… die telekom hat zwar den telefonanschluss abgestellt, aber das netz nicht. eben klärte ich diesen umstand noch telefonisch (mit dem handy) ab.

es geht mir nicht wirklich gut. bin zwar da aber nicht hier. immer noch wie paralysiert nehme ich umzugskartons in die hand, falte sie zusammen, greife mir gegenstände, packe sie ein und in den karton. stück für stück. die tränen laufen… das ist wenigstens etwas. gestern saßen alle drei geschwister irgendwann auf dem sofa, hielten sich nur noch. die stunden kosteten immens viel kraft. der kleine bruder, wie immer von seinem haß und seiner wut völlig getragen, knetete seine fäuste: „wenn ich den erwische, hol ich den aus dem auto und poliere ihm die fresse, so lange, bis er nicht mehr aufsteht.“ die schwester zur schwägerin: „hast du bitte mal eine decke, ich fange an zu frieren.“

alle drei – bis eben auf den vierten, den mit den gebrochenen flügeln – sind über jahre hinweg durch eigene prozesse hindurchgegangen, nur deshalb können sie heute so miteinander reden. jahrelang konnten wir nie längere zeit beisammen sein, weil einfach nur durch das ansehen des verhaltens des bruders oder der schwester die ganze scheiße wieder hochkam. wir konnten uns nie lange gegenseitig ertragen. aus irgendeinem grund änderte sich aber genau das in diesen stunden.

„wir machen jetzt unsere eigene familie“ kam der 19jährige neffe um die ecke und stellte ein sixpack auf den tisch, setzte sich und schaute in die runde. die kleine cousine kam mit einer schüssel nudelsalat, baguette, kleinen schnitzelchen, tellern und besteck aus der küche: „ja, genau, und diese familie setzt sich jetzt an einen tisch und ißt gemeinsam“… ein sehr eigener moment, so lange vermisst, für alle fühlbar, aber kaum zu ertragen. die geschwister schauten sich an, sie hatten stundenlang miteinander geredet und ihre gemeinsamen kinder hatten derweil hinter der verschlossenen küchentür gehandelt.

nachtrag:
mein jüngerer bruder sagte gestern sehr deutlich, dass ich in den ersten jahren seines lebens einfach nicht existiere, was meine jüngere schwester ebenfalls bestätigte. und ich saß da und fragte mich, wie lange wir zwillinge wohl wirklich in diesem kinderheim waren, in das uns die eltern gleich nach der geburt gesteckt hatten. „euer vater wollte euch nicht zuhause haben“. „aber ihr seid ja auch noch bei pflegeeltern gewesen.“ „ja, ich weiß, da müssen wir aber schon 4 jahre alt gewesen sein, ich kann das haus und die straße erinnern, aber die pflegeeltern nicht.“

in diesen stunden gestern stellten wir fest, dass, obwohl wir zusammen aufwuchsen, jedes kind seine eigene kindheit erlebte. es gibt dinge in meinem leben, die die geschwister nicht wissen und umgekehrt. ich wusste zum beispiel nicht, dass die mutter meine kleine schwester stundenlang täglich in der dunklen besenkammer (morgens, wenn ich zur schule war) einsperrte, und von meinem bruder wusste ich nicht, dass die mutter ihm die kleinen fingernägel immer wieder so kurz schnitt, dass er tagelang die finger nicht richtig gebrauchen konnte, weil es ständig blutete und weh tat. aber eines wusste ich, dass die mutter später vor ihm angst hatte. er war der einzige, der ihr die stirn bieten konnte… für uns alle bot er ihr seine stirn, dass tut er schon sein ganzes leben.

alle vier kinder haben den kontakt zur mutter abgebrochen, und zu ihren vätern auch.

„wie haben wir es bloß geschafft, dass menschen aus uns geworden sind“

ich glaub‘, ich bin ziemlich durch den wind, passend zum sturm da draußen.