Virtuelles Seminar. Allgemeine Texte.

Hierunter können Sie Texte außerhalb fester Aufgabenstellungen in Der Dschungel veröffentlichen (“Kommentar verfassen” anklicken und den Text dann mit copy&paste einsetzen). Für diese Texte gelten dieselben Konditionen wie >>>> dort und ganz zu Eingang dieser Rubrik WERKSTATT erläutert.

159 thoughts on “Virtuelles Seminar. Allgemeine Texte.

  1. Putrefactio: soz., techn., ästh. (Futurismus) Massengesellschaft funktioniert im Krieg
    rebellierender Destruktivismus
    geht nur in neuen Mikrotönen

    In der Futuristengruppe manifestiert sich das Blendwerk Antikunst
    Libretti geben freie Versfüße preis
    vereinen Autonomie und Maschinerie.

    Traditionelle Programmansätze fliegen elektrisch bohemewärts
    und Marinetti seismographenbewaffnet geht nach vorne.

    Artefakte agieren zwingend wie nie zuvor
    Schock ist der gelungene Wirbel der Zukunft:
    wird gelebt aber nicht gespielt,
    denn: NEU ist das entkunstete Kapitel auch nicht.

    Tusch zur Restauration auf dem Russolophon.

    Brutaler Bruitismus
    Blut läuft aus dem Ohr
    Wie noch denken, wenn
    Kopf leergelaufen ist?

    1. @shoshannah. Zur Putrefactio. Vorweg: Das ist ein sehr spannender Ansatz für ein Gedicht. Gerade weil er erst einmal alles Ich aus ihm heraushält, bzw. herauszuhalten s c h e i n t.

      An einer Stelle aber kippt Ihr Ton, indem wertend, und zwar expressis verbis, kommentiert wird: “denn: NEU ist das entkunstete Kapitel auch nicht.” D a s können Sie auch ohne den Autorenkommentar, den man fühlt, übers Gedicht transportieren. Gegen Autorenkommentare ist zwar erst einmal nichts einzuwenden, nur sollten sie die Hermetik des Gedichtes, seinen Klangraum, nicht verletzen. Versuchen Sie einen Übergang zu schaffen, der das Auftauchen des wie immer auch abstrakten (versteckten) Ichs unmittelbar plausibel macht. Man darf da gar nicht auf die Idee kommen nachzufragen.

      Ähnliches gilt bei dem fast-innigen, fast z u innigen Ende: “Wie noch denken, wenn/ Kopf leergelaufen ist”. Das Problem besteht hier vor allem darin, daß man automatisch ein “der” mitdenkt: “wenn d e r Kopf leergelaufen ist”. Dadurch geraten die letzten beiden Sätze in die Nähe einer ach-Prosa, und zwar um so mehr, als das aus dem Ohr laufende Blut ein enorm starkes Bild, aber eines ist, das klischiert. Wenn dann auch nur der A n f l u g von ach-Prosa folgt, unterstreicht es das Klischee, anstelle es aufzuheben.

      Ach so, noch eines: Bekommen Sie das alchemische Element in den Gedicht (>>>> putrefactio) noch etwas sinnlicher ins Schwingen?

    2. Ah, vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. Das Gedicht liegt bereits unter dem mentalen Kopfkissen, die letzten 4 Verse sollten an sich auch im “kursiv” stehen, ich weiß noch nicht, ob sie da bleiben werden.

      Wird der “Autorenkommentar” vielleicht entkräftet, schriebe man einfach …und neu ist das entkunstete Kapitel auch nicht…? Wie gesagt, in Arbeit.

    3. neue Fassung Putrefactio: soz., techn., ästh. (Futurismus)

      Tonalverkehr ist eingestellt
      rebellierender Destruktivismus schreitet
      fort nur in neuen Mikrotönen

      In der Futuristengruppe manifestiert sich das Blendwerk Antikunst
      Libretti geben freie Versfüße preis
      formulieren neuer sich auf neu
      vereinen Autonomie und Maschinerie.

      Traditionelle Programmansätze fliegen elektrisch bohemewärts
      und Marinetti seismographenbewaffnet geht nach vorne.

      Artefakte agieren zwingend wie nie zuvor
      Schock ist der gelungene Wirbel der Zukunft:
      wird gelebt aber nicht gespielt,
      Staubwedelt eher entkunstete Folianten

      Tusch zur Restauration auf dem Russolophon.

      Brutaler Bruitismus
      Blut läuft aus dem Ohr
      Wie soll er noch denken, wenn
      Der Kopf leergelaufen ist?

    4. @sho-shan-nah (zur neuen Fassung von Putrefactio).

      Tonalverkehr ist eingestellt [:wirklich toll in der Anspielung.]
      rebellierender [:das Wort finde ich zu narrativ, zu deskriptiv] Destruktivismus schreitet
      fort [Dieses „nur“ stört den Rhythmus.] nur in neuen Mikrotönen

      In der Futuristengruppe manifestiert sich das Blendwerk [Weshalb aus der Autorenhand werten?] Antikunst
      Libretti geben freie Versfüße preis
      formulieren neuer sich auf neu
      vereinen [:braucht man nicht] Autonomie und Maschinerie.

      Traditionelle Programmansätze fliegen elektrisch bohemewärts
      und Marinetti seismographenbewaffnet geht Marinetti nach vorne.

      Artefakte agieren zwingend wie nie zuvor [:auch das empfinde ich als zu deskriptiv=äußerlich]
      Schock ist der gelungene Wirbel der Zukunft:
      wird gelebt aber [:eine weitere indirekte Wertung, die sich mir allzu spürbar vordrängt.] nicht gespielt,
      Staubwedelt [:solche Sachen würde ich beinah prinzipiell vermeiden, es sei denn, es handelt sich um einen ironischen Text; was hier schon aus der K r a f t heraus nicht der Fall ist.] eher entkunstete Folianten

      Tusch zur Restauration auf dem Russolophon.

      [Das ist wirklich stark, nur das „brutal“ nähme ich weg und ersezte es:]Brutaler Bruitismus
      Blut läuft aus dem Ohr
      [Aber immer noch, in Verbindung mit den beiden Zeilen vorher, sind diese Zeilen zu schwach, auch irgendwie zu moralinsauer. Läßt sich der leere Kopf nicht direkt und sinnlich aus dem herauslaufenden Blut entwickeln?]Wie soll er noch denken, wenn
      Der Kopf leergelaufen ist?

    5. letzter versuch vorerst: Eklektizismus und Putrefactio: soz., techn., ästh. (Futurismus)

      Tonalverkehr ist eingestellt
      Schmeckt sonnenverstaubt
      rebellierender Destruktivismus schreitet
      mit langem geschmeidigen Haar
      in neuen Mikrotönen
      hinter seinen Jägerzaun
      die Herzchen nach außen

      In der Futuristengruppe
      manifestiert sich das Blendwerk Antikunst
      vernachlässigte Korrespondenzen lassen stagnieren
      geben des Librettis Versfüße preis
      Überfluss schnell rausgeträumt
      Dann werden auch die Haare länger
      vereinen Autonomie und Maschinerie
      ganz von alleine

      Traditionelle Programmansätze fliegen elektrisch bohemewärts
      und Marinetti geht seismographenbewaffnet nach vorn
      Spuckt mit der Jukebox Schock in die Zukunft
      Puhlt entkunstete Härtefallanträge von Folianten

      Tusch zur Restauration auf dem Russolophon.

      Brutaler Bruitismus
      Blut läuft aus dem Ohr
      Wie soll er noch denken,
      zurücksacken
      wehe wehe Windchen

    6. Freie assoziation

      Jägerzaun im kopf
      Dackel springt herum
      Gezeiten am tv
      Tonal-harmonisch
      Blut läuft aus dem kopf
      In die magengegend
      Denk die grausamkeiten weg
      Ausserhalb der musik
      Dann dringst du vor
      In die kerne der extase
      Körper
      Lust
      &
      Korrespondenz
      Man ist gefangen

    7. ad soz, techn. ästhetisch start

      Uns selbst blieb allerdings aus unserer liebe zur theorie heraus die frage nach der motivationalität als herausragender forschungsaspekt übrig.
      Wäre es möglich, abgetrennt von den noch zu entledigenden phänomenen der rivalitität / dem konkurrenten modell und der materiellen vorteilsverschaffung, eine strikt selbständig verlaufende motivation als völlig eigenständiges und selbstverständliches interesse an der optimierung maschineller & ästhetischer prozesse ( mit sicherheit dann als derer konnexion ) zu destillieren und damit innerhalb zu verändernder formen von individuellem bewusstsein und dessen kommunikation ?
      – angesetzt an der interdisziplinären betrachtung und der freude und der damit vielleicht stattfindenden erleichterung der / über / durch ( die ) maschine als etwas, was uns aus den atavistischen biologistischen modellen entlässt und damit hervorragend unseren unterschied zum tier / unser menschliches bewusstsein in seiner noch absehbaren einzigartigkeit ausdrückt –
      Nämlich als bewusst setzbares, als sich-vorweg, als entwurf innerhalb eines zwar jeweils individuellen systems, das sich aber grundsätzlich entscheidend verknüpfen darf.
      ( z.b. heidegger – )
      DAS wäre meines dafürhaltens die einzige hoffnungsvolle antwortsuche auf die technische entwicklung, die sich stets erweiternde automation, die dem menschen mit sicherheit zumindest einen teil der paradoxien abnehmen könnte und ihn auch letztendlich wieder zu dem machen könnte, was er abgetrennt von den ihn umgebenden chancen – aber auch zwängen – der materialität stets war :
      ein sowohl soziales wie auch empathisches wesen.

    8. @ peer dhu danke für die schöne assoziation, gefällt mir gut.

      zum “start”: ich sehe nicht, wo sich das gedicht auf heidegger und das von ihnen ausgeführte bezieht (wie kann man dahinter stehen und gleichzeitig in einem weblog posten?)- seit es menschen gibt, führen sie auch krieg, romantisierte soziale empathische urgesellschaft gibt und gab es so nie.

  2. der lärm klingt ab
    der schmerz fühlt taub
    das blattwerk surrt wie kühlschrank

    die straßenbahn dumpft halt
    – sie muss
    vermummt die luft
    der Rede nur

    1. @slunitschek (1). aufpassen h i e r!: “das blattwerk surrt wie kühlschrank”; das bekommt etwas unfreiwillig Komisches, weil allein, den Artikel (“ein”) auszusparen, nicht notwendigerweise Bedeutung dazutut; abgesehen davon kann ich das Bild (den Klang) nicht nachvollziehen. Sie bekommen die Naturgeräusche von Wind in Blättern nicht allein durch die Behauptung über eine technische Assoziation gelegt; da braucht es etwas Drittes, das vermittelt.

      “die straßenbahn dumpft halt” ist überdies doppeldeutig, weil “halt” auch “eben” bedeutet. Liest man das dann s o, wäre die Aussage banal; ich denke momentan, daß Sie aber auf eine Haltstelle anspielen wollen, auf einen “Halt”.

      Noch eines zur Assoziation einander widersprechender Laut-Situationen: durch eine Vermummung dringt ein Surren als Raunen, allenfalls.

      Außerdem ist das kleine Gedicht zweigeteilt: in die verkürzten Wahrnehmungen einerseits, in den folgenden Lyrismus andererseits: “dadamm die luft/der rede nur” – es ist hier das nachgestellte “nur”, das den Lyrismus ergibt, und der ist nach den Verkürzungen der ersten vier Zeilen, jedenfalls für mein lyrisches Empfinden, sprachlich nicht angeschlossen.

    2. zu “der lärm klingt ab”, 1.Fassung Der „kühlschrank“ will als Maschine wahrgenommen werden, das Geräusch der Motoren- Blätter soll dabei ein Naturbild erklingen lassen (oder andersrum). Durchaus bedarf es hier deutlichere Worte!
      Die Akzente sollten dennoch ihre Ordnung beibehalten. Nimmt doch die –für meine Empfindung- starke Akzentuierung beider Wortsilben (Kühl-schrank, auch Blatt-werk) das ‚dumpfende’ HALT* der „straßenbahn“ vorweg und schließt in dieser Zäsur eine rhythmische Einheit.
      Das nachgestellte „nur“ war trotz seiner peripheren Stellung als eben ein Trennendes gedacht. Betreffend die Textkohärenz und Textkohäsion lässt sich keine eindeutige Funktion zuordnen. Endlich spaltet es regressiv die zwei letzten Verse und bewahrt „[die] Rede“ vor einer semantischen Verengung/ Verkümmerung zu einem bloßen Genitivattribut.
      Demnach waren folgende Sinneinheiten gedacht:

      xXxX
      xXxX
      xXxXxXx
      xXxXxXx X
      …sie muss
      xXxX

      xXxX
      …nur (Grundlage für zweite Fassung)

      *„halt“ soll Prädikatsnomen zu „dumpft“ sein, vielleicht reicht hier das Wort in großen Lettern zu schreiben, um seine Funktion eindeutig zu markieren. (?)

    3. sozusagen tiefenhermeneutisch-assoziativ ergänzte ich beim stillen Vorlesen dem >halt< ein weiteres >L<. Als kurze unproduktive Anmerkung 😉

    1. @Slunitschek (2). Hier liegt ein Problem vor allem im >>>> “merzen”. Man könnte ebensogut “ge>>>>schwittert ist die Kunst” sagen und hätte dann einen – Witz oder eher noch ein gebildetes Blödeln. Darauf scheint es in dem Gedicht aber eben nicht hinauslaufen zu wollen, das “rot angelaufen zum Appell” ist dafür zu bildkräftig, weist zudem in einen g a n z anderen Zusammenhang, den wiederum verstärkt, wenn man statt an Kurt Schwitters an >>>> das Wörterbuch des Unmenschen denkt, in dem als Vokabel, und sehr zu recht, “ausgemerzt” aufgeführt wird. Eine Verbindung vom schwitters’schen “merzen” zum faschistischen “ausmerzen” wäre nun aber ein Konnex, den Sie Ihren Lesern ganz sicher nicht unterheben wollen. Da täte sich das Problem auf, daß auf dem Wege des semantischen Hofes sich eine politische Aussage ganz ebenso als eine ihr entgegengesetzte lesen und in Bewegung setzen ließe.
      Bei dem “Diktat: fehlerfrei” habe ich hier ein assoziatives Verständnisproblem: Was – genau – ist gemeint? Unschärfe ist nicht an sich problematisch, aber eben sehr in dem Feld von “merzen” zu “ausmerzen”.

    2. Lieber Rostschleifer, bitte hier in der Werkstatt keine persönlichen Bemerkungen machen. Draußen, in der anderen Dschungel, darf hart geschossen werden. Hier aber, in der Werkstatt, nur rein sachbezogen bleiben, bitte. Es ist von den jungen Leuten mutig genug, hier zu posten, und jede sachliche Kritik ist in Ordnung; aber nichts mehr, was unterhalb der reinen Sachebene stattfindet. Bitte das einfach akzeptieren. Ein Satz wie “der mensch” argumentiert außerhalb des Textes selbst, also geht an die Persönlichkeit. Wenn diese Werkstatt funktionieren soll, muß so etwas draußen bleiben.

      Danke.

  3. Engelsreigen. Halb wachend und ruhend zur Hälfte im Traum,
    ersteht mir im Geiste ein schwebender Raum!
    Voll fallender Götter, voll flüchtender Qual,
    springt ein Ton in mir über, – den einst man mir stahl!

    Ein Ton, der das traurigste Lied tief empor,
    aus finsterstem Winkel zum Licht aufbeschwor!
    Der Tode und Leben im Klange vereint,
    und vor zitternder Schönheit dir dunkel erscheint!

    -Sieh! Der Engel, der Süßes im Gange verrät,
    wählt das bitterste Wort sich allein zum Gebet!
    Und hüllt er sich auch in Schweigen, sein kostbarstes Kleid,
    -still und leis liegt darunter verborgen sein Leid!

    Doch es welken die Worte am Lichte zu Staub,
    und sie treiben zu Boden gleich trockenem Laub!

    Und tanzen schier selig nun die Engel im Reigen,
    ihrer Kleider beraubt, müssen sie nunmehr schweigen!

    So erfüllten ihr Schicksal die Engel im Tanz,
    und die Worte entflogen im Lichte:
    zwei Raben, ein jeder im Schnabel den Kranz
    einer ewiglich toten Geschichte!

    1. @rast (1); zum Engelsreigen. Achtung: >>>> Engel sind Ungeheuer (d.h.: sie sind nicht geheuer, nicht sozial kompatibel, nicht-menschlich) machen Sie sich das immer klar; Engel sind keine Putten, die mit nackten Ärscherln herumfliegen, damit man/frau ihnen pädophil daraufklatschen kann. Engel haben Reißzähne.
      Das ist das eine.

      Dann: Vermeiden sie Wort-Antiquitäten (z.B. “schier”), so lange Sie nicht eine F o r m völlig beherrschen; sonst beherrscht die Antiquität Sie und macht Ihnen das Gedicht unglaubwürdig. Ich glaube, wir sprachen im Seminar schon über den Unterschied eines gefühlten Gefühls zu dem auf ein Papier gebrachten Gefühl. Eines hat mit dem anderen nichts, aber auch gar nichts zu schaffen.

      Weiter: Achten Sie auf das Versmaß, wenn Sie denn mit einem arbeiten. Auch durch Drüberweghuschen im Vortrag lassen sich Rhythmusstörungen nicht verdecken.

      Weiter: Bilder müssen s t i m m e n, und zwar s o w o h l metaphorisch wie konkret. Beispiel: “Doch es welken die Worte am Lichte zu Staub”; das stimmt einfach nicht, konkret; ein Welken schließt Staub sogar aus, weil f e u c h t gewelkt, getrocknet aber erst danach wird. Und dann kommt der trockene Verfall. Bitte genau sein.
      Was ich dabei auch gar nicht verstehe, ist, wenn man die Bilder mal so annimmt, weshalb Engel, die nackt sind, deshalb schweigen müssen… wo ist da die (lyrische, poetische, aber auch konkrete) Verbindung?)

      Vermeiden Sie alle Dativ-Ziselierungen mit angefügtem “e”.

    2. danke. ein altes gedicht, das mit bestimmtheit dem nicht gerecht werden kann, was sie im seminar besprachen: hier sollte ein gefühltes gefühl zu papier und zu grabe getragen werden. ich wollte – narzisstischerweise – schlichtweg in den genuss einer unabhängigen auslegung eines meiner persönlicheren gedichte kommen, wie soll selbst ich es beurteilen; ich fühlte z u stark. zu stark für weiches papier. auf schweinedarm wär es erträglicher? die form beginnt meist schon am medium. wer singen könnte…

      nur einiges: im sinn hatte ich vielmehr gotische engel, denn barocke. der engel ist teil unseres selbstverständnisses. eines, dem wir nicht gerecht werden können. es ist zu wenig fleisch daran. zu veräußert ist es dem leib, zu verinnerlicht der geist. zu mager der schein, im gegenlicht des erlebens. es gibt keine rast in diesem reigen. er dreht sich, wir hüllen uns in schweigen, aus dem uns der strick gedreht wird, dessen faser silbe des s i n n e s selbst ist. als hätten wir uns offenbart in unserer nacktheit. doch hüllten wir uns nur in schweigen. wir hätten uns in w o r t e , die schweigsam sind kleiden müssen, um tanzen zu dürfen.

      nochmals danke.

  4. Mein Quell soll Abgrund heißen?
    Muss ich, um meiner Heimat Willen, die halbe Welt bereisen?
    Soll ich erschöpfen mich, um zu erschaffen?
    – So wird ein Mensch erst Mensch mir unter Affen!

  5. Ganz unten Du schaust mich an und hasst mich sofort. Abfällig betrachtest du mich. Meine abstehenden Ohren, meine schiefen Zähne und meine dicke Knollennase. Du lächelst, weil dir ganz spontan mindestens 10 böse Spitznamen für mich einfallen. Zahnspangenablehner, Segelflugzeug. Nicht gerade spektakuläre Spitznamen, doch du bist glücklich.
    Das ist die Hauptsache. Als du noch mit gerümpfter Nase meinen Duft in dich hineinziehst, bist du nicht mehr zu halten. Aufgebracht wedelst du mit deiner Hand vor deinem feinen Näschen herum und hüstelst ununterbrochen. Du freust dich, weil ich ganz rot werde und zu Boden starre. Lächelnd bringst du dann noch den Satz „Sehr interessante Duftmarke!“ hervor. Du schaust in meine übergroßen Glubschaugen, die sich langsam mit Tränen füllen. Du bist jetzt ganz oben.
    Du sitzt oben auf deinem Richterstuhl und wedelst mit dem Hammer umher. Bis du auf einmal bemerkst, dass mir mein rechter Arm fehlt. Immer wieder blickst du auf den Stofffetzen, der von meiner Schulter hin und herbaumelt. Dort, wo du eigentlich einen schweißtriefenden Arm erwartet hättest, ist nichts. „Oh Gott wie grausam!“, denkst du und schenkst mir die preisverdächtigsten Mitleidsblicke, die du zu bieten hast.
    Jetzt bist du auf einmal ganz unten. Doch du konntest ja auch nicht wissen, dass ich ein hilfloser Krüppel bin, woher auch? Meine Nase scheint dich nicht mehr zu interessieren. Deine ganze Aufmerksamkeit schenkst du meinem nicht vorhandenen Arm.
    Ich lächle, denn du tust mir Leid. Ich bemerke deine zitternden Hände, die nach Halt suchen, doch nichts finden. Dann sehe ich deine spitze Stupsnase, die mit ihren Nasenlöchern himmelwärts zu blicken scheint. Ich huste, denn dein Parfüm erregt bei mir große Übelkeit. Ununterbrochen wedle ich mit meiner Hand vor meiner Nase herum und entferne mich langsam einige Schritte von dir. Deine Tränensäcke unter deinen zugeschwollenen Augen scheinen fast zu zerplatzen, so müde und erschöpft wirkst du.
    Doch dann, dann bemerke ich Nägel, die unter deinem lichten Haar zusehen sind. Und ich schäme mich. Ich schäme mich über meine Boshaftigkeit dir gegenüber. Doch ich konnte doch auch nicht ahnen, dass du Eisen in deinem Kopf mit dir herumträgst. Nun bin ich ganz unten, ganz unten bei dir. Immer wieder starre ich auf die Nägel, die deinen Kopf zusammenzuhalten scheinen. „Oh wie grausam!“, flüstere ich, während sich mein linker Arm vom Körper löst und einfach so zu Boden fällt. Er fällt zu uns, ganz nach unten.

    1. @gloria_m (zu “Ganz unten”). Auch ich finde das erst einmal einen schönen Text. Aber die Teufel stecken im Detail. Seien Sie insgesamt härter, rücksichtsloser, auch gegenüber den eigenen „korrekten“ Tabus. Es geht in einem Text n i e darum, Rücksicht zu nehmen, sondern darzustellen, was darzustellen ist.
      Hier meine Lektoratsanmerkungen:

      Du schaust mich an und hasst mich sofort. Abfällig [Redundant zum Eingangssatz.] betrachtest du mich. Meine abstehenden Ohren, meine schiefen Zähne und meine dicke [Doppelt:] Knollennase. Du lächelst, weil dir ganz spontan mindestens [Aufpassen! Nicht ulken!] 10 böse Spitznamen für mich einfallen. Zahnspangenablehner, Segelflugzeug. Nicht gerade spektakuläre Spitznamen, doch du bist glücklich.
      Das ist die Hauptsache. Als du noch mit gerümpfter Nase meinen Duft in dich hineinziehst [die Verkürzung macht das stärker], bist du nicht mehr zu halten. Aufgebracht Du wedelst du mit deiner Hand vor deinem feinen Näschen herum und hüstelst ununterbrochen. Ich starre zu Boden. Du freust dich. , weil ich ganz rot werde und zu Boden starre. Lächelnd bringst du dann noch den Satz „Sehr interessante Duftmarke!“ hervor. Du schaust in meine übergroßen GlubschaAugen, die sich langsam mit Tränen füllen. Du bist jetzt ganz oben.
      Du sitzt oben auf deinem Richterstuhl [Kommentiert viel zu sehr; die Wertung hier unbedingt dem Leser überlassen!] und wedelst mit dem Hammer umher. Bis du auf einmal bemerkst, dass mir mein rechter Arm fehlt. Immer wieder blickst du auf den Stofffetzen [Ist das Wort „Fetzen“ hier wirklich richtig? Wohl eher nicht…], der von meiner Schulter hin und herbaumelt. Dort, wo du eigentlich einen schweißtriefenden [Wieso „schweißtriefend“?]Arm erwartet hättest, ist nichts. „Oh Gott wie grausam!“, denkst du und schenkst mir die preisverdächtigsten Mitleidsblicke [Das ist schrecklich gekalauert.], die du zu bieten hast.
      Jetzt bist du auf einmal ganz unten. Doch du konntest ja auch nicht wissen, dass ich ein hilfloser Krüppel bin, woher auch? [Nicht kommentieren. Bleiben Sie in der Härte der Situation.] Meine Nase scheint dich nicht mehr zu interessieren. Deine ganze Aufmerksamkeit schenkst du meinem nicht vorhandenen Arm.[Redundant.]
      [Hier jetzt die Kippe!:] Ich lächle, denn dDu tust mir Leid. Ich bemerke [Nein! Sondern: das muß e r z ä h l t werden; s o steht es als eine Reflektion da.] deine zitternden Hände, die nach Halt suchen, doch nichts finden. [Anschließen mit Subjekt-Wiederholung, wird dichter:] Ich Dann sehe ich deine spitze Stupsnase, die mit ihren Nasenlöchern himmelwärts zu blicken scheint. Ich huste. Was ein ekliges , denn dein Parfüm erregt bei mir große Übelkeit.! Ununterbrochen Ich wedle ich mit meiner Hand vor meiner Nase herum und entferne mich langsam einige Schritte von dir ziehe mich langsam zurück. Deine Tränensäcke unter deinen zugeschwollenen Augen scheinen fast zu zerplatzen, sSo müde und erschöpft wirkst du, so erschöpft.
      Die Doch dann, dann bemerke ich Nägel, die unter deinem lichten [?] Haar zu sehen sind. Und iIch schäme mich. Ich schäme mich über meine Boshaftigkeit dir gegenüber. [Viel zu viel erklärt und resonniert hier!:] Doch ich konnte doch auch nicht ahnen, dass du Eisen in deinem Kopf mit dir herumträgst. Nun bin ich ganz unten, ganz unten bei dir. Immer wieder starre ich auf die Nägel, die deinen Kopf zusammenzuhalten scheinen. „Oh wie So grausam!“, flüstere ich, während als sich mein linker Arm vom Körper löst und einfach so zu Boden fällt. Er fällt zu uns, ganz nach unten. [Dieses Bild stimmt erzählerisch nicht mehr, weil es eine Metapher mit einer konkreten Ortsangabe widersprüchlich verknüpft. Deshalb weiß man dann zu sehr, was gemeint sein soll.]

  6. Ein Mädchen Ein Mädchen

    Ein Weltenzertrümmerer, ein Wahnsinniger der sich hier ans Werk macht, sich anschickt zu zerstören, was die Welt bedeutet hatte? Doch dieses war letztlich zerschellt an den Klippen der Vergangenheit, die nur mehr zart nachhallte aus diesem idealistischen Raum, der einst der einzig denkbare gewesen ist.

    Ich erinnere mich daran, es war gestern, vielleicht wird es auch morgen sein. An einem See, da saß sie, gleich einem morbiden Nachsommertraum, aus dem ich mich nicht mehr entwinden konnte, dem ich nicht mehr fliehen mochte. Dieses Märchen wird danach verlangen zu Ende erzähle zu werden, auch wenn mir dabei meine Welt vor meinen eigenen Augen zerbricht. Sie also am Ufer, träumend in ihren Emotionen, die man wohl als still bezeichnen würde, endlich in Ruhe versunken, welche sie so lange hatte entbehren müssen. Ein See lag vor ihr, bedeutungsvoll schien er sie anzusehen, doch er lebte nicht mehr, war gestorben an den letzten Jahren, vielleicht auch nur an mir. Glaubte sie noch daran, dass er sich beschützen konnte, mehr als die Menschen, denen sie vor langer Zeit abgeschworen hatte? Dieser See, der sie so rührend zurückerinnern ließ an ihre schönsten Augenblicke, in denen sie nicht zu erstricken drohte, sondern atmete, ihre Lungen tief mit Leben flutete. Niemals hatte sie einen Gedanken daran verschwendet, dass es diese Reinheit hier an diesem See tatsächlich geben könnte. Doch der See war tot, gestorben an ihr selbst, die sich in den letzten Jahren verändert hatte. Dies war kein Märchen mehr, dies war sie, die Weltenzertrümmerin, die nicht mehr erzählen konnte, was sie einst so berührt hatte in ihrem Streben nach Reinheit, die ihr jetzt plötzlich schäbig vorkam, abgestanden, besudelt von so vielen Gedanken, die nicht mehr die ihren sein konnten.

    Wo war sie hin diese höchste aller Glücksformen, noch vor Jahren so lyrisch besungen, heute nur noch ein leises und heiseres Krächzen das ihren Hals verlässt, wenn sie in diesen See taucht. Veralgt und voll mit toten Fischen, ebenso tot wie sie es wohl immer gewesen war. Diese Gedanken waren niemals ihre, diese Ideen die über den weltlichen Dingen standen ein tröstender Mythos, der sie noch einige Jahre am Leben halte konnte. Doch erzähle ich oder erzählt sie – will ich es zu Wort kommen lassen, dieses schöne Märchen, dieses wunderschöne Mädchen, das sich in mir eingenistet hatte und jetzt für immer vertrieben werden soll? Mir zerbricht das Herz beim Gedanken daran, doch ist es unvermeidlich, notwendig um zu überleben, um nicht selbst zugrunde zu gehen an dieser Träumerin, die nicht mehr ich ist.

    Also sitze ich mich heute an diesen so magischen Ort, der gänzlich entzaubert plötzlich die zerstörte Umwelt zutage treten lässt. Im Grunde jedoch interessiert mich all das nicht, ich möchte zurück in meine Traumwelt, in meine Rechtfertigung, in mein Leben als Dichterin, die selbst aus der banalsten Sache noch etwas hoch stehendes hervorzaubern konnte, gleich einer Magierin, die verzauberte Natur dazu benutzend, auch ihrem Leben etwas zauberhaftes abzugewinnen. Doch sie lebt nicht mehr, nicht mehr so wie sie es tat, kein zurück mehr aus ihren Gedanken in ihre Empfindsamkeit, welche so ganz vertrieben aus ihr keinen Platz mehr einnehmen soll. Soll ich sie erzählen lassen, diese naive Schnepfe, die ich damals war? Wie hat sie damals noch empfunden? Von der Heuchelei der Menschen wusste sie zu erzählen, von der Oberflächlichkeit und Stumpfheit der Menschen, die sie nicht verstanden, die nicht ihre Sprache sprachen, von der Unfähigkeit der Menschen sie vor dieser kalten Welt zu retten. Nun – sie hatte es nicht geschafft sich selbst zu retten, auch hatte sie niemals jemals ernsthaft retten wollen. Doch im Heute lebte sie dafür umso besser. Keine Kälte mehr war um sie, keine Dichtung und keine Rechtfertigung mehr.

    Sie kann also nicht mehr verkünden, was sie einst so sicher glaubte, ohne zu wissen, wer sie sein wird – wer ich sein werde, denn hier treffen wir uns also, an diesem Ort, der eigentlich ein Un-Ort ist, soweit abseits des Verstehens, so schön eingereiht in das, was sie zu sein hatte. Doch das verstand sie nicht, unsere Empfindsame, unsere Weibliche, unsere Unverstandene, die nicht wusste, was sie alles sein könnte, wenn sie sich nicht nur um ihr inneres Sein kümmern würde, das nicht das ihre ist, sondern nur das konstruierte, ihr gegebene soziale Geschlecht. Doch was hat dieser Diskurs in diesem Märchen verloren, soll sie wirklich so niedergekämpft werden, so lächerlich gemacht in ihrer Fähigkeit zu empfinden, wo andere Menschen nur leblos funktionieren? Ja sie soll, sie soll dem Gelächter ausgesetzt werden, ohne dass klar würde, worüber nun zu lachen sei.

    Wie kann ich also diese Welt noch verzaubern, die mir verleidet wurde durch Sprache und Erklärungen, wie kann ich sie noch aus meinen Gedanken malen, ihr einen Anstrich geben, der nach meinen Vorstellungen gerät? Wie schaffen ich es, dass nicht sie es ist, die mich malt, die mich entwirft, die mich unterwirft und mich dennoch letztlich konstituiert? Eine Idee keimt auf, die keine Idee mehr sein will, sie versiegt schnell und dennoch bleibt sie in meinem Kopf, doch findet sie keinen Ausweg mehr. Eindrücke finde ich meine Seele Einzug, doch geben kann ich nichts mehr, nur mehr erklären. Diese Welt wieder zurückverwandeln, wie die Magierin, die ich vor einiger Zeit gewesen zu sein glaubte, diese Heuchlerin, diese Lügnerin, dieses Mädchen bar jeglicher Erkenntnis über die Welt. Heute verstehe ich, doch bin ich nicht mehr am Leben, sondern das Leben lebt mich, obwohl ich es zu verstehen glaube. Nur das Unverständnis ist also der Weg zur Erlösung, zum Glück? Welchen Schwachsinn sie mir schon wieder zuhaucht. Ich sollte nicht mehr auf ihre Einflüsterungen hören, sie verwirren mich nur, sie bringen mich von meinem heutigen Vorhaben ab, das die einzige Konsequenz ist, die sich aus meinen Gedanken ergibt. Sie geht mich nichts mehr an, sie kann nicht mal ihre Worte ordentlich formulieren, diese mystisch angehauchte Schlampe, die am liebsten nur Geist sein würde. Doch sie ist Körper, verdammt noch mal, sie ist Körper, und der Körper ist zugleich die Möglichkeit diese Welt zu beeinflussen. Das hat sie nie verstanden, das werde ich ihr ganz langsam und ganz zögerlich erklären müssen. Doch halt – sie versteht ja meine Theorien nicht, das Thema Welthaltigkeit ist keines, das sie interessieren würde. Und dennoch geht es darum – der Körper in der Welt, der Körper als Welt, der Körper als Einflussnahme auf die Welt. Heute werde ich ihr beweisen, dass sie Unrecht hatte mit ihrer Theorie über Geist und Einflussnahme des Geistes auf die Welt. Sie würde immer noch in ihrem Irrtum verharren, in ihrer Träumerin, in ihren Spinnereien, wenn ich ihr nicht zur Hilfe geeilt wäre.

    Ich werde also nicht mehr wie sie damals zu leben versuchen in dieser Zwischenwelt, in diesem immer wieder zurückkehren müssen um Kraft zu tanken. Ich habe keine Kraft mehr und brauche diese nicht mehr, ich habe meinen Körper, ich habe mein Blut, ich habe mein Fleisch, das so viele Männer schon geliebt haben. Sie, diese prüde Zicke, diese seelenvolle Hysterikerin, die glaubte, dass Männer ihr Liebe schenken mussten, Aufmerksamkeit. Dieses schwache Etwas, das nicht verstand, dass Sex nicht mehr war als Körperlichkeit, als das Spüren von Fleisch, als das Empfinden der puren Macht das Außen zu verändern, es zu erregen, es zum Beben zu bringen. Nur darum ging es, nicht um Liebe oder Zärtlichkeit, welche ihr stets so mechanisch vorkam. Die Welt ist mechanisch, die Welt funktioniert nach Regeln, aber ich kann in diese Einfluss nehmen. Mein Blut kann diese Welt verändern, sie malen, sie beeinflussen, sie verzaubern. Nichts anderes ist Wirklichkeit. Wie könnte ich diese Welt also nach meinen Vorstellungen ausmalen, wenn nicht durch meinen Körper, durch meine schiere Existenz als ein Mensch unter vielen, nichts besonderes, weder in meiner Körperlichkeit und schon gar nicht in meiner Geistigkeit? Der Geist ist tot, ich habe ihn in diesem See ertränkt. Schau – er hat keine Veränderung hervorgebracht, er hat noch nicht einmal gezappelt, als ich ihn hineingeworfen habe, er hat sich nicht gewehrt, er hatte keine Chance gegen meine körperliche Kraft. Ein Schwächling, gleich wie du, Empfindsame.

    Ist es nicht wunderschön, dieses Rot im See, diese Veränderung, diese gemalte Gegenwart, ganz nach meinen Vorstellungen, wie ich es schon immer wollte – schon immer. Jetzt weiß ich also, wie ich erreiche, dass sich diese Welt nach meinen Vorstellungen gestaltet, ich kann sie umgestalten. Und zugleich wird mein Körper so schön leicht, so schwerelos, so unwichtig. Jetzt, da mein Geist ertrunken, oder sollte ich besser sagen, dass er dir gehörte, bleibt nur mehr der Körper übrig, welcher sich langsam von sich selbst befreit, sich selbst abschafft, sich selbst vernichtet, wie ich dich vernichtet habe. Der leichte Wind der aufkommt kann mir nichts anhaben, er hat nichts romantisches mehr an sich, ich will ihn nicht mehr verklären, ich kann nur sehen, dass er mein schönes Rot, das ich in die Welt gesetzt habe, vermischt und weitertreibt mit dem See, unterhalb zappelt noch die Seele und der Geist, kann aber kein Wort mehr herausbringen, da er bereits meinen flüssigen Körper schlucken muss. Letztlich sind sie also wieder vereint, Körper und Geist, Sinnlichkeit und Geistigkeit. Und ich habe uns bald abgeschafft, unseren Kampf beendet, für immer. Malerischer wird es wohl nicht mehr, wie ich diese Welt umgestaltet habe und letztlich den Ausweg für all unsere Probleme gefunden habe. Ich befreie uns von uns, erhebe unseren Körper in die Leichtigkeit in der du ihn schon immer haben wolltest, zugleich sind wir bar jeder dichterischen Erklärung, der perfekte Konsens, die beste aller Lösungen. Langsam schwindet die Welt vor mir, ich muss also wieder zurück in meinen Körper? Ich hatte also Recht damit, dass der Körper bleibt und der Geist vergeht. Gemaltes Blut im See, leichter Wind streicht darüber, treibt es über die ganze schillernde Oberfläche. In dem Vergehen liegt hier die Erkenntnis, wenn Worte versiegen ist es doch noch mein Körper, der diese Welt in einem strahlenden Rot verzaubert hat.

