Paul Reichenbachs Montag, der 7. April 2008. Den Grund verloren.

Hoffen ohne zu hoffen…

>>>Nein, cellini, nein. Ich bin nicht böse, eher positiv erstaunt, dass ein kleiner Ausschnitt meines Briefes, Wirkung zeigt und Erinnerungen wachruft, die das Ich gern verdrängt. Am Samstag des vergangenen Wochenendes erlebte ich Ähnliches, wenn auch auf andere Weise. Wir , sie und ich, waren bei Freunden zu Gast, die wir über 25 Jahre nicht gesehen haben und zu denen es, in dieser langen Zeit, weder Telefon- Brief- noch Mailkontakt gegeben hatte. Im Verlauf des Abends, ich trank viel zu viel Wein, geraucht wurde leider auch, schilderte jeder von uns, was ihm in den vergangenen Jahren so geschehen ist. Berufliche und private Entwicklungen, erlebtes Leid und erfahrene Freuden wurden über die Tischkanten hin und her geschoben, ging es doch dem Quartett darum ein Informationsdefizit, um unsrer Annäherung willen, auszugleichen. Auf die Frage an mich, was ich denn, wo und wann ich denn in dieser langen Zeit am Glücklichsten war, antwortete ich leider spontan und aufrichtig, ein Liter Wein zirkulierte schon durch meine Adern, dass es die 4 Jahr in O. als ich von ihr getrennt lebte, waren, was an sich eine grobe und undifferenzierte Darstellung meinerseits gewesen ist. Und als ich dann, der Alkoholspiegel war bei mir an diesem Samstagabend nicht niedrig, ich erwähnte es schon, die letzten 2O Jahre mit dem Satz umschrieb, das ich keinen Grund gefunden habe und eigentlich als gescheiterte Existenz, nur von mir sprach ich in diesem Zusammenhang, vor ihnen säße; kam es vor fremden Augen zwischen ihr und mir zum offenen Streit. Hatte sie doch wieder einmal nicht begriffen, dass jeder Aussage eine Metaebene zugrunde liegt. Auch der darauf folgende Bericht unsrer Bekannten – nach minutenlangem Schweigen – über den Tod eines türkischen Freundes von uns, dessen Todesursachen eher Heimat- und Krankheitsverlust, als Krebs waren, besänftigte sie nicht. Die Tatsachen, dass sich auch in ihrer schlimmen Krankheit und meiner nervösen Unrast Heimat- und damit Bindungsverluste spiegeln, führte ich dann gar nicht mehr an. Und so verlor ich, an diesem Abend zum zweiten Mal im Abgrund am Grund, den “Grund”. Denn Heimat, Kindheit, ein Land das ferne leuchtet, so dachte ich immer, ist ein Mensch. Bis Samstag war sie für mich dieser Mensch, gleich welche Konflikte es in unserem Leben auch immer gab. Am Sonntag, so absurd es klingt, meldete sich das Hoffen ohne zu hoffen zurück.

Gesang Weyla’s

Du bist Orplid, mein Land!1
Das ferne leuchtet;
Vom Meere dampfet dein besonnter Strand
Den Nebel, so der Götter Wange feuchtet.

Uralte Wasser steigen
Verjüngt um deine Hüften, Kind!
Vor deiner Gottheit beugen
Sich Könige, die deine Wärter sind.
(Edurad Mörike)

Bildquelle: >>>>>Frida Kahlo

2 thoughts on “Paul Reichenbachs Montag, der 7. April 2008. Den Grund verloren.

  1. Oh . Wie schön. Ich l i e b e ihre Bilder. Und ganz besonders: Das Bildnis der Alicia Galant.
    Je länger man betrachtend davor sitzt, um so klarer werden die Sterne im Hintergrund.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .