Paul Reichenbachs Montag, der 8. Oktober 2007. Querelen.

…Irgend welche Anfälle stehen mir leider nicht zur Verfügung, sonst hätte ich es leicht gehabt, alles auf eine geläufige Art zu unterbrechen, die Zwangsjacke schreckte mich nicht. Aber Verstellung ist hier so schwer, viel schwerer als anderswo, man stößt hier ja gleich auf alle die echten Ausbrüche wie auf lauter Gegner und müßte dazu schon sehr geübt und sehr stark innen sein.
Beides bin ich nun nicht, und da hatte ich es schwer. ..
( Aus: Christine Lavant, „ Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus.“ )

Verkorkst. Das ganze Wochenende schien bis Sonntagabend nicht Meines zu werden. Samstag Besuch aus Tübingen. Freunde von ihr. Hölderlin hatten sie nicht im Tornister, als wir zu einer Wanderung in den Spessart aufbrachen. Den Tag kann ich abhaken, dachte ich, als sie so gegen 22.00 Uhr die Heimreise antraten. Alle Erwartung legte ich darauf in den Sonntag. Ich wollte schreiben und mit montgelas zusammen ANHs still-höllische Gedichte lesen und interpretieren. Aber schon nach dem Frühstück war klar, dass meine Hoffnungen sich nicht erfüllen werden. Der Zeitzerstörer hieß diesmal Regal Billy, das, ich habe es vorige Woche gar nicht gemerkt, für unsren Sohn gekauft wurde und nach G. gebracht und dort aufgebaut werden musste. Gegen 16 Uhr waren wir zurück. Der Tag war gelaufen. Und alle meine Vorhaben, an meiner Erzählung wollte ich auch weiterarbeiten, wurden so Opfer der Funktionen, die mir die soziale Gemeinschaft „Familie“ aufnötigt. Immer mehr spüre ich eine unbändige Lust alle Verantwortung von mir abzutun. Bruno bewundere ich, der im letzten Jahr sich seine kreative Freiheit wiedereroberte. Das stehende Wort von ihr habe ich noch im Ohr: Schreiben und Lesen kannst Du immer, also kannst Du es auch unterbrechen.
Am Abend, an Schreiben und Lesen dachte ich schon nicht mehr, fühlte mich leer gehetzt und wollte endlich konzentrative Ruhe einziehen lassen, schob ich die erste DVD von Rivettes „Die schöne Querulantin“ in den Player. Ein wunderbarer Film, >>>Chistine Lavant hat an dem Drehbuch mitgearbeitet, denn schon von den ersten Sequenzen war ich hingerissen, und das geht so weiter vermute ich. Aber bei den ersten Bildern blieb es dann auch. Ihr Laptop hatte sich aufgehängt und tat nichts mehr. Und wieder, statt Film zu gucken, geriet ich in das Hamsterrad von Funktionen, die ich ansonsten nicht ablehne, im Gegenteil, aber an Tagen, wo ich hin zu mir Selbst will, hasse ich es Vater, Ehemann, Nachbar oder sonst was zu sein. Ich kann die Leute gut verstehen, die beim Zigarettenholen nicht wieder nach Haus finden.

Nachtrag und Korrektur: Traue keiner Zeitung!!

Christine Lavant, einer aufmerksamen Leserin ist es nicht entgangen, starb 1973. Leider. Es muss Christine Laurent heißen. Danke nach Wien !! ANH war so freundlich Ihre Mail an mich weiter zu leiten.

In der Taz, der ich die Meldung entnahm, steht Christine Lavant, was natürlich falsch ist und mir hätte auffallen müssen. Es heißt dort: In der Geschichte von Balzac, deren Grundmotive das Drehbuch von Pascal Bonitzer und Christine Lavant sehr genau übernimmt, heißt es über Frenhofer: “Er ist ein wunderbarer Maler, aber er hatte das Unglück, reich geboren zu werden, denn das erlaubte ihm Abschweifungen; ahmt ihn nicht nach! Arbeitet! Maler dürfen nur mit dem Pinsel in der Hand nachdenken.” >>>Link Taz:

4 thoughts on “Paul Reichenbachs Montag, der 8. Oktober 2007. Querelen.

  1. Zu Christine Laurant: “Pascal Bonitzer, Christine LAURENT und Jacques Rivette ließen sich zwar von Honoré de Balzacs Erzählung “Le chef. D’œuvre inconnu” (“Das unbekannte Meisterwerk”) inspirieren, aber die Dreharbeiten begannen ohne ausgearbeitetes Drehbuch. Obwohl die Szenen auch nicht chronologisch abgedreht wurden, entwickelten sich Dialoge, Details und Charakterzeichnung erst im Verlauf des Entstehungsprozesses” (Dieter Wunderlich)
    Laurants vielseitige Biografie finden Sie unter: http://www.imdb.com/name/nm0491210/maindetails

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