    1. @FranzKafka79. Ich bin bei diesem Text korrigierend nur über den Anfang gegangen, um zu zeigen, in welche Richtung meine Kritik geht. Überarbeiten Sie aber bitte, wenn Sie mögen, den ganzen Text; ich lese ihn dann auch gerne noch ein zweites, meinethalben auch drittes Mal. Nur muß da erst einmal die Schlacke raus.
      Weiteres ganz unten.

      Ein Weltenzertrümmerer, ein Wahnsinniger der sich hier ans Werk macht, sich anschickt zu zerstören, was die Welt bedeutet hatte? Doch dieses war letztlich zerschellt an den Klippen der Vergangenheit, die nur mehr zart nachhallte aus diesem idealistischen Raum, der einst der einzig denkbare gewesen ist. [Wenn Sie sich „FranzKafka“ nennen, dürfen Sie s o auf gar keinen Fall beginnen. Was ist etwas „dieses“: daß er sich anschickte, die Welt zu zertrümmern? Und d a s zerschellt? Wie kann ein sichAnschicken zerschellen? Dann die „Klippen der Vergangenheit“… was meinen Sie g e n a u?]

      Ich erinnere mich daran, es war gestern, vielleicht wird es auch morgen sein [Das ist so bedeutungsschwanger, daß es begründet werden muß. Bei dem Eingang hängt es aber wie dieser selbst in einem verschwärmt ideologischen Raum, der nirgendwo eine Konkretion hat.]. An einem See, da saß sie, gleich einem morbiden Nachsommertraum [Was ist das, außer der begriffskombinierten Hülse=], aus[!!!] dem ich mich nicht mehr entwinden konnte, demn [Genauigkeit! Sprache!] ich nicht mehr fliehen mochte. Dieses [Welches?] Märchen wird danach verlangen zu Ende erzähle zu werden, auch wenn mir dabei meine Welt vor meinen eigenen Augen zerbricht. Sie also am Ufer, träumend in ihren Emotionen [Das ist leerer Kitsch. Bitte genau werden: was m e i n e n Sie?], die man [Wer?] wohl als still bezeichnen würde [Und woher wissen Sie das?], endlich in Ruhe versunken, welche sie so lange hatte entbehren müssen. Ein See lag vor ihr, bedeutungsvoll schien er sie anzusehen [der See sieht das Mädchen an? Vorsicht vor unfreiwilliger Komik.], doch er lebte nicht mehr, war gestorben an den letzten Jahren, vielleicht auch nur an mir. Glaubte sie noch daran, dass er sich beschützen konnte, mehr als die Menschen, denen sie vor langer Zeit abgeschworen hatte? Dieser See, der sie so rührend zurückerinnern ließ an ihre schönsten Augenblicke [Der tote See läßt sie als ein Toter sich an die schönsten Augenblicke ihres Lebens zurückerinnern? Waren die a u c h tot? Genauigkeit!], in denen sie nicht zu erstricken drohte, sondern atmete, ihre Lungen tief mit Leben [der Tod flutet die Lungen mit Leben.] flutete. Niemals hatte sie einen Gedanken daran verschwendet, dass es diese Reinheit hier an diesem See tatsächlich geben könnte. Doch der See war tot, gestorben an ihr selbst, die sich in den letzten Jahren verändert hatte. Dies war kein Märchen mehr, dies war sie, die Weltenzertrümmerin, die nicht mehr erzählen konnte, was sie einst so berührt hatte in ihrem Streben nach Reinheit, die ihr jetzt plötzlich schäbig vorkam, abgestanden, besudelt von so vielen Gedanken, die nicht mehr die ihren sein konnten.
      Wo war sie hin diese höchste aller Glücksformen [???], noch vor Jahren so lyrisch besungen, heute nur noch ein leises und heiseres Krächzen das ihren Hals verlässt, wenn sie in diesen See taucht [Das ist komisch, das ist wie selbst schon Parodie. Dabei merke ich, daß Sie es ernst meinen. Aber Sie werfen das, wegen der Inkonkretheit, wegen der Ungenauigkeit, dem erstbesten bösen Spötter vor die Füße.]. Veralgt und voll mit toten Fischen, ebenso tot wie sie es wohl immer gewesen war. Diese Gedanken waren niemals ihre [Wessen denn sonst?], diese Ideen die über den weltlichen Dingen standen ein tröstender Mythos, der sie noch einige Jahre am Leben halte konnte. Doch erzähle ich oder erzählt sie – will ich es zu Wort kommen lassen, dieses schöne Märchen, dieses wunderschöne Mädchen, das sich in mir eingenistet hatte und jetzt für immer vertrieben werden soll? Mir zerbricht das Herz [Reines Klischee.]

      Also: 1) Jedes klischierte Bild rausnehmen, seien Sie da erbarmungslos, auch mit der Anima, der Sie den Text ja widmen. Bei manchen Verwundungen kommt man ums Schneiden nicht herum. 2) Versuchen Sie, ganz konkret zu sein. Gerade bei surrealen Settings ist das unabdingbar. 3) Versuchen Sie, das Gefühl, das Sie hier spürbar bewegt, ja, wirklich spürbar, als etwas zu nehmen, das Sie formen können und wollen, und formen Sie es dann. Versuchen Sie, sich die Personen leiblich vorzustellen, geben Sie Ihnen Characteristica, meinethalben eine verschobene Haarsträhne, irgend so etwas, das sie lebendig macht. Und ziehen Sie sie dann und damit aus dem Weichzeichner, ziehen Sie den überhaupt ganz schnell von der Linse wieder ab. 4) Begriffe wie „Weltenzertrümmerer“: ja meine Güte, was hat der Mensch denn getan? Hat er auf eine Endlösung hingearbeitet, konkret, inhuman? Oder wie meinen Sie das? Hat er die Umwertung aller Werte ganz vorne auf der Stirn getragen und ist wütend damit auf seine Leute los? S o bleibt er rein behauptet.

      Einfach noch einmal von vorne. Und trösten Sie sich: Mir selbst ist das oft nicht anders gegangen, und oft geht es mir immer noch so. Machen Sie beim Schreiben einen ganz ganz fetten Strich durch das Ich. Stellen Sie sich jemanden völlig Fremdes vor, geben Sie ihm andere Großeltern, als Sie sie hatten, andere Eltern sowieso. Schenken Sie ihm die Freude eines Steckenpferdes, das nicht das Ihre ist. Objektivieren Sie.

      [Auch an die anderen: Ratschläge wie diese richten sich an spezielle Texte und können bei anderen Sachlagen völlig anders, ja gegenteilig ausfallen. Bedenken Sie das bei allem, was ich sage, mit. Es kann durchaus sein, daß ein andersgearteter Text, bzw. seine Autorin/sein Autor genau auf das Ich zurückverwiesen werden muß. Es gibt kein festes Rezept.]<(sub>

  7. About About.

    Vor dem Spiegel. Hocken. Ich finde mich nicht. Ich finde mich nicht schön. Mein Bauch ist faltig. Der Mutter Venus abgerungen. Als fand ich den in einer Höhle vor vielen Zeiten, um ihn anzuschnallen fürs Gebären. Wie hässlich das ist, in verschlungenen, weichen Linien bis zum Becken fließt. Eines Rinnsaals gleich (mein Meer ist ein See). Ich bin ein Narziss. Oder nicht? Mein Gesicht möchte ich zerstückeln mit Furchen versehen, sobald es mir begegnet (in den Augen der anderen erkenne ich mich nicht). Es schaut mich ein Engel aus dem Spiegel an, ein Kind. Sie fressen mich auf: Der Engel und das Kind. Spielen, zelebrieren ein Schneepicknick (wissen Sie, wie still es ist – nach dem Schnee(?)), trinken mein Blut mit grünen Augen bis zum letzten Tropfen auf. So rein kann ich nicht sein. Wirklich nicht. Ich bin eine F r a u, schnürte mein Haar zusammen, schnitt es ab, damit keiner glaubt: Er mich müsse mich wegen dessen gelber Farbe begehren und der Form meiner Lippen (herausfinden, was Liebe ist, ob sie mir nicht dramatisch wäre). Ich rauche eine Zigarette, betrachte meinen Arsch. Der passt. Der passt in ein Charleston Kleid aus Seidefaden, zur Kraft meines Rückens, zu den Schultern und den zartgliedrigen Händen, zu meinen Füßen (manchmal des Nachts im Mondlicht, bricht meine Haut auf, ich bekomme Flügel, die ich nicht brauch’).

    1. @Rosenblut. Den Engeln. Das ist ein ganz toller Text, auch – und vielleicht eben – dort, wo er die Grammatik bricht (Interpunktion, Schleifung des Konjunktivs: „Als fand“). Mir gefällt das außerordentlich. Aber gehört er nicht eigentlich >>>> d a hinein? Auch, wenn ich mir klar darüber bin, müßte ich benoten, ihn dann s o benoten zu müssen: „Thema verfehlt. Note: 1“. (Denn gebeten wurde ja um ein Portrait, nämlich b i s zum Halsansatz und nicht darunter. Dennoch paßt Ihr Text großartig da hinein.)
      Wie auch immer, ein paar Kleinigkeiten möchte ich dennoch anmerken:

      Vor dem Spiegel. Hocken. Ich finde mich nicht. Ich finde mich nicht schön. Mein Bauch ist faltig. Der Mutter Venus abgerungen. Als fand ich den in einer Höhle vor vielen [Das funktioniert, glaub ich, nicht.] Zeiten, um ihn anzuschnallen fürs Gebären. Wie hässlich das ist, in verschlungenen, weichen Linien bis zum Becken fließt. Einesm Rinnsaals gleich (mein Meer ist ein See). Ich bin ein Narziss . Oder nicht?: Möchte Mmein Gesicht möchte ich zerstückeln mit Furchen versehen, sobald es mir begegnet (in den Augen der anderen erkenne ich mich nicht [Diese Klammerbemerkung ist toll!]). Es schaut mich ein Engel aus dem Spiegel an, ein Kind. Sie fressen mich auf: Der Engel und das Kind. Spielen, zelebrieren ein Schneepicknick (wissen Sie, wie still es ist?) nach dem Schnee(?)), trinken mein Blut mit grünen Augen bis zum letzten Tropfen auf. So rein kann ich nicht sein. Wirklich nicht. Ich bin eine F r a u, schnürte mein Haar zusammen, schnitt es ab, damit keiner glaubt: eEr mich müsse mich wegen dessen seiner gelbern Farbe begehren und der Form meiner Lippen (herausfinden, was Liebe ist, ob sie mir nicht dramatisch wäre). Ich rauche eine Zigarette, betrachte meinen Arsch [Ich bin absolut nicht scheu, was derbe Ausdrücke anbelangt; aber hier paßt der „Arsch“ nicht; Sie tun dem Narziss mit ihm keinen poetischen Gefallen. Nehmen Sie in diesem Fall:] Gesäß. Deras passt. Der passt in ein Charleston Kleid aus Seidefaden, zur Kraft meines Rückens, zu den Schultern und den zartgliedrigen Händen, zu meinen zarten Füßen (manchmal des Nachts im Mondlicht, bricht meine Haut auf, ich bekommet Flügel, die ich nicht brauch’).
      Was ich zum Schluß gemacht hab, ist ein starker Eingriff, ich weiß. Hier würd ich aber die grammatischen Verschiebungen des Textes noch einmal aufnehmen und zum Ende führen: Ungewißheit des irrationalen Erlebens.
      Da haben Sie einen wirklich tollen >>>> Engeltext geschrieben.

    2. Guten Morgen Herr Herbst, es macht (mir) Freude, Ihre Anmerkungen zu lesen. Ein Gesicht in Sprache zu tauchen, ist recht schwerer als ein Selbstporträt in Farben zu malen. Ich danke für die milden Impulse zur Erweiterung meines Verständnishorizontes noch einmal Darstellungen des Narziss zu frönen, über das Konstrukt der Zeit nach zu denken und über Engel …

      Ihr Schluss ist irgendwie … schön, stimmig (mir fehlt ein Wort), die Begründung zur Ungewißheit des irrationalen Erlebens scheint klar, entspricht meinem Empfinden und ich bin unentschlossen, ob es m e i n Schluss ist. Will ich die Symbolebene des subjektiven irrationalen Erlebens n i c h t von der logischen materiellen Realität lösen? Wem wachsen schon Flügel des nachts (physikalisch gesehen unmöglich) also aus einer Phantasie heraus, die Zartheit eines, nennen wir es Lichtes (besonderen Eigenschaft (Engel)) als eine nicht erklärbare Möglichkeit doch eine Wirklichkeit durch subjektives Fühlen (meines Fühlens) zu erschaffen, ist über der Ebene der Phantastik (?) …

      Gedankenendlosschleifenfahrt. Auch danke dafür.

      Vielleicht ist es doch m e i n Schluss.
      Wie auch immer, einen frohen Tag Ihnen.
      :).

  8. Engel Jetzt habe ich – angeregt von den Engeltexten hier – gestern doch auch ein Gedicht verfasst und würde dazu sehr gerne Meinungen hören.

    Engel

    Esst mich, Engel,
    habt keine Scheu,
    seid ein Fluss um mich,
    der mich rauschend ertränkt,
    seid ein Seil um den Hals,
    das mir Atem nimmt,
    seid ein Schrei auf Lippen,
    der mich ertauben lässt,
    seid ein Blitzen in Augen,
    das mich blind geblendet,
    habt keine Scheu
    und beißt in mein Herz,
    das mich leben macht
    und umbringt.
    Fresst mich, Engel!

    Über den Schluss bin ich mir nicht ganz klar, ich hatte zuerst bravere letzte Zeilen, die nicht mit Rhythmus und Stil brechen, in denen der Ton nicht kippte, etwa so:

    und beißt in mein Herz,
    das mich leben macht
    und sterben lässt.
    Esst mich Engel!

    Welches wäre nun die bessere Variante oder ganz anders? Danke für alle Hinweise!

    1. @Sprachspielerin. Erstmal vorweg, hab ich den Eindruck, ihr Gedicht habe sehr viel mehr >>>> mit dem zu recht berühmten Engelsgedicht Bert Brechts zu tun als mit meiner Auffassung von Engeln, die eine Hinwendung nahezu unmöglich macht, und zwar phylogenetisch. Ich >>>> tendiere bekanntlich zu der Auffassung, daß Engel kein Geschlecht haben, weder ein weibliches, noch ein männliches. Das schließt jeglich sinnlichen Kontakt zu ihnen aus. Die Frau, die Brechts lyrisches Ich da vögelt, ist Engel in d e m Sinn (einem falschen, wie ich meine), der umgangssprachlich sagt: “Sie ist ein Engel.” So auch die Widmung Alban Bergs über seinem Violinkonzert: “Dem Andenken eines Engels”. – Nichts, gar nichts davon bei mir. Bei Ihnen aber klingt der Kontakt noch durch oder doch wenigstens der Versuch eines Kontaktes. Aber gut, das führt jetzt wahrscheinlich z u entschieden aus den Höfen einer Schreibwerkstatt hinaus.
      Also:

      Esst mich, Engel,
      habt keine Scheu,
      seid ein Fluss um mich,
      der mich rauschend [Das ist Kitsch.] ertränkt,
      seid ein Seil um den Hals,
      das mir [wieso verkürzen Sie hier um den bestimmten Artikel? Das bringt lyrisch nichts, irritiert nur.]Atem nimmt,
      seid ein Schrei auf [dito; es wird durch Wiederholung nicht Poetik, sondern Masche.]Lippen,
      der mich ertauben [:das ist eine unschöne Stelzung.]lässt,
      seid ein Blitzen in Augen,
      das mich blind geblendet,
      habt keine Scheu
      und beißt in mein Herz [ein schönes Bild, im übrigen],
      das mich leben macht [Ungenau: das Herz macht Sie nicht leben, sondern hält Sie am Leben wie die Niere auch, wie die Lunge vor allem. Undundund.]
      und umbringt.
      Fresst mich, Engel!

      In diesem Fall ist “Freßt mich, Engel” dem “Eßt mich, Engel” vorzuziehen… es sei denn, Sie kleideten das “essen” in einem Bild noch aus. Dann wäre d a s stärker.

    2. Danke für die Hinweise nur eine Anmerkung zu den fehlenden Artikeln bei Atem und Schrei (und Augen): ich bekomme ein Problem mit dem Rhythmus, wenn ich diese einfüge oder sehen Sie das anders?

    3. @Sprachspielerin. Jajajajajajajajaja! Aber es kann k e i n e Lösung sein, für einen Primat des Rhythmus’ der Sprache selber eine Gewalt anzutun… oder w e n n, dann hat das Gedicht eine andere Intention. Haben Sie die n i c ht, müssen Sie einen Weg finden, Rhythmus und die Sprache einander ergänzend in die Hände zu legen.

  9. Kulturgeschichte
    Der vorliegenden Dichtung sind vier Ebenen eigen:
    1. Der LAUT, ‘r t h’ kann als Ausspucken gedacht werden, usw.,usf.
    2. Die sprach-HISTORISCHE Dimension, indogermanisch ‘th’ entwickelt sich zum Germanischen zu sog. ‘Thorn’-Laut, usw.,usf.
    3. Das BILD, t (“Kreuz”), spricht für sich, usw.,usf.
    3.1 Die musikalische NOTATION, in Annahme beiden Systemen stehe ein Violinschlüssel voran:
    Laut ‘o’ (Anfang, System 1) ist Ton ‘e’, mit dem “Kreuz” erklingt ‘e-Moll’, da sich Laut ‘t’ über die drei untersten Notenlinien erstreckt; b kann als Laut oder Alterationszeichen gelesen werden, bewirkt in der Wiederholung einen ‘Tritonus’, usw.,usf.

    Gerne erkläre ich die einzelnen Schriftzeichen.

    1. 18.52 Engelwerkstatt [ Blaupause No 7752 ] Die Engel der Nilpferde, nur so zum Beispiel, manchmal kann man sie sehn in den Winden, die das Gras der Steppen durchwehn.

    2. Ich habe hierüber einen Beitrag gelöscht. Auf den sich noelnoe bezieht; so ist nun ihr/sein Kommentar nicht ganz verständlich, bzw. gibt eine Fehlspur vor. Das ist nicht zu ändern. Ich muß darauf achten, daß nicht irgendwelche Leute von außen das virtuelle Seminar kaputtmachen, weil sie rein auf sich aufmerksam machen wollen, aber gar nicht recht wissen, was Stil ist und was nicht und wo was wie hingehört.

    3. @parallalie. Einverstanden. Nur geht dann der Singsang des zu Anfang angespielten Versmaßes nicht mehr auf.

      -/–/–/–/-
      /-/–/–/
      /–/-/–/

      Bei Dir fließt der Wind nicht mehr; die Verkürzung nimmt dem Gedichtchen das Elegische zugunsten der Konzentration weg, also zugunsten der Abstraktion. Ich persönlich bin bekanntlich ein Abstraktionsgegner und favorisiere Sinnlichkeit. Eine alte Diskussion der poetischen Haltung: Anorexie oder Adipositas.

    4. mir ging’s nur ums bild. daß der wind nicht mehr fließt (hab’ grad’ drüber nachgedacht) [edit: warum fließt er nicht mehr? das verstehe ich nicht: “das gras durchweht” / “durchs gras geht”], schlägt einen bogen zu den nilpferden, bekanntlich recht ungeschlachte tiere. dennoch weht der wind, denn er kann ja nicht gehen, aber die nilpferde müssens. so verweist das implizite wehen zu den engeln, die wohl doch nicht ungeschlacht sein werden wie die nilpferde. — das ist mir schon klar, daß wir da verschiedene auffassungen haben. — es so auf das wesentliche zu bringen, bedeutet aber für mich konzentration, weil alles überflüssige grammatikalische weg ist. (das mit der anorexie ist allerdings übertrieben, dann wäre ja Celan auch einer)

    5. @parallalie. Das ist vielleicht der Differenzgrund: Mich interessiert das Bild in einem Text sehr viel weniger als der Rhythmus. Wenn ich Bilder sehen will, geh ich ins Kino; bei Literatur genieße ich etwas anderes, vor allem den Klang, den Takt…. imgrunde Musik – und eine Bildhaftigkeit, die bildlos ist, aber voller Bildartigkeit… den Schein eines Bildes. Insofern: Das klangliche Fließen hat der längere, stärker rhythmisierte Vers stärker als der aufs Bild konzentrierte.
      Aber das ist jetzt schon eine für eine Werkstatt sehr weitführende Diskussion. Dennoch ist es wahrscheinlich gut, daß man sie g e r a d e hier führt.

    6. @anh Zunächst einmal zum von dir wiedergegebenen versmaß:
      -/–/–/–/-
      /-/–/–/
      /–/-/–/
      Ist das ein Versmaß? Oder nur die Wiedergabe der zufällig vorhandenen Hebungen und Senkungen? Bei meinem Text, dem die schlichte Anregung zugrundelag, würde das so aussehen:
      -/-
      –/-
      /-
      -/-
      –/-
      /
      /-/-
      -/-
      /-
      /-
      Ich sage mal: nein: der Ausgangstext ist eher ein kurzes Stück Prosa, auf seine eigene Art rhythmisiert und grammatikalisiert. Mir gefällt, daß ein solches Nachdenken von den „Engeln der Nilpferde“ ausgelöst wird, und weil es Nilpferde sind, so sollte man das alles sehr bedächtig handhaben, denn zumindest ich schließe nichts aus, was Dichtung war und ist, ob freie Rhythmen, ob gebundene Rhythmen, ob adipos oder nur als Gerippe, ob abstrakt oder sinnlich (wobei ich für mich das Abstrakte dito von mir weise und eher schon versuche, den Worten in ihrem eigentlichen Sinn nachzuspüren). Also es sollen keine Dogmen diskutiert werden. Es gibt keine. „Der semantische H o f ist der Kern jeder Dichtung“, dies aus deiner Vorlesung, in den ich mehr als einmal mich wiedererkennen konnte. Der semantische Hof existiert allerdings auch außerhalb allen Versmaßes. Für mich ist es die Interaktion zwischen (zwischen!) den Worten, die zwar einen Inhalt setzen, aber einen weiteren offen lassen. Daher auch meine Tendenz, in den Gedichten einfache Worte zu setzen und eher damit etwas herzustellen, daß ich sie nicht einfach so setze, wie ein normaler Satz es verlangte, sondern sie durchaus strategisch setze. In meinem Nilpferd-Text geschah das aber auch: das „wenn“ stand zunächst nicht dort, wo es steht; das „geht“ war zunächst ein „weht“; wichtig war auch, daß der wind am ende kommt als Spiegelung zum Anfang. Das ist kein Abstrahieren, das ist ein Evozieren, ein nach und nach ins Weite führen. Ins unbestimmte Bestimmte und bestimmte Unbestimmte. Engel kann ich nicht berühren, aber sie können mich in einer Ahnung erschaudern lassen. Nicht in einer Abstraktheit, die nicht da ist.

    7. @ parallalie. (Virtuelles Seminar).

      Ist das ein Versmaß?Nein, da hast Du natürlich recht. Aber: Es ist das Z i t a t, ist der Anklang an ein Versmaß. der Ausgangstext ist eher ein kurzes Stück Prosa, auf seine eigene Art rhythmisiert und grammatikalisiert.Und zwar eben so, daß der Eindruck eines lyrischen Gebildes entsteht, das ja dann i c h, nicht etwa der junge Autor, auf die Gedichtform umgebogen habe… als Vorschlag. Mir gefällt, daß ein solches Nachdenken von den „Engeln der Nilpferde“ ausgelöst wird…mir auch…, und weil es Nilpferde sind, so sollte man das alles sehr bedächtig handhabenIch hab mal Nilpferde r e n n e n sehen, die können irrsinnsschnell werden (und sind ausgesprochen gefährlich)und eher schon versuche, den Worten in ihrem eigentlichen Sinn nachzuspürenGenau das ist ja eine Frage, der „eigentliche“ Sinn; und sie läßt sich allenfalls religionstheoretisch beantworten, so wie Benjamin es tat, oder aber rein funktional, also außerhalb von Dichtung.Der semantische Hof existiert allerdings auch außerhalb allen Versmaßes.Selbstverständlich.daß ich sie nicht einfach so setze, wie ein normaler Satz es verlangte, sondern sie durchaus strategisch setze.Na klar. Aber, und da sind wir wieder bei den religiösen Implikationen: Ich, ja, glaube, sie setzen sich in einem gelungenen Gedicht auch s e l b st; wir haben die letzte Verfügungsgewalt über sie nicht… nicht dann, wenn es um die DINGE-selbst geht.wichtig war auch, daß der wind am ende kommt als Spiegelung zum Anfang. Das ist kein Abstrahieren, das ist ein Evozieren, ein nach und nach ins Weite führen. Ins unbestimmte Bestimmte und bestimmte Unbestimmte.Ich meine aber, daß die Evokation in dem kleinen Text allein schon aus seinem Rhythmus herausweht, der ein, siehe oben, zitierter ist. Ich habe versucht, das Zitat kenntlicher werden zu lassen, indem ich ganz bewußt auf einen Fünffüßer zwei Achtfüßer folgen lasse. Engel kann ich nicht berühren, aber sie können mich in einer Ahnung erschaudern lassen.Ja. Genau darum geht es. Und auch darum: Nicht in einer Abstraktheit, die nicht da ist.

      [Kannst Du >>>> dazu etwas sagen, bitte? Ich kann das Ding momentan nur anstaunen.]

    8. @slunitschek (zu: Kulturgeschichte). Dieses Dingerl bespräche ich gern am Freitag im realen Seminar. Ich glaube nämlich, um das völlig zu erfassen und dann auch “beurteilen” zu können, sind ein paar Zusatzinformationen nötig, vor allem klangliche. Ich hätte gerne, daß Sie uns den Text am Freitag vortragen. Davon wird abhängen, ob er funktioniert, was ich derzeit überhaupt nicht einschätzen kann.

  10. Treten Fester treten.
    Vorankommen, Schweiß läuft über die Stirn.
    Treten.
    Zutreten hinzutreten antreten weggetreten hingetreten abgetreten vorgetreten und immer feste auftreten nahe treten und
    dann zutreten, fester zutreten.
    JA!, (tritt zu,)
    Du brauchst es nicht mehr, dann kann ich es ja treten.

    Drauftreten. Draufgetreten,
    das tritt sich fest.
    Du trittst zu viel.
    Treten
    einfach drauftreten nähertreten zutreten
    Oh, bitte, noch einmal schnell
    ZERTRETEN

    1. zu ‘Treten’ Der freie Rhythmus entzieht dem Gegenstand die Wirkung.
      Vers 1, “Fester treten.”, ist in seiner kompakten Lautwahl und mit zwei Trochäen ideal zum zutreten. Andere Verse verlieren sich im “Darübernachdenken”, ich verstehe das Gedicht eher als konstant aktionistisch.

    2. G u t e Bemerkung! Das Konstante muß hinaus. Daß getreten wird, muß fühlbar werden. Da ist der Hinweis auf die Trochäen brillant, wobei es sich auch um einen Versfuß aus einer betonten und d r e i unbetonten Silben handeln könnte: das wäre Indiz für Aktion. Wenn es um die geht, schlüge ich vor, den Vierer zu belassen und strukturell immer wieder im Gedicht aufzunehmen.

  11. zwischen die zeilen gewischt “wischen impossible” – das scheitern
    an den zeilen, an den dazwischensachen,
    an der notwendigkeit des schweigens
    im sagen.

    das treppenhaus wär’ auch mal wieder dran,
    der plan im hausflur: erste und dritte woche:
    rechts; zweivier: links –
    mein recht darauf seit monaten versäumt.

    kehrwoche als einkehr in heimat,
    in etwas, was sicherheit gäbe:
    die des alltags,
    den ich nicht stattfinde.

    stattdessen von rausch zu rausch
    das rauchen entzündet, dies nuckeln
    an pinnen jenseits steuerbord.
    “und wenn einem zossen jetzt die rudermaschine

    versagt …”, im sturm der herbste,
    der meere, des lebens, der unsagbarkeit,
    der generellen. das nicht-sagen
    assistiert mit mullbindender eleganz.

    wenn die verse zäh sind,
    nicht grooven, wenn das wischen
    durch keine flure geht,
    nur tränen von der geröteten wange.

    1. @oegyr. “wischen impossible” [das ist eine witzige Idee; ich habe aber das Gefühl, sie stimmt nicht zu dem melancholischen übrigen Gedicht; stimmt in der Bewegung h i e r nicht; wird hier zum Gag.]– das scheitern
      an den zeilen, an den dazwischensachen [:d a s wiederum ist wirklich gut hier.],
      an der notwendigkeit des schweigens
      im sagen.

      das treppenhaus wär’ auch mal wieder dran,
      der plan im hausflur: erste und dritte woche:
      rechts; zweivier: links – [auf den ersten Blick ein lyrischer Einfall; aber: h ä l t die Assoziation?]
      mein recht [:auch das ist an der Frozzelgrenze, da ja etwas anderes als ein Recht gemeint ist; das Doppelspiel hilft dem Gedicht nicht.]darauf seit monaten versäumt.

      kehrwoche als einkehr in heimat [Ja! Hier s t i m m t die Drehung!],
      in etwas, was sicherheit gäbe:
      die des alltags,
      den ich nicht stattfinde [das geht grammatisch nicht, auch wenn man gut versteht, was gemeint ist.].

      stattdessen von rausch zu rausch
      das rauchen entzündet, dies nuckeln
      an pinnen jenseits steuerbord [jenseits v o n steuerbord, vielleicht auch: „steuerbords jenseits“].
      “und wenn einem zossen jetzt die rudermaschine

      versagt …”, im sturm der herbste,
      der meere, des lebens, der unsagbarkeit [das Klischee sehr gut aufgefangen durch dieses unerwartete „Unsagbarkeit“; für sich wäre das auch wieder Klischee; in der Konfrontation gewinnt beides enorm; Kompliment.[,
      der generellen [Was meinen Sie hier? „Die Generellen“\. das nicht-sagen
      assistiert mit mullbindender [:das ist unschön, zu gesuchte und zugleich zu nahe Adjektivierung.] eleganz.

      wenn die verse zäh sind,
      nicht grooven [gut! Sehr gut! Wenn Sie es jetzt noch hinbekämen, daß dieses „grooven“ oben schon einmal wenigstens angespielt wird, dann haben Sie eine erstklassige Klammer um das Gedicht gelegt.]:, wenn das wischen
      durch keine flure geht,
      nur tränen von der geröteten wange. [Feines Ende.]

    2. geht wirklich gut! *ggg* Bananaman.
      Ja mondzugetanes Etwas du!
      Parade, mein eigentlicher Lumpen.
      Im Bad – mehr als man glaubt!
      Chillt – ja zelebriere es!
      Wo ist der Retter?!
      Bananaman du.
      Glitzernd in einsamer Nacht.
      Bananaman zwischen Wachsen und Wollen.
      Bananaman ja so dünn.

  12. Das Ziel und der Weg Sie weiß genau, was ihr Ziel ist, doch sie wird es nicht aussprechen. Nein, nicht dieses Mal, wo sie ihrem Ziel so nah ist.
    Die Versuchung ist natürlich groß, doch ihr natürlicher Wille hat Willensstärke. Das Vibrieren, das Klopfen. Klopfen? Ja es klopft an der Tür. Damit hat sie jetzt natürlich nicht gerechnet. Rechnen war schließlich nie ihre Stärke. Schon in der Grundschule nicht. Doch das zählt nun nicht mehr. Aus und noch viel mehr vorbei.
    Jetzt darf sie nur nicht ihr Ziel mehr aus den Augen verlieren. Nein, alles nur nicht das. Ihr Puls schlägt nun schneller. Wahrscheinlich hat sie sogar gerade leichtes Fieber. Nicht hoch, nur etwas.
    Letzte Woche hatte sie hohes Fieber gehabt. Der Arzt kam sie sogar Zuhause besuchen. Nur noch ein halbes Grad höher und der Pfarrer wäre auch noch zu Besuch gekommen. Doch so weit kam es nicht. Die heutige Medizin ist schließlich schon weit. Ja, selbst Menschen kann man heutzutage schon klonen.
    Ein bisschen Fieber ist doch Pipifax für die Medizin. Das schafft der Medizinmann ja selbst mit einem einfachen Tänzchen aus der Welt. Warum hatte sie eigentlich Fieber gehabt? Ach ja, sie war durch den Regen gelaufen. Danach war sie pitschnass in ihrer Wohnung gesessen und hatte nachgedacht. Über dies und jenes.
    Zu viel und zu lange hatte sie nachgedacht. Dann war das Fieber gekommen. Was soll’s! Gar nicht so schlecht, wenn der Körper mal so richtig kämpfen muss. Wenn der Körper mal all seine Krankheiten ausschwitzen muss.
    Sie weint. Sie hat ihr Ziel vergessen. Für eine Minute lang, hat sie ihr Ziel vergessen. Nein, nein, wie dumm. Es heißt doch schließlich Ziel aus den Augen, aus dem Sinn, oder so ähnlich. Was man dagegen tun kann? Wer weiß das schon! Nicht an den Weg denken, sondern an das Ziel. Der Weg ist das Ziel, heißt es nun aber auch. Doch in diesem Fall ist das völlig unangebracht.
    Was ihr jetzt fehlt ist Ablenkung. Schließlich muss man auch mal das Ziel vergessen können. An etwas anderes denken. An etwas Schönes denken.
    Ach ja, es klopft noch immer an der Tür. Sie will aufmachen, doch sie ist zu träge. Ein großer Klumpen an Trägheit. Warum kann die Person, die da so klopft und klingelt nicht die Türe einfach einschlagen? Meine Güte, ist das denn so schwierig? Einfach dagegen treten. Aber nein, die Person klingelt und klopft nur, ohne endlich mal Gewalt anzuwenden. „Ich weiß, dass du da bist!“, sagt diese unfähige Person auch noch. Ja, natürlich könnte sie jetzt hingehen und einfach diese Tür aufmachen. Sie könnte der Person gewissermaßen helfen. Aber warum? Warum sollte sie ihr helfen?
    Sie spürt den Druck in ihrem Kopf. Unter Druck kann niemand arbeiten, auch sie nicht. Ob sie sich klonen lassen sollte?
    Nein, keine gute Idee! Sonst gäbe es ja zwei träge Klumpen hier. Könnte diese klopfende Person nicht wenigstens im Takt klopfen? Oder wenigstens ein Liedchen dazu trällern?
    Der träge Klumpen sitzt noch immer da. Der Druck im Kopf vergrößert sich. Ja, ja zu schwach um zu kämpfen, doch auch wieder viel zu starrköpfig um aufzugeben. „Ich schlag dir gleich dir Türe ein, wenn du mir nicht sofort aufmachst!“, brüllt nun diese unmusikalische, klopfende Person da vor der Tür.
    Natürlich will niemand ausgeschlossen bleiben. Jeder drängt sich ja gewissermaßen immer wo dazu. Wenn nur nicht dieser Druck wäre. Der Klumpen schluckt nun seine Tabletten. Somit verschwindet der Druck wieder für ein paar Stunden. Toll was alles die Medizin heute schon kann. Das Klopfen hat aufgehört. Die klopfende Person hat also auch keinen starken Willen. Natürlich nicht, sonst hätte sie ja schließlich unerbittert weiter geklopft. Aber nein, zu träge, zu faul war sie. Warum soll dann der träge Klumpen kämpfen?
    Was war gleich noch mal das Ziel? Die Tabletten wirken. Wieder einmal bezwingt die Medizin diesen unsagbaren Druck.
    Der träge Klumpen war nicht schon immer träge. Nein, früher war der träge Klumpen ganz anders. Er hat jedes Mal die Tür geöffnet, wenn jemand unrhythmisch geklopft hatte. Jedes Mal. Doch jetzt ist nun alles anders. Nun, wo sie von ihrem Hausmedizinmann erfahren hat, dass ein böser Geist in ihren Kopf eingezogen ist. Nun wohnt dieser Geist in ihrem Kopf. Er bezahlt nicht einmal Miete. Er hat sie nicht einmal um Erlaubnis gefragt. Nein, ganz still und leise ist er eingezogen. Ihm gefällt es wohl da oben drin. Der böse Geist spottet über die heutige Medizin und vor dem Medizinmann hat er auch keine Achtung.
    Jetzt muss der träge Klumpen nun mal die Tabletten einnehmen, damit das Klopfen des bösen Geistes nicht mehr zu hören ist. Schlucken gegen das Klopfen. Jedoch Tabletten gegen das Klopfen an der Haustür gibt es leider noch nicht. So weit scheint also die Medizin doch noch nicht fortgeschritten zu sein.
    Was ist aber, wenn der böse Geist nicht mehr aus ihrem Kopf ausziehen will? Dann, das hat sich der träge Klumpen geschworen, will er kämpfen.
    Klick macht es und dann geht plötzlich die Haustür auf. Ohne jegliche Gewalt, einfach so. Dann steht diese Person plötzlich mit dem Hausmeister vor dem trägen Klumpen. „Warum hast du nicht aufgemacht? Du kommst noch zu spät ins Krankenhaus!“, sagte der Klopfer mit seltsamem Gesichtsausdruck. „Ja!“, sagt der Klumpen. „Kann man böse Gehirngeister heutzutage schon klonen?“, fragt der Klumpen den Klopfer. „Hast du etwa Alkohol getrunken? Das darfst du doch nicht vor der Operation machen!“, sagt der Klopfer jetzt sehr böse. Der träge Klumpen zuckt mit den Achseln.
    „Ich wollte nur noch einmal mit meinem Geist einen Drauf machen, bevor er aus meinem Kopf auszieht!“, erklärt das klumpige Frauengeschöpf geistesabwesend.
    Das Ziel steht wieder klar und deutlich vor ihr – endlich keine Schokolade mehr essen. Zwar bekommt man von Schokolade Glücksgefühle, aber auch bitterböse Pickel.
    Ob Gehirngeister auch gerne Schokolade essen?

    1. @gloria_m (ffff). Schokoladen & Operationen.


