.
Ach, ich habe sie verloren,
all mein Glück ist nun dahin!
Wär, o wär ich nie geboren,
weh, dass ich auf Erden bin!
Ich darf keine schlafenden Hunde wecken, denkt Orfeus. als er den Gullydeckel anhebt, um in den tiefen Schacht, die Gitarre auf dem Rücken, die lange Leiter hinab zu steigen. Seine Gitarre keine „Gibson Sunburst“, mehr eine Klampfe, hatte er zur Sicherheit, damit sie im Dunkel nicht irgendwo anschlägt extra mit einem Lederriemen fest umschnallt. Die siebente Sprosse fehlt, das darf ich beim Ausstieg nicht vergessen, sagt er sich leise, als er an Pluto, dem Wachhund vorbei schleicht, der mit offenen Augen, die Ohren hängen, wieder einmal den Schlaf des Gerechten schläft. Der Hund hatte sich am Abend zuvor aus der höllischen Nachtapotheke eine „Planum“ kommen lassen und danach auch gleich eingeworfen. Das macht er manchmal, immer dann, wenn ihm das Geächze und Gestöhne, der in seinem Revier Versammelten auf die Nerven geht. Und oft entbrennt in ihm dabei der Neid auf seinen Bruder Sirius, dem hoch droben wählige Hündinnen mit schaukelnden Brüsten und runden Ärschen umtanzen. Wir wissen nicht, was Pluto träumt als Orfeus sich an ihm vorbeischummelt. Vermutlich träumt er gar nix. Medikamentenschlaf ist meist traumlos, das hat sogar mich die Erfahrung gelehrt. Ab und an, sie wissen schon, wenn die Hormonstürme heranziehen (herabziehen) mach ich’s wie Pluto. Bitte verschonen sie mich mit dem Vorwurf Medikamentenmissbrauch, wo’s wallt, ist jede Pädagogik für die Katz. Kurz und gut. An einer Ecke leuchtet im graudunklen Stollen das weiße linnene Kleid, Marke Steilmann, Euridices, die eigentlich Berenice heißen muss, ist doch ihr Gang einzigartig. Titus fiel ihm zum Opfer und wer sie jemals hat tanzen sehen, kommt auch leicht auf einen anderen Namen. Mit sieben Schleiern behangen, des Täufers Kopf auf dem Tablett, macht er noch heut jeden Herodes verrückt. Allerdings, um der Wahrheit die Ehre zu geben, heutzutage ohne Jochaanans blutiges Haupt. Stattdessen, die jetzigen Zeiten sind animalischer denn je, ziert Salomes silbernes Tablett ein echter Stör aus dem Kaspisee, der eigentlich schon gar nicht mehr gefischt werden darf. Arterhaltung, sie wissen schon, hat Priorität. Das gilt, damit Sie sich, liebe Leser, (Sie sind ja ausgenommen, Sie gibt es schon zuviel !) keine unnötigen Hoffnungen machen, nur für Tiere und Pflanzen. Die Devise Dantes, lasst alle Hoffnung fahren scheint ja als Menetekel von allen Wänden. Schauen Sie mal nach Bankfurt oder Athen oder wer weiß wohin. Bei Jupiter, ich verliere mich ins Abseits, wie komme ich jetzt wieder zu meinem Hendrix Orfeo, wie zu Euridice? Orfeus nimmt wie gesagt ihre Hand und steigt ihr voran die Höllenleiter hinauf, die für beide jetzt Himmelsleiter ist, und denkt, ich darf mich nicht umdrehen, nie zurückschauen, er war ein bissl abergläubig, wer weiß ob sie dann nicht wieder verschwindet. Nun gut. Fast sind sie oben, da fühlt er die fehlende Sprosse, nein er fühlt sie natürlich nicht, er greift ja ins Leere, und was soll ich ihnen sagen, reflexhaft wendet er den Kopf zu Euridice, um ihr ein „Pass auf“ zu zuflüstern. Und so wie er sie sieht, schön, von oben fällt schon ein leichter Lichtschein in den Schacht, ihre Kirgisenaugen, wie komme ich denn jetzt darauf, glänzen ihm entgegen, rutscht sie ab, er kann sie nicht halten. Sie verschwindet schreiend im Finstern. Die Moral von der Geschicht ? Egal was geschieht, zurückschauen lohnt nicht.
Nachtrag: >>>>Boehlendorff schaute zurück, da haben sie recht lieber Aikmaier, und erschoss sich dann unvorsichtigerweise, wie die Aktenlage zeigt.
eben, herr reichenbach, wer zu viel rückschau hält, lässt es eben an vor-sicht mangeln. (wobei die formulierung in den akten auch das äußerste an formulierungsmut eines deutschen beamten dokumentiert!)
eine schöne lektüre übrigens, Ihr Orfeo. besonders der (vor meinem inneren auge dreiköpfige) cartoon-hund mit schlafstörungen gefällt mir! auch, dass es trotz manchem schmunzeln nirgends abgleitet. „die fehlende sprosse“, ja…
hoffen wir auf einen weiteren abstieg, als theseus oder hercules dann vielleicht. „hoffnung“, immerhin war ja auch eines der ORPHISCHEN urworte jenes heute berühmten boelendorff-verächters.