Um ein schönes Tagebuch zu schreiben, sollte man nicht den Tag beschreiben, oder das, was einem über die Leber läuft, was meistens auf dasselbe hinaus-läuft (es läuft und läuft und läuft). Meistens ist es aber immer der Ad-hoc-Ärger. Diese späten Anrufe (vor 10 Minuten) von Arbeit in letzter Sekunde, dann auch noch in alter Fax-Manier. Nur, daß dann zwei von drei Seiten weiß herauskommen, also keine Farbe mehr im Fax, und keine Reserve im Haus. Ist das morgen mithin auch noch zu besorgen. Und dann wahrscheinlich Zeit damit verlieren, die Rollen einmal falsch, dann noch mal falsch und dann vielleicht endlich richtig einzulegen. Aber das ist eine alte Geschichte, die Last-Minute-Anrufe vor Ostern, Ende Juli und vor Weihnachten. Reden wir nicht von den Wochenenden. Und das stört mir jetzt diese kurze Idylle, die mir heute ward. Bzw. die Idylle wurde dadurch ja nicht gestört. Schöner Trugschluß. Insofern ließe sich ganz einfach konstatieren – im nachhinein -: ich ging hinauf zum Dom von Amelia, mit einer durch die grad erst dünner gewordene Haarschicht den kühlen Winden etwas mehr ausgesetzten Kopfhaut, Winde, die von den durch den langen Aufstieg intensiver pumpenden Lungen auch noch so kräftig eingesogen wurden, das sie die Brust schwellten. Denn der Dom ist sozusagen der Gipfel des Städtchens. Ein kleiner Platz davor bietet eine Ringsum-Aussicht auf die umliegende Landschaft und die Bergketten, die sich etwas weiter erheben. Schneebedeckt der Terminillo im Südosten, halb im Dunst in der Ebene mit roten Fahnen Abendlicht der Soratte in Richtung Süden. Dazwischen die in die Ebene sich senkenden Anhöhen. Alles in einer überdeutlichen Unschärfe. Von den Ansiedlungen in geringerer Entfernung und von einigen Dächern Amelias fädelte Rauch ein Menschliches in die vergeistigte Abendlandschaft ein. Aus dem Dom im Rücken erklang ein Kinderchor: Weihnachtslieder. Helle Stimmen. Und als ich eintrat, sangen da an die fünfzig – wahrscheinlich – Schulkinder „Jingle Bells“ vor den versammelten Eltern, Onkeln und Tanten. Merkwürdigerweise habe ich mich überhaupt nicht dagegen gewehrt wie sonst gegen alles weihnachtlich Aufgeputzte. Ich stand da und fand’s labend, den Kinderstimmen zuzuhören und dem nie still stehenden Weihnachtsrot ihrer Kleidung zuzuschauen. Als ich wieder aus dem Dom heraustrat, war die Sonne und der ganze Zauber fort, denn auch der Schnee vom Terminillo glänzte nicht mehr rosa, sondern war nur noch ein weißer, opaker Fleck. Und so glaube ich, meine kleine „weihnachtliche“ Epiphanie hat gerade heute stattgefunden.