      Sie weiß genau, was ihr Ziel ist, doch sie wird es nicht aussprechen [Ah! Jetzt, nach meinem Gesamtbild, merke ich, daß sich die Grundthematik schon im ersten Satz zeigt: daß er noch nicht weiß, worauf er hinauslaufen wird.]. Nein, nicht dieses Mal, wo sie ihrem Ziel so nah ist.
      Die Versuchung ist natürlich groß, doch ihr natürlicher Wille hat Willensstärke. [Viel zu viel drumrumerzählt und vor allem zu viel räsonniert.] Das Vibrieren, das Klopfen. Klopfen? Ja eEs klopft an der Tür. Damit hat sie jetzt natürlich[???] nicht gerechnet. [Und das ist nur gefrozzelt:]Rechnen war schließlich nie ihre Stärke. Schon in der Grundschule nicht. Doch das zählt nun nicht mehr. Aus und noch viel mehr vorbei. [Alles Ablenkungen.]
      Jetzt darf sie nur nicht ihr Ziel mehr aus den Augen verlieren. Nein, alles nur nicht das. Ihr Puls schlägt nun schneller. Wahrscheinlich hat sie sogar gerade leichtes Fieber. Nicht hoch, nur etwas.
      Letzte Woche hatte sie hohes Fieber gehabt. Der Arzt kam sie sogar Zuhause besuchen. Nur noch ein halbes Grad höher und der Pfarrer wäre auch noch zu Besuch gekommen. [Unnötig. Geulke.] Doch so weit kam es nicht. Die heutige Medizin ist schließlich schon weit. Ja, selbst Menschen kann man heutzutage schon klonen.
      Ein bisschen Fieber ist doch Pipifax für die Medizin. Das schafft der Medizinmann ja selbst mit einem einfachen Tänzchen aus der Welt.
      [:Welche Funktion soll sowas haben, außer daß man plappert?] Warum hatte sie eigentlich Fieber gehabt? Ach ja [Sehn Sie, dieses „ach ja“ sagt ja selbst, wie läppisch es ist. Wirklich unnötig, sie tun sich mit sowas keinen narrativen Gefallen.], sie war durch den Regen gelaufen. Danach war sie pitschnass in ihrer Wohnung gesessen und hatte nachgedacht. Über dies und jenes. [:Eine absolute Null-Information, die auch klanglich nichts hinzugibt.] ABSATZ WEG. Zu viel und zu lange hatte sie nachgedacht. Dann war das Fieber gekommen. Was soll’s! Gar nicht so schlecht, wenn der Körper mal so richtig kämpfen muss. Wenn der Körper mal all seine Krankheiten ausschwitzen muss.
      Sie weint. Sie hat ihr Ziel vergessen. Für eine Minute lang, hat sie ihr Ziel vergessen. Nein, nein, wie dumm. Es heißt doch schließlich Ziel aus den Augen, aus dem Sinn, oder so ähnlich. Was man dagegen tun kann? Wer weiß das schon! Nicht an den Weg denken, sondern an das Ziel. Der Weg ist das Ziel, heißt es nun aber auch. Doch in diesem Fall ist das völlig unangebracht.
      Was ihr jetzt fehlt ist Ablenkung. Schließlich muss man auch mal das Ziel vergessen können. An etwas anderes denken. An etwas Schönes denken.
      Ach ja, e
      Es klopft noch immer an der Tür. Sie will aufmachen, kann nichtdoch sie ist zu träge. Ein großer Klumpen an Trägheit. Warum kann die Person, die da so klopft und klingelt nicht die Türe einfach einschlagen? Meine Güte, iIst das denn so schwierig? Einfach dDagegen treten. Aber nein! , die Person klingelt und klopft nur, ohne endlich mal Gewalt anzuwenden. „Ich weiß, dass du da bist!“, sagt diese unfähige Person auch noch. Ja, n<Natürlich könnte sie jetzt hingehen und einfach diese Tür aufmachen. Sie könnte der Person gewissermaßen helfen. Aber warum? Warum sollte sie ihr helfen?
      Sie spürt den Druck in ihrem Kopf. Unter Druck kann niemand arbeiten, auch sie nicht.
      Ob sie sich klonen lassen sollte?ABSATZ WEG.
      Nein, keine gute Idee! Sonst gäbe es ja z
      Zwei träge Klumpen hier. Könnte diese klopfende Person nicht wenigstens im Takt klopfen? Oder wenigstens ein Liedchen dazu trällern? ABSATZ WEG. Der eine träge Klumpen sitzt noch immer da. Der Druck im Kopf vergrößert sich. Ja, ja zu schwach um zu kämpfen, doch auch wieder viel zu starrköpfig um aufzugeben. „Ich schlag dir gleich dir Türe ein, wenn du mir nicht sofort aufmachst!“, brüllt nun diese unmusikalische, klopfende Person da vor der Tür.
      Natürlich will niemand ausgeschlossen bleiben. Jeder drängt sich ja gewissermaßen immer wo dazu.
      Wenn nur nicht dieser Druck wäre. Der Klumpen schluckt nun seine Tabletten. Somit verschwindet der Druck wieder für ein paar Stunden. Toll was alles die Medizin heute schon kann. Das Klopfen hat aufgehört. Die klopfende Person hat also auch keinen starken Willen. Natürlich nicht, sonst hätte sie ja schließlich unerbittert weiter geklopft. Aber nein, Ist zu träge, zu faul war sie. Warum soll dann der träge Klumpen kämpfen?
      Was war gleich noch mal das Ziel? Die Tabletten wirken. Wieder einmal bezwingt die Medizin diesen unsagbaren Druck.

      Der träge Klumpen war nicht schon immer träge. Nein, fFrüher war der träge Klumpen ganz anders. Er und hat jedes Mal die Tür geöffnet, wenn jemand unrhythmisch geklopft hatte. Jedes Mal. Doch jetzt ist nun alles anders. Nun , wo sie von ihrem Hausmedizinmann erfahren hat, dass ist ein böser Geist in ihren Kopf eingezogen ist [Besser noch: „in sie gezogen“.] . Nun wohnt dieser Geist in ihrem Kopf. Er bezahlt nicht einmal Miete. Er hat sie nicht einmal um Erlaubnis gefragt. Nein, ganz still und leise ist er eingezogen. Ihm gefällt es wohl da oben drin. Der böse Geist spottet über die heutige Medizin und vor dem Medizinmann hat er auch keine Achtung.
      Jetzt muss der träge Klumpen nun mal die Tabletten einnehmen, damit das Klopfen des bösen Geistes nicht mehr zu hören ist.
      und schluckt Tabletten gegen das Schlucken gegen das Klopfen. Jedoch Tabletten gegen das Klopfen an der Haustür gibt es leider noch nicht. So weit scheint also die Medizin doch noch nicht fortgeschritten zu sein.
      Was ist aber, wenn der böse Geist nicht mehr aus ihrem Kopf ausziehen will? Dann, das hat sich der träge Klumpen geschworen, will er kämpfen.
      Klick macht es und dann
      Da geht plötzlich die Haustür plötzlich auf. Eine Person tritt ein. Der Hausmeister folgt ihr, den Schlüsselbund noch in der Hand. Ohne jegliche Gewalt, einfach so. Dann steht diese Person plötzlich mit dem Hausmeister vor dem trägen Klumpen. „Warum hast du nicht aufgemacht? Du kommst noch zu spät ins Krankenhaus!“ , sagte der Klopfer mit seltsamem Gesichtsausdruck. „Ja!“, sagt der Klumpen und fragt:. „Kann man böse Gehirngeister heutzutage schon klonen?“, fragt der Klumpen den Klopfer. „Hast du etwa Alkohol getrunken? Das darfst du doch nicht vVor der Operation machen!? “, sagt der Klopfer jetzt sehr böse. Der träge Klumpen zuckt mit den Achseln.
      „Ich wollte nur noch einmal mit meinem Geist einen Drauf machen, bevor er aus meinem Kopf auszieht!“, erklärt das klumpige Frauengeschöpf geistesabwesend.
      Das Ziel steht wieder klar und deutlich vor ihr – endlich k
      Keine Schokolade mehr essen.

      [Undosweiter. Das hier hängt alles. Andere Pointe suchen.] Zwar bekommt man von Schokolade Glücksgefühle, aber auch bitterböse Pickel.
      Ob Gehirngeister auch gerne Schokolade essen?

    2. Schokoladen & Operationen ich habe die geschichte mit 16 geschrieben und erst letzt wieder entdeckt. natürlich würde ich sie heute auch nicht mehr so schreiben, fand sie aber trotzdem ganz interessant.
      habe sie auch versucht umzuschreiben, aber dann kam eine ganz andere geschichte heraus, die mir überhaupt nicht mehr gefallen hat.
      Danke für ihre anmerkungen, vielleicht finde ich so noch mal einen zugang zur geschichte

    3. @gloria_m (fffff). Bleiben Sie dazu ganz in der Grundgschichte: Erzählen Sie, wie sich da jemand eingräbt und gegen jeden Kontakt von außen stemmt, aber bleiben Sie in der Passivität; Aggressioen allenfalls in den Gedanken zulassen. Schreiben Sie das rein aus der Ich-Perspektive… also keine Beschreibungen der Person mitliefern, auch nicht, daß sie dick ist.
      Sie werden sehen, welch eine Kraft das dann bekommt. Auf keinen Fall: Diagnose stellen; lassen Sie das ganz offen.

  13. Matratzenkitsch Sie liegt rücklings auf mir und stöhnt. Ich spüre ihre junge, weiche Haut, die sich auf ihren Engelsflügelchen abschält wegen des Sonnenbrands, das lange, über mich hingebreitete, gelockte Haar, ich spüre die Kuhle ihres Rückgrats, die Blasen an ihren Füßen, die sich in mich stemmen, ich spüre die Rundung ihres hübschen Hinterns schwer auf mich drücken. Ihr Unterleib bewegt sich schneller auf mir, dann flucht sie laut: „Diese Scheißmatratze, es quietscht bei jeder Bewegung, verdammt noch mal, das macht mehr Lärm als ich!“ Sie muss lachen. Ich finde das gar nicht komisch.

    Ich bin eine französische Federkern-Matratze, zehn Zentimeter dick, zwei Meter lang und einen Meter zwanzig breit, für zwei die sich lieben oder besser: frisch verliebt haben. Seit fünfzig Jahren bin ich in diesem Hotelzimmer, das spricht für meine Qualität. Ich lasse mich doch nicht beschimpfen, jetzt! Das Quietschen der Federn spricht nur für mich, zeichnet mich aus als treu und ergeben. Ich stand stets zur Verfügung, wenn jemand mich brauchte und scheute keine Beschwerlichkeiten. Ich bin besudelt von täglichem und nächtlichem Schweiß, von Blut, von Sperma und süß-saurer Frauenflüssigkeit, von Speichel und Tränen, Urin, Rotwein und Kaffee, all das ist tief in mich eingedrungen. Ich bin imprägniert mit den Ausscheidungen der Menschen, die sich auf mir ausruhten, amüsierten, stärkten, betranken, rauchten, feierten oder trauerten. Mein hellblaues Blumenmuster ist verblasst und ich bin befleckt in allen Farben, durchlöchert von verglimmenden Zigarettenstummeln und sich in mich krampfenden Fingernägeln, selbst gebissen wurde ich ab und an, in rasender Wollust. Aber auch geküsst. In ungeduldiger Erwartung des Geliebten, in unglücklicher Sehnsucht nach dem, der einen verlassen hat.

    Sie haben mir eines Tages einen Überzug verpasst, beige und hässlich, der die Befleckungen versteckt, mich auf allen Seiten fest umschließt und nach Plastik riecht. Ich erinnere mich noch an das Ruckeln des Reißverschlusses, es wurde immer enger und dunkler und dunkler. Seitdem bin ich beinahe blind. Durch die durchscheinenden, billigen Leintücher war genug zu sehen, aber durch den dichtgewebten Überzug erkenne ich nur noch Umrisse, Schatten, Schemen. Wenn ich alleine bin, dann bin ich jetzt alleine, ich langweile mich, kann nicht mehr aus dem Fenster blicken, vorbei. Ich mochte den Himmel über Paris, die Sonne, die Wolken, die Schwalben, das liebestrunkene Vibrieren der Luft, die kühlweiße Mondsichel. Jetzt spüre ich nur noch die Sonne warm auf mir und den Herbstwind, wenn jemand das Fenster öffnet und lausche dem Vogelsang.

    Ich fühle mich unwohl in meiner Verpackung, das Plastik trennt mich von der Außenwelt, der Welt die ich liebe, den Menschen, die auf mir leben. Ich bin eine leidenschaftliche Matratze. Ich will sie fühlen und riechen und hören, ich will sie sehen, ich mag es, wenn sie mich benutzen und beschmutzen, das ist mein Zweck. Ich liebe die Tragödien, die auf mir vonstatten gegangen sind, ich liebe Ehebrüche und Entjungferungen, ich liebe das erste Mal und das letzte Mal, auch nach der Trennung, ich liebe den Schlaf, den erschöpften und unruhigen, das Wachliegen und ich liebe das Glück, das sich auf mir vollzieht, immer wieder.

    Das Zimmer, mein Zimmer ist klein, sehr klein, ich an Stelle der Menschen würde mich beschweren, aber die meisten, die hierher kommen, sind noch so jung, dass sie gar nicht wissen, wie das geht. Das macht sie angenehm. Ich habe schon öfter im Gespräch gehört, dass dies das günstigste Hotel in ganz Paris sein soll. Immerhin ein Superlativ. Dass ich die wahrscheinlich älteste Matratze in Paris bin, erfährt besser niemand. Das Zimmer ist so klein, dass die Besucher nicht wissen, wo sie ihre Koffer abstellen, nicht wissen, wo sie überhaupt stehen sollen, man kann nicht einen Bogen schlagen um mich, man fällt geradezu auf mich, sobald man eintritt.

    Ich mag das. Dann spüre ich, dann schnuppere ich, dann lausche ich, genieße ich. Vielen Gästen gefällt das auch und ich wundere mich fast, wie oft sie wiederkehren im Laufe des Tages, wie kurz ihre Ausflüge sind, wie wenig Zeit sie in der Stadt der Liebe verbringen und statt dessen auf mir: mit Liebe. Gerade die Unumgänglichkeit des Niedersinkens auf mich, die Unmöglichkeit eines anderen Aufenthalts, ja einer anderen Tätigkeit in diesem Zimmer scheint verlockend zu wirken. Das erfreut mich, jedes Mal.

    Auch diese beiden sind heute zum vierten Mal hier. Heute morgen leise, im Halbschlaf, mehr ein Schieben als Bewegen, heute Mittag nach dem duftenden Baguette mit Käse, dessen Krümel auf mich niederregneten, nach dem Rotwein, laut und lachend, heute Nachmittag zärtlich und schläfrig vor einer kurzen Siesta und jetzt nur sie allein. „So geht das nicht!“, sagt sie. „Ach so,“ er lässt sich neben ihr auf mich fallen, auch er jung, schlank, sein Körper fester als ihrer, sein kurzes Haar kitzelt mich, „Du vertraust mir also nicht!“ Er meint es nicht ganz ernst, er ist sich ihrer so gewiss. „Doch,“ lacht sie, „ich vertraue nur der Matratze nicht.“ Ich will empört sein, bin aber schon viel zu beschäftigt mit dem Gerangel, das da entsteht, dem Armgewirr und Beinverknoten, dem lauten, schmatzenden Küssen und leisen Kichern, seinem neckenden Prusten auf ihrem Bauch, ihren flink-kitzelnden Händen an seinen Rippen. Dann wird es ruhiger, aber die Verknotungen bleiben bestehen.

    Ihre Unterhaltung gleicht jetzt einem Gurren, er spricht mit den Lippen nah an ihrem Hals und sie lacht leise und hell, ihr Glucksen, das durch ihren Körper fließt, bringt mich zum Beben. „Du, Du,“ flüstert er und sein Mund wandert, er haucht es auf ihre Haut, „Du, Du…“ wiederholt er immer wieder an verschiedenen Stellen ihres Körpers. Ihr Leib vibriert auf mir, aber nicht mehr vor Lachen. „Duuuuu…“, raunt er lange in ihren Schoß. Wie glücklich die beiden sind. Doch dann steht er ganz plötzlich auf und ich nehme wahr, wie sein Schatten auf dem Boden niederkniet. „Was tust Du“, sagt sie kichernd, „ich bin eine emanzipierte Frau!“, reicht ihm ihre schlanke Hand hinunter und zieht ihn wieder auf mich. Sie kniet jetzt auf mir und dann spüre ich, wie auch seine Knie sich ihr gegenüber in mich bohren, sie scheinen sich an den Händen zu halten. Es wird ganz still auf einmal und erwartungsvoll.

    „Für immer?“, fragt er nur, leise, und schluckt seinen Speichel nach. Ein Zittern läuft durch ihren Körper, als sie „Ja“ wispert, kaum vernehmbar.

    Ich würde weinen, wenn ich könnte. Die in mir bewahrte Feuchtigkeit sammelt sich als Kondenswasser an meiner Plastikhülle und ich erwarte ein Erdbeben.

    Das Beben wird lang, sanft und für die Ewigkeit, ich atme die Gerüche ihrer jungen Körper, ich höre ihre Münder unaufhörlich aufeinander ruhen, ich ahne, wie tief sie sich in die Augen blicken, ich schmecke Süßes und einige Tropfen Salziges. Dann höre ich die Frau telefonieren, mit der Rezeption. Was ich kosten würde, fragt sie, ob sie mich mitnehmen kann, nach Hause. Vollkommenes Glück.

    P.S.: Ich würde diesen Text gerne bei einer öffentlichen Lesung vortragen (am Freitag) und würde ihn deshalb gerne noch korrigieren, überarbeiten etc. Außerdem meinte Prof. Grimminger (dessen Literaturwerkstatt ich besuche), ich solle mir noch einen anderen Titel überlegen, ich bin also dankbar für jeden Vorschlag!

    1. @sprachspielerin (zu Matratzenkitsch). Ich beschränke mich erst einmal auf eine methodische Betrachtung.

      Um wirklich aus der „Sicht“ der Matratze zu schreiben, sollten Sie sich, meine ich, dafür entscheiden, ihr nur diejenigen sinnlichen Wahrnehmungen zuzugestehen, die eine augen- und nasenlose Matratze, die Bewußtsein hat, haben kann: das sind ausschließlich haptische, wozu ich dann auch Empfindungen wie „feucht“, „naß“, „kalt“, „warm“ usw. zählen würde – aber nichts, was etwa einen Gesichtssinn verlangt, nichts auch, was Geruchs- und Geschmackssinne anbelangt, nichts, was sich auf Geräusche bezieht. Stellen Sie sich das s o vor: Eine Matratze hat keine Augen, keine Nase, keinen Mund, keine Ohren; sehr wohl aber hat sie H a u t. Und aus der Perspektive der Haut können Sie schreiben, können Sie die Matratze also auch erzählen lassen. Wenn Sie das hinbekommen, wenn Sie in die Plausibilität der Matratze hineingehen, die eben nur rein Haut i s t, dann wird das ein ganz toller Text.
      Ich hatte eben angefangen, Einzelheiten zu notieren, merke aber, daß das ablenkt. Meine Empfehlung ist deshalb, daß Sie alles erst einmal hinausstreichen, was sich nicht ausschließlich auf die Haut der Matratze bezieht. Selbstverständlich kann sie sich, und m u ß das auch, weiterhin Gedanken machen, aber sie muß sie aus ihrer Hautempfindung ableiten. Klar wurde mir das, wo Sie von dem künstlichen Überzug erzählen, unter dem die Matratze leidet. Das ist absolut poetisch wahr, nicht aber sowas wie „hübscher Hintern“; während Sie „kleiner“ wieder schreiben können, weil sich das aus der Matratzen“sicht“ über das Gefühl vergleichen läßt, das verschiedene Gesäße in sie eingedrückt haben. Sie können auch, was „feucht“ anbelangt, tatsächlich von Schweiß, Urin, Sperma usw. schreiben, denn das kann die Matratze „wissen“, das muß sie nicht sehen. Nur streichen Sie Ihr den Gesichts-, Geschmacks- und Geruchssinn weg. Reduzieren Sie, was die Matratze erzählt, auf diese ihre taktilen Empfindungen und stellen Sie den Text dann bitte noch einmal ein. Dann gehe ich an die Einzelheiten.Und ich tu das dann gerne heute noch, weil Sie es ja eilig haben.
      Der „Trick“ besteht darin, einen Modus zu finden, der eine Matratze für einen Leser zu einer Person macht, mit der man empathisch mitfühlen kann, ohne doch allzu viel an Identität herbeizuschwindeln; gleichzeitig muß die Matratze nämlich Matratze bleiben. Nehmen Sie sie als Person ernst, dann wird es auch der Leser tun. Es ist wie bei Tierfilmen: Wenn man Tiere zu sehr anthropomorph macht, wird ihnen die eigentlich interessante Fremdheit genommen, und sie werden verkitscht. Gute Tierfilme sind diejenigen, die immer eine moralische Akzeptanz des Fremden mittragen, was nur über tolerante Distanz geht. Aus der geschieht dann aber Nähe. Für Ihren Matratzen“film“ gilt das ganz genau so.

    2. @ANH Vielen herzlichen Dank schon einmal für diese Überlegungen, ich mache mich an die Arbeit und stelle das Ergebnis dann baldmöglichst hier ein. Da muss ich mir noch allerhand Gedanken machen…

    3. Matratzenkitsch II Ich habe nun viel nachgedacht und habe den Text jetzt in Ihrem Sinne etwas geändert, aber nicht vollständig so, wie Sie es beschrieben: ich kann auf das Hören der Matratze einfach nicht verzichten, sonst kann ich die Geschichte nicht erzählen, die ich erzählen möchte, die Worte des Paars nicht wiedergeben und auch anderes nicht. Deshalb habe ich nur alle anderen Sinne (Schmecken, Riechen, Sehen) gestrichen und eine Erklärung fürs Hören eingefügt, von der ich allerdings nicht sicher bin, ob es vorteilhaft ist, wenn ich sie beibehalte. Hier also die neue Version:

      Sie liegt rücklings auf mir und stöhnt. Ich spüre ihre junge, weiche Haut, die sich auf ihren Engelsflügelchen abschält wegen des Sonnenbrands, das lange, über mich hingebreitete, gelockte Haar, ich spüre die Kuhle ihres Rückgrats, die Blasen an ihren Füßen, die sich in mich stemmen, ich spüre die Rundung ihres Hinterns schwer auf mich drücken. Ihr Unterleib bewegt sich schneller auf mir, dann flucht sie laut: „Diese Scheißmatratze, es quietscht bei jeder Bewegung, das macht mehr Lärm als ich!“ Sie muss lachen. Ich finde das gar nicht komisch.

      Ich bin eine französische Federkern-Matratze, zehn Zentimeter dick, zwei Meter lang und einen Meter zwanzig breit, für zwei die sich lieben oder besser: frisch verliebt haben. Seit fünfzig Jahren bin ich in diesem Hotelzimmer, das beweist meine Qualität. Ich lasse mich doch nicht beschimpfen, jetzt! Das Quietschen der Federn spricht nur für mich, zeichnet mich aus als treu und ergeben. Ich stand stets zur Verfügung, wenn jemand mich brauchte und scheute keine Beschwerlichkeiten.

      Ich bin besudelt von täglichem und nächtlichem Schweiß, von Blut, von Sperma und süß-saurer Frauenflüssigkeit, von Speichel und Tränen, Urin, Rotwein und Kaffee, all das ist tief in mich gedrungen. Ich bin imprägniert mit den Ausscheidungen der Menschen, die sich auf mir ausruhten, amüsierten, stärkten, betranken, rauchten, feierten oder trauerten. Mein hellblaues Blumenmuster ist verblasst und ich bin befleckt in allen Farben, durchlöchert von verglimmenden Zigarettenstummeln und sich in mich krampfenden Fingernägeln, selbst gebissen wurde ich ab und an, in rasender Wollust. Aber auch geküsst. In ungeduldiger Erwartung des Geliebten, in unglücklicher Sehnsucht nach dem, der einen verlassen hat.

      Eines Tages haben sie mir einen Überzug verpasst, der die Befleckungen verstecken soll, mich auf allen Seiten fest umschließt und nach Plastik riecht. Ich erinnere mich noch an das Ruckeln des Reißverschlusses, es wurde immer enger und jedes Geräusch[, dessen Schallwellen sich über meine Metallfedern in mich übertragen,] leiser. Wenn ich alleine bin, niemand im Zimmer ist, dann bin ich jetzt tatsächlich ganz alleine, ich langweile mich. Seitdem spüre ich die Wärme der Sonne nur noch im Sommer auf mir, wenn sie stark genug ist, auch durch das Plastik zu wärmen, so wie heute, und den Herbststurm, wenn jemand das Fenster geöffnet lässt, nicht mehr jeden sanften Windhauch. Der Vogelsang, das Rufen der Schwalben und Akkordeonklänge der Straße dringen kaum noch zu mir, die Gespräche der Menschen muss ich erraten, wenn sie nicht direkt an mich, in mich sprechen, auf mir ruhend.

      Ich fühle mich unwohl in meiner Verpackung, das Plastik trennt mich von der Außenwelt, der Welt die ich liebe, den Menschen, die auf mir leben. Ich bin eine leidenschaftliche Matratze. Ich will sie fühlen und hören, ich mag es, wenn sie mich benutzen und beschmutzen, das ist mein Zweck. Ich liebe die Tragödien, die auf mir vonstatten gegangen sind, ich liebe Ehebrüche und Entjungferungen, ich liebe das erste Mal und das letzte Mal, auch nach der Trennung, ich liebe den Schlaf, den bewegungslos erschöpften und den unruhigen, das Wachliegen und Hin-und-Her-Wälzen und ich liebe das Glück, das sich auf mir vollzieht, immer wieder.

      Das Zimmer, mein Zimmer ist klein, sehr klein, ich an Stelle der Menschen würde mich beschweren, aber die meisten, die hierher kommen, sind noch so jung, dass sie gar nicht wissen, wie das geht, nicht auf die Idee verfallen, es sei überhaupt möglich. Das macht sie angenehm. Oft ist es ihre erste Reise, ihre erste fremde Stadt mit ihrem Geliebten. Ich habe schon mehrmals im Gespräch gehört, dass dies das günstigste Hotel in ganz Paris sein soll. Immerhin ein Superlativ. Dass ich die wahrscheinlich älteste Matratze in Paris bin, erfährt besser niemand. Das Zimmer ist so eng, dass die Besucher nicht wissen, wo sie ihre Koffer abstellen, nicht wissen, wo sie überhaupt stehen sollen, man kann nicht einen Bogen schlagen um mich, man fällt geradezu auf mich, sobald man eintritt.

      Ich mag das. Dann spüre ich ihre Körper, dann kann ich ihren Gesprächen lauschen, wenn sie mir nah sind, auf mir liegen, dann genieße ich. Vielen Gästen gefällt das auch und ich wundere mich fast, wie oft sie wiederkehren im Laufe des Tages, wie kurz ihre Ausflüge sind, wie wenig Zeit sie in der Stadt der Liebe verbringen und statt dessen auf mir: mit Liebe. Gerade die Unumgänglichkeit des Niedersinkens auf mich, die Unmöglichkeit eines anderen Aufenthalts, ja einer anderen Tätigkeit in diesem Zimmer scheint verlockend zu wirken. Das erfreut mich, jedes Mal.

      Auch diese beiden – erst gestern hier angekommen und es gäbe noch viel zu entdecken – sind heute bereits zum vierten Mal hier. Heute morgen leise, im Halbschlaf, mehr ein Schieben als Bewegen, heute Mittag nach dem Baguette mit Käse, dessen Krümel auf mich niederregneten, nach dem Rotwein, laut und lachend, heute Nachmittag zärtlich und schläfrig vor einer kurzen Siesta und jetzt nur sie allein, deren Becken sich auf mir bewegt. „So geht das nicht!“, sagt sie. „Ach so, Du vertraust mir also nicht!“, er lässt sich neben ihr auf mich fallen, auch er jung, schlank, sein Körper fester als ihrer, sein kurzes Haar kitzelt mich. Er meint es nicht ernst, er ist sich ihrer so gewiss. „Doch,“ lacht sie, „ich vertraue nur der Matratze nicht.“ Ich will empört sein, bin aber schon viel zu beschäftigt mit dem Gerangel, das da entsteht, dem Armgewirr und Beinverknoten, dem lauten, schmatzenden Küssen und leisen Kichern, seinem neckenden Prusten auf ihrem Bauch, ihren flink-kitzelnden Händen an seinen Rippen. Dann wird es ruhiger, aber die Verknotungen bleiben bestehen.

      Ihre Unterhaltung gleicht jetzt einem Gurren, er spricht mit den Lippen nah an ihrem Hals und sie lacht leise und hell, ihr Glucksen, das durch ihren Körper fließt, bringt mich zum Beben. „Du, Du,“ flüstert er und sein Mund wandert, er haucht es auf ihre Haut, „Du, Du…“ wiederholt er immer wieder an verschiedenen Stellen ihres Körpers. Ihr Leib vibriert auf mir, aber nicht mehr vor Lachen. „Duuuuu…“, raunt er lange in ihren Schoß. Wie glücklich die beiden sind. Doch dann steht er ganz plötzlich auf. „Was tust Du“, sagt sie kichernd, „Du brauchst nicht vor mir niederzuknien, ich bin eine emanzipierte Frau!“, reicht ihm ihre schlanke Hand hinunter und zieht ihn wieder auf mich. Sie sitzt jetzt und dann spüre ich, wie seine Knie sich ihr gegenüber in mich bohren, sie scheinen sich an den Händen zu halten. Es wird ganz still auf einmal und erwartungsvoll.

      „Für immer?“, fragt er nur, leise, und schluckt seinen Speichel nach. Ein Zittern läuft durch ihren Körper, als sie „Ja“ wispert, kaum vernehmbar.

      Ich würde weinen, wenn ich könnte. Die in mir bewahrte Feuchtigkeit sammelt sich als Kondenswasser an meiner Plastikhülle und ich erwarte ein Erdbeben.

      Das Beben wird lang, sanft und für die Ewigkeit, ich höre ihre Münder unaufhörlich aufeinander ruhen, ihre engumschlungenen Körper lasten auf mir wie ein einziger, ich ahne, wie tief sie sich in die Augen blicken und ich spüre einige Tropfen fallen auf mich. Dann höre ich die junge Frau telefonieren, mit der Rezeption. Was ich kosten würde, fragt sie, ob sie mich mitnehmen kann, nach Hause. Vollkommenes Glück.

    4. @Sprachspielerin. (Zur neuen alten Matratze).

      Sie liegt rücklings auf mir und stöhnt. Ich spüre ihre junge, weiche Haut, die sich auf ihren Engelsflügelchen abschält wegen des Sonnenbrands abschält, spüredas lange, über mich hingebreitete, gelockte Haar , ich spüre und die Kuhle ihres Rückgrats [:nach wie vor: eine Kuhle (das, was im Konkaven ist) kann man nicht spüren, und daß man Blasen spürt auf sich, ist s e h r unwahrscheinlich:], die Blasen an ihren Füßen, die sich in mich stemmen, ich spüre die Rundung ihres [Hier fand ich „kleinen“ schöner, als es wegzulassen] Hinterns schwer auf mich drücken. Ihr Unterleib bewegt sich schneller [:verlangt einen Vergleich: „schneller als was; oder aber Sie schreiben „bewegt sich immer schneller“] auf mir , dann flucht sie laut [Hier ginge ich nachdrücklicher in die Aktion: „… auf mir, und plötzlich flucht sie“, das „laut“ braucht man hier gar nicht]: „Diese Scheißmatratze, es quietscht bei jeder Bewegung, das macht mehr Lärm als ich!“ Sie muss lachen. [„Dann lacht sie auch noch auf!“] Ich aber finde das gar nicht komisch.

      Ich bin eine französische Federkern-Matratze, zehn Zentimeter dick, zwei Meter lang und einen Meter zwanzig breit, für [Das ist ein Genauigkeits- und Bezugsfehler: die Matratze ist ja nicht nur für solche zwei zwei Meter lanh und einen Meter zwanzig breit, das ist sie ja auch sind. Sie meinen etwas anderes, nämlich: sie ist d a für solche zwei Liebenden.] zwei die sich lieben oder besser: frisch verliebt haben. Seit fünfzig Jahren bin ich in diesem Hotelzimmer, das beweist meine [Stolzer: „ich habe Qualität“] Qualität. Ich lasse muß mich doch nicht beschimpfen lassen, jetzt! Das Quietschen der Federn spricht nur für mich, eszeichnet mich aus als treu und ergeben. Ich stand stets zur Verfügung, wenn jemand mich brauchte unde. Ich scheute keine Beschwerlichkeiten.

      Ich bin besudelt impragniert von dem täglichem und nächtlichem Schweiß , von und mit Blut, besudelt von Sperma und süß-saurer Frauenflüssigkeit si>Ausfluß, von mit Speichel und Tränen , und mit Urin, und Rotwein und Kaffee, all d. Das ist tief in mich eingedrungen. Ich bin imprägniert mit den Ausscheidungen der Menschen, die sich auf mir ausruhten, amüsierten, stärkten, betranken, rauchten, feierten oder trauerten. [:Nicht über-erzählen; was ich hier gestrichen habe, ist in der Imprägnierung schon enthalten, also redundant.] Mein hellblaues Blumenmuster ist verblasst und, ich bin befleckt in allen [:sagt nix] Farben, durchlöchert von verglimmenden Zigarettenstummeln Kippen gebrandet, von und sich in mich krampfenden Fingernägeln sprödgerissen, selbst gebissen wurde ich ab und an, in rasender Wollust., Aaber auch geküsst vor lauter . In ungeduldiger Erwartung des Geliebten, in unglücklicher und vor Sehnsucht nach dem, der einen verlassen hat im Unglück.

      [Der folgende Übergang ist erzählerisch nicht schön, weil unvorbereitet; jetzt wird ja eine Geschiche erzählt, während es vorher Zustandsbeschreibungen waren.] Eines Tages haben sie mir einen Überzug verpasst, der die Befleckungen verstecken soll, mich auf allen Seiten fest umschließt und nach Plastik riecht. Ich erinnere mich noch an das Ruckeln des Reißverschlusses, es wurde immer enger und jedes Geräusch [, dessen Schallwellen sich über meine Metallfedern in mich übertragen,] [:Nein, das ist unschön. D a n n, wenn Sie es brauchen wollen, bitte so sinnlich werden, daß man keine Fragen stellt, sondern das Gefühl von Evidenz hat. Mir fällt ein: „gestopftes Geräusch“] leiser. Wenn ich alleine bin, [Wozu ist d a s dann noch?:] niemand im Zimmer ist, dann bin ich jetzt tatsächlich ganz alleine , ich und langweile mich. Seitdem [:seit sie allein im Zimmer ist?; logischer Un-Bezug.] spüre ich die Wärme der Sonne nur noch im Sommer auf mir, wenn sie stark genug ist, auch durch das Plastik zu wärmen [physikalisch nicht nachgedacht, denn in so einer Hülle wird man ja g e r a d e warm, weil die sich stauende Wärme nicht mehr wegzirkulieren kann], so wie heute, und den Herbststurm, wenn jemand das Fenster geöffnet lässt, nicht mehr jeden sanften Windhauch. Der Vogelsang, das Rufen der Schwalben und Akkordeonklänge der Straße dringen kaum noch zu mir, die Gespräche der Menschen muss ich erraten, wenn sie nicht direkt an mich, in mich sprechen, auf mir ruhend.

      Ich fühle mich unwohl in meiner Verpackung [Das wurde schon erzählt, hier wird es deskriptiv einfach nur wiederholt und hängt deshalb erzähltechnisch durch], das Plastik trennt mich von der Außenwelt [:wurde auch schon erzählt.], der Welt die ich liebe, den Menschen, die auf mir leben. [Das Folgende gehört nach oben: dahin, wo die Matratze sich als Französin vorgestellt hat:] Ich bin eine leidenschaftliche Matratze. Ich will sie fühlen und hören, ich mag es, wenn sie mich benutzen und beschmutzen [:auch das würde ich vorziehen, nämlich direkt an die „Imprägnier“-Stelle heran] , das ist mein Zweck. Ich liebe die Tragödien, die auf mir vonstatten gegangen sind gehen, ich liebe Ehebrüche und Entjungferungen, ich liebe das erste Mal und das letzte Mal, auch nach der Trennung, ich liebe den Schlaf, den bewegungslos erschöpften und den unruhigen, das Wachliegen und Hin-und-Her-Wälzen und ich liebe das Glück, das sich auf mir vollzieht, immer wieder.

      Das Zimmer, mein Zimmer ist klein, sehr klein, ich an Stelle der Menschen würde mich beschweren, aber die meisten, die hierher kommen, sind noch so jung, dass sie gar nicht wissen, wie das geht, nicht auf die Idee verfallen, es sei überhaupt möglich. Das macht sie angenehm. Oft ist es ihre erste Reise, ihre erste fremde Stadt mit ihrem Geliebten. Ich habe schon mehrmals im Gespräch gehört, dass dies das günstigste Hotel in ganz Paris sein soll. [:Fällt sehr raus, weil es so erklärt und eigentlich nicht nach der Matratze, sondern nach der Autorin klingt, die ihren Lesern eine – möglicherwiese autobiografisch erfahrene – Information übermitteln will.] Immerhin ein Superlativ. Dass ich die wahrscheinlich älteste Matratze in Paris bin, erfährt besser niemand [:ist auch unwahrscheinlich, gerade in Paris]. Das Zimmer ist so eng, dass [Das gehört an den Anfang des Absatzes.] die Besucher nicht wissen, wo sie ihre Koffer abstellen, nicht wissen, wo sie überhaupt stehen sollen, man kann nicht einen Bogen schlagen um mich, man fällt geradezu auf mich, sobald man eintritt.

