Kunst, Staat und Gottfried Benn. 30.04.2008. Paul Reichenbach ekelt sich.

Die wenigen Stunden, die mir gestern noch blieben, der Tag im Büro war länger als sonst, verbrachte ich mit Recherchen zum Begriff Kunst. Benn fiel mir dabei in die Hände. Beim Durchblättern seines Essays „Dorische Welt“, veröffentlicht 1934, stieß ich auf folgende Äußerung: „…der Staat, die Macht reinigt das Individuum, filtert seine Reizbarkeit, macht es kubisch, schafft ihm Fläche, macht es kunstfähig. Ja das ist vielleicht der Ausdruck: Der Staat macht das Individuum kunstfähig.“ Benns opportunistische Überschätzung der Ordnungsmacht ließ mich in meinem kleinen Arbeitszimmer vor Wut im Dreieck springen. Natürlich weiß ich, das Gottfried weder Gott und noch „Fried“ zu Beginn der Naziherrschaft war, dass er sich ihr andiente, und was Klaus Mann davon hielt, ist ja bekannt. Aber dass Benn sich so versteigen konnte, hat mich nun doch überrascht. Nun gut, man kann einwenden, wer Peter Hacks den Stalinkult und Ezra Pound die Mussoliniverehrung nachsieht, der wird wohl auch Gottfried Benn seinen Staatswahn vergeben können. Dieser Einwand meines Alter Ego stimmt mich skeptisch. Ich kann zwar Pound und Hacks zusammen denken, ohne dabei unangenehm berührt zu sein. Ganz anders dagegen erging es mir gestern mit Benn: Vor ihm ekelte es mich.

>>>Bild: Benn und Tilly Wedekind

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