9.12./10.12.2008.

Trennung und Trauer. Mit Händel geradelt, Händel, Rinaldo, auch jetzt. Und wie der Schmerz gestern abend in mein Cello floß; Literatur hat d a s für mich nie vermocht.

[In anderthalb Stunden werde ich in der S-Bahn sitzen, die mich zum ICE nach Heidelberg bringen soll.]

9.46 Uhr.
Berlin, Arbeitswohnung.

Weißt Du, mein Junge,

die Kinder tragen es immer aus, wenn ihre Eltern versagen. Mein erster und wichtigster Gedanke, der auch Gefühl ist, hat deshalb Dir zu gelten. Ich denke und denke, was werden soll und was für Dich das am wenigsten Schmerzhafte ist; noch weiß ich es nicht. Seit gestern abend, seit ich zur Celloprobe fortfuhr, denke ich imgrunde fast nur immer daran. Noch, als ich, sehr betrunken, einschlief. Wir geben an Euch unsere Familienmuster weiter; es scheint kein Weg aus dem Verhängnis herauszugeben, man kann das Muster, wenn man gerne lebt, nur akzeptieren. Wozu wir es erst einmal zu sehen lernen müssen: daß e s uns bestimmt, nicht umgekehrt. Das ist keine Entschuldigung; es geht nicht um Schuld, obwohl wir Eltern uns an Euch Kindern schuldig machen. Als ich meine Psychoanalyse machte, haben mein Therapeut und ich den Begriff der schuldlosen Schuld geprägt; w i e genau er ist, weiß ich aber erst n u n wieder.