      Ich mag das. Dann spüre ich ihre Körper, dann kann ich ihren Gesprächen lauschen, wenn sie mir nah sind, auf mir liegen, dann genieße ich. Vielen Gästen gefällt das auch und ich wundere mich fast [:Weshalb denn, wenn es den Gästen doch gefällt?], wie oft sie wiederkehren im Laufe des Tages, wie kurz ihre Ausflüge sind, wie wenig Zeit sie in der Stadt der Liebe [Aua!] verbringen und statt dessen [:Ah? Sie wären dann n i c h t mehr in „der Stadt der Liebe“? Sie sind hier ungenau, Sprachspielerin. Schreiben Sie, was Sie m e i n e n.] auf mir: mit Liebe. Gerade die Unumgänglichkeit des Niedersinkens [:falsche Idomatik. Wer auf eine Matratze niedersinkt, ist nicht erregt, sondern erschöpft.] auf mich, die Unmöglichkeit eines anderen Aufenthalts [:Was ist damit gemeint?], ja einer anderen Tätigkeit in diesem Zimmer [:sprachlich häßlich.] scheint verlockend zu wirken. Das erfreut mich, jedes Mal.

      Auch diese [:zu bedeutend, finde ich. Und die beiden sollten in eine Erzählung eingebunden werden.] beiden – erst gestern hier angekommen und es gäbe noch viel zu entdecken – sind heute bereits zum vierten Mal hier. [Ab hier wird es sehr schön:] Heute morgen leise, im Halbschlaf, mehr ein Schieben als Bewegen [:wunderbar!], heute Mittag nach dem Baguette mit Käse, dessen Krümel [:die Krümel des Käses? Wohl eher die des Baguettes. Ergo: Bezugsfehler.] auf mich niederregneten, nach dem Rotwein, laut und lachend, heute Nachmittag zärtlich und schläfrig vor einer kurzen Siesta und jetzt nur sie allein, deren Becken sich auf mir bewegt [:zu technisch. Außerdem, wenn die junge Dame masturbiert, halte ich es für kein Problem, daß die Matratze quietscht; anders, wenn sie mit ihrem Freund schläft]. „So geht das nicht!“, sagt sie. „Ach so, Du vertraust mir also nicht!“, er [: Bitte? Ich denke „jetzt nur sie allein“?] lässt sich neben ihr auf mich fallen, auch er jung, schlank, sein Körper fester als ihrer, sein kurzes Haar kitzelt mich. Er meint es nicht ernst, er ist sich ihrer so gewiss. „Doch,“ lacht sie, „ich vertraue nur der Matratze nicht.“ Ich will empört sein, bin aber schon viel zu beschäftigt mit dem Gerangel, das da entsteht, dem Armgewirr und Beinverknoten, dem lauten, schmatzenden Küssen und leisen Kichern, seinem neckenden Prusten auf ihrem Bauch, ihren flink-kitzelnden Händen an seinen Rippen. Dann wird es ruhiger, aber die Verknotungen bleiben bestehen [:Papier].

      Ihre Unterhaltung gleicht jetzt einem Gurren, er spricht mit den Lippen nah an ihrem Hals und sie lacht leise und hell, ihr Glucksen , das durch ihren Körper fließt, bringt mich zum Beben. „Du, Du,“ flüstert er und sein Mund wandert, er haucht es auf ihr in die Haut, „Du, Du…“ wiederholt er immer wieder an verschiedenen Stellen ihres Körpers [:Papier]. Ihr Leib vibriert auf mir, aber nicht mehr vor Lachen. „Duuuuu…“, raunt er lange in ihren Schoß. Wie glücklich die beiden sind. Doch dann steht er ganz plötzlich auf. „Was tust Du“, sagt sie kichernd, „Du brauchst nicht vor mir niederzuknien, ich bin eine emanzipierte Frau!“, reicht ihm ihre schlanke [:Sehen kann die Matratze also d o c h.] Hand hinunter und zieht ihn wieder auf mich. Sie sitzt jetzt und dann spüre ich, wie seine Knie sich ihr gegenüber in mich bohren, sie [:die Knie??] scheinen sich an den Händen zu halten. Und Ees wird ganz still auf einmal und erwartungsvoll.

      „Für immer?“, fragt er nur, leise, und Er schluckt an seinenm Speichel nach. Ein Zittern läuft durch ihren Körper [Nein! Lassen Sie dieses Zittern durch die Matratze gehen!], als sie „Ja“ wispert, kaum vernehmbar.

      Ich würde weinen, wenn ich könnte. Die in mir bewahrte Feuchtigkeit sammelt sich als Kondenswasser an meiner Plastikhülle [:Das ist sehr schön, und es sollte erzählerisch reichen, um sowohl die Rührung wie das erwartete Erdbeben dem Leser deutlich/sinnlich zu machen.] und ich erwarte ein Erdbeben.

      Das Beben wird lang, sanft und für die Ewigkeit, ich höre ihre Münder unaufhörlich aufeinander [:Das ist eine semantisch schwierige Konstruktion, sie h a t aber was; ich glaube nur, daß sie noch nicht gelungen ist, sondern daß sie dafür noch etwas hinzufinden müssen.] ruhen, ihre engumschlungenen [Cave Kitschem!] Körper lasten auf mir wie ein einziger, ich ahne, wie tief sie sich in die Augen blicken [Cave, cave, cave!] und ich spüre einige Tropfen fallen auf mich fallen [Und sowieso: „Ich spüre fallen…“, unentfremdeter geht’s nicht. Sondern: Sie fallen; daß die Matratze das weiß, weil sie es spürt, ist situationslogisch]. Dann höre ich die junge Frau telefonieren, mit der Rezeption. Was ich kosten würde, fragt sie, ob sie mich mitnehmen kann, nach Hause. [Ein bißchen hängt diese an sich schöne Pointe aber doch, weil man sofort zu überlegen anfängt, wie die beiden diese Matratze wohl transportieren wollen usw. Jedenfalls finde ich das nicht spontan-glaubwürdig. Und ob Sie d a s wirklich brauchen?:] Vollkommenes Glück.


      Ich meine immer noch, daß Sie versuchen sollten, die Wahrnehmungen der Matratze zu reduzieren und aus dem Reduzierten die ganze Fülle des Stoffes zu entwickeln. Ich bin mir sehr sicher, daß das geht. Es kostet halt Arbeit UND: jaja, man muß sich von etwas lösen, in das man sich verliebt hat. Denken Sie aber immer daran, daß sich persönliche Verliebtheiten nicht automatisch ins Allgemeine übertragen. Wie auch immer: Viel Glück morgen abend.

    5. @ANH: Dank! Lieber ANH: vielen herzlichen Dank, ich habe Ihre Korrekturen erst kurz durchgesehen, aber Sie haben meist sehr Recht, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass ich das jetzt auf jeden Fall noch verbessern kann.

      Zu einer anderen Version, auch ohne die Hörwahrnehmung: ich weiß nicht, ob ich noch dazu komme, diese jetzt zu schreiben (vielleicht aber später einmal). Und Sie haben auch hiermit Recht: ich tue mich sehr schwer, mich von etwas zu trennen, was ich liebgewonnen habe, von Sätzen und Worten und der Vorstellung, die ich mir beim Schreiben gemacht habe (ich weiß, dass ich das lernen muss).

      Und ich habe momentan überhaupt keine Idee, wie ich die Geschichte zwischen den beiden erzählen könnte, wenn die Matratze nicht hört. Ich könnte nur ganz allgemein über die Matratze schreiben und ihre Gefühle, aber ich möchte so gerne dieses Einzelschicksal herausgreifen und die Matratze kann ja nicht spüren, dass sich da zwei die Ewigkeit versprechen auf ihr. Ich bin ratlos…

    6. @Sprachspielerin. Was Matratzen spüren können. und die Matratze kann ja nicht spüren, dass sich da zwei die Ewigkeit versprechen auf ihrDoch, kann sie. Lassen Sie sie doch fantasieren, imaginieren, lassen Sie sie doch genau das tun, was Sie als Autorin tun. Sie müßten das nur immer an einen sinnlichen (taktilen) Eindruck zurückbinden, damit es emphatische Plausibilität bekommt.
      Vielleicht ist dazu die folgende Idee methodisch hilfeich: Stellen Sie sich vor, die Matratze sei ein verwunschener Mensch, der aber von seiner menschlichen Vorgeschichte bewußt nichts mehr weiß. Doch projeziert er, was er nicht mehr bewußt weiß, auf das, was er fühlt; denn die Gefühlswelt ist ihm geblieben. Dann hätte die Matratze eine Brücke zum Menschen. – Diese Idee darf möglichst im Text gar nicht sein, sonst dreht er in Märchenrichtung weg, was sehr schade wäre. Aber sie kann Ihnen als Anhaltspunkt dienen, aus dem ganz Fremden in das ganz Vertraute hineinzuhören. Dabei ist es eine gute Vorarbeit, wenn Sie Ihren Text erst einmal rein aus den taktil bewirkten Assoziationen der Matratze heraus niederschreiben und ihn dann vorsichtig und nach und nach um das anreichern, um was es Ihnen eigentlich geht. Sie werden erstaunt sein, glaube ich, wie vieles davon bereits in der rein “taktilen Fassung” durchleuchten wird.
      Das werden Sie bis morgen nicht schaffen, aber das ist ja auch nicht schlimm. Ein Text hat auch dann noch Zeit zu werden, wenn er in einer Vorform bereits vorgestellt wurde. Ich habe das selber sehr oft so gemacht.

    7. @ANH nochmals Ja, ich beginne zu verstehen, was Sie meinen, ganz vorstellen kann ich es mir noch nicht, aber ich werde es sicher versuchen. Vielen Dank für diese zusätzlichen Hinweise, wie ich es anstellen, mir imaginieren könnte. Und ich denke auch, dass das eine mögliche Vorgehensweise ist: den verbesserten Text morgen vortragen und ihn dann noch einmal vornehmen und umschreiben… Noch ist das alles etwas verworren in mir, aber ich habe etwas verstanden, es muss sich nur erst setzen.

      Und übrigens gelingt es Ihnen sehr gut, was Sie sich hier in der Werkstatt zum Ziel gesetzt haben: mit den Texten umzugehen, als seien sie von hochgeschätzten Kollegen, ich fühle mich bzw. meine Texte sehr ernst genommen und respektvoll behandelt, vielen Dank auch dafür!

    8. @ANH: Erfolg Mein Text wurde bei der Lesung zwar wahrscheinlich am meisten kritisiert, gewonnen hat er aber dennoch. Vielen Dank für Ihre Mit-Hilfe dazu! Jetzt kann der Text auch noch einmal in Ruhe überdacht und überarbeitet werden.

  14. leere ellipsen, in deren brennpunkt meine liebste leidet,
    um die ich eben nicht kreise,
    mich nähere im perihel,
    entferne in den aphel.

    die mathematische mechanik der
    großen halbachse,
    periapse versus apsidendrehung.
    die planeten machen schleifen
    am himmel um die engel,

    keplersche bahnen,
    während im innern der ellipsen
    leere ist,
    also die lehre.

    sorry für das wortspiel,
    mercy für das „flüstergewölbe“!
    ich dichte, also bin ich
    dicht, mal wieder.

    der nikolaus beginnt in diesem jahr
    mit einem alexandröhnenden „a“,
    nicht mit „n“ wie ende,
    woran er ist (und kopernikanisch war).

    im brennpunkt der ellipse
    das faltertum,
    dessen requiemresiduum
    mit lahmem flügel

    auf meinem fensterbrett,
    gefangen hinter der jalousie,
    bei mir überwintert.
    und ich schaue zu und heraus.

    1. @oegyr (zu: leere ellipsen).

      in deren brennpunkt meine liebste leidet,[:das setzt eine Erwartung, die aber leider nicht eingelöst wird; weder von der Liebsten noch von ihrem Leid wird später irgend etwas laut – erst das Ende dieses Textes läßt ahnen, daß es hier um innere und äußere Entfernung=Entfremdung geht.]
      um die ich eben nicht kreise,
      mich nähere im perihel,
      entferne in den aphel.

      die mathematische mechanik der
      großen halbachse,
      periapse versus apsidendrehung.
      [Schleifen „machen“ ist nicht schön und fällt aus dem mathematischen Duktus doch sehr raus, der ja zumindest den V o r s c h e i n von Präzision hat; das Bild selber gefällt mir.]die planeten machen schleifen
      am himmel um die engel,

      keplersche bahnen,
      während im innern der ellipsen
      leere ist,
      also die lehre.

      sorry für das wortspiel, [:kein „sorry“; aber das Wortspiel ist leer, d a liegt das Problem.]
      mercy für das „flüstergewölbe“!
      ich dichte, also bin ich
      dicht, mal wieder. [Ulkerei: „ich dichte, also bin ich dicht“. Was bringt sowas?]

      der nikolaus beginnt in diesem jahr
      mit einem alexandröhnenden „a“,[Was ist „alexandröhn“? Spielen Sie auf den Alexandriner, ein Versmaß, an? Das müßte dann irgendwie eingelöst werden. Oder ist ein Vorname gemeint? Hier tappe ich völlig in einem Dunkel, ohne daß ich es aufhellen wollte. Das aber zu tun, müssen Sie Ihre Leser verführen.]
      nicht mit „n“ wie ende,[:auch hier: wieso beginnt „Ende“ mit „n“, außer dem Umstand, daß der Buchstabe „n“ „en“ ausgesprochen wird. Wenn Sie so etwas zum Gegenstand eines Gedichtes machen wollen, müßten Sie, glaube ich, permutativ arbeiten können.]
      woran er ist (und kopernikanisch war). [:Und was wollen Sie damit sagen, daß der Nikolaus am Ende ist? Ich meine, das hat auch noch etwas sehr Kindliches, auf das man sich zwar ganz sicher a u c h kaprizieren kann, aber dann muß auch der Zusammenhang stimmen.]

      im brennpunkt der ellipse
      das faltertum,
      dessen requiemresiduum
      mit lahmem flügel

      auf meinem fensterbrett,
      [das folgende Ende ist schön, weil es wirklich mal ein konkretes Bild in all die Inkonkreta gibt.]gefangen hinter der jalousie,
      bei mir überwintert.
      und ich schaue zu und heraus.


      Vor allem aber verstehe ich nicht recht, was an diesem Text ein Gedicht ist. Es reicht nicht hin, „einfach“ Zeilenbrüche einzufügen. Und die Komposita, etwa Requiemresiduum, k l i n g e l n allenfalls mit Klang, haben ihn aber nicht. Vielleicht schreiben Sie das Gedicht einfach erst einmal noch einmal, indem Sie sich n u r auf das konzentrieren, was wirklich ausgesagt werden soll. Und dann fangen Sie an, es vermittels Versmaß, metaphorisch oder vermittels Bildkraft zu verstellen.

  15. Haften Strahlenbeladen morgens beim Wuchern
    Ein trifft der Gehenkte, der bald Gehenkte
    Kommt vom Tag, den Raben gefolgt
    Glänzt ein Weilchen noch, be-sonnt
    Scharenweise putziger Läufer im Tal
    Glimmen auf ihre Rufe „HÄNGT IHN!
    HÄNGET IHN, DEN TOLLEN!“
    Gongen hin und her, schwingen ihn hoch
    Wieder: „HÄNGT IHN ENDLICH!“
    Ausgebreitet ein boshaftes Züngeln
    „HÄNGEN, HÄNGEN“ so bäumt sich
    Auf das Biest so geblendet
    Und henkt sein Licht.

    1. Warten auf die Zeit Am Wörterbaum
      klingeln die Buchstaben
      wie hohle Glasperlen

      Das Schreibpapier
      reibt sandig
      am Satzgefüge

      In die wartende Hand
      fallen federlangsam
      die Erinnerungen

      Warten auf die Zeit

    2. @sho-shan-nah (zu: Haften). Das Gedicht h a t was. Ich meine aber, daß Sie in den Bildern noch konkreter werden müssen, wohlgemerkt: in den B i l d e r n, nicht in der Erzählung selbst. Das läßt sich a u c h über den Rhythmus der Zeilen erreichen. Sie dürfen auf keinen Fall „durchhängen“ oder nachklappern. Ich geh das mal eben im Einzelnen durch:

      Strahlenbeladen morgens beim Wuchern [W a s wuchert? Das Wuchern an sich sagt nichts.]
      Ein trifft der Gehenkte [bis hierher sehr gut, auch das „ein trifft“, aber dann bricht der Rhythmus weg und wird Inhaltserklärung:], der bald Gehenkte
      [schöne zwei Zeilen:]Kommt vom Tag, den Raben gefolgt
      Glänzt ein Weilchen noch, be-sonnt [:auf das „strahlenbeladen“ ist das eine Redundanz; ich verstehe auch die Demonstration der Worttennung nicht.]
      Scharenweise putziger Läufer [Das ist ein Genitiv! Wirklich „das Weilchen putziger Läufer“?] im Tal
      Glimmen [:das Wort stimmt nicht, denn man könnte in einem Besonnten und Strahlen ein Glimmen gar nicht mehr wahrnehmen.] auf ihre Rufe [:rhythmisch bisher in Ordnung, nur d a s hängt dann wieder durch:] „HÄNGT IHN!
      HÄNGET IHN, DEN TOLLEN!“ [:Das Wort „Tollen“ ist gut gewählt, weil es ein Geheimnis in den Text gibt, auch das folgende „Gongen“, auch wenn es zu deutlich bildmalt, ist gut, weil es das „o“ aus „Tollen“ geschickt in die nächste Zeile führt:]
      Gongen hin und her, schwingen ihn hoch [Die R u f e schwingen ihn hoch?]
      Wieder: „HÄNGT IHN ENDLICH!“
      Ausgebreitet ein boshaftes Züngeln [zu schwach in Kombination mit den lynchgierigen Rufen.]
      [Ja! Das stimmt danach:] „HÄNGEN, HÄNGEN“ so bäumt sich
      Auf das Biest so geblendet
      Und henkt sein Licht. [Die Zeile ist, auch als Gedichtende, sehr gut. Ich frage mich dennoch: „Das Biest henkt (selber) sein Licht“?]

    3. @albannikolaiherbst: danke! Tatsächlich, der Kasus der putzigen Läufer stimmt nicht (als kleiner Schlüssel: die Etymologie von “putzig” nachschlagen). Es müsste heißen: Scharenweise putzige Läufer.

      Die Anmerkungen zum Anfang kann ich nachvollziehen, zum Ende hin jedoch frage ich mich, ob die Zusammenhänge so undeutlich sind: Das Züngeln als Flammenzungen, die sich ausbreiten, das Biest als die Scharen, welche den Obigen hängen wollen.

      Da das Gedicht erst wenige Tage alt ist, lasse ich es (mit Ihren Anmerkungen im Hinterkopf) mal eine Weile liegen.

      Oben übrigens die neue Version von Putrefactio.

    4. @poetosaur (zu: Warten auf die Zeit).

      Am Wörterbaum
      klingeln die Buchstaben
      wie hohle Glasperlen [:das anders umschreiben; wahrscheinlich nützte es auch schon etwas, aus „Glasperlen“ einfach „Perlen“ zu machen; s o ist es banal wie zitiert.]

      [Was gibt dieses Bild h e r?:]
      Das Schreibpapier
      reibt sandig
      am Satzgefüge

      In die wartende Hand
      fallen [Es liegt nahe, daß die Schreibhand gemeint ist; dann kann aber nichts hineinfallen, sondern müßte von unten aufsteigen. Dieses Bild stimmt deshalb nicht. Egal, welch ein Bild man lyrisch verwendet, eines muß i m m e r sein: daß der Metapher auch eine Konkretion entspricht. Das ist ganz wichtig, das gehört geradezu in den Katechismus des Lyrikers.] federlangsam [:in dieser Komposition ist das Kitsch; Sie haben durch sie das abgedroschene „langsam wie eine Feder“ eben n i c h t vermieden, sondern tun nur so. Und weil man das Gefühl bekommt, unter dem eigenen Intelligenzquotienten getäuscht zu werden, reagiert man verstimmt. Wäre die Täuschung besser als der eigene Intelligenzquotient oder entspräche sie ihm und – gelänge, dann wäre man einverstanden.]
      die Erinnerungen

      Warten auf die Zeit

    5. Ihren Einwänden muss ich zustimmen! Danke!
      Vielleicht etwas zur Bedeutung und Entstehung des kleinen Textes: ich las eine geraume Zeit in der Werkstatt und wurde mir bewusst 1. der Prozess des Schreibens, das Hervorbringen, das Abringen von Innerem und das darauf folgende Gießen in eine sprachliche Form außerordentlich mühsam ist. 2. die Worte sind alle da, wurden alle schon ausgesprochen, nur, wie sie zum klingen bringen, so dass beim Betrachter des Gedichts ein Gefühl entsteht, das dem des Dichters gleich kommt?
      Im Grunde soll das Gedicht dies ausdrücken.
      Ich werde es eine Zeit ruhen lassen und dann noch einmal mit Muse daran gehen.
      Ich gehöre nicht der WERKSTATT in Heidelberg an, bin blutiger Anfänger. Ich hoffe, Sie dulden meine Texte dennoch.

    6. @poetosaur: Mais sûre! You’re welcome!

      [“nur, wie sie zum klingen bringen, so dass beim Betrachter des Gedichts ein Gefühl entsteht, das dem des Dichters gleich kommt?” – Das wird niemand von uns je erfahren. Ob das geht. Und ob das geschah.]

  16. notiz am spiegel irgendein datum: ich, und ich bin –
    also notiert man sein sein, sein kommen, man
    redet über die sinne und hofft, das reicht hin –

    augen, erster tiefsinn: ruinen der frau.
    jede wimper ein schwarzes, schützendes
    tasten, ein rauchen. nur wo – wann hat es

    gebrannt –

    lippen: aasblumen, triefend, dagegen die
    hände, die toten chatschaturjan-pferde,
    und darunter, wo kein gesicht ist:

    erstes, vom vater, roter aaronstab
    oder „escandalosa“ – ihr fleisch riecht
    süß wie ausgetretene kissen, ist giftig.

    1. @sirenomele (zu notiz am spiegel).

      irgendein datum: ich, und ich bin –
      also notiert man sein sein [Ist das für ein Gedicht nicht eine Spur zu abgegriffen, diese banale Assonanz, die ja auch nirgendwo sonst mehr aufgehoben und eingelöst wird?], sein kommen, [Hier hängt der Rhythmus:]man
      redet über die sinne und hofft, das reicht hin

      augen, erster tiefsinn [Schwierig, weil das einen Reim auf das „hin“ darüber unterstellt, aber den Grund schuldig bleibt.]: ruinen der frau.[Die Augen als Ruinen: irgendetwas stimmt an dem Bild, irgend etwas aber auch nicht. Da fehlt noch was. Oder etwas ist zuviel.]
      jede wimper ein schwarzes, schützendes
      tasten [die Ruine schützend?], ein rauchen [:Hier mußte ich an Zigaretten rauchen denken, irgend etwas löst das aus. Außerdem habe ich bei einer Ruine nicht den Eindruck eines niedergebrannten Gebäudes – woran immer es kaputtging, für den Rauch ist es zu lange her] . nur wo – wann hat es

      gebrannt –

      lippen: aasblumen, triefend [Die ersten beiden Wörter bekomme ich zusammen, das „triefend“ dann aber nicht mehr, schon gar nicht bei einer Brand-Ruine.], dagegen die
      hände, [Das ist g a n z toll!!:] die toten chatschaturjan-pferde,
      und darunter, wo kein gesicht ist:

      erstes, vom vater, roter aaronstab [„erstes“ was?]
      oder „escandalosa“ [die Eisenbahn?]– ihr fleisch riecht
      süß wie ausgetretene kissen [gutes Bild, obwohl sich gar nichts für mich damit verbindet], ist giftig.


      Was sich mir hier nicht erschließt, ist, w a s für den Aaronstab steht; denn: „darunter“ bezieht sich auf die Hände; also: unter den Händen, wo kein Gesicht ist. Das ist sehr undeutlich, s e h r verschlüsselt.
      Sie haben eine ausgesprochen morbide Bildsprache, der ich an Ihrer Stelle Süße beigeben würde, um sie locken zu lassen. Es reicht, glaube ich, nicht, das Süße zu verbalisieren. Ich würde an diesem Text aber auf jeden Fall weiterarbeiten. (Süße läßt sich über Form herstellen. Meine Idee hier wäre: ein Sonett daraus zu bauen, wie Baudelaire das tat – mit ganz ähnlichen Bildinhalten.)

      P.S.: Die letzte Strophe ist – meine “Kritik” spielt da gar keine Rolle – extrem stark.

    2. danke!

      diesem ding gingen notizen, fiktive notizen zu ersten hier in der werkstatt gestellten aufgabe voran. – und dann habe ich gedacht, ich mache ein ultraklares lyrisches gebilde aus diesen notizen – tja…

      vieles passt nicht, nicht mehr, das sehe ich. mich haben die zwei bildkomplexe von ruine und aaronstab überfallen, sie hatten mich und nicht ich sie im griff.

      aaronstab: ein wunder, ein sinnliches, ein biographischer link und vor allem – das vor allem: eine pflanze, rote beeren, giftig, riecht streng nach aas (das fleisch also, wo kein gesicht ist…, hat der vater gezeugt und verdorben – kommt nicht raus aus dem text), auch “escandalosa” genannt, passt auch zu mir, ist keine eisenbahn, die kenne wiederum ich nicht.

      die morbidität kommt durch das sujet, meine wenigkeit, das ist nicht per se meine sprache, sondern auch nur ein pathologisches abbild. und diese morbidität passt definitiv nicht in diesen trockenen notizenhaften ton. – ein sonett wäre süß? können sonette süß sein? muss ich also baudelaire anschauen.

      “…sein sein, sein kommen…” – das ist das ontische l a l l e n, weil das sein nicht ausgesprochen werden kann; die konsitution des ‘ich’ als grund des seins im spiegel, das heißt, auf dem blatt papier. – verstehe aber, dass das in dieser form nicht sehr gut funktioniert – und auch hier nicht sein muss – ansonsten, wie gesagt, dank, man ist so blind.

    3. @sirenomele. “hat der vater gezeugt und verdorben”
      Ich habe gerade zu der letzten, von mir als ungemein stark empfundenen Strophe die Interpretation einer Leserin bekommen, die etwas ausgesprochen Schlüssiges hat. Da war i c h blind.
      “sie hatten mich und nicht ich sie im griff”
      Das geht aufs Ausgraben. Hier ist dann der nächste Schritt die bewußte Gestaltung, so wie Sie sie in Ihrem anderen Text mir gegenüber vehement ins Feld geführt haben. Hier nun lohnt sich das wie bei kaum einem anderen Text, den ich bislang in der Werkstatt vorgelegt bekam. Hier fängt jetzt wirklich künstlerische Bearbeitung an: wobei die sich auf die vorhergehenden Strophen beziehen muß. Ich habe das Gefühl – es ist eines -, daß die Schlußverse in ihrer Struktur nicht angerührt werden sollten oder erst dann, wenn die anderen Strophen weitgehend stehen. Es läßt sich da von meiner Seite aus aber wenig machen; alles, was hier von mir käme, wäre künstlerisch rein äußerlich. Ich kann Hinweise geben, Rhythmisches einleiten usw., meinethalben auch Bilder gegenklopfen; die eigentliche Arbeit ist ganz alleine die Ihre. Weil es Ihre Sprache ist, die ein aus dem Innen kommendes Bild gefaßt, wirklich gefaßt hat. Daß das möglicherweise unangenehm ist, persönlich, und intim sowieso, gehört dazu. Meine Idee mit der Süße ist eben nur I d e e, vielleicht eine Richtung, vielleicht auch nicht.

    4. sonette züchtigen… um der vermutung gleich mal die schärfe zu nehmen: beim schreiben findet ja durchaus auch so etwas statt, wie beim träumen: verschiebungen, überblendungen… – und feministisch geprägte pschologinnen hätten meinem vater in den 70ern an dieser stelle wohl gleich einen prozess an den hals gehängt. – aber der “vater” (oben) ist nicht der vater der autorin, oder nur zu einem kleinen teil.

      ich hatte mich kurz an ein sonett gewagt und ein entwurf von einer ersten strophe sähe so aus (bin nicht zufrieden damit):

      ruinen die augen, den wimpern asche am nächsten
      am anfang hat vater meine tränen entwendet,
      ins foto über ein mahnmal geblendet,
      der zerbomten frauenkirche von dresden.

      das spielt auf etwas faktisches an. mein vater hat, als ich kind war, meine augen entdeckt und in einem foto über die ruine der frauenkirche geblendet – und einen fotowettbewerb damit gewonnen. da kommt also der vater her und – synthetisierte mit anderem, was auch, aber nur bedingt und fern meinen vater betrifft.

      das sonett hätte dann also erstmal meine phantasie gezüchtigt – aber das geht in eine richtung, die ich nicht möchte, eine andere richtung. diese letzte strophe oben wäre demgegenüber zu dunkel und könnte, wie einiges anderes auch, nicht erhalten bleiben –

      ja, in der tat, wenn ich mich am lyrischen versuche, dann bin ich dem automatischen schreiben sehr nah. – und meine wahrnehmung deckt sich da durchaus mit ihrer: – in allen gedichten, die ich früher gemacht habe, gab es immer etwas, was mir wirklich gefallen hat und sogar heute noch gefällt – es ist aber bei diesen einzelnen versen und fragmenten geblieben. sie zu einem ganzen gedicht zu machen, ist mir nie gelungen, bzw. die gedichte als ganze funktionierten einfach nicht. nachdem ich jahrelang sehr viel zeit, schlaf, zigaretten, verzweiflung dahinein investiert habe, hab ich irgendwann mit gedichten aufgehört. – ob ich mich da jetzt nochmal reinstürze, weiß nicht… –

    5. @sirenomele (zur Frauenkirche).

      mein vater hat, als ich kind war, meine augen entdeckt und in einem foto über die ruine der frauenkirche geblendetDas ist eine sehr schöne Erzählung und ein wunderbares Erzählmotiv. Deshalb nehme ich Ihren Gedichtansatz hier eben auf:ruinen die augen, den wimpern asche am nächsten [Sie tun dem Gedicht keinen Gefallen, wenn dieser Zeile das Prädikat so merkbar genommen wird.]
      am anfang hat vater meine tränen entwendet,
      ins foto über ein mahnmal geblendet,
      der zerbomten frauenkirche von dresden. [Hier flattert der Blick, weil sich das Genitivobjekt sowohl auf das Foto als auch auf das Mahnmal bezieht. Zugunsten eines B i l d e s wäre ich hier konkreter, also eindeutig. Kann aber eine Geschmackssache sein.]

    6. “notiz”, version 2 notiz (am spiegel)

      wie irgendein datum:
      ich, und ich bin.
      – als ob man
      den stift nimmt,
      den satz schreibt,
      im inhalt gerinnt –
      und einer schreibt
      in den andern,
      und einer schreibt
      dem andern noch zu.

      und im schwarzen der iris
      das hemiolische denken
      von namen, namen –
      (buch der spiegel, von vorn):

      erstes, das rote,
      a wie aaronstab
      oder auch
      „escandalosa“ –
      sein fleisch roch süß
      wie aufgeschnittene
      beeren – aaron,
      allolalisch,
      wie amen und aas.

  17. Ich fickte O

    Drrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr

    EnglischesWörterbich Teil eins. Kaufgünstig zu haben.

    1. quellenangaben! – – – also, ich glaube auch, dass das “ich” noch gar nicht zum ficken gekommen ist, weil es doch dann an der tür geklingelt hat. der vertreter sollte dann aber vielleicht den “stowasser” zum beispiel verkaufen. und beim “stowasser” sollte dann das “o” fehlen – nicht das “u” von “wörterbich” – weil, es ist doch das “o” oben stehen geblieben, das ungefickte loch. – außerdem: auch fiktive quellenangaben sollten vollständig sein, find ich.

  18. Gaststätte zur Einheit Ich gehe, ging und war in die Gaststätte zur Einheit gegangen. Ich werde dorthin auch weiterhin gehen, ziemlich sicher. Es ist im Vorhinein immer schwer zu glauben, aber dort wird alles wieder viel einfacher erscheinen. Ich will doch nicht immer dieses Auf und Ab mitmachen und dann auch noch darüber reden. Man muss auch mal einer Schaumkrone und einer Zigarette zuschauen dürfen, wie sie gleichmäßig abnehmen. Das war es und wird es sein in der Einheit.

    Meistens treffe ich nur einige Stammgäste dort an, denn von außen hatte sie nie jemanden angelockt, zu monoton ihre Ausstrahlung, zu undurchsichtig die gelblichen Fenster und die Gestalten, welche hinter ihnen verschwanden. Ihre Oberflächen schienen in einer Schwingung erstarrt zu sein. Bei genauem Hinsehen konnte man die fossilen Luftbläschen aus der Zeit ihrer Entstehung erkennen. Außerdem wird die Eingangstür bestimmt schon ewig kaputt gewesen sein, wahrscheinlich schon beim Einbau. Deshalb benutzt jeder, der es weiß, einen auf dem Fensterbrett bereit gelegten Kugelschreiber, um den Kolben aus der Wand zu lösen, während man die runde Klinke um 180° drehen wird. Es ist nicht ganz einfach, selbst wenn der Stift entdeckt wurde, auf den man von einem Kreidepfeil auf der verwitterten Wand aufmerksam gemacht wird. Dann muss nur noch der Vorhang, ebenfalls ein Überbleibsel aus früherer Zeit, zur Seite geschoben werden und schon stand man zwischen den beiden griechischen Gipsköpfen. Sie stammen noch aus der Epoche, in der ein verlotterter Grieche diese Gaststätte führt. Dieser ist von einem Tag auf den anderen verschwunden, weil das Finanzamt ihm auf den Fersen gewesen war. In der Küche fanden sich sogar noch die gerichteten Brotschälchen, welche er zu seiner Spezialität, den eingelegten Oliven, reichte. Es ist immer unangenehm zwischen den Köpfen hindurchzugehen, denn sie sind seltsam aufeinander ausgerichtet und man will ihren Blick nicht durchkreuzen. Einige schon hatten den neuen Wirt gefragt, warum er die alten Gipsköppe nicht endlich wegschaffe, bevor sie ihm noch unter seinem Dach verwitterten. Sie gefielen ihm und das gefiel mir an ihm. Er habe eine Schwäche für Artefakte. Auf diese Weise waren also die fließenden Konturen des einen und die hart abgegrenzten Gesichtszüge das anderen erhalten geblieben und je länger sie sich anschauen, umso ähnlicher scheinen sie sich geworden zu sein. Hatte man die beiden hinter sich gelassen, so erwartete mich schon jemand an der Theke. Ich kannte jeden, außer die meisten. Die Namen waren dabei nicht entscheidend, auch wenn es sich immer mächtig angehört hatte, was da nach diesem ‚Ich bin’ folgen konnte.
    Dieses oder auch ein anderes Mal treffe ich zuletzt auf meinen Freund mit dem sagenhaften, selbstironischen Schnauzer. Die griechische Lockenpracht hat er sich erhalten. Seine Pornobrille trug er selbst in der an sich schon düsteren Einheit. Man hatte diesen Kerl immer geliebt, denn ihm waren die zarten Gesichtszüge des Turiner Grabtuchs gegeben worden und er belohnte die Welt für sein Geschick, indem er als Persiflage auf sich selbst lebte. Seine Gesichts-Accessoires korrespondierten bis zur Perfektion miteinander und wenn seine hochreflexive Hornbrille, in der man sich selbst als Zerrbild gespiegelt sah, auch nur um ein Grad von der Ausgangstellung abwich, so verstand er es, souverän in einer ruhigen Ecke zu verschwinden und zu seiner Perfektion zurückzukehren. Es war immer ein Genuss gewesen, ihn beim Trinken zu beobachten, wie er nach jedem bedachten Schluck die Reste des Getränks aus seinem Schnurrbart saugte. Auch gestern noch wird er mich mit seiner ruhigen und doch über und über energiegeladenen Stimme an meinen Steinkrug fesseln, und sollten Adler in meiner Leber picken. Prost!

    – Wäre ich versucht zu sagen gewesen. Aber man muss auch immer den Rest im Auge behalten. Von meinem schwenkbaren Barhocker aus nahm ich die konkurrierenden Dart- Brüder wahr, wie sie alle zur Mitte hin zielen. Sie kennen dieses Spiel seit Ewigkeiten, länger als ich je gedacht haben konnte und doch hat keiner jemals die Mitte getroffen. Einer allerdings betrifft sie alle. Er konnte aus beachtlicher Entfernung eine Fliege in den Flügel treffen und so an der Wand festdarten, dass diese sich mit dem anderen Flügel weiter schlagend fortwährend im Kreis gedreht hatte, ohne es zu merken. Er besaß Macht. Er hebt eine Zigarette so lange vollkommen ruhig in der Hand, bis der Rauch in einem flachen Streifen ganz zur Decke zieht, ohne jegliche Irritation zu erfahren, und sich dort in zwei deutlich separierte Rauchfäden aufteilte. Sogar wenn er das Bierglas hob, hob er das Chaos auf, worauf sich nicht am Rande seines Glases wie bei uns anderen ein Ring aus übrig gebliebenem Schaum bildete, sondern alle Bläschen gleichverteilt auf der Oberfläche im selben Augenblick platzten. Dies alles und mehr wird er uns Staunenden mit einem Symmetrie wahrenden Lächeln demonstrieren und doch gelang, gelingt und wird ihm eines nicht gelingen: Mit seinem letzten Wurf die Mitte zu treffen. Er verschwand dann immer gesenkten Hauptes, bleibt nur zwischen den antiken Köpfen stehen und schaut sie an. Auf den einen, dann auf den anderen und noch mal, man wüsste nie genau, ob er den Kopf schüttelte oder ihn nur bewegte, um beiden gerecht zu werden. Er wird an einer Straße gestanden haben.

