbar; das hängt an dem neuen Provider freenet und dem Chaos, das durch die Telekom-Sperre und dem notwendigerweise damit verbundenen Providerwechsel determiniert wird.
Auf die ferromonte-Diskussion verlinke ich, weil die dazugehörenden Kommentare aufgrund neuerer Beiträge bekanntlich aus der direkten Zugriffsliste am Zeitstrahl hinabrutschen und dann nicht mehr sichtbar sind; ferromontes Attacke bezog sich ja auf einen Artikel aus dem Jahr 2004. Immerhin zeigt das, daß auch solche alten Texte in einem Weblog durchaus nicht verloren gehen, vorausgesetzt, ihr Thema bewegt noch immer, und jemand sucht bei Google oder einer anderen Suchmaschine nach. Ich finde das beruhigend für Die Dschungel.
11.48 Uhr:
[Am Terrarrium.]
Eben noch, bevor ich wieder in die Arbeitswohnung zurückradel und dort erstmal den Mittagsschlaf halte, die nötigste Netzarbeit erledigt. Die Zehnte ging auch schon wieder gut voran, geradezu flüssig aus >>>> meinem zementierten Innern.
13.32 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
D a s eignet sich als rhythmisches Zeichen gut: „˘“ – schaun Sie mal:
hinter den hohen ˘ Scheiben erkennen, den nassen von Nacht,
morgens verschmiert, ˘ wie die Pupille von künstlichen Tränen,
öligen, trockner Kontaktlinsenträger. Der Sommer nimmt Abschied
ungern, der Nachts, und er weint in sein Kissen – im Dunklen, damit
niemand es merkt. ˘ Fälle sind, scheint’s, ˘ Sturzgüsse Tränen,
die er vom senkrechten Glas ˘ auffangen, ablaufen läßt,
wie, ˘ wenn er es wüsche und wüsche sich selbst von ihm ab,
um in das Rot, ˘ das heute Gold ist, des frühen , noch frischen
Tages verdunsten zu können – doch haftet und haftet, wie Augen
Licht halten wollen, ein letztes – erblindende Augen, die’s wissen
und ihre Lider aus Bange nicht zuschließen mögen… bevor’s
ihnen die klammen November, die nebligen Totenvergraber,
tun, und sie werfen den Sommer, der starb, ˘ in ihre Klamm.
Und dann ruft eben der Profi an und liest mir den Satz eines Herrn Schäfers vor, den der für den TAGESSPIEGEL geschrieben, den dieser gestern auch veröffentlich hat und worin er mich, der Herr Schäfer, in eine Reihe mit Homer und Thomas Mann stellt, die er freilich nicht mag; denn wir hätten – also Homer, Th. Mann und ich – G o t t sein wollen oder wollten es, das kann jetzt nur mich noch allein meinen, immer noch sein; hingegen Raymond Carver und Beckett… für die fiel ihm ein zeitgenössischer Deutscher zur Fortsetzung seiner Reihenuntersuchung offenbar nicht ein – jedenfalls weiß ich nichts anderes, denn: „der schwadroniert immer so fort“, sagte der Profi und mochte Herrn Schäfer nicht weiterzitieren.
Ich werd mich mit den Brüdern jetzt, Homer links, den schwulen Mann rechts, mitten auf die Couch plazieren, liegend, um zu schlafen; und Maria Magdalena, die schöne, wäscht mir die Füße, damit es mir wohlgeht im Traum…
15.54 Uhr:
… und einen so tiefen gab sie mir, daß ich lange nicht herausfand; eine halbe Stunde länger, wieder einschlafend, nachdem ich den Handywecker ausgeschaltet, schlief ich – und habe mich, den Kopf rasend voll, im Bademantel bei einem starken Espresso an die zehnte Elegie gesetzt, während ich zugleich den Kopf so rasend voll Gedanken habe, Repliken zu den letzten Kommentaren, >>>> walhalladas etwa, doch auch >>>> des Sturznestes, da wäre E i n i g e s zu sagen, und sowieso, auch Paralipomena kommen (und, unausgeführt, gehen wieder) – doch ich muß mich jetzt auf die Elegien konzentrieren, ich will sie unbedingt fertigbekommen, diese ihre Zweite Fassung, ich will jetzt keine anderen Konzentrationen zulassen, aber mein innerer Zement schlägt geradezu Blasen… so starr, wie rutschende Lava, ist er…
(zum Beispiel hatte sich mir, als imaginäre Replik eines Innen-Ferromontes, meines Ferromontes, nicht des >>>> realen, folgender Dialog >>>>> darauf ausgedacht:
fer.: „Sie mögen recht haben und Ihre Arbeit guttun; aber wer will sie haben? Zu wenige, um davon leben zu können. Also müssen Sie sich umorientieren. Lebten Sie in der Natur, müßten Sie ja auch jagen und sammeln, um zu essen, egal, ob Sie gerade Höhlenwände bezeichnen wollen…“
anh: „Ich lebe aber nicht in der Natur, ich lebe in der Kultur, und zwar einer, die aus Arbeiten wie meiner einen Großteil ihrer geistigen Identität bezieht, zumindest bezog… freilich, das könnte >>>> gerade zuendegehn“ –
wobei, verstärkend, zu jagen und zu sammeln und auch zu pflanzen, eine völlig andere Arbeit wäre, als sich in ein Büro zu hocken und entfremdeten Tätigkeiten nachzugehen, die einen austrocknen. Zu jagen hat etwas mit Atmen zu tun, zu pflanzen auch; Büros hingegen damit, ihn dauerhaft anzuhalten. Ich weiß da genau, wovon ich spreche; habe >>>> in einem Buch, aus eigener Erfahrung, davon erzählt.)
auf >>>> walhalladadas indirekten, per >>>> Link mitgeteilten Kommentar zum Paradigmenwechsel der Künste, gehe ich nachher, vom Terrarium aus, ein…
stop jetzt –
(Mal wieder ein offenes freies Netz erwischt; Maclike heißt es, und ich bin ihm sehr dankbar.)
16.46 Uhr:
… und habe, dank Maclike, den TAGESSPIEGEL-Artikel jetzt >>>> gefunden. Wobei mir zum Einschlafen noch der Gedanke kam, was denn ein solcher „Lakoniker“ täte, träte jemand wie Settembrini in seine Gedanken hinein? Verwiese ihn des Zimmers, weil er das „Auffangbecken des Lakonischen“ trübt? Und was b l i e b von Sparta, dem unbesiegten? die Epen des „Aggressors“ doch, imgrunde, von den Griechen, blieb (literarisch) nur Homer… einmal abgesehen davon, daß die lakonischen Sätze im Zauberberg L e g i o n sind; Herr Carver füllte daraus, die Mann nebenbeistreut, ein Lebenswerk…
– übrigens: nicht mitgerissen werden wollen als demokratisch-anständiger Lebenszweck… wohltemperiert sein… „Medium“, sic!, medial sein wollen… in Aldous Huxleys leider vergessenem >>>> POINT COUNTER POINT gibt es die treffliche Characterisierung kalte, fliegende Nacktschnecke.