was tut eine mutter an muttertag?… an ihr kind denken. und in dem moment, in dem sie an ihr kind denkt, weiß, dass alles gut ist, wie es ist, klingelt das telefon: „mama ich hab dich lieb.“ „ich mich auch, äh’ ich meine natürlich ich dich auch.“ „kannst du mir mal sagen, wieso ich vier stunden brauche, bis ich finger- und fußnägel fertig lackiert habe?“ „ja… das ansinnen des perfektionistischen hast du wohl in den genen.“ „du willst mir jetzt sagen, dass du auch immer so lange brauchst?“ „ja, wenn man davon ausgeht, dass zuerst ablackiert, die nagelhaut nach hinten geschoben, und dann erst mal gefeilt wird. evtl. muss ich noch polieren, oder unebenheiten ausgleichen, den unterlack auftragen, aushärten lassen, dann den lack in zwei schichten und danach den oberlack zum versiegeln. plötzlich stört hier ein fitzelchen, da ist der lack ins nagelbett gelaufen, hier nicht richtig gefeilt, dann taucht ein fussel in der sich gerade schließenden lackoberfläche auf, der natürlich vorher nicht da war, oft passiert es mir, dass ich mit einem gerade frisch lackierten nagel irgendwo gegen knalle, weil trocken ja noch lange nicht stoßfest bedeutet, ergo mit den anderen frisch lackierten nägeln diesen einen hypervorsichtig mit nagellackentferner wieder ablackieren muss, wobei ich mir den einen oder anderen frischgelackten nagel auch wieder versaue, dann lackiere ich häufig vor wut den ganzen sch(w)eiß wieder ab und komplett neu. am sichersten ist, ich bewege mich danach drei stunden nicht mehr. das drei- bis vierstündige ritual für finger- und fußnägel braucht mindestens einen liter kaffee und die zigaretten obendrauf.“ „bist du dann auch immer so sauer?“ „ja, es ärgert mich, weil ich es ja durch aufpassen eben verhindern könnte, irgendwo gegen zu knallen. als ich vorhin meine fußnägel fertig hatte, stand ich auf und trat voll an das unter dem tisch liegende kissen, vor wut habe ich gleich nochmal nachgetreten.“ „wieso liegt unter deinem tisch ein kissen?“ „na… du weißt doch, dass hier immer irgendwo bodenkissen in der gegend rumliegen, aber ich denk nicht immer dran.“ „ich glaub’ ich hab mich verliebt“ „ups… und?“ „ja ich weiß auch nicht“ „dann bist du nicht verliebt“ „doch irgendwie schon.“ „irgendwie geht nicht, entweder oder…“ „ich will erst mal abwarten, morgen abend kommt er zu mir.“ „du hast ihn eingeladen?“ „ja… da ist doch nichts dabei.“ „hmm… vielleicht bin ich zu altmodisch, lass ihm doch erst einmal zeit, um dich zu werben.“ „ohhhh mama, du weißt, dass ich mit diesem altmodischen scheiß nichts am hut habe, du kennst mich doch, entweder oder…“ „ahja, womit dein ich weiß auch nicht entweder beantwortet wäre, oder willst du einfach nur mit ihm ins bett.“ „könnte auch sein, er hat’nen geilen arsch einen noch geileren blick, und vor allen dingen, hirn.“ „find einfach heraus, was in dir reagiert, wenn du an ihn denkst.“ „mein ganzer körper reagiert, ich reagiere, ich krieg mich kaum in den griff, wenn ich ihm gegenüber stehe“ „ok, dann greif doch einfach erst in seine hose und dann nach seinem hirn. mit geist findet das spiel im kopf statt, diese erotik ist durch nichts zu überbieten, wenn nicht, will er einfach nur seinen schwanz reinstecken.“ „aber du weißt, dass ich so oder so nicht wollen werde, dass er neben mir einschläft.“ „vielleicht stellt sich ja die frage nachher für dich garnicht mehr, weil er einfach liegen bleibt.“ „nein, dass will ich nicht. ich will die ganze nacht vögeln… aber ich will nicht, dass er bleibt.“ „wenn es irgendwann d e r mann sein sollte, wird er es einfach tun, und du wirst nicht darüber nachdenken.“ „das glaub ich nicht, ich kann, wenn nötig, meine kalten füße selber wärmen, überhaupt hab’ ich nie kalte füße, ich erschlag auch meine mücken selbst, und nur ich darf mich morgens so sehen, wie ich morgens aufstehe, da fliegt doch der eros wieder, und die erotik flötet so lange, bis die schlange überhaupt nicht mehr gewillt ist, ihren kopf zu heben, geschweige denn, nach der musik zu tanzen. ein guter schlangenbeschwörer zwingt die schlange in ihren tanz, das funktioniert nicht, wenn er vor sich hinschnarcht, und ich will nachts im bett eine rauchen, wenn ich das will.“ „jetzt versteh ich erst, worum es dir geht.“ „ja und?“ „dann sag ihm einfach hinterher, dass er gehen soll, basta.“ „natürlich tu ich das, aber er wird es nicht geregelt kriegen.“ „du sagst es, und genau deswegen wird er wiederkommen wollen.“ „fehlt bloß noch, dass er fragt, wann wir uns wiedersehen, dann hat er gleich verloren.“ „oh kind, manchmal wünschte ich, du hättest nicht so viel von mir.“ „warum?.“ „weil ich ab und an das gefühl habe, mir selbst das leben schwer zu machen.“ „du machst dir dein leben nicht schwerer, du l e b s t nur intensiver als manch anderer mensch mama, und das ist auch das, was ich will. kollekivgängiges massentum geht mir am arsch vorbei, ich lebe zwar in dieser gemeinschaft, bin aber, weil ich zwischen vor- und nachteilen abwog, aus diesem zug ausgestiegen“ „das hast du tatsächlich getan, ich weiß. wie weit bist du mit dem buch?” “ich hab’s durch” „und?“ „das ist genau das, was ich will mama, l e b e n und nicht funktionieren. der mensch lebt, technik funktioniert… und du hast es mich gelehrt, dafür danke ich dir. was ich will, hat übrigens spengler mal das pathos der dritten dimension genannt.

„Es sind noch einmal echte Raubtiere, deren Seelenkraft nach der Unmöglichkeit ringt, die Übermacht des Denkens, des organisierten künstlichen Lebens über das Blut zu brechen und in ein Dienen zu verwandeln, das Schicksal der freien Persönlichkeit zum Sinn der Welt zu erheben.“

… zitierte sie und ich war wieder sprachlos. „mama?“ „ja?“ „du sagst ja gar nichts mehr“ „ja“ „heut ist muttertag“ „so?“ „ich hätte dir so gern etwas geschenkt.“ „du hast mir gerade etwas geschenkt, nämlich ein gefühl“ „ein gefühl?“ „ja, dass ich in dem leben meiner tochter als mutter einiges richtig gemacht habe.“ „du hast nichts aber auch gar nichts falsch gemacht, mama. ich kann heute so leben, weil du mich diese qualität des eigenen an sich selbst stellbaren anspruches in bezug auf die dinge, die man tut, gelehrt hast. du hast mich das leben gelehrt, mama.“

mein kind geht jetzt zum spargelessen und ich sitze hier und heule. aber es ist ein schöner schmerz… das kind löst sich aus der mutterbindung, und ich bin glücklich über die art und weise, wie sie’s tut.