    Zu erwähnen gewesen war auch mein Tresennachbar mir gegenüber. Man wird ihn am Ende zuerst die Karte studierend vorfinden, denn es fiel ihm ungeheuer schwer, sich zu entscheiden. Er will gar nicht so recht, er hatte Angst vor der Entscheidung gehabt, Angst den anderen Getränken Unrecht geschehen zu lassen. Der Raum der Möglichkeiten hatte ihn gelähmt, mit dem Blick in die Karte gefesselt. Aber wenn schon, dann richtig! Er konnte, wenn er wollte, was er ohnehin müssen wird. Und dann mit Anlauf rinn in den Schädel. Dann kam er in Bewegung, bis der Barhocker ihn abwarf und alles wieder den umgekehrten Weg nahm, bis die Entscheidung und er selbst wieder gefällt werden mussten. Jaja, er erinnert sich gut an ihn. Oft half er ihm beim Aufstehen, hatte eine Serviette gereicht und geholfen, die festen Reste vom Hawaiihemd mit den blauen Orchideen gewischt. Dann musste man allerdings auch die Geschichten ertragen, die überschwänglichen Erzählungen von Urlauben im Süden, von den wunderbaren Früchten, Blüten, und natürlich – nach einem verschwörerischen Rippenstoß – auch die Hymne auf die göttlichen Getränke da. Wenn er sich dann noch nicht aus dem Bann seines Mitteilungsbedürfnisses gelöst haben wird, dann wurde es noch schlimmer, dann gingen seine Stories zunehmend, aber auch unmerklich in Übertreibungen und Obszönitäten über, dann diente ihm schon eine Klobürste mit Kackablagerungen als Objekt seiner Schwärmerei, dann fand er sich plötzlich mit allem und jedem verbunden und drang auf die anderen ein. Das war der ungenaue Zeitpunkt gewesen, zu dem das gutmütige Lächeln des Wirtes in ein vorwurfsvolles überging, denn solche Zoten wollte er nicht gehört haben in der Einheit. Seine Gäste gewährten sich gegenseitig Zerstreuung, aber auch Distanz, kein Anbiedern zum Anwidern. Und so wird der sich wieder beruhigen, denn der Wirt ist schon eine Autorität, mit seinem grauen Bart. Er war ein Urgestein, ein echtes.

    Ich kehrte also zurück zu meiner Ausgangsposition und ließ den mal machen, mit seinen Entscheidungen. Der fängt sich schon wieder, ist ja doch immer das Selbe gewesen, besser: das Gleiche. Unterschiede gäbe es schon, Umformungen auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens. An der Decke hängt übrigens eine funkelnde Spirale. Dazu aber weiter oben. Mein Freund mit der Pornobrille hat nur ein mitleidiges Lächeln übrig, für ihn, nicht für mich, wenn ich zurückkehren werde. Der hat schon wieder die Karte in den Händen und das Fragezeichen im Gesicht. In seiner Ecke wächst der Efeu durch das Glasbausteinfenster, welches man irgendwann vergessen hatte zu schließen und nicht mehr kann, wegen des Efeus. Es passte irgendwie ganz gut zu seinem Orchideenhemd, wie da die Ranken sich an den Wänden festhielten, nach etwas griffen. Er würde da sitzen, mit dem Efeu im Rücken. Vollkommen ruiniert.

    Ähnlich der schicken, kleinen Schlossruine im Aquarium, das sie ebenfalls dort gehabt hatten. Das war ein Hingucker gewesen. Und da wurde hingeguckt. Wenn auch nur durch die Böden der leeren Gläser. Doch so mancher wird sich da mit seinem Blick verfangen in den Wasserpflanzen. Schön beleuchtet war das hinten in der Ecke. So klar war das Wasser und die exotischen Farben der Fischchen strahlten selbst in der trüben Atmosphäre der Einheit. Vielen lege ich Anteil nehmend die Hand auf seine Schulter, während deren sehnsüchtige Blicke nicht von diesen Wesen ablassen können. Dann sah ich nur von der Seite die glitzernden Augen und hörte die ruhige Stimme: Ja, wenn ich ein Fischlein wär’! Da wird nur mitfühlend gelächelt, schließlich gehen als Kind viele gerne angeln. Mal schauen, was beißt. Möglichkeiten gibt es ja einige und die Fische sehen von oben auch ganz anders aus wie später, wenn man sie aus ihrem Medium gezerrt hat. Das mögen die Kinder. Aber der sitzt da und trinkt Bier und raucht und ist kein Kind mehr und auch kein Fischlein und schon gar kein Vöglein. Über ihm hängt die später zu erwähnende Spirale und die scheint sich drehend immer etwas Unsichtbares aus dem Aquarium nach oben zu ziehen. Das versteht der natürlich, will aber nicht. Der Wirt hatte mir mal erzählt, dass er mit dem schweren Gedanken – und er weiß selbst nicht wie er das schaffte – gespielt hatte, einen der Gipsköppe dorthinein zu versenken. Da hätten die Fischchen eine Zuflucht gehabt, in die Ohren gehen die ihm und die Algen würden sich absetzen auf der Oberfläche und vielleicht wird sie irgendwann von der Verwitterung abgeschliffen. Da hätte er die Spannung verloren, vor allem der eine, der unausgeglichene. Aber dann will er die zwei doch nicht voneinander trennen. Das ist auch nicht so einfach. Schnell rutscht man ab. Da liegt der aufm Boden und niemand ist geholfen, nich wahr? Doch wahr.

    Die Fischchen allerdings hatten weit größere Probleme. Die Katze des Wirtes nämlich sprang manchmal von ihrem Baum und fängt an zu fangen und versucht die Fischchen zu fangen. Selten war eine solch orangefarbene Katze zu sehen gewesen, aber in der Einheit gab es auch verrückte Dinge, allerdings befand sie sich meistens auf ihrem Baum oder flog zur Paarungszeit aus und schwebte im siebten Himmel. Nur manchmal wird sie noch des Öfteren herumstreunen zwischen den Gästen und hier und dort eine gutmütige, streichelnde Hand finden. Meist wenn jemand gelangweilt vor dem vorne aufgebauten Beamer sitzt und das auf die Leinwand Geworfene betrachtet. Einen Ton dazu wird es nicht geben, denn in der Einheit würde ohnehin alles übertönt werden und vom Saufen wird das Gehör auch nicht besser. Nur die Strahlen hatte man betrachtet, wie sie auf die Leinwand prallen, und manchmal die Umrisse eines Jemanden, der durch die Projektion aufs Klo geht, oder wieder die Katze, wenn sie zwischen den Gläsern über die Tische hüpft. Einmal jedoch war auf dem Programm immer ein Konzert aufgeführt worden und obwohl die Musik fehlte, ergab das in der Einheit eine erhabene Atmosphäre. Da wird der Dirigent in die Gläserheber hineindirigieren, als bestünde ein Zusammenhang. Beschäftigt wurde ich mit dem Gedanken, dass die Strahlen von der Leinwand in den Beamer hinein fielen und zwar genau in einen Punkt: die Quelle des Lichts und nicht etwa umgekehrt. Warum denn nicht? In der Einheit war alles möglich, sogar nüchtern.

    Es sollte sogar vorgekommen sein, doch er wusste es selbst nur durch den Filter der Erzählung, dass die Spirale hinten über dem Aquarium, manchmal hing sie auch häufig vorne in die Projektion hinein, plötzlich ihren höchsten Punkt erreicht hatte und das Glanzpapier für einen nicht zu bestimmenden Moment zum Stillstand kam, bevor es in die andere Richtung seine Drehung fortsetzte. Wie war das aber nun zu interpretieren gewesen? Der Wirt wird darüber sicherlich vielleicht in Grübeln verfallen, doch im Wesentlichen verließ er sich auf seine anderen Artefakte. Da ist beispielsweise sein kleiner, dicker Buddha, massiv mit falschem Goldstaub überzogen, der sich zwar mit der Zeit abgriff, aber trotzdem seine Aufgabe erfüllte: Er hatte die offenen Rechnungen der Gäste unter seinem runden Körper beschwert, auf dass sie nicht verloren gehen. Er passte auf, dass immer alle am Ende zahlen. Dann wäre noch sein Laptop zu erwähnen, den er griffbereit hinter dem Tresen stehen hatte mit allen Verbindungen, falls etwas unklar war und nachgeschaut werden muss. Denn er wollte nicht unwissend sein und unauflösbare Diskussionen abkürzen. Da ist auf den Rechner Verlass, viele Antworten flimmerten da über den Flachbildschirm, könnten sogar auf die Leinwand vorne projiziert werden, so hatte er das eingerichtet. Nur die Antworten zu den Fragen des unentschlossenen Typen mit dem Hawaiihemd hatten sich auch dort nicht finden lassen. Das machte den Wirt stutzig und er sagte mir im Vertrauen, dass der sie wohl absichtlich versteckt habe, womöglich vor sich selbst. Genauso wie die Dart- Brüder seit Ewigkeiten mit Absicht die Mitte verfehlten, um einen Grund zu haben, wiederzukommen. Das soll niemandem zur Last gelegt werden in der Einheit.

    1. @ Maximilian Prang (zu: Gaststätte zur Einheit).

      Ich gehe, ging und war in die Gaststätte zur Einheit gegangen. Ich werde dorthin auch weiterhin gehen, ziemlich sicher. Es ist im Vorhinein immer schwer zu glauben, aber dort wird alles wieder viel einfacher [einfacher als was? Bei einer komparativen Formulierung nötig. erscheinen. Ich will doch nicht immer dieses Auf und Ab mitmachen und dann auch noch darüber reden. Man muss auch mal einer Schaumkrone und einer Zigarette zuschauen dürfen, wie sie gleichmäßig abnehmen [Das mit dem „Abnehmen“ ist immer noch kein wirklich treffendes Bild.]. Das war es und wird es sein in der Einheit [:daß man zuschauen dürfen muß oder daß man zuschaut/zuschauen k a n n ?].

      Meistens treffe ich dort nur einige Stammgäste dort an, denn [Wieso „denn“? Und was hat, jemanden dort anzutreffen, mit angelockt-Sein zu tun?] von außen hatte sie nie jemanden angelockt, zu monoton istr ihre Ausstrahlung, zu undurchsichtig sinddie gelblichen Fenster und die Gestalten, welche hinter ihnen verschwanden. Ihre Oberflächen schienen in einer Schwingung erstarrt zu sein [:Was meinen Sie damit?]. Bei genauem Hinsehen konnte man die fossilen Luftbläschen aus der Zeit ihrer Entstehung [:Was ist das? Was ist die Zeit ihrer Entstehung… und wessen: die der Art (fossil) oder die individuelle (Zeugung)? Und bei was steigen da Luftbläschen auf?] erkennen. Außerdem <[???] wird die Eingangstür bestimmt schon ewig kaputt gewesen sein, wahrscheinlich schon beim Einbau. Deshalb benutzt jeder, der es weiß, einen auf dem Fensterbrett bereit gelegten Kugelschreiber, um den Kolben aus der Wand zu lösen, während man die runde Klinke um 180° drehen wird. Es ist nicht ganz einfach, selbst wenn der Stift entdeckt wurde, auf den man von einem Kreidepfeil auf der verwitterten Wand aufmerksam gemacht wird. Dann muss nur noch der Vorhang, ebenfalls ein Überbleibsel aus früherer Zeit, zur Seite geschoben werden und schon stand man zwischen den beiden griechischen Gipsköpfen. Sie stammen noch aus der Epoche Zeit, in der ein verlotterter Grieche diese [:Welche sonst?] Gaststätte führt. Dieser ist von einem Tag auf den anderen verschwunden, weil das Finanzamt ihm auf den Fersen gewesen war. In der Küche fanden sich sogar noch die gerichteten Brotschälchen, welche er zu seiner Spezialität, den eingelegten Oliven, reichte. ABSATZ. Es ist immer unangenehm KOMMA zwischen den Köpfen hindurchzugehen, denn sie sind seltsam aufeinander ausgerichtet und man will ihren Blick nicht durchkreuzen. Einige schon hatten den neuen Wirt gefragt, warum er die alten Gipsköppe nicht endlich wegschaffe, bevor sie ihm noch unter seinem Dach verwitterten [:in geschlossenen Räumen verwittern? Echt?]. Sie gefielen ihm und das gefiel mir an ihm. Er habe eine Schwäche für Artefakte. Auf diese Weise waren also [:und insgesamt: s e h r umständlich formuliert] die fließenden Konturen des einen und die hart abgegrenzten Gesichtszüge das anderen erhalten geblieben und je länger sie sich anschauen, umso ähnlicher scheinen sie sich geworden zu sein [:dennoch sind die einen als hart abgegrenzt, die anderen aber als fließend weiter zu erkennen?]. Hatte man diie beiden hinter sich gelassen, so erwartete mich schon jemand an der Theke. Ich kannte jeden, außer die meisten [:Das klingt immer noch grammatisch falsch und stört, selbst, wenn es intendiert ist.]. Die Namen waren dabei nicht entscheidend, auch wenn es sich immer mächtig angehört hatte, was da nach diesem ‚Ich bin’ folgen konnte [:sehr gestelzt.].
      Dieses oder auch ein anderes Mal treffe ich zuletzt auf meinen Freund mit dem sagenhaften, selbstironischen Schnauzer. Die griechische Lockenpracht hat er sich erhalten. Seine Pornobrille trug er selbst in der an sich schon düsteren Einheit. Man hatte diesen Kerl immer geliebt, denn ihm waren die zarten Gesichtszüge des Turiner Grabtuchs gegeben worden und er belohnte die Welt für sein Geschick [:Sie meinen wohl eher „Schicksal“, denn „Geschick“ bedeutete, daß er sein Aussehen selbst hergestellt hat.], indem er als Persiflage auf sich selbst lebte. Seine Gesichts-Accessoires korrespondierten einander bis zur Perfektion miteinander KOMMA und wenn seine hochreflexive Hornbrille, in der man sich selbst als Zerrbild gespiegelt sah, auch nur um ein Grad von der Ausgangstellung [:von wessen?]abwich, so verstand er es, souverän in einer ruhigen Ecke zu verschwinden, um dort zur und zu seiner Perfektion zurückzukehren. Es war immer ein Genuss gewesen, ihn beim Trinken zu beobachten, wie er nach jedem bedachten Schluck die Reste des Getränks aus seinem Schnurrbart saugte. Auch gestern noch wird er mich mit seiner ruhigen und doch über und über energiegeladenen Stimme an meinen Steinkrug fesseln, und sollten Adler in meiner Leber picken [:weiterhin: na ja….]. Prost!

      – Wäre ich versucht zu sagen gewesen. Aber man muss auch immer den Rest im Auge behalten. Von meinem schwenkbaren Barhocker aus nahm ich die konkurrierenden Dart-Brüder wahr, wie sie alle zur Mitte hin zielen [:ungelenk.]. Sie kennen dieses Spiel seit Ewigkeiten, länger als ich je gedacht haben konnte und doch hat keiner jemals die Mitte getroffen [Schöner und einfacher: „Seit Ewigkeiten hat keiner die Mitte getroffen.“]. Einer allerdings betrifft [„b etrifft“???] sie alle. Er konnte aus beachtlicher Entfernung eine Fliege in den Flügel treffen und so an der Wand festdarten, dass diese [:die Wand?] sich mit dem anderen Flügel weiter schlagend fortwährend im Kreis gedreht hatte, ohne es zu merken [:glaub ich nicht.]. Er besaß Macht. Er hebt eine Zigarette so lange vollkommen ruhig in der Hand, bis daß der Rauch in einem flachen Streifen ganz zur Decke zieht, ohne jegliche Irritation zu erfahren [:Was ist gemeint?], und sich dort in zwei deutlich separierte Rauchfäden aufteilte. Sogar wenn er [:der Rauch?] das Bierglas hob, hob er das Chaos auf, worauf sich nicht am Rande seines Glases wie bei uns anderen ein Ring aus übrig gebliebenem Schaum bildete, sondern alle Bläschen gleichverteilt auf der Oberfläche im selben Augenblick platzten. Dies alles und mehr wird er uns Staunenden mit einem Symmetrie wahrenden Lächeln [:Aua.] demonstrieren und doch gelang, gelingt und wird ihm eines nicht gelingen: Mit seinem letzten Wurf die Mitte zu treffen. Er verschwand dann immer gesenkten Hauptes, bleibt nur zwischen den antiken Köpfen [:sind wir wirklich antik oder nicht eben doch nur „olle Köppe“?]stehen und schaut sie an. Auf [:sie „auf“ angucken geht nicht.] den einen, dann auf den anderen und noch mal, man wüsste nie genau, ob er den Kopf schüttelte oder ihn nur bewegte, um beiden gerecht zu werden. Er wird an einer Straße gestanden haben [:als er die Köpfe „auf- und an“guckt?]

      Zu erwähnen gewesen [:häßlich.] war auch mein Tresennachbar mir gegenüber. Man wird ihn am Ende zuerst die Karte studierend vorfinden [häßliches, gestelztes Deutsch], denn es fiel ihm ungeheuer schwer, sich zu entscheiden. Er will gar nicht so recht, er hatte Angst vor der Entscheidung gehabt, Angst den anderen Getränken Unrecht geschehen zu lassen. Der Raum der Möglichkeiten hatte ihn gelähmt, mit dem Blick in die Karte gefesselt. Aber wenn schon, dann richtig [:was?: dann „richtig gefesselt“ sein? Radikalbondage?]! Er konnte, wenn er wollte, was er ohnehin müssen wird [Das ist entweder ein Blödelsatz oder grottenschlecht formuliert.]. Und dann mit Anlauf rinn [:Dieses Umkippen in einen ausgerufenen Jargon funktioniert (hier) nicht.] in den Schädel. Dann kam er in Bewegung, bis der Barhocker ihn abwarf und alles wieder den umgekehrten Weg nahm, bis die Entscheidung und er selbst wieder [???] gefällt werden [:das ist eine semantisch unzulässige Zusammenziehung, unter der Voraussetzung, daß Sie nicht einfach nur blödeln möchten.. – ich will aber jeden Mitleser daran erinnern, daß „blödeln“ von „blöde sein“ kommt und daß jemand, der das tut, automatisch aussieht wie Karl Dall.] mussten. Jaja, er erinnert sich gut an ihn [:an den B a r h o c k e r????]. Oft half er [der Barhocker?] ihm beim Aufstehen, hatte eine Serviette gereicht und geholfen, die festen Reste vom Hawaiihemd mit den blauen Orchideen gewischt. Dann musste man allerdings auch die Geschichten ertragen, die überschwänglichen Erzählungen von Urlauben im Süden, von den wunderbaren Früchten, Blüten, und natürlich – nach einem verschwörerischen Rippenstoß – auch die Hymne auf die göttlichen Getränke da. Wenn er sich dann noch nicht aus dem Bann seines Mitteilungsbedürfnisses [häßlich.] gelöst haben wird, dann wurde es noch schlimmer, dann gingen seine Stories zunehmend, aber auch unmerklich in Übertreibungen und Obszönitäten über, dann diente ihm schon eine Klobürste mit Kackablagerungen als Objekt seiner Schwärmerei [:das vergreift sich im Ton. Indem es einfach nur ordinär ist, ohne die Person ja wirklich zu einer zu machen, also sie zu charakterisieren, wird das auf den Autor projeziert, der in einem solchen Text wiederum gar nichts zu suchen hätte – aber den Unwillen dann abbekommt. Und nicht ganz zu Unrecht.], dann fand er sich plötzlich mit allem und jedem verbunden und drang auf die anderen ein. Das war der ungenaue Zeitpunkt gewesen, zu dem das gutmütige Lächeln des Wirtes in ein vorwurfsvolles überging, denn solche Zoten wollte er nicht gehört haben in der Einheit. Seine Gäste gewährten sich gegenseitig Zerstreuung, aber auch Distanz, ]kein Anbiedern zum Anwidern [:bei sowas Reime vermeiden, es sei denn, man legt es auf ein zotig-billiges Wiehern seiner Leser an.]!. Und so wird der sich wieder beruhigen, denn der Wirt ist schon eine Autorität, mit seinem grauen Bart. Er war ein Urgestein, ein echtes.

      Ich kehrte also zurück zu meiner Ausgangsposition zurück und ließ den mal machen, mit seinen Entscheidungen [Versuchen Sie einmal, sich für e i n e n Ton zu entscheiden. Sie müssen einem ja bereits den Zeitenkuddelmuddel glaubhaft machen; wenn da keiner ist, der für sich glaubhaft ist, funktioniert das nicht]. Der fängt sich schon wieder, ist ja doch immer das Selbe gewesen, besser [:nicht „besser“, sondern „genau“.]: das Gleiche. Unterschiede gäbe es schon, Umformungen auf beiden Seiten des Gleichheitszeichens. An der Decke hängt übrigens [Das ist eine sehr ungeschickte Einführung eines solchen Motivs.] eine funkelnde Spirale. Dazu aber weiter oben [:auch wenn es paradox wird, das „dazu aber“ bleibt häßlich.]. Mein Freund mit der Pornobrille hat nur ein mitleidiges Lächeln übrig, für ihn, nicht für mich, wenn ich zurückkehren werde. Der hat schon wieder die Karte in den Händen und das Fragezeichen im Gesicht [:na ja…]. In seiner Ecke wächst der Efeu durch das Glasbausteinfenster, welches man irgendwann zu schließenvergessen hatte zu schließen und nicht mehr kann, wegen des Efeus. Es passte irgendwie ganz gut zu seinem Orchideenhemd, wie da die Ranken sich an den Wänden festhielten, nach etwas griffen. Er würde da sitzen, mit dem Efeu im Rücken. Vollkommen ruiniert.

      Ähnlich der schicken, kleinen Schlossruine [:die ist auch ruiniert, also die Ruine?] im Aquarium, das sie ebenfalls dort gehabt hatten. Das war ein Hingucker gewesen. Und da wurde hingeguckt. Wenn auch nur durch die Böden der leeren Gläser. Doch so mancher wird sich da mit seinem Blick verfangen in den Wasserpflanzen verfangen. Schön beleuchtet war das hinten in der Ecke. So klar war das Wasser und die exotischen Farben der Fischchen strahlten selbst in der trüben Atmosphäre der Einheit. Vielen lege ich Anteil nehmend die Hand auf seine Schulter, während deren [??] sehnsüchtige Blicke nicht von diesen Wesen [Stelz.] ablassen können. Dann sah ich nur von der Seite die glitzernden Augen und hörte die ruhige Stimme: Ja, wenn ich ein Fischlein wär’! Da wird nur mitfühlend gelächelt [:obwohl die Stimme gehört wird?], schließlich [:wieso „schließlich“?] gehen als Kind viele gerne angeln. Mal schauen, was beißt. Möglichkeiten gibt es ja einige [Das ist ein Null-Satz] und die Fische sehen von oben auch ganz anders aus wie [a l s!, Komparativ.] später, wenn man sie aus ihrem Medium gezerrt [ungelenk.] hat. Das mögen die Kinder. Aber der [Wer ist jetzt gemeint? sitzt da und trinkt Bier und raucht und ist kein Kind mehr und auch kein Fischlein und schon gar kein nicht ein Vogel Vöglein. Über ihm hängt die später früher [:konsequent sein!] zu erwähnende [:bleibt aber häßlich.] Spirale und die scheint sich drehend immer etwas Unsichtbares aus dem Aquarium nach oben zu ziehen. Das versteht der natürlich, will es/das aber nicht. Der Wirt hatte mir mal erzählt, dass er mit dem schweren Gedanken – und er weiß selbst nicht wie er das schaffte – gespielt hatte, einen der Gipsköppe dorthinein zu versenken. Da hätten die Fischchen eine Zuflucht gehabt, in die Ohren gehen die ihm und die Algen würden sich absetzen auf der Oberfläche und vielleicht wird sie [Wer, „sie“?] irgendwann von der Verwitterung abgeschliffen. Da hätte er die Spannung verloren, vor allem der eine [:ähm… -: wer ist denn „der andere?? Und sowieso: „Er, der eine, hätte die Spanung verloren, nämlich der eine“ – völlig redundanter und auch ingesamt unnötiger Satz. In solchen Fällen sag ich zu meinem quassellustigen Jungen immer: „Wozu erzählst du das, außer zum zu quasseln?“], der unausgeglichene. Aber dann will er die zwei doch nicht voneinander trennen. Das ist auch nicht so einfach. Schnell rutscht man ab. Da liegt der aufm Boden und niemandem(!!!!!!) ist geholfen, nich wahr? Doch wahr.

      Die Fischchen allerdings hatten weit größere Probleme. Die Katze des Wirtes nämlich sprang manchmal von ihrem Baum und fängt an zu fangen und versucht die Fischchen zu fangen. Selten war eine solch orangefarbene Katze zu sehen gewesen, aber in der Einheit gab es auch sonst verrückte Dinge, allerdings befand sie [:Bezugsfehler: die Einheit? Hier werd ich langsam ärgerlich. Selbstverständlich können Sie paradox und Paradoxes erzählen, aber die F o r m muß in sich stimmen, die Sprache muß stimmen; sonst ist überhaupt nicht mehr Absicht von Unfähigkeit zu unterscheiden. Bitte passen Sie da auf. Man kann Langeweile erzählen, ja, aber man darf es nicht so tun, daß der Text langweilig wird.] sich meistens auf ihrem Baum oder flog zur Paarungszeit aus und schwebte im siebten Himmel. Nur manchmal wird sie noch des Öfteren herumstreunen zwischen den Gästen und hier und dort eine gutmütige, streichelnde Hand finden. Meist wenn jemand gelangweilt vor dem vorne aufgebauten Beamer sitzt und das auf die Leinwand Geworfene [:a u a !] betrachtet. Einen Ton dazu wird es nicht geben, denn in der Einheit würde ohnehin alles übertönt werden und vom Saufen wird das Gehör auch nicht besser. Nur die Strahlen hatte man betrachtet, wie sie auf die Leinwand prallen, und manchmal die Umrisse eines Jemanden, der durch die Projektion aufs Klo [:das befindet sich hinter der Leinwand? G e n a u sein!] geht, oder wieder die Katze, wenn sie zwischen den Gläsern über die Tische hüpft. Einmal jedoch war auf dem Programm immer ein Konzert aufgeführt worden und obwohl die Musik fehlte, ergab das in der Einheit eine erhabene Atmosphäre. Da wird der Dirigent in die Gläserheber [???] hineindirigieren, als bestünde ein Zusammenhang [:von was womit?]. Beschäftigt wurde ich mit dem Gedanken, dass die Strahlen von der Leinwand in den Beamer hinein fielen und zwar genau in einen Punkt: die Quelle des Lichts [:i s t das ein Punkt?]und nicht etwa umgekehrt. Warum denn nicht? In der Einheit war alles möglich, sogar nüchtern.

      Es sollte sogar vorgekommen sein, doch er wusste es selbst nur durch den Filter der Erzählung, dass die Spirale hinten über dem Aquarium, manchmal hing sie auch häufig vorne in die Projektion hinein, plötzlich ihren höchsten Punkt erreicht hatte und das Glanzpapier für einen nicht zu bestimmenden Moment zum Stillstand [:Glanzpapier kann zum Stillstand kommen? Was meinen Sie?] kam, bevor es in die andere Richtung seine Drehung fortsetzte. Wie war das aber nun zu interpretieren [:Wieso sollte das jemand „interpretieren“?] gewesen? Der Wirt wird darüber sicherlich vielleicht [dieser ganze Text kommt über „drinnen standen sitzend Leute“ nicht hinaus; und das Volksgedicht erzählt das besser.] in Grübeln verfallen, doch im Wesentlichen verließ er sich auf seine anderen Artefakte [Was ist gemeint?]. Da ist beispielsweise sein kleiner, dicker Buddha, massiv mit falschem Goldstaub überzogen, der sich zwar mit der Zeit abgriff, aber trotzdem seine Aufgabe [:der Goldstaub oder der ganze Buddha?]erfüllte: Er hatte die offenen Rechnungen der Gäste unter seinem runden Körper beschwert, auf dass sie [:die Gäste?] nicht verloren gehen. Er passte auf, dass immer alle am Ende zahlen. Dann wäre noch sein [:des Buddhas? Genauigkeit, Genauigkeit, Genauigkeit!] Laptop zu erwähnen, den er griffbereit hinter dem Tresen stehen hatte mit allen Verbindungen, falls etwas unklar war und nachgeschaut werden muss. Denn er wollte nicht unwissend sein und unauflösbare Diskussionen abkürzen. Da ist auf den Rechner Verlass, viele Antworten flimmerten da über den Flachbildschirm, könnten sogar auf die Leinwand vorne projiziert werden, so hatte er das eingerichtet. Nur die Antworten zu den Fragen des unentschlossenen Typen mit dem Hawaiihemd hatten sich auch dort nicht finden lassen. Das machte den Wirt stutzig und er sagte mir im Vertrauen, dass der sie wohl absichtlich versteckt habe, womöglich vor sich selbst. Genauso wie die Dart- Brüder seit Ewigkeiten mit Absicht die Mitte verfehlten, um einen Grund zu haben, wiederzukommen. Das soll niemandem zur Last gelegt werden in der Einheit.

  19. Puppentango – logische Verknüpfung des Seins Du reines Nichts, als bloßer Ursprung wollenden Seins, ungeteilt und unvermischt.
    Du dämmerst im Vakuum der Verdichtung. Ich gebe dir ein unbewußtes Kleid zum Körper.
    Abkehr ins Schwarze,
    noch immer kein Licht – your origin is review,
    wirklich nicht fassbare Innenansicht.
    Ka-BUUH-ki!
    Kleines Mädchen Lucil – hörst du den 2/4 Takt!
    Er weitet deine schwarze Öffnung, damit das Licht besser in dich eindringen kann.
    Dein Regenbogen macht dich sehend für die Regieanweisung zu deiner Choreographie des Begehrens,
    es verpasst dir seine fesselnden Stricke, denn nur die Gebundenheit macht dich frei.
    Es lässt weiches sexualisiertes Fleisch um deine kühlen drahtigen Gliedmaßen wachsen.
    Dein Kleid wird mechanisch und berührungsempfindlich sinnend.
    Es gibt nur eine Rolle für dich und das ist die strenge Disziplin der Maske.
    Du darfst sie nicht verwischen, sie muss sich an dir festwachsen,
    hör auf dich zu wehren, du musst ihr bedingungslos gehorchen, denn erst wenn du die unterste Stufe erklommen hast und der Servant dein Master ist, wirst du zum lebendigen Maschinist.
    Es ist nur ein mechanisches Spiel, in dem du dich versteifen musst.
    Gehorche der Strenge deiner personellen Maske, erdulde ihre Quälerei, erst dann erregt sie grausam deine Strukturen. Jetzt bist du empfindliches Handeln.
    Dein Körper beginnt zu atmen, der Hauch zieht in dir ein.
    Von jetzt ab kannst du nie wieder Opfer sein, denn der hermetische Raum aus dem du gekommen bist, bleibt für immer verriegelt.
    Du bist die schutzlos Pflegebefohlene, die den unaufhörlichen Tango des “Pas de deux” tanzen muss.

    1. @ read an (zu: Puppentango – logische Verknüpfung des Seins).

      Du reines Nichts, als bloßer Ursprung wollenden Seins, ungeteilt und unvermischt [Das Nichts ist nur als Ursprung des Wollens/Willens ungeteilt? Meinen Sie d a s?].
      Du dämmerst im Vakuum der Verdichtung [Was i s t das? Ein Vakuum wäre ja eben n i c h t verdichtet, weil ihn etwas, das sich verdichten ließe…]. Ich gebe dir ein unbewußtes Kleid zum an den Körper.
      Abkehr ins Schwarze,
      noch immer kein Licht – your origin is review [:Welche Funktion spielt das Englische hier? Zumal das Deutsche derart abstrakt ist, daß das Englische vom Sprachverhalten sehr abfällt – als bräuchte der Autor, um „einfach“ zu sprechen, die andere Sprache…],
      wirklich nicht fassbare Innenansicht.
      Ka-BUUH-ki!
      Kleines Mädchen Lucil [Wieso dieser Name, wenn auf ein japanisches Theater angespielt wird? Sollte erklärt oder doch wenigstens evident sein.] – hörst du den 2/4 Takt!
      Er weitet deine schwarze Öffnung [:Das meinen Sie nicht, was ich jetzt spontan denke, oder?], damit das Licht [:falls doch:: Interpretation:::!]besser in dich eindringen kann.
      Dein Regenbogen macht dich sehend [:häßliche Formulierung] für die Regieanweisung zu deiner Choreographie des Begehrens [Vorsicht vor Genitiv-Metaphern],
      es verpasst dir seine fesselnden Stricke [:reine Umgangssprache: „Fesseln verpassen“; das geht nicht.], denn nur die Gebundenheit macht dich frei [Hier wäre es normativ wohl besser: „Gebundenheit macht frei.“].
      Es [?? „Gebundenheit“? Wer?] lässt weiches sexualisiertes Fleisch um deine kühlen drahtigen Gliedmaßen wachsen.
      Dein Kleid wird mechanisch [:Auch hier ist ganz undeutlich, was gemeint ist.] und berührungsempfindlich sinnend.
      Es gibt nur eine Rolle für dich [Themen-/Perspektivwechsel?:] und das ist die strenge Disziplin der Maske.
      Du darfst sie nicht verwischen, sie muss sich an dir (vielleicht, schärfer:) in dich festwachsen,
      hör auf dich zu wehren, du musst ihr bedingungslos gehorchen, denn erst wenn du die unterste Stufe erklommen [:aufpassen!] hast und der Servant dein Master [:entstammt die Terminologie einem Spiel? Ich tappe diesbezüglich etwas im Dunklen.] ist, wirst du zum lebendigen Maschinisten.
      Es ist nur ein mechanisches Spiel, in dem du dich versteifen [?] musst.
      Gehorche der Strenge deiner personellen Maske [Welch andere gibt es n o c h? Hier, im Text?], erdulde ihre Quälerei [:quölt denn s i e? Und wo ist das erzählt?], erst dann erregt sie grausam [:spannend, aber dann in der Sinnlichkeit bleiben und nicht:] deine Strukturen. Jetzt bist du empfindliches Handeln.
      Dein Körper beginnt zu atmen, der Hauch [„Odem“? Gottes?] zieht in dir ein.
      Von jetzt ab kannst du nie wieder Opfer sein, denn der hermetische Raum aus dem du gekommen bist, bleibt für immer verriegelt.
      Du bist die schutzlos Pflegebefohlene, die den unaufhörlichen Tango des “Pas de deux” tanzen muss.

      Es ist, als sollte hier ein prekärer und pikanter, jedenfalls heikler Inhalt zugleich erzählt und dabei unbedingt geschützt werden, und zwar im Abstrakten. Das funktioniert auch, persönlich, wahrscheinlich – als literarischer Text aber wohl, meine ich, nicht, weil er a l s Text eigentlich jetzt nur daraus besteht, daß man ihn interpretiert/interpretieren m u ß. Deshalb, wo sich da vom schwarzen Loch, das ebensogut Möse sein könnte, übers vakuumierte Nichts bis zu mechanischen Kleidern und Bondage-Arsenalen die Metaphern vor jede sinnliche Wahrnehmung ziehen, da, und zwar radikal, den Vorhang nicht nur zur Seite, sondern runterreißen und dann mal gucken, was dahinter versteckt ist. „Gucken“ heißt auch: „sehen lassen“. Daß das mitunter sehr schwer, persönlich schwer, ist, weiß ich.

  20. Weiterdenken… hin zum Nachdenken für Herrenreiter, um des Ruhmes Kathedralenbau,
    Stein um Stein, noch immer höher,
    den Letzten beißen die Hunde, die Pferde wiehern.
    Die Fallhöhe setzt das Dach des Hauses – Pars pro toto
    Es ist bald Herbst, die Abrissbirne holt weit aus zum Roden des zugewucherten Gartens.
    Sie holt den Reiter vom Pferd und reißt das Gemäuer nieder,
    die Y- fällt zur X-Achse wieder.
    Klappe: die Zweite
    Das Pferdegesäß sitzt auf des Reiters Schultern,
    du bist schon recht nah am Apfel, warte nur ab es muss noch verdauen.
    Bald heißt es -ismus/ – ism, jetzt bist du ganz schön angesch-isn.
    Dr. Schlechter kommt und holt dich bald ab, dann bist du schlichtweg weg,
    dein Gedächtnis schweigt leise in des Meeres Grab.
    Ka-BUUH! -ki
    Mach dich bereit für die Verknüpfung des Seins, der Puppentango dröhnt schon in der Ferne.
    Jetzt stehst du im Garten, abhanden gekommen, dem Gotte zum Abbild als Probe genommen.
    Elender Fluch, der Exempelversuch!
    Hör nicht auf den verbieterischen Finger, nimm ihn als Deutung an,
    lehne dich auf die Erkenntnis kommt dann.
    Schon fast Ende vom Sommer, der Baum trägt schwer, sei hochmütig und greif nach der süßlich reifesten Frucht mit herbstlicher Welke.
    Bedien dich schamlos an ihr, sie ist dein Reiseproviant, los geh endlich stiften, zieh aus in dein Land!
    Zwischendrin reißt die Birne alles hinab, was dann kommt ist wiederAufbau, hinterm Berg gehts steil ab.

    1. @ read An (zu: Weiterdenken).

      hin zum Nachdenken für Herrenreiter, um des Ruhmes Kathedralenbau [aufgedonnert im antiquierten Sprachverhalten),
      Stein um Stein, noch immer höher,
      den Letzten beißen die Hunde [:trefflich!, weil das abgedroschene Bild in die Konkretion zurückgeholt wird:], die Pferde wiehern [:das ist wirklich gelungen.].
      Die Fallhöhe setzt das Dach des Hauses [:das Dach t u t das? Sicher?] – Pars pro toto [Das Dach (Teil) für welches Ganze? Was wollen Sie zum Ausdruck bringen?]
      Es ist bald Herbst, die Abrissbirne holt weit aus zum Roden [:Bildfehler. Abrißbirnen „roden“ nicht (entwurzeln Bäume zwecks Urbarmachung), sondern reißen per Zertrümmerung nieder] des zugewucherten Gartens [das klingt obendrein auch noch nach einfachem Unkraut, auf das man eine Abrißbirne runterknallen läßt: das gäbe aber nur Matsch.].
      Sie holt den Reiter vom Pferd [:eine Statue?] und [hier stimmt’s:] reißt das Gemäuer nieder,
      die Y- fällt zur X-Achse wieder [in der Prosa Reime vermeiden, sofern sie nicht eine definierte Funktion haben].
      Klappe: die Zweite
      Das Pferdegesäß sitzt auf des Reiters Schultern,
      du bist schon recht nah am Apfel, warte nur ab es [Was ist „es“?] muss noch verdauen.
      Bald heißt es -ismus [:Geblödel, von „es muss“ auf „ismus“ zu kommen; eine Erkenntnis und/oder Erfahrung bringt das nicht, ebenso wenig wie von „ism“ auf „is’n“ viertelszuassonieren.]/ – ism, jetzt bist du ganz schön angesch-isn [:wie gesagt, nur blöde. Einfach weg mit sowas.].
      Dr. Schlechter kommt und holt dich bald ab, dann bist du schlichtweg [:Unterstreichungen: analoge Blödel-Assonanz-Struktur, die imgrunde nichts trägt, jedenfalls nicht hier.] weg,
      dein Gedächtnis schweigt leise in des Meeres Grab.
      Ka-BUUH! -ki
      Mach dich bereit für die Verknüpfung des Seins [:Das ist einfach nur Begriffsdröhnen.], der Puppentango dröhnt schon in der Ferne.
      Jetzt stehst du im Garten, abhanden gekommen, dem Gotte zum Abbild als Probe [So etwas h a t was, aber dann h a r t formulieren und nicht durch das Dativ-Ziselier-e („dem Gotte“) verweichlichen.] genommen.
      Elender Fluch, der Exempelversuch [Reim…]!
      Hör nicht auf den verbieterischen Finger [:Stolz… außerdem: wirklich? auf einen Finger „hören“? Genau in den Bildern sein.], nimm ihn als Deutung an,
      lehne dich auf die Erkenntnis kommt dann [langsam bekomme ich den Verdacht, sie begriffen dieses hier als ein G e d i c h t… stimmt das? Dann sind die Probleme noch mal g a n z woanders.].
      Schon fast Ende vom des Sommers, der Baum trägt schwer, sei hochmütig [:auch poetisch: g u t!] und greif nach der süßlich reifesten [:überinstrumentiert.] Frucht mit herbstlicher Welke [:hat aber was Kitschiges…].
      Bedien dich schamlos an ihr [:Die Schamlosigkeit nicht nur behaupten, sondern erzählen. W a s ist gemeint?], sie ist dein Reiseproviant, los geh endlich stiften, zieh aus in dein Land!
      Zwischendrin [Nee, das hat sie längst getan…]reißt die Birne alles hinab, was [Das sagt nichts, ist ein reiner Sprach-Passepartout…] dann kommt ist wiederAufbau, hinterm Berg gehts steil ab.

    2. Der erste Text entstammt dem Gespräch in kleiner Runde beim Griechen, als Sie uns an ihren Eindrücken der japanischen Kultur haben teilnehmen lassen. Darüber musste ich dann noch lange nachdenken. So eine Kultur der Extreme bekommt man als Europäer nur schlecht auf die Reihe. Der Text, in dem was er erzählen will ist daher ersteinmal ein Versuch sich dem Thema allgemein zu nähern. Was ist der Preis des Seins und vor allem welche Bedingungungen sind daran geknüpft (Leben als Choreographie des Begehrens), daher auch die kräftige Bondage Bildsprache “es verpasst dir seine fesselnden Stricke” als Bedingung überhaupt ein sinnendes Wesen zu werden. “Jetzt bist du empfindliches Handeln!” ist der abgeschlossene Prozess von dem was dem Leben vorrangeht. Das weiß ja wohl keiner, die übersteigerte Bildsprache, kam von ganz allein, ich wollte es gar nicht so sehr zwingen, ist mir dann aber doch passiert. Was nicht erklärt werden kann braucht starke Bilder die mitlaufen, wie in jeder Religion. Als Puppe: Mädchen Lucil hätte man auch jeden anderen einsetzen können. Habe mich aber aus mir selbst heraus für die holde Weiblichkeit entschieden, so gesehen bekommt es, da haben sie ganz recht schon gleich zu beginn meine persönliche Note, ganz abgesehen von meinem Bildsprachenversuch: wie begreife ICH das! Lucil als Assoziation zum Licht, das in die Öffnung einfällt und den Regenbogen weitet um sehend zu werden. Das Licht, das als erster Reiz der auf den Menschen einströmt, sicherlich daher auch meine bewußte Verwendung vom “schwarzen Loch als weibliches Genital. Zudem viel mir auch immer wieder “Der letzte Tango in Paris” von Bertolucci dazu ein. Der Tango als zündendes Element, streng in seiner Bewegung, ja schon fast aufgesetzt wirkend aber nicht zu unrecht gilt er als einer der sinnlichsten Tänze. – hörst du den 2/4 Takt … Vielen Dank für die Bewertung und den Eingriff ich nehme mir das gerade bei diesem Text zu Herzen da er viel Preis gibt und sicherlich auch missverstanden werden kann, da der Zugang doch mein persönlicher ist und für jeden anderen Interpretationsabhängig bleibt, wie sie sagen. Daran muss ich wohl noch stark arbeiten. Kurz noch zum Zweiten Text mit kindischen Reimen, die sich bei mir daraus ergeben das mich die lyrische Muse noch nicht wirklich geküsst hat, das wußte ich schon im voraus, mit dem Inhalt war ich schon eher zufrieden.

    3. @read An. Körper beschreiben. “Was nicht erklärt werden kann braucht starke Bilder die mitlaufen, wie in jeder Religion.” Das ist ganz gewiß richtig, nur daß diese Bilder eben auch stimmen müssen. Sie müssen die Bilder haben, nicht dürfen die Bilder Sie haben. Sind sie allerdings so stark, daß sie Sie dennoch haben, dann müssen Sie in jedem Fall fähig sein, den Text dazwischen im Niveau an sie anzupassen; da braucht es Handwerk: wie moduliere ich von f-moll nach S-Dur…
      Übrigens stand der Tango vor allem in seinen Anfängen in 2/4, später wurde und wird das walzernahste 3/4 favorisiert. Das sind Momente, in denen man stutzt, also wenn man schon mal Tango getanzt hat. Sie müssen sowas wissen, um das steuern zu können und Leser da nicht aus dem Text fallen zu lassen.
      “Schwarzes Loch”: Ich finde dieses Bild für das weibliche Genital entweder abgegriffen und dann eben in seiner Ungenauigkeit falsch, oder man muß dem Schwarzen Loch eine ganz gleichlautende Bedeutung beigeben, so daß die Metapher mehr-sinnig wird. Was Sie in Ihrem Text spielen, ließe das übrigens zu, wenn Sie an das Schwarze Loch der Astronomie denken. H i e r aber ist das Bild nicht richtig eingesetzt; ich bekomme sofort die Möse-als-Gemeinte vor die Augen, und wenn ich mir dann, sogar nur in meinem Innenraum, >>>> eine Möse angucke, ist da von schwarzem Loch nicht so arg viel, sondern >>>> Organik wird deutlich, und das sind dann schleimhäutige Rosa- bis Rottöne.

  21. Kobito-Text Hastig kam die Stewardess auf Saria zu. „Setzen Sie sich bitte, wir starten gleich!“, sagte sie freundlich. Saria schüttelte wild mit dem Kopf. „Nein, ich kann nicht mitfliegen. Ich muss hier raus!“ Ihre Fingernägel krallten sich in den vorderen Sitz. „So beruhigen Sie sich doch! Keine Angst!“, sagte die Frau in ihrem blauen Dress. „Ist das normal, dass das Flugzeug so seltsame Geräusche von sich gibt?“ „Ja! Keine Sorge! Nehmen Sie jetzt bitte wieder Platz!“ Saria stand der Schweiß auf der Stirn. Hilflos blickte sie sich im Flugzeug um. Sie erinnerte sich an einen Artikel der gestrigen Tageszeitung. Darin war die Rede eines Flugzeugsabsturzes gewesen. Keiner der Insassen hatte überlebt. Wieder die Stimme der Stewardess. „Beruhigen Sie sich!“
    Dann starrte Kobito das ängstliche Mädchen böse an. Seine schwarzen Augen funkelten. „Setzen, aber sofort!“ Wie ein abgerichteter Hund sank Saria auf den Sitz zurück. Benommen schnallte sie sich an. Es hätte jetzt eigentlich nur noch ein „brav!“ von Kobito gefehlt. Die Stewardess ließ Saria sichtlich erleichtert alleine. Dann starteten auch schon die Motoren. Das Flugzeug rollte zur Startbahn und die wuchtige Maschine schwang sich in die Lüfte. Saria war Mucksmäuschen still, jedoch nicht Kobito zu liebe, sondern weil sie den Motorengeräuschen aufmerksam lauschte. Saria war sehr müde, doch sie konnte jetzt nicht einfach einschlafen. Erstens konnte sie dann nicht mehr die Motorengeräusche mitverfolgen und zweitens hatte sie Angst, dass Kobito sie im Schlaf erwürgen könnte. Sie kannte den kleinen Zwerg schließlich noch nicht lange. Vielleicht war er ja ein Killer und wollte sie aus dem Weg schaffen.
    Die bemüht freundliche Stewardess lief hektisch den Flur auf und ab und bot den Passagieren Getränke an. Saria nahm ein Mineralwasser. Kobito nahm nichts. Der Zwerg saß nur einfach im Flugzeug und starrte auf den vorderen Sitz. Keine Sekunde wandte er seinen Blick ab. Saria bemerkte, dass er kein einziges Mal seine Augen schloss. Wenn das den ganzen Flug über so weiter ginge, würden Kobitos Augen wohl noch austrocknen, dachte Saria bei sich. Was kann es Schlimmeres geben, als mit einem grimmigen Zwerg nach Afrika zu fliegen? Na klar, mit einem blinden, grimmigen Zwerg nach Afrika zu fliegen! Immer wieder linste Saria hinüber. Kein Lidschlag. Wenn Kobito seine Augen nicht innerhalb der nächsten Minuten schließen sollte, dann würde Saria ihm ihre eigene Spucke in die trockenen Augen reiben müssen. Was für eine Vorstellung.
    Saria bestellte sich ein Brötchen, obwohl sie ein flaues Gefühl in der Magengegend verspürte. Doch der aufkommende Hunger war stärker. Kobito bestellte nichts. Behutsam stellte sie ihr Tablett auf den vorderen Klapptisch. Sie schnitt das Brötchen in der Mitte durch und bestrich beide Brötchenteile mit einer dünnen Schicht Butter. Dann öffnete sie die kleine Verpackung mit der Kirschkonfitüre. Ihr Mund produzierte nützlichen Speichel und die Motoren des Flugzeuges liefen weiter.
    Als sich Saria gerade ihr sorgfältig geschaffenes Kunstwerk in den Mund stopfen wollte, da tippte Kobito sie an. Er sah noch grimmiger aus als zuvor. Die Augen natürlich wieder bis zum Anschlag geöffnet. „Was ist das für eine Marmelade?“ „Eine hoffentlich leckere!“, antwortete Saria ihm schnell und öffnete ihren Laderaum bereitwillig zur Nahrungsaufnahme. „Ich will wissen, was das für eine Marmelade ist!“ „Kirschkonfitüre!“ Ihr Magen knurrte.
    „Du willst das jetzt doch nicht etwa essen?!“ Bis jetzt hatte er die ganze Zeit geschwiegen und nun, wo Saria endlich einmal etwas essen wollte, da sprudelte es nur so aus ihm heraus. „Ja, stell dir vor, ich öffne meinen Mund nicht einfach nur so, um frische Luft in diesem stickigen Flugzeug zu schnappen, sondern ich öffne ihn, um jetzt dieses Brötchen essen zu können!“ „Das geht nicht!“, murmelte Kobito mit versteinertem Gesichtausdruck.
    Mund: „Ein wichtige Durchsage! Achtung! Achtung! Die Nahrungsaufnahme wird sich um einige Minuten verschieben. Wir bitten den Magen um Verständnis und bitten ihn eindringlich darum, sein Knurren einzustellen. Das Gehirn hat bereits den Hunger registriert und wird alles Weitere in Kürze einleiten. Ende der Durchsage!“
    „Und warum denn nicht?!“, fauchte sie dem Zwerg entgegen. „Du hast Kirschkonfitüre auf deinem Brötchen. Wir Kirschenzwerge verabscheuen diesen unwürdigen Akt des Essens einer Kirsche. Es ist uns strengstens untersagt eine Kirsche zu verspeisen!“, „Das tut mir leid für euch! Aber ich bin ja schließlich kein Kirschenzwerg, also trifft dies nicht auf mich zu!“, sagte sie und brachte das Brötchen wieder in Mundhöhe. „Aber die Kirsche verehren wir wie ein Heiligtum! Wir Kirschenzwerge essen ja schließlich auch keine Kruzifixe, auch wenn sie nichts Heiliges für uns darstellen!“ Saria starrte den Zwerg ungläubig an und stellte sich bildlich vor, wie der Zwerg ein hölzernes Kruzifix mit Butter bestrich. „Das ist doch etwas ganz Anderes!“ Sie seufzte. „Ich esse jetzt mein Brötchen, egal, ob du es willst oder nicht!“ Saria führte das dick bestrichene Brötchen zu ihrem weit geöffneten Mund. Mit hochrotem Kopf sprang der Zwerg nun von seinem Sitz auf und drückte Sarias Arm nach unten, so dass sie nicht in der Lage war in das Bötchen beißen zu können. „Lass das!“, sagte sie und wollte ihn wegstoßen. „Nein!“ Er war bereit seine uralte Tradition zu verteidigen. Zwar wusste er genau, dass in diesem Augenblick Tausende von Menschen auf dieser Welt in ein mit Kirschkonfitüre bestrichenes Brötchen hinein bissen, aber er konnte diese Unverschämtheit nicht vor seinen Augen dulden. „Leg das Brötchen weg! Sofort!“
    Saria und Kobito hatten nun die Aufmerksam der Passagiere auf sich gezogen. „Gib mir das Brötchen!“ Eine ältere Dame, die schräg hinter Saria saß, beugte sich zu ihrem Ehemann und zischte hinter vorgehaltener Hand: „Schau dir das nur an! Das Mädchen nimmt ihrem kleineren Bruder einfach das Brötchen weg!“
    Sarias Flugangst war wie weggeblasen, dafür hatte sie nun der Zorn auf den Zwerg ergriffen. Endlich kam die freundliche und schlecht gelaunte Stewardess angesprungen. „So benehmen Sie sich doch bitte! Sie stören die anderen Passagiere!“ So sehr Kobito an Saria auch zog und sie anschrie, so gelang es ihr doch das Brötchen zu ihrem Mund zu führen und ein großes Stück davon abzubeißen. Nach dieser Straftat, sank der Zwerg traurig in seinen Sessel zurück. Die Stewardess verschwand und die restlichen Passagiere widmeten sich wieder anderen Dingen.
    Kobito saß einfach nur da. Diesmal hatte er seine Augenlieder geschlossen. Er schwieg. Saria fühlte sich schrecklich. Etwas schuldig, legte sie das angebissene Brötchen auf den Tisch zurück. Sollte sie sich vielleicht bei ihm entschuldigen? Verzweifelt sah Saria ihren kleinen Bruder mit dem langen Bart an. Ganz leise rollte eine große Träne über die Wange des Zwerges. „Tut mir leid Kobito, ich wusste ja nicht wie viel dir diese Kirschkonfitüre wirklich bedeutet!“ Der Zwerg antwortete ihr nicht und ließ seine Augen geschlossen. Sie war doch nur ein einfältiges Menschenkind. Beide schwiegen den Rest des Fluges über. Erst als das Flugzeug auf den Asphalt aufsetzte, öffnete der Zwerg seine Augen wieder.

    1. @gloria_m (zum Kobito-Text).

      Hastig kam die Stewardess auf Saria zu. „Setzen Sie sich bitte, wir starten gleich!“, sagte sie freundlich. Saria schüttelte wild mit dem Kopf. „Nein, ich kann nicht mitfliegen. Ich muss hier raus!“ Ihre Fingernägel krallten sich in den vorderen Sitz. „Sie haben Flugangst? Das müssen Sie nicht. Seien Sie einfach ganz ruhig. Es kann wirklich nichts geschehen So beruhigen Sie sich doch! Keine Angst!“, sagte die Frau in ihrem blauen Dress. „Ist das normal, dass das Flugzeug so seltsame Geräusche von sich gibt? [Das sagt nichts, ist auch nicht recht glaubwürdig.]“ „Ja! Keine Sorge! Nehmen Sie jetzt bitte wieder Platz!“ ABSATZSaria stand der Schweiß auf der Stirn. Hilflos [redundant] blickte sie sich im Flugzeug um. Sie erinnerte sich an einen Artikel der gestrigen Tageszeitung. Darin war die Rede eines Flugzeugsabsturzes gewesen. Keiner der Insassen hatte überlebt. [:Das ist Papier. Werden Sie erzählerischer: „Gestern hatte sie in der Zeitung von einem Flugzeugabsturz gelesen. Niemand war am Leben geblieben. Das helle Grollen der Turbinen war eine Drohung, das merkte Saria genau. Kaum, daß sie noch Wieder die Stimme der Stewardess hörte. „Möchten Sie eine Tablette? Beruhigen Sie sich!
      Dann starrte Kobito das ängstliche Mädchen böse an. Seine schwarzen Augen funkelten. „Setzen, aber sofort!“ Wie ein abgerichteter Hund Schon sank Saria auf den Sitz zurück. Und Benommen schnallte sie sich zitterig an. Es Da hätte jetzt eigentlich nur noch gefehlt, daß ein „brav!“ von Kobito “brav“ gesagt hätte gefehlt. Sie war wie ein kleiner, verängstiger Hund. ABSATZ Die Stewardess schritt die Reihen weiter ab ließ Saria sichtlich erleichtert alleine, nahm schließlich mit dem Rücken zum Cockpit auf ihrem Notsitz platz und schnallte sich ebenfalls an. Dann starteten auch schon die Motoren [Wenn Saria vorher Flugzeuggeräusche gehört an, dann w a r e n die Motoren (Turbinen) schon an. Was ja auch xder Realität entspricht, wenn die Stewardess durch die Reihen schreitet.]. Das Flugzeug rollte zur Startbahn, nahm Anlauf und hub schwer ab und die wuchtige Maschine schwang sich in die Lüfte. ABSATZSaria war Mmucksmäuschen[EIN WORT, DAS IST EIN ADJEKTIV.] still, jedoch nicht Kobito zu[ZUSAMMENSCHREIBEN]liebe, sondern weil sie den Motorengeräuschen aufmerksam [:Das drückt Interesse aus, nicht aber Angst.] lauschte. Saria war sehr müde, doch sie konnte jetzt nicht einfach einschlafen. Erstens konnte sie dann nicht mehr die Motorengeräusche mitverfolgen und zweitens hatte sie Angst, dass Kobito sie im Schlaf erwürgen könnte [Wirklich, und immer noch, zu dicke.]. Sie kannte den kleinen Zwerg schließlich noch nicht lange [:als wäre, von Fremden erwürgt zu werden, normal.]. Vielleicht war er ja ein Killer [:uneingeleiteter Wechsel der Semantik.] und wollte sie aus dem Weg schaffen [:redundante Über-Instrumentierung.].
      Die bemüht freundliche Stewardess lief hektisch bemüht freundlich den Flur [:nennt man die Gänge in einem Flugzeug „Flur“?] auf und ab und bot den Passagieren Getränke an [:Im L a u f e n???]. Saria nahm ein Mineralwasser. Kobito nahm nichts. Der Zwerg saß nur einfach im Flugzeug und starrte unbewegt auf den vorderen Sitz. Keine Sekunde wandte er seinen Blick ab. Saria bemerkte [:zu deskriptiv. Bleiben Sie in der E r z ä h l u n g!], dass er kein einziges Mal seine Augen schloss. Sie würden trocken werden, immer trockener, würden austrocknen Wenn das den ganzen Flug über so weiter ginge, würden Kobitos Augen wohl noch austrocknen, dachte Saria bei sich [:bei wem sonst? Überflüssiges Idiom.] Es war schon schlimm genug, mit einem Zwerg nach Afrika zu fliegen. Aber mit einem blinden? Einem, der mordsüchtig war? Mordsüchtig und grimmig.. Was kann es Schlimmeres geben, als mit einem grimmigen Zwerg nach Afrika zu fliegen? Na klar, mit einem blinden, grimmigen Zwerg nach Afrika zu fliegen! Immer wieder Saria linste und linste Saria hinüber. Kein Lidschlag. Nichts. [UND JETZT EINEN KUNSTGRIFF:] Ich nehme Spucke, ich spucke mir auf die Finger und reib ihm das rein. Wenn Kobito seine Augen nicht innerhalb der nächsten Minuten schließen sollte, dann würde Saria ihm ihre eigene Spucke in die trockenen Augen reiben müssen. Was für eine Vorstellung. Saria kam davon gar nicht mehr los.
      Obwohl ihr so flau war, Saria ließ sie sich bestellte sich ein Brötchen bringen , obwohl sie ein flaues Gefühl in der Magengegend verspürte. “Möchten Sie auch etwas?“ fragte die Stewardess. Doch der aufkommende Hunger war stärker. Kobito bestellte reagierte nichts. Behutsam stellte sie Saria ihr Tablett auf den vorderen Klapptisch . Sie und schnitt das Brötchen in der Mitte durch. Die Hälften und´ bestrich beide Brötchenteile sie mit einer dünnen Schicht Butter. Dann öffnete sie die kleine Verpackung mit der Kirschkonfitüre. Ihr Mund produzierte nützlichen Speichel und die Motoren des Flugzeuges liefen weiter. [:Das ist, unfreiwilligerweise, höchst komisch.]
      Als sich Saria gerade ihr sorgfältig geschaffenes Kunstwerk [:semantischer Wechsel auf eine ungelenk-metaphorische Ebene: gewollte Ironie] in den Mund stopfen wollte, da tippte Kobito sie an. Er sah noch grimmiger aus als zuvor. Die Augen natürlich wieder bis zum Anschlag geöffnet. „Was ist das?“ „Marmelade.“ „Jaja! Aber was für eine Marmelade?“ „Eine hoffentlich leckere!“, antwortete Saria ihm schnell und öffnete ihren Laderaum bereitwillig zur Nahrungsaufnahme. „Ich will wissen, was das für eine Marmelade ist!“ „Kirschkonfitüremarmelade!“ Ihr Magen knurrte. Was wollte der Giftzwerg?
      „Du willst das jetzt doch nicht etwa essen?!“ Bis jetzt hatte er die ganze Zeit geschwiegen und nun, wo Saria endlich einmal etwas essen wollte, da sprudelte es nur so aus ihm heraus.Ich habe Hunger, ja.“ Ja, stell dir vor, ich öffne meinen Mund nicht einfach nur so, um frische Luft in diesem stickigen Flugzeug zu schnappen, sondern ich öffne ihn, um jetzt dieses Brötchen essen zu können!“ „Das geht nicht!“ , murmelte Kobito „Was geht nicht? Daß ich Hunger habe?“ „Daß du das ißt“, sagte Kobito mit versteinertem Gesichtausdruck.
      _____
      Mund [Die ganze folgende Passage ist allzu kindlich. Wollen Sie wirklich, daß man Ihnen als der Autorin über den Kopf streichelt und sagt: „Ach, wie süß“? Nein, das wollen Sie, denk ich mir, n i c h t.]
      Mund: „Ein wichtige Durchsage! Achtung! Achtung! Die Nahrungsaufnahme wird sich um einige Minuten verschieben. Wir bitten den Magen um Verständnis und bitten ihn eindringlich darum, sein Knurren einzustellen. Das Gehirn hat bereits den Hunger registriert und wird alles Weitere in Kürze einleiten. Ende der Durchsage!“
      [Also konsequent im Dialog weitermachen und ihn nicht mit solch einem Zeug durchhängen lassen.]
      ____
      „Und warum denn nicht?!“ “Das ist wie… wie… Menschen zu essen! Ißt du Menschen? In meiner Gegenwart Kirschen zu essen, ist, als äße ich in deiner Gegenwart Menschen. Das ist ekelhaft! Das ist unwürdig! Ich bin ein Kirschenzwerg!“ „Das tut mir wirklich leid für euch [:Wenn Saria jetzt zu kämpfen anfängt, dann soll sie es auch richtig tun.]! Aber ich bin ja schließlich kein Kirschenzwerg, also trifft dies nicht auf mich zu!“, sagte sie uUnd sie hob brachte das Brötchen wieder in zum Mundhöhe. „Aber die Kirschen sind hverehren wir wie ein Hheiligtum! Essen wir etwa Wir Kirschenzwerge essen ja schließlich auch keine Kruzifixe? Tun wir nicht! Obwohl wir keine Christen sind , auch wenn sie nichts Heiliges für uns darstellen!ABSATZSaria starrte den Zwerg ungläubig an. Sie sah ihn das Holz eines und stellte sich bildlich vor, wie der Zwerg ein hölzernes Kruzifixes mit Butter bestreichen. „Das ist doch etwas ganz Anderes!“ Und sSie seufzte. „Mir doch egal. Ich esse dasjetzt mein Brötchen, egal, ob du es willst oder nicht!“ ABSATZSaria führte das dick bestrichene Brötchen zu ihrem weit geöffneten Mund. Mit hHochrotem Kopf sprang der Zwerg nun von seinem Sitz auf und drückte Sarias Arm nach unten, so dass sie nicht in der Lage war [:reines Papier.] in das Bötchen beißen zu können. „Lass das!“, rief sagte sie. Sie versuchte und wollte ihn wegzustoßen. Er sperrte sich erbittert und drohte. „Nein!“ Er war bereit seine uralte Tradition zu verteidigen. Zwar wusste er genau, dass in diesem Augenblick Tausende von Menschen auf dieser Welt in ein mit Kirschkonfitüre bestrichenes Brötchen hinein bissen, aber er konnte diese Unverschämtheit nicht vor seinen Augen dulden. „Leg das Brötchen weg! Sofort!“
      Saria und Kobito hatten nun die Aufmerksam der Passagiere auf sich gezogen [:Das fällt, weil es n u r deskriptiv ist, wieder aus der Aktion.]. „Gib mir das Brötchen!“ Eine ältere Dame, die schräg hinter Saria saß, beugte sich zu ihrem Ehemann und zischte hinter vorgehaltener Hand: „Schau dir das nur an! Das Mädchen nimmt ihrem kleineren Bruder einfach das Brötchen weg!“
      Sarias Flugangst war längst wie weggeblasen, dafür war hatte sie nun der Zorn auf den Zwerg ergriffen. Es war erlösend. Aber Endlich kam die freundliche und schlecht gelaunte Stewardess kam angesprungen. „So benehmen Sie sich doch bitte! Sie stören die anderen Passagiere!“ So sehr Doch Kobito zerrte an Saria und zerrte auch zog und sie anschrie. Saria wiederum riß den Arm los, hob ihn, und trumphierend biß sie ein riesiges Stück aus dem , so gelang es ihr doch das Brötchen zu ihrem Mund zu führen und ein großes Stück davon abzubeißen. Da sank Nach dieser Straftat, sank der Zwerg traurig geschlagen in seinen Sessel Sitz zurück. Er fing zu weinen an. ABSATZ Die Stewardess verschwand und die restlichen Passagiere widmeten sich wieder anderen Dingen.
      Kobito Er saß einfach weinend nur da. Doch hatte er dabei die L iesmal hatte er seine Augenlie[:Augenlider sind nix zum Singen.]der geschlossen. Ein ständiges, erschüttertes Beben ging durch ihn hindurch. Er schwieg. [Das Folgende kommt, um psychologisch glaubhaft zu sein, viel zu plötzlich:] Saria fühlte sich schrecklich. Etwas [:Wieso „etwas“?] schuldig, legte sie das angebissene Brötchen auf den Tisch zurück. Sollte sie sich vielleicht bei ihm entschuldigen? Verzweifelt [:Jetzt wird’s sogar richtig dicke, nachdem sie vorher doch so insistiert hat…] sah Saria ihren kleinen Bruder [:nach wie vor: ????] mit dem langen Bart an. Ganz leise [:ich würd ja gern mal eine l a u t rollende Träne hören; das ist mir mein Leblang noch nicht geglückt. Bitte nicht einfach was hinschreiben, weil es schön k l i n g t.] rollte eine große Träne über die Wange des Zwerges. „Tut mir leid Kobito, ich wusste ja nicht wie viel dir diese Kirschkonfitüre wirklich bedeutet!“ [:Das kriegt jetzt etwas ausgesprochen Albernes.] Der Zwerg antwortete ihr nicht und ließ seine Augen geschlossen. [Wie ist der folgende Perspektivwechsel begründbar?:]Sie war doch nur ein einfältiges Menschenkind. Beide schwiegen den Rest des Fluges über. Erst als das Flugzeug auf den Asphalt aufsetzte, öffnete der Zwerg seine Augen wieder.
      Bitte, auch Märchen folgen einer inneren und vor allem semantischen Logik. Sie müssen in ihrem Bezugssystem psychologisch schlüssig sein. Und noch immer drängen sich indirekte Kommentare der Autorin vor die Erzählung. Machen Sie sich bitte auch klar, aus wessen Perspektive erzählt wird. Insgesamt gibt es keinen schlüssigen Übergang von dem Zwerg-als-Killer zu dem armen Geschöpferl, das um seine Kirschen bangt, ebenso wenig wie von der angstbesetzten Saria zu dem Saria-Biest, das sich wehrt und nun ihrerseits den Zwerg verletzt, und dann dazu, daß sie ein schlechtes Gewissen gegenüber immerhin ihrem vorgestellten Killer bekommt. Auch bei den Nebenpersonen wie der Stewardess sollten Sie sich entscheiden, w a s sie denn sei: ob freundlich, ob bestimmt, ob genervt, ob hektisch. Man braucht ein Characterbild.

  22. mnemopause vergessen, der letzte
    sommer, die lilien
    auf dem felde,
    die vögel in der luft.

    nicht säen, nur ernten
    das seidige jetzt!
    den alten herrn
    ernähren sie doch.

    durch die nacht am quai
    vergessener abschiede
    singt eine soulsängerin
    ihre tunes, wir erinnern

    die houston, die franklin
    und sind die benjamins
    aller zeiten,
    leichtmatrosen des lichts,

    der monde und sonnen
    und ihrer gezeiten,
    der ebbenden fluten,
    der sumpfigen seen,

    in die wir bluten,
    was die herzen her geben
    in diesen sommern,
    den noch vielen.

    keine nacht nirgends,
    kein tag, den wir verschwendeten,
    nur eine einzige lieb’,
    der wir uns enden,

    uns und unser vagantes verlangen.
    über dem wanderer
    spürest du kaum etwas,
    nur diesen singenden hauch.

    1. @oegyr (zu mnemopause). D a s ist aber schön!!! Deshalb, dennoch, gerade darum – Details:

      vergessen, der letzte
      sommer, die lilien
      auf dem felde,
      die vögel in der luft. [Ich spüre, daß es bei dem „die“ hakt; möglicherweise besser umstellen in: „in der luft vögel“ – >>>> Helmut, huhu!:Was meinst D u?]

      nicht säen, nur ernten
      das seidige jetzt!
      den alten herrn [:Nur ein Vorschlag: „Herren“.]
      ernähren sie doch.

      durch die nacht am quai
      vergessener abschiede [Das fällt raus, weil abgegriffen, vor allem in der Genitiv-Konstruktion.]
      singt eine soulsängerin [:und diese Zeile empfinde ich als zu deskriptiv, wobei das an dem Begriff „Soulsängerin“ liegt. Ob es einen englischen Direkt-Begriff gibt? Der darf nicht so lang wie „Soulsängerin“ sein.]
      ihre tunes, wir erinnern

      die houston, die franklin
      und sind die benjamins [grammatisch heißt das: w i r seien die Benjamins. Das meinen Sie aber nicht, oder? Außerdem dreht diese Zeile schon wieder ins Deskriptive, Äußerliche, Beschriebene ab.]
      aller zeiten,
      leichtmatrosen des lichts,

      der monde und sonnen
      und ihrer gezeiten,
      der ebbenden fluten [:das geht faktisch nicht und ist auch partizipial unschön.],
      der sumpfigen seen,

      in die wir bluten,
      was die herzen her geben [hier, bitte!, alte Rechtschreibung: „hergeben“; das „her geben“ macht Ihnen alles kaputt.]
      in diesen sommern,
      den noch vielen.

      keine nacht nirgends,
      kein tag, den wir verschwendeten,
      nur eine einzige lieb’,
      der wir uns enden,

      uns und unser vagantes verlangen.
      über dem wanderer
      spürest du kaum etwas,
      nur diesen singenden hauch.

      Ich bin mir ein wenig unsicher, ob Sie nicht der Dichte des Gedichtes halber hier einmal auf die Zeichensetzung verzichten sollten: Zeilen wie „sommer, die lilien“ werden durch rhythmisches Aneinanderziehen stärker, sie fließen mehr, und das nimmt aus ihnen den bisweilen störenden Prosa-Character, das Deskriptive. Ich wäre auch bei Apostrophierung radikaler und ließe sie einfach weg („lieb“); dadurch werden solche Wörter inniger und verlieren das leicht Antiquarische, das sie haben. Celan ist so mit „Auge“ umgegangen: Aug. – Aber insgesamt: Von solchem bitte mehr.

    2. vergessen, der letzte
      sommer, die lilien
      auf dem felde,
      die vögel in der luft

      so direkt schon im noch-schlaf gerufen: ist der sommer wirklich vergessen, oder nur vorüber? es wird ja doch etwas erinnert. ist also nicht vergessen. das wäre jetzt eine grundsätzliche überlegung. es sei denn, jemand erzählte von einem sommer, von dem ich nichts mehr weiß.
      zum verunsichernden “die” vor den “vögeln”: wenn ich ein mit einbaue, bekommen die vögel eine verankerung im text davor und fliegen nicht mehr so isoliert in der letzten zeile (was, glaube ich, das problem ist), und das komma zwischen sommer und lilien darf wegfallen, und alles fügt sich zu einem gebenden Dativ:

      vergessen, der letzte
      sommer mit den lilien
      auf dem felde,
      den vögeln in der luft

    3. @parallalie. Das ist. Wunderschön.
      Hab Dank.

      Ich fügte, auftaktisch am Ende der Zeile (weil das dann gleich den inneren Blick nach oben, eben in den Himmel, lenkt) ein “und” d a z u ein:

      vergessen, der letzte
      sommer mit den lilien
      auf dem felde und
      den vögeln in der luft

      Ist aber nur eine Idee, die mit dem ebenfalls auftaktischen “letzte” zwei Zeilen drüber korrespondiert. Kann allerdings gut sein, daß ich das später wieder wegstreichen würde. Über sowas muß man mehrmals schlafen.

    4. @oegyr (anh meinte, man könnte oder sollte doch auch untereinander aktiv werden… ich geb auch mal meinen senf dazu.)

      … was aber ist (:-)) mit “felde”? – ich find das dativ-“e” nicht so gut. wenn, dann bräuchte es nach meinem geschmack eine gewisse konsequenz im ganzen gedicht. gerade aber z.b. durch den “franklin…”die “soulsängerin” mit ihren “tunes” geraten die sprachvarietäten ein bisserl durcheinander, und das trägt das gedicht nicht unbedingt. (man kann ja, wegen dem rhythmus ein “und” einfügen. das klingt dann ein bisschen naiv

      und mit den “lilien auf dem felde” komm ich auch nicht zurecht. sowas hab ich noch nicht gesehen, oder es ist wenigstens doch etwas besonderes – eine schöne vorstellung zwar, aber das reicht mir nicht. – was spielt der konkrete ort, an dem lilien auf dem feld wachsen, in diesem gedicht (! ) eine rolle? (würde vielleicht, z.b. ein “damals”, die lilien auf dem feld… einfügen, um das dann als besonderes zu markieren – da kann der ort dann unter umständen ein rein privater link bleiben) oder, wenn es rein imaginativ-symbolisch ist: dann fällt die imagination durch ihre kühnheit wierum aus der sprache des gesamten gedichts.

      und die “vögel in der luft”, die phrase, find ich ein klein wenig abgegriffen.

      komisch find ich auch, dass die erste strophe mit “vergessen” eingeleitet wird und dann aber in den aufzählungen gezeigt wird, dass eigentlich gar nicht vergessen wurde. kommt zwar natürlich oft vor, dass der dichter die worte, die er ausspricht, zugleich auch relativiert und einschränkt – wie bei hölderlin – aber das muss man sehr geschickt machen, sonst bleibts einfach nur unstimmig. – jetzt wirkt es auf mich auch nur wie ein abgegriffener sentimentaler topos.

      ” quai/ vergessener abschiede” – würde ich ohne versumbruch machen, wie als ein eigenname. so wirkt “vergessener abschiede” für sich genommen ironisch, oder doch ziemlich hingesmasht. (was wiederum nicht zu z.b. zum bluten in die sumpfigen seen passt, da nimmt sich der autor ernst) denn die so benannten “abschiede” sind doch eben nicht vergessen. – als quasi eigenname würde es funktionieren, weil der namengeber als auktorialer erzähler gewissermaßen impliziert ist und damit wissen kann, dass abschiede vergessen wurden. – insgesamt auch: der “ton” des sprechens schwankt. – auch “die houston, die franklin und sind die benjamins aller zeiten” wirkt eher cool, hingeworfen – das passt, wie gesagt nicht zu andrem, nicht zuletzt zu “felde”

      “der monde und sonnen/und ihrer gezeiten,/der ebbenden fluten” – das sind für meinen geschmack zu viele widersprüche auf einem haufen, die durch nichts eigentlich immanent motiviert sind. würde wenigstens die “sonnen” herausnehmen. schräg oder unstimmig auch insofern es ja die “leichtmatrosen des lichts” sein sollen, die dann gewissermaßen auf das wasser der “ebbenden fluten” zurückkehren. das ist eine hübsche assoziationsreise über die gleitflächen der metaphorn aber eigentlich nichts als sprachspiel. – dafür aber kommt das gedicht oft mit zuviel aussagewille daher.

      und dann die frage, was hat christa wolf mit goethe zu tun.

      keine nacht nirgends, (wer nicht “kein ort. nirgends.” liest…)
      kein tag, den wir verschwendeten,
      nur eine einzige lieb’,
      der wir uns enden,

      uns und unser vagantes verlangen.
      über dem wanderer
      spürest du kaum etwas,
      nur diesen singenden hauch.

      – man liest also das “kein ort.” in “keiner nacht” mit, das geht nicht anders. die, sagen wir mal, hoffnungslosigkeit dieser zeile läuft dann aber quer zu “kein tag, den wir verschwendeten” – und: die “einzige lieb, der wir uns enden” wäre dann ja doch so etwas wie ein “ort”, nämlich der einer ankunft, und in diesem fall würde doch die nacht, die offensichtlich dem “vaganten verlangen” des tages entgegensteht eine große rolle spielen!!!! sie wäre gerade ein ort. – das läuft mir alles ein wenig aussagelos durcheinander.

      was auch das “kein ort”/”keine nacht” betrifft; das passt meines erachtend auch nicht zum wanderers nachtlied, auf das ja ganz offensichtlich in der letzten srtrophe angespielt wird. natürlich schön: “wandrers nachtlied und vagand, also herumvagbundierender sänger” – aber es gibt einen nicht wenig wichtigen unterschied zwischen einem vaganten und einem wanderer – ein wanderer ist ein reisender, einer, der von einem ort zum nächsten geht, der also gerade immer wieder ankommt (oder er tut es aus sportlichen günden, aber dann kommt er zum schluss auch wieder zuhaus an). anders wäre es z.b. mit der metapher des “nomaden” oder auch des “vaganten”. – und auch hier wieder: in goethes gedicht ist die nacht ein spezifischer ort. keiner des schlafes, sicherlich. aber das hat nach meinem empfinden nichts mit dem “vaganten verlangen” zu tun, das ist unstet.

      – dann sei abschließend gesagt, dass ich das gedicht doch auch gar nicht sooo schlecht fand. meine bedenken, insofern sie verständlich sind, sind produktiv gemeint.

    5. @sirenomele zu oegyr. LILIEN AUF DEM FELDE. Wenn jetzt hier eine Diskussion unter I h n e n beginnt, möchte ich mich erst einmal nicht weiter einmischen; vielleicht später. Eines aber d o c h: Leute!:: BILDUNG – BILDUNG – BILDUNG!!!

      Lilien auf dem Felde ist Lukas 12,27 in der Luther-Übersetzung:

      Nehmet wahr der Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen; sie arbeiten nicht, so spinnen sie nicht. Ich sage euch aber, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht ist bekleidet gewesen als der eine.

      Das, sirenomele, d ü r f e n Sie gar nicht beugen!

    6. luthers dativ oh, my god! glücklicherweise bildet man sich am besten in der auseinandersetzung, da steh ich zu; danke für den hinweis. – das gedicht gewinnt. passt hervorragend.

      (ansonsten bin ich natürlich traurig, dass der rohrstock nicht durch den bildschirm z u s c h l u g)

    7. @sirenomele und alle. Kein Problem. Integriern Sie’s (nicht den Stock, der gehört hier nicht hin und liegt mir eh nicht).

      Also:

      Vorgängig, selbstverständlich, ist >>>> d a s: “Und warum sorget ihr für die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht.”

      Dann, Abmarsch in die nächste g u t e Videothek, dort holen Sie sich >>>> jenes: Lilies of the Fields, mit Sydney Portier. Es gibt darin einen hinreißenden Gospel. Sollte die Videothek den Film nicht haben, saugen Sie ihn sich über >>>> emule; man bekommt ihn da, ich bin mir sicher, bestimmt, zumindest in der englischsprachigen Originalfassung.

      Von diesen beiden Punkten aus gucken Sie weiter. Gehen Sie mit Bildungsinhalten spielerisch um; sowie sie etwas Quälerisches bekommen, wird es kontra-produktiv. G e n i e ß e n Sie, was Sie erfahren; genießen Sie auch, welche Umdeutungen sowohl von Matthäus zu Lukas, als auch von Matthäus zu Ralph Nelson passieren. Mythen, auch religiöse, sind formbares, fugbares Material, es sind wirkliche Handschmeichler. Man muß den “Dingen” nur nah sein, man darf sie nicht wider Willen verbiegen, sondern muß sie verführen, dann geben sie sich einem hin. Und schaffen im selben Moment Erkenntnis. Bildung ist ein Liebesakt.

    8. nochmal Luthers Dativ Vielen Dank für die vielen Hinweise und Änderungsvorschläge. In der ersten Strophe hingegen muss das Zitat aus der Bergpredigt möglichst erhalten bleiben, auch und gerade im altertümlichen Duktus der Luther-Übersetzung. Insofern nicht nur “Lilien auf dem Felde”, sondern auch “die Vögel in der Luft”, denn bei Matthäus 6, 26 heißt es (laut Luther):

      “Sehet die Vögel in der Luft: Sie säen nicht und ernten nicht, noch sammeln sie in Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel besser behütet denn sie? Wer ist aber unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen könnte, wenn er das wollte? Und warum sorget ihr so sehr um eure Kleidung? Sehet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen; sie arbeiten nicht und spinnen auch nicht. Und doch, sage Ich euch, Salomo in all seiner Pracht und Herrlichkeit war nicht so geschmückt wie sie.”

      Etwas ironisch gewendet bezieht sich auch noch die zweite Strophe z.T. wörtlich auf dieses Zitat. Nur so viel zu Überlegungen, ob es holpert oder nicht. Wenn es hier holpert, dann soll es – so wie es bei Luther holpert.

    9. @oegyr: die Vögel. Da haben Sie vollkommen recht. Aber das punktet dann sehr auf meine Idee, keine Satzzeichen zu setzen. Denn das rhythmische Haken sollte aufgehoben werden, einfach, weil es ja um ein Gedicht und nicht um eine Zitatsammlung geht, die für sich ein Gedicht eben noch nicht schafft. – Überlegen Sie mal für die entsprechende Strophe Folgendes:

      vergessen der letzte
      sommer die lilien
      auf dem felde die
      vögel in der luft.
      Wobei, wenn “die lilien auf dem felde” erhalten bleibt, Matth. schon so stark angespielt ist, daß man “die vögel in der luft” sehr wohl grammatisch umformen d a r f: der Bezug ginge dadurch nicht mehr verloren. (Umgekehrt ginge es n i c h t. Denn “die vögel in der luft” ist eine Alltags-Phrase ohne Indikationswert auf ein Zitat).

      [P.S.: Bei Luther holpert es übrigens g a r nicht. Heutige Leser müssen nur den Bezug erkennen; erkennen sie ihn, fällt der Antiquiertheitsvorwurf sofort in sich zusammen.]

    10. antique das stimmt das der antiquiertheitsvorwurf fällt. – das andere ist, ob es nicht ein wenig das gleichgewicht des gedichts stört. das find ich schon, nicht so schlimm, aber doch ein bisschen – wie gesagt, das zitat find ich ja jetzt mittlerweile auch ganz passend… – ich hätte es aber doch eben irgendwie markiert. absetzung oder kursivsetzung passt hier natürlich nicht – so hatt es ja celan z.b. gemacht. nicht, um es dem leser leichter zu machen sondern um gewissermaßen den sprechton zu verändern oder auch manchmal um winzige unstimmigkeiten zu rechtfertigen.

      naja, ich hätte dann vielleicht “lukas’ lilien” oder das “zeugnis (testament gewissermaßen) der lilien” oder so draus gemacht. passt aber auch nicht. man kann aber auch mit kleinen wörtchen arbeiten “vergessen der sommer nur so etwas wie lilien auf dem felde…” nunja. das nimmt das ströphchen ganz auseinander.

    11. anti-que wozu ich nach den vielen wirklich hilfreichen einwendungen und verbesserungsvorschlägen ja inzwischen tendiere: soll man ein gedicht nicht einfach mal so lassen, wie es “sich gesagt hat”. denn das tat es, wie sich aus der diskussion ergibt, ja nicht von ungefähr. und vielleicht ist es manchmal gut, es in diesem “ungefähren” zu belassen. vielleicht denken wir zu viel in perfektionen, zu wenig “asymptotisch”. so jedenfalls empfinde ich gedichte immer wieder: als eine annäherung – die manchmal … meist nicht bis zur berührung reicht. eine art “flirt” mit dem wort(spiel), mit der bedeutung.

      falls es jemanden interessiert, hier noch zwei links:

      – meine lesung des gedichts als mp3: http://oegyr.podspot.de/post/mnemopause/

      – eine verarbeitung des soundfiles in crauss’ (www.crauss.com) “mehr”, welcher mix jüngst bei modul8 erschien: http://www.modul8.de/geschenke/crauss%20mehr%20(meyermix).mp3

    12. @ogyr. Eine wichtige Grundfrage. Die jeder für sich selbst entscheiden muß.

      Meine Haltung ist die, daß ich Inspiration für eine Voraussetzung halte, so, wie es Steine geben muß, damit ein Haus gebaut werden kann; eine nächste ist Technik (Handwerk), die einem Fertigkeiten an die Hand gibt, diese Steine auch so aufeinanderzuschichten und zu vermörteln, daß es ein Haus ergibt, das auch Stand hat. Das heißt aber nun immer noch nicht, es sei ein schönes und/oder über die reine Zweckerfüllung hin, Schutz zu bieten, besonderes Haus. Letztres wird hier diskutiert.
      Ich selber tendiere zur permanenten Weiterarbeit an einem Text, bis er denn de facto (im Druck, nicht etwa hier in Der Dschungel) erschienen ist; oft arbeite ich Texte sogar nachher noch einmal in Fassungen Zweiter und Dritter Hand um, z.B. vor Neuauflagen. Deshalb erfüllen mich – aber das ist eben m e i n e Haltung – Sätze wie der folgende mit Mißtrauen: “vielleicht denken wir zu viel in perfektionen, zu wenig “asymptotisch”. Ich vertrete im Gegenteil die Meinung, wir dächten viel zu w e n i g “in Perfektionen”. Einmal abgesehen davon, daß “nicht oder weniger in Perfektionen zu denken”, keine gute Voraussetzung dafür ist, hier Texte einzustellen und besprechen zu lassen. Es bekommt dann etwas Müßiges, und die teilnehmenden Diskutanten wie ich selbst fragen sich dann zu recht: Wozu haben wir uns damit beschäftigt? Das ist doch dann verlorene Zeit. Und die ist das wichtigste, was wir haben: definitiv begrenzt.

    13. klitzekleine liebeserklärung war das nicht benn, der mal gesagt hat – dass es nur ganz wenige gedichte und nur von ganz wenigen dichtern gibt, die wirklich gut sind – ? ich geh da ganz mit. wenn man gedichte schreibt, wird einem bewusst, in wie vielen parametern sprache spricht. aber deshalb kann die sprache auch anfangen zu tönen, so richtig richtig, jenseits von subjekt und objekt. (so eine intuition des jenseits-von-allem schien mir auch in diese vertonung mit hineinzuspielen – ?) sie wird von sich aus der musik ähnlich, die sprache – und obwohl sie zunächst sperriger ist, schon wegen der syntax, von sich aus mehrwertiger, weil sie klangliche spezifitäten und sinn zugleich hat, assoziationsbehaftet und alltagsverhurt, kann sie prinzipiell, glaub ich, sogar über musik hinausgehen. prinzipiell. und das ist tatsächlich etwas ganz anderes ist als alltagssprache, das erfordert perfektionsgeist.

      das gedicht oben aber existiert ja für sich, in gewisser weise immer klüger als wir und wir aber auch klüger als dies gebilde. erstmal kann es nicht kaputtgehen. als eine fassung.

    14. @anh: Grundsatzfrage Sie haben natürlich Recht. Warum hier was einstellen, wenn man – wie ich – die Vorschläge hinterher per “das Gedicht ist, was es sagt” in den Wind schlägt. Ich schlage nicht, ich winde mich nur. Will sagen: Ihr Prozess zur Perfektion (durch immer wieder letzterer als letzter Hand Bearbeitung) ist genau der “asymptotische Prozess”, den ich reklamierte. Mein einziges Ansinnen war, dass man bei diesem Annäherungsprozess dem Gedicht mehr Raum lässt als seinem Autor. Ich vermute aber, dass wir da d’accord sind. Nochmal in extenso: Meine Absage an Perfektion bedeutete nicht, dass ich Gedichte nicht (zumal nach so hilfreichen Hinweisen) bearbeiten würde, sondern nur, dass ich dabei den Stimmen, die ein Gedicht in erster Fassung anschlug, weiterhin lauschen möchte.

      Insofern nochmal ein Loblied auf diese Werkstatt gesungen: Sie ist hilfreich für alle Schreiber, die sonst nur in ihre Schubladen sprechen. Insofern, lieber anh, ist Ihr Engagement auch für mein Gedicht keine vergebliche Liebesmüh gewesen.

      Dank auch @sironomele für die insofern nicht notwendige Ehrenrettung meiner Harthörigkeiten in Bezug auf Überarbeitungsnotwendigkeit 😉

    15. @oegyr. Ich bin weihnachtshalber. Mit der Werkstatt in Verzug. Deshalb nur eben s o weit: Daß ich Ihr Gedicht von Anfang an schön fand, hab ich ja zum Ausdruck gebracht und auch anderwärts schon mehrfach auf es verlinkt. Ich meine aber, daß ein schön-Finden zwar für “normale” Leser völlig reicht, nicht aber für den Arbeitsprozeß selber. Wiederum bedeutet er aber, daß den zuerst angeschlagenen Stimmen nicht nur weiter gelauscht wird, sondern daß sie sogar erhalten bleiben – aber, sozusagen, konturiert und geklärt, ich neige sogar dazu, von “ästhetisch geläutert” zu schreiben. Meine in den >>>> Heidelberger Vorlesungen herausgearbeitete Kategorie des Ungefähren gilt, glaube ich, bei Lyrik gerade n i c h t, und zwar deswegen, weil sie bereits aus sich heraus zu Stimmungsräumen tendiert, denen Konkretes zugeführt werden muß. In der Prosa ist das, rein ihrer narrativen Struktur halber, oft gerade umgekehrt. Dieses Konkrete meint nun aber besonders die Bilder, also die angeschlagene Metaphorik.

      [Poetik.]
    16. @anh: weihnachtshalber Da bin ich völlig einverstanden – weil ich es hier gelernt habe. Schön allein genügt nicht. Schönheit will entfaltet werden, wie Sie ja – berechtigt und berufen (abzulesen etwa an dem Überarbeitungsprozess der BAMBERGER ELEGIEN, den man in den Dschungeln hautnah verfolgen konnte) – nicht müde werden zu reklamieren. Und wo es da bei mir und anderen noch hapert, muss – logisch – nachgebessert werden. Ich wurde dabei hier, in dieser Werkstatt, nicht enttäuscht, fand vielmehr substanzielleres, hilfreicheres Echo als in Foren wie etwa dem http://www.forum-der-13.de, wo ich das Gedicht ehedem auch schon mal einstellte, aber kein Echo fand.

      Die Kategorie des “Ungefähren”, die Sie in Ihrer Vorlesung entwickeln, empfand ich gleichwohl als das interessanteste “Item”. Es hat mich am meisten “geteaset”, ja hat mich bewogen, meine Wenigkeiten hier einzustellen. Aber das muss ja nichts heißen. Ich würd’ es dennoch interessant finden, wenn man sie auf Lyrik anwendete, nicht bloß auf Prosa. Aber das wäre ein anderer, weiter führender Diskussionspunkt, der vielleicht sich in der Werkstatt noch mal ergibt. Manche der eingestellten Texte scheinen mir damit zu “dealen”.

    17. @oegyr. Das Ungefähre. Ich bin einfach noch zu jung, zu jung in der Lyrik, um mir zuzutrauen, da etwas Generelles zu sagen, etwas, das über meine eigene Arbeit hinausginge und für andere Autoren von genereller Bedeutung sein könnte. Für Lyrik, normativ, spräche ich immer subjektiv, wenn nicht subjektivistisch. Das ist nach dreißig Jahren unentwegter Beschäftigung mit Erzählformen, also für die speziell Roman-Prosa, anders. Insofern hätte ich auch keine Poetik-Dozentur für Lyrik angenommen, weil das sonst auf eine rein persönliche Betrachtungs- und oft auch nur Geschmacksperspektive hinausgelaufen wäre. Ich habe mit einer ernstlichen Beschäftigung mit Lyrik vor knapp zweieinhalb Jahren begonnen, also bin ich da noch wirklich Greenhorn; und zwar, obwohl meine neue Orientierung tatsächlich ein Ergebnis meiner Prosa-Arbeiten ist. Die Höfe sind andere, und ich erfasse, wenn es denn solche gibt: lyrische Gesetze des Ungefähren intuitiv und nicht bewußt-konstruierend. Wobei ich auch die Romane nicht durchweg bewußt konstruiert, aber später die – weil sie sich so oft und auffällig wiederholten – Muster bewußt einer intellektuellen Betrachtung unterzogen habe. Deren Ergebnisse, nicht aber den Prozeß von Inspiration, kann ich lehren. Technik ist lernbar, nicht Einfühlung. Wobei zur Technik eben auch Bildung gehört und daß man sich mit besonderen, herausragenden Arbeiten analysierend beschäftigt hat.
      Das Ergebnis meiner Prosa ist eine spezielle Form des Konservatismus; indem ich es auf Lyrik übertrage – notwendigerweise, da ich ja mit dem Ergebnis der Prosa die ersten Schritt in die Lyrik wage -, steht bei ihr der Konservatismus am Anfang. Das war für meine Prosa-Entwicklung völlig anders. Wahrscheinlich hat das aber auch etwas mit dem Lebensalter zu tun; ich bin zwar als Lyriker jung, als Schriftsteller aber nähere ich mich dem Alter. Darin liegt übrigens, vielleicht, auch eine Chance.

  23. Ohne Bedeutung Schmaler Gang
    Ich bemerke dich
    Zwei Richtungen
    Entgegengesetztes Flüchten

    Deine Augen fixieren den unsichtbaren Pfeil auf dem Boden
    “Du brauchst nur zu fragen!” sagst du boshaft und lächelst
    Du öffnest die nächstbeste Tür zu einem steril gekachelten Raum mit flackerndem Neon
    Vor´m Spiegel schaust du ob dein Gesicht nicht verrutscht ist
    und überlegst dir welches du als nächstes auflegen sollst
    Durch Stacheldraht geschütztes Ego,
    weil du das, was gerade passiert ist nicht absehen konntest
    Intime Flüchtigkeit ist für dich eine Schwäche, der du immun begegnest

    Dein Kopf spielt ein Spiel mit mir
    Ich weiß es heißt Schach
    Ich spiele mit und versuche meinen Kopf über Wasser zu halten,
    dabei leuchtest du ihn mit großen Scheinwerfern aus

    Kopf oder Zahl
    Du überlegst zu lange,
    aus Angst dein geschütztes Königreich könnte stürzen
    durch einen Aufstand deiner inneren Figuren

    Du füllst mein Becken mit eisig klirrendem Wasser,
    mein Körper versteift
    Belustigtes, von dir eingeladenes Publikum zu deinem Vergnügen
    Du beobachtest die Nadel des Druckmessers, sie steht im roten Drehzahlbereich

    Bloßgelegte Blaupause Haut, in die du dich eingeschrieben hast
    bleichgeworden von der umspülenden Kälte deines Meeres
    Müde und abgeschöpft zieht es mich auf seinen Grund
    meine letzte Figur in deinem Spiel fällt zu Boden,
    leise flattert der Rest von mir gegen dein graues Schachmatt.

    1. @read An (zu: Ohne Bedeutung).

      Schmaler Gang
      Ich bemerke dich
      Zwei Richtungen
      Entgegengesetztes Flüchten

      Deine Augen fixieren den unsichtbaren Pfeil auf dem Boden [:Wie, wenn in entgegengesetzte Richtungen geflüchtet wird? Übergang schaffen.]
      “Du brauchst nur zu fragen!.sagst du boshaft und lächelst [Ich hielte das im Geheimnisvollen, weil es die Erwartungen spannt.]
      Du öffnest die nächstbeste eine Tür. Szu einem teril gekacheltenr Raum> mit, flackerndems Neonlicht.
      Vor´m Spiegel schaust du ob dein Gesicht nicht verrutscht ist [:Das sagt eigentlich nichts und kommt hier seltsam aus der Umgangssprache hoch.]
      und überlegst dir welches du als nächstes auflegen sollst [:Das ist sehr weiblich. Man legt Make up auf. Soll das „du“ eine Frau sein? Assoziativ hatte ich den Eindruck erst einmal nicht.]
      Durch Stacheldraht geschütztes [:Na ja….] Ego,
      weil [:die Erzählerin s c h l i e ß t. Das nimmt Kraft aus der Situation: Rationalisierung. Lassen Sie besser die Leser das selbst denken.] du das, was gerade passiert ist nicht absehen konntest
      Intime Flüchtigkeit ist für dich eine Schwäche, der du immun begegnest [:Wieso f o l g t sie dann? Immunität der Emotion bedeutete ein Achselzucken.]

      Dein Kopf spielt ein Spiel mit mir [:Wie, noch einmal, s o l l er, wenn da nur Resonanzlosigkeit ist? Also: Stimmt das mit der Immunität denn?]
      Ich weiß es heißt Schach
      Ich spiele mit und versuche meinen Kopf über Wasser zu halten,
      dabei leuchtest du ihn mit großen Scheinwerfern aus

      Kopf oder Zahl
      Du überlegst zu lange,
      aus Angst dein geschütztes Königreich [:s e h r mädchenhaft.] könnte stürzen
      durch einen Aufstand deiner inneren Figuren [:Was ist gemeint? Sind es innere Instanzen wie in der PsAnalyse? Oder Selbst-Idealisierungen? Hier braucht der Text etwas mehr Fleisch.]

      Du füllst mein Becken mit eisig klirrendem Wasser [:unklar, ob metaphorisch oder konkret, zumal das Klirren bei der Konkretion nicht stimmen würde; nur rein als Metapher ist das aber zu wenig.],
      mein Körper versteift
      Belustigtes, von dir eingeladenes Publikum zu deinem Vergnügen
      Du beobachtest die Nadel des Druckmessers [:Wessen Durchmesser?], sie steht im roten Drehzahlbereich

      Bloßgelegte [D a s wiederum ist g u t!:] Blaupause Haut, in die du dich eingeschrieben hast
      bleichgeworden von der umspülenden [:ungute Formulierung.] Kälte deines Meeres
      Müde und abgeschöpft zieht es mich auf seinen Grund
      meine letzte Figur in deinem Spiel fällt zu Boden,
      leise flattert der Rest von mir gegen dein graues Schachmatt. [:gutes Ende.]

  24. Wieder mal… Der Säugling ruht im Blumentöpfchen,
    weil man ihm einschlug kleines Köpfchen,
    im Kühlschrank lagern der Geschwister,
    dagegen hilft auch kein Minister,
    Im Schlafgemach, da stöhnt es auch,
    da ist die Tochter in Gebrauch,
    darüber sei nicht so perlex,
    sie ist doch immerhin schon 6.
    Wie war das Leben früher fad,
    in diesem Überwachungsstaat.

    1. @Aalfried ( zu: Wieder mal…).

      Der Säugling ruht im Blumentöpfchen,
      weil man ihm einschlug kleines Köpfchen, [:solche Sachen wie die Artikel einzusparen, weil ein Text m i t dem Artikel {„das Köpfchen} rhythmisch holperte, bitte sein lassen. Es wird sonst ein fader oder blödelnder Witz – und schlägt sich bei d i e s e m Thema auf die zynisch witzelnde Seite, was gänzlich unangemessen ist]
      im Kühlschrank lagern der [Sie meinen wohl eher: „die“] Geschwister,
      [und d a s dann ist da restlos blöd:] dagegen hilft auch kein Minister,
      Im Schlafgemach, da stöhnt es auch,
      da ist die Tochter in Gebrauch,
      darüber sei [:wen meinen Sie? Den Leser?] nicht so perlex,
      sie ist doch immerhin schon 6.
      [und das ist nicht mehr nachvollziehbar:] Wie war das Leben früher fad,
      in diesem Überwachungsstaat. [:Hatten wir früher einen Überwachungsstaat? Und wenn, in d e m gab es keinen Kindermißbrauch? Woher nehmen Sie das? Eher ist es doch so, daß Kindermißbrauch heute eher entdeckt wird als früher – ich möchte gar nicht wissen, was in rein-dörflichen Gesellschaften in der Hinsicht gang und gäbe war und nach Machtverteilung vertuscht worden ist…]

      Ich verstehe die emotionale Intention dieser Stanze nicht. Der Text bekommt etwas (wohl ungewollt) Hämisches, da er sich ohnedies an Leute wendet, die derselben Meinung, also gegen den Kindesmißbrauch sind, und dann frage ich mich sofort: Was veranlaßt den Autor, solch einen zynischen Ton anzuschlagen? Der hat ja weder etwas Aufklärerisches, noch trägt er irgend etwas zu wirklicher Trauer bei. Sondern er schlägt in ein gereimtes Blödeln um, das nah am schenkelklatschenden Beifallshumor situiert ist und von schlechtem Geschmack zeugt.
      Selbstverständlich könnten Sie, wie es manche scharfen Witze tun, Trauer lyrisch in Zynismus verschieben, dann muß aber die Form kalt sein; hier ist sie über den hochnaiven Reim viel zu handwarm, um einen zynischen Schmerz zu erzeugen. Dieses Ding hier würde ich deshalb einfach nur – wegwerfen. Und schon die ersten zwei Zeilen stimmen konkret nicht. “Blumenkasten” würde passen, nicht das allein des Reimes wegen gewählte -“töpfchen”.

    2. Zweiter Versuch Im Kinderzimmer wird gehungert,
      weil Mama vor der Glotze lungert.
      Und der Papa ist noch schlimmer:
      Aus dem Kühlschrank dringt Gewimmer.
      Der Säugling sitzt im Blumenkübel
      und jammert leise: “Mir ist übel,
      wer hat mich hier so eingepflanzt?”
      Da kommt der Olaf Scholz und ranzt:
      “Ich schreib’ Dich rein ins Grundgesetz!”
      Da fehlen mir die Reime jetz…

    3. @Aalfried. (Zu Zweiter Versuch). Wirklich, das sind allenfalls Kabarettexte, die, wenn es gutgeht, Karl-Dall-Niveau haben. Kann man machen, aber es gehört sicher nicht in ein poetisches Lektorat. Selbstverständlich haben Sie bei und mit sowas in dem dafür angemessenen Rahmen viele Lacher. Nur: Wozu?

  25. compressed extensions.
    ( sprechgesang mit einem paar bunter linien )

    Der kleine toaster auf dem halbhohen regal in der küche zog ihren blick zwischen den dünnen metallrippen der seitlich aufklappbaren toasteinlegefächer bis zum mittelgrund der kalten heizdrähte ins innere des alten geräts und zeigte ihr dort noch ganz rasch über die finger einer monteurin, vielleicht dann über ein fliessband, vielleicht aber auch über eine dunkle werkplatte einen trostlos getünchten fabrikraum mit schon eingeschalteter, matter beleuchtung.

    Sie holte sanft ihren blick zurück hinüber zum fenster, vor dem gerade schneeflocken
    eine romantische folie vor die graue fassade des gegenüberliegenden seitenflügels
    des mietshauses rieselten, das fensterbrett war noch aus altem festen holz und sie
    fragte sich, wer wohl die rille ganz vorne am abschluss zum zimmer in dieses stück
    haltbare vergangenheit hineingefräst hatte ?

    Die musik, die gerade aus dem lautsprecher des radios kam, nahm sie nicht weiter
    zur kenntnis, nur die tatsache, dass der interpret des stückes ganz in der nähe ihrer
    heimatstadt geboren war und imgrunde nicht viel älter war als sie selbst – sie hätte
    ihn also durchaus haben können, wenn sie ihre gedanken nicht aus dieser gegend
    geworfen hätten, oder vielleicht auch nicht, denn schliesslich war er ja auch irgend –
    wann in dieser stadt gelandet, allerdings ein paar etagen höher in einem eminent gediegeneren
    bezirk, wo einen die leute nicht interessieren, weil man sie selbst auch nicht interessiert
    und man das so stillschweigend akzeptiert wie ein altes paar, das sich nach zig jahren ehe
    und partnerschaft auch nur noch im schweigen so richtig versteht, weil es sich eben
    schon alles gesagt hat bis auf die jeweiligen persönlichen onanistischen geheimnisse.

    L. spielte unterdessen gerade mit dem bildner der teetasse vor seinen augen eine partie
    billard um eine flasche branntwein in einem salon in der wiener altstadt, obwohl er
    wusste, dass die tasse nie und nimmer aus dieser ecke hätte stammen können, – er war
    vorher schon so unentschlossen gewesen, sich zu entscheiden ob er nicht der zusammen-
    setzung der porzellanmischung in der grossen rührmaschine oder aber eher der botanischen
    abstammung der kiefernen tischplatte würde nachträumen wollen, weil er sich so unendlich sicher war, im aufschauen garantiert nicht einen ihrer schönen blicke zu treffen und
    er auch nicht die geringste lust hatte, sich mit irgendeiner bewegung oder vielleicht einer koketten kasperei ihre aufmerksamkeit zu verschaffen; er wollte es so ruhig wie möglich
    angehen lassen, weil er schon einen halbfertigen ständer in der weiten weissen leinenhose
    hatte.

    ( Und so kam es, dass sich die haustüre erst zwei tage später hinter einem der beiden so
    gut wie lautlos schloss. )

    1. habmich grad wiedermal was vertan, sorry.
      eigentlich interessiert mich von m. vorhandenen texten folgender ( ich hoffe das layout kommt rüber – so wie x sehe wahrscheinlich & bedauerlicherweise nicht) mit der speziellen ( absolut seriösen ) frage :
      kann man das folgende gedicht “rassistisch” lesen ?

      RYTHMEN

      echte antriebsverläufe

      sensible fingerzeige

      meditationen

      TANZ

      afrika – flirrendes, flimmerndes …

      schöne lüfte

      über schönen
      schönen landschaften

      STERBEND

      ätherische klänge
      bleierner gemüter …
      depressive stimmungen …

      untätigkeit ?

      die warmen hüllen erlesener umgebungsvariablen :

      OHNE JEDWEDE VERACHTUNG .

    2. @peer dhu (zu: compressed extensions).

      Der kleine toaster auf dem halbhohen regal in der küche zog ihren blick zwischen den dünnen metallrippen der seitlich aufklappbaren toasteinlegefächer bis zum mittelgrund der kalten heizdrähte ins innere des alten geräts und zeigte ihr dort noch ganz rasch über die finger einer monteurin, [Diese Assoziation ist schwierig:] vielleicht dann über ein fliessband, vielleicht aber auch über eine dunkle werkplatte einen trostlos getünchten fabrikraum mit schon eingeschalteter, matter beleuchtung. [Guter Einstieg!]

      Sie holte sanft ihren blick zurück hinüber zum fenster, vor dem gerade schneeflocken
      eine romantische folie [führt mit „sanft“ zu einer Redunanz.] vor die graue fassade des gegenüberliegenden seitenflügels des mietshauses rieselten, das fensterbrett war noch aus altem festen holz, und sie fragte sich, wer wohl die rille ganz vorne am abschluss zum zimmer in dieses stück haltbare vergangenheit hineingefräst hatte ?

      Die musik , die gerade aus dem lautsprecher des radios kam, nahm sie nicht weiter als die Tatsache zur kenntnis, nur die tatsache, dass der interpret des stückes ganz in der nähe ihrer heimatstadt geboren war und imgrunde nicht viel älter war als sie selbst – sie hätte ihn also durchaus haben können [Was meinen Sie damit?], wenn sie ihre gedanken nicht aus dieser gegend geworfen hätten [Gedanken aus einer Gegend werfen? Seltsames Idiom.], [Geplapper:] oder vielleicht auch nicht, denn schliesslich war er ja auch irgendwann in dieser stadt gelandet [:Das ist geschwätzig; erzählen Sie einmal, was Sie tatsächlich erzählen w o l l e n, und nicht immer drumrum.], allerdings ein paar etagen höher in einem eminent gediegeneren [:Na ja…] bezirk, wo einen die leute nicht interessieren, weil man sie selbst auch nicht interessiert
      und man das so stillschweigend akzeptiert wie ein altes paar, das sich nach zig jahren ehe
      und partnerschaft auch nur noch im schweigen so richtig versteht, weil es sich eben
      schon alles gesagt hat
      [:Hier spiegelt sich genau die viel zu laxe Schreibhaltung]. bis auf die jeweiligen persönlichen onanistischen geheimnisse [Was heißt das?: M i t ihnen oder ohne sie?].

      L. spielte unterdessen gerade [:Hier folgt die Redundanz im Ausdruck gleich aufeinander.] mit dem bildner der teetasse vor seinen augen eine partie
      billard um eine flasche branntwein in einem salon in der wiener altstadt, obwohl er
      wusste, dass die tasse nie und nimmer aus dieser ecke [Jargon. Wien ist keine „Ecke“.] hätte stammen können, – er war vorher schon so unentschlossen gewesen, sich zu entscheiden ob er nicht der zusammensetzung der porzellanmischung in der grossen rührmaschine oder aber eher der botanischen abstammung der kiefernen tischplatte würde nachträumen wollen, weil er sich so unendlich sicher war, im aufschauen garantiert nicht einen ihrer schönen blicke zu treffen und er auch nicht die geringste lust hatte, sich mit irgendeiner bewegung oder vielleicht einer koketten kasperei ihre aufmerksamkeit zu verschaffen; er wollte es so ruhig wie möglich
      angehen lassen, weil er schon einen halbfertigen ständer in der weiten weissen leinenhose
      hatte
      [ach je…].

      ( Und so kam es, dass sich die haustüre erst zwei tage später hinter einem der beiden [auch das ist so eine Un-Information, die erzählerisch überhaupt nichts bringt.] so
      gut wie lautlos schloss. )

    3. @peer dhu (zu: Rhythmen). Ob man dieses Gedicht rassistisch lesen kann, weiß ich nicht; es wäre mir auch wurscht, wäre es gut. Vor allem: Wenn man von vorneherein so stark mögliche moralische Implikationen im Kopf hat, dringt man nicht zu den Formen durch, die aus einem Gedicht eines machen.


      echte antriebsverläufe
      sensible fingerzeige
      meditationen
      TANZ
      afrika – flirrendes, flimmerndes …
      schöne lüfte [Hm, was meinen Sie? Das ist nicht konkret und nicht metaphorisch genug, um ein Bild, geschweige ein sinnliches, zu ergeben.]
      über schönen
      schönen landschaften [„schöne schöne Landschaften“, das ist ungangssprachlich geseufzt, ohne daß es mir wirklich etwas vor die Augen bringt. Letztlich ist das eine leere Stanze.]
      STERBEND
      ätherische klänge [:völlig ausgelutscht.]
      bleierner gemüter …
      depressive stimmungen … [„bleiern“ und „depressiv“: Redundanz.]
      untätigkeit ?
      die warmen hüllen erlesener umgebungsvariablen : [ähm… was sind bitte „erlesene Umgebungsvarianten“? Sie w e r f e n hier mit Hülsen!]
      OHNE JEDWEDE VERACHTUNG
      [:und da – hier -, wo man aufmerkt und wo es auf etwas ankäme, bricht das Gedicht weg,] .
      Wobei mir bereits nicht klar ist, was an diesem Text Gedicht s e i n soll.

    4. ja vielen dank zur redigierung
      werde vielleicht nochmal mit einer 2. fassung reagieren.
      wären sie so lieb & würden meine “nur zur unterhaltung” etwas dreist ( in ihrer abspulfülle )
      dazugestellten textfragmente wieder aus der werkstatt entfernen ?
      desweiteren “temporarily lost in sound” – es wäre mir lieb, weil da ein ungewollt
      konterkarierendes moment zur plattform ( quasi-monoblockmässig insgesamt ) gesetzt scheint.
      vielen dank

  26. schick noch 3 kleine piece nur zur unterhaltung – brauchen also keine zeitaufwendige korrektur
    es sind bastelarbeiten.

    FORMER SPRING II

    Die strasse um IHN herum war voller menschen, und er sagte sich : „ Von wegen menschen mit migrationshintergrund, alles was jetzt hier ist, gehört auch DAZU. “
    Die erfüllung, dachte er sich, wäre nur noch ein allgemein freundliches blinzeln,
    gestikulieren, heiteres verabredetsein – moussierend in die vom winter noch so
    deutlich grau und abweisend mitgezeichnete stadtlandschaft – erst allmählich vom grün der wenigstens nicht knappen bäume an den strassenrändern fast therapeutisch entkantet – goldene strahlen von der sonne über dächer auf bedürftige jedweder couleur geworfen.
    Das heitere zucken der welt, das sinusoidale auf & ab im folgen der jahre gegen trostlose fassaden, zyklisch geordnet im spiel der warmen, heiteren wellen, im rufen und tun bald wieder hoffnungsfreudig zu vernehmen, zwischen bunten farben und vielen harmonischen bewegungsschichtungen in unendlichen metren –

    Das konzert einer schönen STADT .

    IN DER TRABANTENSTADT

    ( einige alberne jährchen vorher )

    Eddie :

    „ War für dieses bauen oftmals nicht leider die schwarz-weiss miniaturhafte ästhetik der beipackzettel von TRANQUILIZERN die v o r l a g e, flächendeckend, nach plan, sich in beton zu giessen, – mit ner menge ausgehustetem MUCUS und SPUTUM drauf, als grünlichem simulationszuschuss zu merkwürdig totalitärem ANSPRUCH ?
    Versehen am ende mit riesigen, von glasscheiben-matrizen ein-,zweimal heftig durchstanzten fassaden, fertig, next – ?

    ( “the dust blows forward n the dust blows back”, don van vliet )

    Blass-perlmuttene, ins fahlgelbe manchmal changierende beleuchtung,
    hellgrau-weisslich verwaschen, dem bisschen grün der bepflanztheit
    die leuchtkraft verwehrend, hier und da ein tupfer farblichkeit von
    regenschirmen, bekleidungsteilen, lichtpunkten jedweder quellen, spärlich in
    der hochorganisiert-übersichtlichen geometrie der dann von aussen
    undurchdringlichen wohnmaschinen verstreut, – spärlich – allzu spärlich …
    ( milchglasige, mattcremige, mit reichlich abwasser vermischte, blau-
    bräunlich aquarellierte umgebungsverlappungen )
    Hier und da ein beton-stalagmit in einen unendlich scheinenden
    sauerstofflichen wattebausch ragend, voll plattenbau-wohnraum mit
    winzigen, als menschenkörper sich manifestierenden nadeln unterschiedlixter
    beköpfungen, kaum fitgemacht –
    für echte kreativität ?

    Eddie :

    „ WEGE sind hier halt breitere strassen, SCHNEISEN, die TURBINEN stets
    alles anderer als auffrischender WINDE –
    zusammengepresste luftvermassungen mit streng rauschenden wirbeln.
    Wirklich äusserst schade … “

    Schöne seelen
    Dass diese metaphorischen supernoven gleichermassen
    Einen ausschnitthaften untergang repräsentieren
    Wo sich geburt und tod
    Unter umständen ganz schnell berühren
    Und nicht in monumentaler
    Verweildauer, sondern sich
    Praktischerweise & zielsicher revidierend
    Erscheint genauso plausibel
    Wie ein untergang
    In immer tiefere formen
    Sich molekular einlassen-könnender kontemplation
    — In verschränktheit später auf regionen
    Wo sich astrales ausdehnen
    Im atomistischen
    Und hindurch erkennen könnte
    Womöglich noch als quasi-unendlicher verbund
    Schöner, schöner seelen – ?

    das war’s dann auch erstmal, bevor überforderung einträte.
    danke erstmal für ihre was mich betrifft äusserst korrekten & zutreffenden bemerkungen

    1. schick den auch noch, suche als musiker die affinität der sprache zur musik.
      es lebe das experiment.
      alles ist wahrer als das was jetzt ist.
      das nichts wirkt ?
      & ihr ansatz ist so gut wie unschlagbar ( unter uns ein kompliment )
      mit seminarseriositäten verbringen sich die leute sowohl als auch :
      ver & bringen.
      1,5 pro liter.
      very nice

      temporarily lost in sound –

      – sprechgesang, finalisierend –

      werbe : wett – B.
      wie sich die söhne so reinhängen : + mc luhan / und heidegger auf speed – amphies !
      ( amphetamine )
      Vielleicht auch nur beim lesen schreiben / der überfüllte tisch mit büchern kreuz und quer :
      in wenigen jahren der abklatsch des dr. faustus bis zum sommerschlussverkauf :
      derrida und die automaten, schwachmaten, quermaten, schönmaten, spar- & rentenmaten, matissen, matrix-o-maten, das halbe ohr als matrikel in der vogeltränke versenkt, z.b., usw.
      Diese unglaubliche hast, hier und dort, ha, oder ohne ha, felgaufschwung reck dich streck dich :
      dort das blatt das keinen trägt, wie mehrdeutig mann, wie vieldeutig :
      homophil, heterophil, die astrale distanz, die siderische distanz, das lichtjahr, nein mit hahaha oder ohne R jammerjammerjammer immer mehr immer mehr immer meer :
      der sterne, der kollapsare, der kollaborateure, teuer ? – billich ?
      da aber die speise verabreicht : die der götter, der not, der ung der eise mit ei in spe,
      spezereien, imen, item, – id’s :

      über der notendruckpresse philosophieren –
      – nicht zu vergessen das papier, die beschaffenheit, das material, die wasserzeichen :
      der „wasserzähler“ – der wass ? – ( der ) ERZÄHLER.
      Diese in die depression der mehrdeutigkeiten eingeschriebenheit, die schiffren, das DDR-syndrom :
      sag’s nicht direkt : saxxs :
      die volkswagen vom schrott mit engelsflügeln singen medea in der fussgängerzone –
      zum abklatschen des volkseigentums ?

      – die enteignungsparagraphierung, die 2/3 synopsierung einzelner synapsen aus erythrozyten heraus-gekocht ?
      „K., WAS ?
      Bist du verrückt geworden ?
      Mit denen hast du dich DAHIN gesoffen ?
      Mit den doktoranden ?
      Lass sie ein paar jahre älter werden …
      Mach ihnen die gute alte gebärmaschine an die plastikkarte.
      Nimm ihnen die fingerabdrücke ab
      Adenin, cytosin, guanin, thymin
      Jage sie durch die doppelhelix eines immerwährenden zeitvertreibs bis hinauf zum wetterhahn
      ( an ner kleinen kirche, der kapelle, die keinen foxtrott spielt ) :
      versprich ihnen den schaltknüppel auf lebenszeit und das versenkbare türfenster hinaus zu den grillen der nacht.“
      Usw.

      HEISST DU WIRKLICH MARIA ?

      Und singst du die arie auch weiterhin schön am meer ?
      Die lampions, diese volksweisen der vollmond-schiffer ?
      Warum auch nicht.
      Ach ja chiffren :
      Geheime botschaften aus dem all : die antennen in der fast kreisrunden senke :
      hör auf das wort der sterne, spanne weit deine muscheln deiner ohren,
      vernehme die klänge der bekundungen aus den detektoren :
      sternendurchmusterungen :
      diese verschiebungen, ja wie heissen sie nochmal : nochmal :
      verschiebungen auch im farbspektrum, dopplereffekte –
      schön zu wissen.
      Was aber ist die dehnungsfuge :
      hat die was mit dem schambein zu tun ?
      man schämt sich dafür, ein bein hinterherzuziehen ?
      das bein des ängstlichen, den man braucht ?
      als beschützer ?
      Da kommen wir aber her :
      aus der simulation …

      Imgrunde haben wir es trotzalldem echt drauf :
      wenn man mal den ganzen müll abzieht sind da tatsächlich säulen aus licht und diese
      asche, die ausnahmsweise mal gar nicht dazugehört.
      Es ist schön, für eine kurze zeit diesen blick haben zu dürfen, das ist das wovon beethoven nur schwärmen durfte und wir es vielleicht mal kurz betrachten wie so viele andere in dieser welt auch.
      Besser in entmonotheisierter gnade.

    2. peer dhu, möchten sie vielleicht nicht einmal wirklich an einem text arbeiten? sie reagieren kaum auf irgendetwas hier im forum direkt und tatsächlich. und schon dadurch sagen sie irgendwie nichts oder allerlei, die texte, das turnt ab. ich halte mich zurück. (würde gern herzlichst eine handfeste schreibblockade wünschen, denn etwas zu sagen, heißt ja noch lange nicht, zu sprechen. und das wird an der blockade fühlbar. haben sie denn kein bedürfnis, zu sprechen?)

    3. Si, sirenomele

      Mich interessiert(e) bei textARBEIT – z.b. – ein vielleicht mögliche rythmische koinzidenz von inhalt und form.
      Also langwelliges motiv – langwelliger duktus usw.
      Weiss nicht ob so etwas hier in der werkstatt zur debatte steht.
      Desweiteren die begutachtung eines abgeschlossenen textkörpers aus einem synoptischen blick heraus,
      was allerdings etwas viel verlangt wäre.
      Ich arbeitete in der tat an einem der voranstehenden textpartikel –
      v.a. „in der trabantenstadt“ einen geschlagenen tag, es war der versuch hierin in farben zu schreiben.
      Im nachhinein ist mir das ergebnis persönlich zu unterkühlt.
      Ansonsten hab ich schwierigkeiten, mit der hier aufgelegten germanistikseminarsprache mitzuhalten.
      Als musiker ist mir sowohl die improvistation wie auch strenges arbeiten vertraut,
      es hat jeweils ihre / seine eigene bedeutungsqualität.
      Sie werden aus ihrer musikrezeption die unendlichkeit alleine schon der rythmischen schöpfbarkeit
      Kennen.
      Wir verhandeln über universen.
      Affin zur sprache gibt es soviele anfangssetzungen des ersten wortes wie es wörter gibt.
      Das zweite darauffolgende potenziert die möglichkeiten in universen.
      Natürlich ist ihr persönliches geschmacksurteil interessant, desweiteren ihre vielleicht damit
      Verknüpfte stellungnahme zur zeit & ihrem perspektivischen umgang.
      Die intentionalität des verfassers sollte aber vielleicht vorangestellt sein :
      ( was will man eigentlich wie umgestzt sehen )
      Nietzsche wollte in die höhe schreiben, ich z.b. manchmal in’s licht.
      ( vielleicht bewusstseinshelligkeit )
      alternativ schreibt man in gemütliche höhlen, in schöne sprachmodulationen, in ozeanische gefühlsweitergaben
      usw.
      Mehr fällt mir gerade dazu nicht ein.
      ( vielleicht hab ich da einfach nur was verpeilt )

    4. Und… … welches Stück war jetzt das, das zur Unterhaltung gedacht war?

      Oder glauben Sie, mit solchen Zeilen könnten Sie unterhalten?

      “Diese in die depression der mehrdeutigkeiten eingeschriebenheit, die schiffren, das DDR-syndrom :
      sag’s nicht direkt : saxxs :”

      Ich fürchte, das unterhält nicht einmal in Humor- und Grammatikfragen so anspruchslose Gemüter wie Bastian Sick. Falls Sie Rat wollen: Lesen Sie, allerdings nicht irgendwas, lesen Sie zum Beispiel Wolfgang Hilbig oder Inge Müller oder Grimms Märchen oder Grimms Wörterbuch oder Kleist, ETA Hoffmann, Marieluise Fleißer und Arno Schmidt. Oder, wenn es Unterhaltung sein soll, lesen Sie Krimis von Monika Geier.

      Lupus

    5. temporarily lost in sound war herausgejammt und unüberarbeitet stehengelassen –
      ein versucht, der wie man sieht – nicht auf besonders pos. resonanz stösst.
      ist voll o.k.
      was anderes :
      das problem beim “schön schreiben” kännte allerdings das sein, dass der text
      in seine schönheit versinkt und anderes dabei mitnimmt vs. expressivität ?
      es wäre jeweils echt auszuloten und es gibt halt jede menge rezeptionsdifferenzen.

    6. herausgejammt und unüberarbeitet stehengelassen Genau, das ist der Unterschied zu jedem beliebigen Text der genannten Dichter und Schriftsteller.

      Lupus

  27. Fassung II der lärm klingt ab
    der schmerz fühlt taub
    dem kühlschrank surrt ein blattwerk

    die straßenbahn dumpft HALT
    – sie muss

    vermummt die luft

    der Rede nur

    1. @ Slunitschek (zu: Fassung II). Das wird jetzt zunehmend besser. Dennoch:

      der lärm klingt ab
      der schmerz fühlt taub [Immer noch nicht schön, bzw. immer noch nicht ausdrucksstark; sondern dieses gerade auch in seiner Rhythmisierung hervorgehobene „fühlt taub“ hat etwas von Unsinnsversen… und ich glaube nicht, daß Sie das eigentlich beabsichtigen.]
      dem kühlschrank surrt ein blattwerk [:auch mit diesem Bild läßt sich eigentlich immer noch nicht wirklich etwas verbinden. „Dem Kühlschrschrank surrt ein Blattwerk“ bedeutet ja: Das Blattwerk singt für den Kühlschrank ein Lied. Merken Sie, wie seltsam-ungewollt komisch das dann wird?]

      die straßenbahn dumpft HALT [Bei Straßenbahngeräuschen käme ich nie auf etwas Dumpfes; eher Schrilles, Metallisches, Schleifendes.]
      – sie muss [:automatische Frage in mir: W a s muß sie?]

      vermummt die luft [auch hier ziehen Sie zwei Dinge zusammen, kalte Luft und gegen die Kälte vermummte Leute; das ergibt aber nie und nimmer „vermummte Luft“.]

      der Rede nur [„die Luft der Rede nur ist vermummt“ – was würde man denn erwarten, d a ß es n i c h t nur vermummt sei?]

      Ich weiß momentan auch keine Lösung, auch wenn ich für mich immer wieder instinktiv mit den letzten vier Versen herumbastle:die straßenbahn
      der Halt
      vermummt die Rede

      nässend kalt.


      Vielleicht kommen wir weiter, wenn Sie einmal versuchen, den Inhalt des Gedichtes als eine Prosaskizze anzulegen, die wir dann auf eine lyrische Form komprimieren – einfach um eine konkrete Arbeitsgrundlage zu bekommen.

  28. Widerlegungen des gesunden Menschenverstandes oder
    In der Atemlosigkeit des Denkens

    I
    Das Bewußtsein ist nicht
    was es ist
    und es ist
    was es nicht ist
    kabbalispelt es wesenhaft.

    Aber das Leben ist stärker als Gott.

    Wir dürfen unser Leben
    Nicht beschreiben
    Wie wir es leben,
    sondern müssen es so leben,
    wie wir es erzählen würden.

    II.
    (Gedankenstrich:)…
    Im Anfang war ein Text.
    Er selbst sprach zu mir.
    Nicht Worte. Kein Schweigen.

    Poesie ist das Resultat von Sprachlosigkeit.
    Ein nachtränderisches Echo trächtiger Zungen.

    III.
    Südvogelflugs hastete die Jahreszeit,
    schmetternd in zaudernden Konturen,
    da verlor ich sie:
    meine Zunge.
    Braunlaubverbranntes grüßte herbstfügsam.
    Sie lag nicht auf den Tischen meiner Freunde,
    die auch abgerissen von mir.
    Auf menschisch schreiend.

    IV.
    Kein Kaffe kocht.
    In mir steht keine Scheune herum,
    weißgetüncht.
    Kein Teewasser.
    Nur das traumhürdige Weiß
    mit jenem Vornamen Zeit.
    In der Flucht eingereiht.
    Und ich spüre im Magen , dass ich
    kleiner und kleiner werde,
    bis ich unsichtbar bin.

    Mein Bauch redet geradeaus.
    Mein Herz spricht hebräisch.

    V.
    Luftgesichtige Umrisse von Wörtern.
    Rostiges Unkraut
    nüchtern geschmückt von vergletscherter Kälte;
    und der Wind, niemandsleibisch
    wie meine Zunge, die nicht lag
    im Schoß der Frauen, saumselig
    auf den meuternden Stirnen
    und der dumpfen Rhetorik des duDuDU.

    Seltsam, wie manchmal das Leben überhaupt nichts
    mit sich selbst zu tun haben will.

    VI.
    Keine Scheune.
    Nur Schädel, die sich in mein Zimmer haurucken
    zwischen mir und mir
    und der Benennung von mir.
    Ich
    warte auf mein Verschwinden
    ( nur in der Reduktion ist man ertragbar )
    im Staub der Stimmen,
    im Windschatten der Verben,
    als Leichenwäscher der Literatur.
    Zähle meine Häute
    Wort für Wort
    ohne Zunge, die nicht lag
    im hölzernen Lachen der Bäume,
    in ihrem abgelebten Grün.

    Wir wissen nicht, wie weit wir
    mit unseren Augen nach unten sehen können,
    weil dort immer ein Boden ist.

    VII.
    In einer sandbankigen Mulde
    träume ich makameische Monologe.
    Heiser flieht mein Schweigen in das Gestern
    und das Fleisch der Worte wuchert auf meinen Knochen
    als Block erstorbener Gespräche,
    in Zeit gebaut. Schwerer als eine Scheune,
    weißgetüncht,
    ist das Gewicht des Zweifels
    im denkenden Grün der verschwendeten Wörter.

    In der ewig erneuerbaren Gegenwart: Ist

    VIII.
    Bisse im Nirgends:
    Stumm zwiespracht die Flut
    der aufgebrauchten Stunden
    mit meiner Zunge
    in der Sprache des Vergeblichen, die nicht lag
    in der Leere der Bilder,
    im echomalenden Takt des Lichts.

    IX.
    Neulich habe ich meine Zunge verloren,
    weißgetüncht,
    wie die Farbbänder der Erinnerung an
    keine Scheune und kein Teewasser.
    Manchmal erinnere ich mich an sie,
    die nun pulsierend jede Zelle meines Körpers ausfüllt
    und ihre Worte lippenkettet
    zwischen ich und ich
    zu einer anderen Zeit als Heute,
    wo ich das Jetzt verneine und nur noch
    das Ebengerade erzeuge,
    in den querhetzenden Winden
    und dem verschwendeten Grün
    des “es war”;
    Solange bis meine Erinnerung das Morgen sein wird.
    Im verschluckten Wort.
    An einer seefedernden Stelle.

    Alles ist still.
    Noch…

  29. Unterwegs sein Leise, leise Schattennacht,
    öffnet sich die Pforte
    Mondscheinbangen in der Kammer,
    kalter Schrecken vorstellbar

    Verflucht nochmal
    mir kommt´s
    mir kommt´s
    mir kommt´s nicht raus

    das Wort, der Stoff
    verklumpte Form-, los
    los, mach schon leuchte,
    leuchte heller
    schneller Blitz-
    Denker-Apparat,
    beseelter Traum vom Träumer:

    sich gehen lassen,
    treiben, weiter treiben
    sich reiben, an ein und derselben Stelle
    wundgerieben, zu weit getrieben
    aufgekratzt und ausgelaufen,

    verirrt im dichten Geisterwald.
    Verrückte Irre,
    wirrer Halluzinations-
    Zeiten dichter Schleier,
    dahinter Illusionen.

    Ausgesogen, nackt kauernd in der Ecke.
    Versteck dich du Luder
    das ziemt sich nicht!
    Du geile Idee verrecke!

    Durststrecken gezähmter Katzenjammer,
    samtblaues Pfotenlecken,
    bemüht besonders Toll zu sein.

    Narrengelächter-
    sonderbar!
    Hellwache Klage
    Blickseziertes Schattenhirn,
    sich winden und drehen,
    bestehen wollen,
    im Schreien die Weichen stellen

    Taub geworden taumelt die Welt,
    Höllenbiester auf der Lauer,
    aus sich selbst geboren
    wildes Tier in Ungestalt
    streunt es durch der Häuser-Seelenfleisch

    Verloren gehen in der Nacht,
    nichts schert mich mehr!
    Oh große Mutter der Vernunft
    gib mich frei,
    es ist mein eigen Fleisch in das ich schneide:

    atme,
    atme Luftschlösser

  30. Im Feld Unvermittelt finde ich mich im Technologiepark wieder. Er ist leer. Die meisten sind schon nach Hause, denn es dämmert bereits. Ich stehe auf dem Parkplatz, der normalerweise mit Autos überfüllt ist. Jetzt sehe ich kein einziges. Ich zweifle einen Moment, fühle mich deplaziert, fremd. Doch dann sehe ich über die leere Fläche hinweg den Gebäudekomplex C3 und im nächsten Moment erscheint alles ganz normal. Ich werde, wie so oft, die Abend- und Nachtstunden in meinem Wachraum absitzen. Allerdings bin ich mir nicht mehr sicher, ob es tatsächlich dämmert. Den Stand der Sonne kann man durch die dichte, gleichmäßige Wolkendecke nicht erkennen. Ein diffuses Licht verteilt sich gleichmäßig über den Park.
    Auf dem Weg zwischen den Gebäuden und Anlagen hindurch schaue ich mich genau um, als wäre ich ein Fremder. Doch alles ist an seinem Platz. Die Gebäudekomplexe, teils aus wuchtigem Beton, teils leicht aus eleganten Metallstreben und Glasflächen konstruiert, sind mit gut sichtbaren Nummern versehen, in Quadranten eingeteilt, zur besseren Orientierung. Sogar die Grünflächen entsprechen der Architektur, sie wirken formelhaft in die Zwischenräume eingefügt, konsequent durchdacht. Ich kenne das alles, trotzdem befängt mich eine Unbehaglichkeit, als würde durch all das etwas hindurchschimmern, als läge meine Wahrnehmung nur hauchdünn über dem Tatsächlichen. Der Tag, das Licht, selbst der Wind ist zu ruhig, zu unscheinbar, zu gleichmäßig. Es würde mich beruhigen, jemanden zu treffen und ich sehe vereinzelt auch Gestalten, jedoch immer nur aus der Distanz. Sie verschwinden, bevor ich ihr Gesicht erkennen kann. Auch sie erscheinen nur regelmäßig eingefügt, erinnern an eine Architektursimulation. Ich beeile mich, spüre einen Blick in meinem Rücken, egal in welche Richtung ich mich drehe. Irgendetwas stimmt nicht, irgendetwas ist in Bewegung, was sich meiner direkten Wahrnehmung entzieht, lässt vermuten, wie Schatten auf einer Wasseroberfläche.
    Verwundert stelle ich fest, dass die Schranke an der Einfahrt des Institutsgeländes halb offen steht, genauso die Tür am zugehörigen Wachhaus. Normalerweise sitzt hier immer jemand, muss hier sitzen, ich kenne ihn. Für einen Moment bleibe ich stehen, will mich umdrehen, doch ich kann nicht, mein Rücken ist fest mit dem Hintermir verbunden. Es gibt nur den Weg nach vorne. Ich beschleunige meinen Schritt, fühle mich getrieben.
    Dann erreiche ich das Institut und gelange durch den Hintereingang an den Labors vorbei zu meinem Wachraum. Was mich irritiert: Ich begegne niemandem, aber alle Türen stehen offen. Ich wünschte, sie würden nicht offen stehen, denn ich bin dafür zuständig, dass sie geschlossen sind. Die Laborräume liegen kurz nach dem Verlassen auf der Schwelle zwischen Abwesenheit und Bewegung. Die Worte und Schritte scheinen nachzuhallen, sind noch nicht vollkommen versickert. Ein Stillleben.
    Ich beruhige mich etwas beim Anblick meines Arbeitsplatzes. Ja, mein Wachraum, hier bin ich jeden Tag, hier ist mir alles vertraut, die Bildschirme, mein Schreibtisch, mein Sessel, die von mir aufgehängten Bilder. Ich setze mich und schaue durch die Kameras in die einzelnen Räume. Sie liegen kalt und starr als Schwarzweißbilder auf den Bildschirmen. Niemand ist zu sehen, nur verlassene Gerätschaften. Wieder überkommt mich ein Gefühl des Unbehagens. Ich würde gerne die Tür hinter mir schließen, aber ich muss sie offen lassen. Jeder, der das Gebäude betritt, kommt an meinem Wachraum vorbei. Ich kenne alle Mitarbeiter und muss Unbefugten den Zutritt untersagen. Ich schaue noch einmal über die Bildschirme, plötzlich sehe ich, wie die Tür am Haupteingang geöffnet wird. Endlich jemand. Ich lehne mich zurück, bin etwas beruhigt. Aus der Kameraperspektive sehe ich Gestalten durch die Vorhalle laufen, immer in Paaren. Ich schaue nur flüchtig hin, wie gesagt, sie müssen ohnehin bei mir vorbei. Ich erkenne Männer mit weißen Kitteln, wahrscheinlich Wissenschaftler aus den Labors. Sie scheinen dunkel gekleidete Menschen durch die Vorhalle zu führen. Doch plötzlich fällt mir auf, wie seltsam ungelenk sich diese dunklen Gestalten bewegen, wie die Arme schlaff zu Boden hängen und die Beine sich nur mechanisch Schritt um Schritt fortbewegen. Ich schaue genauer hin und mich durchsticht ein überheller, metallischer Ton, er dringt durch die Wände, durch das ganze Gebäude und lässt mich erstarren. Es ist die Einsicht: Was die weiß gekleideten Männer am Nacken durch die Halle führen sind kopflose Leichen, schwarz verbrannte Leichen. Ich will aufspringen, doch bin gelähmt. Dann spüre ich, wie meine Nackenhaare sich aufstellen, kurz vor der Berührung…

  31. Die Liste im Haus Herr Kleister,
    Die Hausgemeinschaft trauert usf,
    den Angehörigen usf,
    das ewige Licht usf,
    Amen,

    dann vorgedruckte Linien.
    Oben, der Hausmeister. Er hängt die Listen aus.
    Frau Wiesant, Westseite, Blick auf die Hofeinfahrt.
    Dann ihre Freundin aus dem Siebten.
    Mutter, mit den Jahren nachgerückt.
    Im Aufzug dann aus der Erinnerung die neuen Namen mit den alten abgeglichen.

    Mutter am Tisch dann. Kannst du dich noch an Herrn Kleister – unten gelesen.
    Wusstest du, dass er Professor für –
    hat er im Aufzug erzählt. Und dann

    dass er Einer von Drei war, die 44 in Reutlingen Abitur gemacht haben, dass er zum Schwimmen ein Bein aus Plastik hat, dass er gerade 17 war, dass er Einer von Drei war, die 44 in Reutlingen Abitur gemacht haben, dass sein Zeugnis im Stadtarchiv liegt, dass er noch weiter fährt,

    war ich froh im Erdgeschoss zu sein.

    Draußen dann die Blicke von Frau Wiesant gespürt, nicht umgedreht.

  32. Herbstbilder Während des Tagwandels, blieb das Licht unverändert, auf Distanz, hielt sich verborgen hinter Dunststreifen am Horizont; ein kraftloses und doch die Räume gleichmäßig durchwirkendes Scheinen, so daß in der Ferne die Formen übergingen in Blaßblau, Hellgrau, Weiß. (Tags zuvor eine ähnliche Empfindung, als ein steil emporsteigendes Flugzeug plötzlich in den Wolken verschwand.)

    In der Nähe jedoch klarten sich die Bilder auf; ganz deutlich zu sehen waren die Zweige an den entlaubten Bäumen, das orangefarbene Seil, in einer Schlaufe um das steinerne Kreuz der Kirchturmspitze gelegt und dort vergessen: Augenschlinge.

    Und nochmals näher: Einen Augenblick lang tanzte ein Herbstblatt vor dem Balkong eländer, schwebte dort auf der Stelle, wie um Aufmerksamkeit zu erheischen, als Blickfang. Dabei drehte es sich um sich selbst wie toll, kindlich beseelt, bald hierin hüpfend, bald dorthin, und wagte zuletzt einen Sprung entgegen der Schwerkraft, hoch über das Dach. (Es war das Bild einer gelben Spindel, die im Abrollen des Garns hin- und herzuckt und ruckartig am Faden emporgerissen wird von unsichtbarer Hand.)

    Die Fliegen werden nun träge vor Kälte. Eine sitzt, als sammelte sie ihre letzten Kräfte, auf dem Balkongeländer zwischen Wassertropfen, an denen der Wind zurrt. Dann erhebt sie sich von neuem, fliegt auf das Fenster los, Einlaß suchend, doch prallt sie nur dumpf ab von der Glasscheibe. Sie fliegt so langsam, daß es dem Auge keine Mühe macht, der eckigen Flugbahn zu folgen. (In der Erinnerung öffnet der Vater im Frühjahr den Rolladenkasten, dorthin hatten sie sich im vergangenen Herbst vor dem Frost geflüchtet und versammelt für ein gemeinsames Sterben: unzählige Fliegen, dicht an dicht, blauschwarzes Gewölle, das ganz sacht raschelt, wenn man es ausschüttet, und sofort von einer Brise zerstoben wird, in alle Winde.)

    1. WERKSTATT @maudit (zu Herbstbilder). Ein schöner poetischer Text, der aber unbedingt Genauigkeit braucht. Ein paar heikle Stellen habe ich angemerkt. Und vielleicht sind elliptische Rhythmusformen hier zu häufig gebraucht, etwa: „emporgerissen wird von unsichtbarer Hand“.

      Während des Tagwandels, [meinen Sie „während des Tages“?, und steht das Komma mit Absicht da?] blieb das Licht unverändert, [dito?:] auf Distanz, hielt sich verborgen hinter Dunststreifen am Horizont; ein kraftloses und doch, die Räume gleichmäßig durchwirkendes Scheinen, so daß in der Ferne die Formen übergingen in Blaßblau, Hellgrau, Weiß [schöner wäre: „so daß die Formen in Ferne in Blaßblau übergingen, in Hellgrau, Weiß“]. (Tags zuvor eine ähnliche Empfindung [Ist das eine Empfindung oder eine Wahrnehmung? Falls Empfindung, dann ist der Ausdruck ungeschickt; besser: „Tags zuvor eine Empfindung, die dem ähnelte“.], als ein steil emporsteigendes Flugzeug plötzlich in den Wolken verschwand.)

      In der Nähe jedoch klarten sich die Bilder auf; ganz deutlich zu sehen waren die Zweige an den entlaubten Bäumen, das orangefarbene Seil, in einer Schlaufe um das steinerne Kreuz der Kirchturmspitze gelegt und dort vergessen: Augenschlinge. [:Das ist sehr sehr schön.]

      Und nochmals näher: Einen Augenblick lang tanzte ein Herbstblatt vor dem Balkongeländer, schwebte dort auf der Stelle, wie um Aufmerksamkeit zu erheischen, als Blickfang. Dabei drehte es sich um sich selbst wie toll [Das paßt nicht zum „schwebte“], kindlich beseelt, bald hierin hüpfend, bald dorthin, und wagte zuletzt einen Sprung entgegen der Schwerkraft [ungenau, denn „ein Sprung m i t der Schwerkraft“ wäre kein Sprung, sondern ein Fall.], hoch über das Dach. (Es war das Bild einer gelben – eine gelbe Spindel, die im Abrollen des Garns hin- und herzuckt und ruckartig am Faden emporgerissen wird [suchen Sie etwas schöneres, bitte, als dieses angekitschte:] von unsichtbarer Hand.)

      Die Fliegen werden nun träge vor Kälte. Eine sitzt, als sammelte sie ihre letzten Kräfte, [:Komma?] auf dem Balkongeländer zwischen Wassertropfen, an denen der Wind zurrt [„zurrt“ ist für ein Tröpfchen ganz sicher zu stark]. Dann erhebt sie sich von neuem, fliegt auf das Fenster los, Einlaß suchend [:nicht glaubhaft], doch prallt sie nur dumpf ab von der Glasscheibe ab. Sie fliegt so langsam, daß es dem Auge keine Mühe macht, der eckigen Flugbahn [Das geht nicht.] zu folgen. (In der Erinnerung öffnet der Vater im Frühjahr den Rolladenkasten, dorthin hatten sie sich im vergangenen Herbst vor dem Frost geflüchtet und versammelt für ein gemeinsames Sterben: unzählige Fliegen, dicht an dicht, blauschwarzes Gewölle, das ganz sacht raschelt, wenn man es ausschüttet, und sofort von einer Brise zerstoben wird, in alle Winde. [Vorschlag:] in alle Winde zerstiebt.)

  33. noch leiser gelautet sturm, stürmer, gestürmt,
    regen, regnender, erregt.
    was darf ich sagen von „feuchtgebieten“?
    etwas über den nabel aus dem
    sumpf an der straße,
    nah der kenternden kleingärten,
    in denen womöglich lustmorde sich ereigneten,
    oder ein kleiner wichser am waldrand
    auf sein wäschegestärktes taschentuch schreibt?
    sänge ich die lieder lieber
    in das rauschen des windes,
    in das meteorolog aus tiefdruckgebieten
    mit namen von frauen?
    lisa, lolita oder ein anderes dia
    in meinem parasitären projektor?
    unhörbar, was ich rede,
    im stürmischen fall.
    nur leise darf ich mich winden und widmen
    den verstummten wunden.
    kein „ich liebe dich“ mehr, wenn es
    durch gespreizte spalten zwingt.
    „zwing mich“, schriest du, aber
    das war in längst gewaschenen bettwäschen.
    mehrfach die rufe, das flehen
    wie das sich rein-raus waschen
    und wachsen meiner bebenden glieder.
    vom sturm zu künden, scheint
    als die sprache des stürmers,
    des schlagbaumfällers mit sägen im schritt,
    unworte der möglichkeit,
    eben deshalb verwundend.
    was ich nur leise lauten wollte
    durch das stürmen des erstürmten,
    war jenes gewittrige wunder.

    1. über: noch leiser gelautet ögyr, ich erkenne durchaus eine Form; nur brechen die Sinnzusammenhänge nach jeder Alliteration, o.ä. ab. Ihr Gedicht liest sich Wort für Wort, Phrase für Phrase, wird durch einen überakzentuierten Einsatz von stilMitteln so gehemmt, daß es über weite Verse albern wirkt, bis schließlich der Lesefluß ganz versickert. Wollen Sie Ihren durchaus reizvollen Ansatz nicht überdenken?

  34. Die Kunst der Ziege Die Kunst der Ziege

    Im Zirkus ist was los

    Personen: Ziege
    Clown1
    Clown2
    Dompteur (gleichzeitig Chef im Zelt)
    Big Band
    Elefant

    Ort: Zirkuszelt

    Dompteur:
    „Und nun zu einer ganz großen Nummer. Das einzige Tier, das genauso gut riecht wie es schmeckt. Applaus für die Ziege! Applaus!“

    Big Band:
    spielt How high the moon.

    Ziege:
    Kommt herein und stolziert langsam die Manege einmal rundherum. Sie weiß wer sie ist. Schließlich stellt sie sich in die Mitte des Zeltes. Sie weiß wie sie aussieht. Nämlich gut.

    Clown1:
    Schüttelt eine Blechdose mit Kleingeld und stellt sich neben die Ziege. Er reibt sich den Bauch und zeigt auf die Ziege und nickt viel zu auffällig.

    Clown2:
    Schmeißt Kleingeld in die Blechdose und schüttelt auch einmal…

    Dompteur:
    Ruft: „Alla hop! Hop ! Hop !“

    Clown1:
    Schüttelt die Blechdose voll rhythmisch.

    Clown2:
    Legt sich flach auf den Boden und kriecht unter der Ziege durch.

    Ziege:
    Steht da.
    Big Band:
    Spielt Blue Bossa.

    Dompteur:
    Ruft: „Hop! Hop! Hip! Alla Elefant! Hop! Hop!”

    Elefant:
    Marschiert in die Manege ein.

    Dompteur:
    Schreit: „Elefant! Ho-hop!“

    Elefant:
    Läuft sehr eindrucksvoll seitwärts über die Ziege und bleibt genau über ihr stehen.

    Ziege:
    Steht da. Macht nichts.

    1. @Sho-shan-nah: zu Die Kunst der Ziege. Ihre Pointe hinkt leider. Das ist nicht zuendeerzählt. (Daß es sich hier um einen Erzähltext und nicht um ein humoristisches Drama handelt, ist klar; Formulierungen wie “Sie weiß wie sie aussieht. Nämlich gut.” usw funktionierten sonst nicht. – Im übrigen habe ich nur Kleinigkeiten zu monieren:

      Im Zirkus ist was los
      Personen: Ziege
      Clown1
      Clown2
      Dompteur (gleichzeitig Chef im Zelt)
      Big Band
      Elefant

      Ort: Zirkuszelt

      Dompteur:
      „Und nun zu einer ganz großen Nummer. Das einzige Tier, das genauso gut riecht wie es schmeckt. [UNNÖTIGES GEFROTZEL.] Applaus für die Ziege! Applaus!“

      Big Band:
      spielt How high the moon.

      Ziege:
      Kommt herein und stolziert langsam die Manege einmal rundherum.
      [SCHÖN!:] Sie weiß wer sie ist. Schließlich stellt sie sich in die Mitte des Zeltes. Sie weiß wie sie aussieht. Nämlich gut.

      Clown1:
      Schüttelt eine Blechdose mit Kleingeld und stellt sich neben die Ziege. Er reibt sich den Bauch und zeigt auf die Ziege und nickt viel zu auffällig.

      Clown2:
      Schmeißt Kleingeld in die Blechdose und schüttelt auch einmal…

      Dompteur:
      Ruft: „Alla hop! Hop ! Hop !“

      Clown1:
      Schüttelt die Blechdose [LACH:] voll rhythmisch.

      Clown2:
      Legt sich flach auf den Boden und kriecht unter der Ziege durch.

      Ziege:
      Steht da.

      Big Band:
      Spielt Blue Bossa.

      Dompteur:
      Ruft: „Hop! Hop! Hip! Alla Elefant! Hop! Hop!”

      Elefant:
      Marschiert in die Manege ein.

      Dompteur:
      Schreit: „Elefant! Ho-hop!“

      Elefant:
      Läuft [SAGT NICHTS, BEHAUPTET NUR LEER:] sehr eindrucksvoll seitwärts über die Ziege und bleibt genau über ihr stehen.

      Ziege:
      Steht da. Macht nichts.


      Diesen Eindruck des “Macht nichts” sollte der Text nicht hinterlassen.

    2. “Diesen Eindruck des “Macht nichts” sollte der Text nicht hinterlassen.”

      Nun, doch, gerade diesen. Zudem empfinde ich gerade das Hinstoßen auf offensichtlich nicht mehr ganz lustige Begebenheiten (das einzige Tier, das genauso riecht wie es schmeckt zum Beispiel) als essentiell für den Text.

    3. @sho-shan-nah. “Macht nichts.” Wenn es “nichts macht”, wozu soll man einen solchen Text dann lesen? Dafür ist unsere Lebenszeit zu kurz, jedenfalls meine. Ich gehe auch sonst kaum Ablenkungen nach, weshalb sollte ich es dann ausgerechnet in der Literatur tun?
      Und zwar stimmt das mit dem einzigen Tier, das so schmecke, wie es rieche, nicht unbedingt (für Wild gilt das auch und wahrscheinlich für vielerlei Tierarten mehr), aber selbst wenn es so sein sollte, was bringt das? Wozu ist das wichtig (in dem Text)? Was wollen Sie ausdrücken? (Besser wäre es zu fragen: Was will s i c h durch den Text ausdrücken? Davon ist er aber weit weit entfernt.)

  35. Vielen Dank (auch im Namen von mh, Aufgabe 3) fuer Ihre hilfreichen und ermutigenden Kommentare. Ich teile Ihr Unbehagen mit den genannten Stellen und arbeite an einer Verbesserung. Einen schoenen Abend, Ihr maudit

  36. was   ich    will   was   ist  
    will frei sein von den dingen die ich machen muss

    frei sein von klagen über die dinge die ich tun soll

    frei sein von der last die andere auf meine schultern legen

    geschehen lassen mit leidenschaft und geduld

    keinen widerstand bieten sondern aufgreifen

    mit den kräften tanzen

    raum geben

    jetzt

    gesunden mut zur gegenwart

    verbindung zum neuen

    sein

    wiederfinden

    ©

    1. Ich hätte gerne drei Leerstellen zwischen den einzelnen Worten in der Überschrift gesetzt.
      Nach dem Speichern werden die Worte aber wieder zusammengezogen,
      genauso wie der Abstand von der Überschrift zum Text aufgelöst wird.
      Wie muss man denn da vorgehen ?

    2. >>>> hier ist eine übersicht der html entities, nach dem alphabet geordnet. ihr gewünschtes finden sie unter dem buchstaben “n” (leerschritt ohne zeilenumbruch).

      in der unteren reihe sind jeweils zwei sonderzeichen zwischen den worten

      wort  wort  wort  

    3. grad abgekupfert Solange das unter gegenseitigem einverständnis passiert

      Wie lange meint man es gut
      Mit der peitsche
      Die einem ins hirn fährt
      Mit der knute
      Die über die engramme peitscht
      Wie lange meint man es gut
      Ohne mitleid
      Zwischen den lagern
      Zu erregen
      Wie lange
      Mit den feuern
      Und den fahnen
      Der unlogischen eitelkeiten
      Wie lange
      Meint man es
      Auszuhalten
      Ohne selbst zu begehren
      Und peitsche zu werden

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .