m besuchte gestern ein favelaprojekt. kinder bis neun oder zehn jahre, die der jugendrichter vermittelt hat, jedes bettelt mit seinem blick um aufmerksamkeit. man verschenkte fotos in selbstgebastelten rahmen. man schaut auf eine fröhliche kitagruppe.
denke ich wirklich über adoption nach? die vorstellung, ein kind auszusuchen, lässt mich bei allem, was daran gut sein könnte, völlig verzweifeln. wie kann man? soll man eine münze werfen? andererseits, es verschwinden hier tausende vor ihrem 25ten lebensjahr. man steckt sie in autoreifen und fackelt sie ab und kaum eine barrikade brennt um eins von ihnen, wie in athen oder paris. es ist falsch, familie ist keine politische lösung, aber politische lösungen vermitteln noch keine geborgenheit. aber vielleicht ist geborgenheit nur auch ein weiteres privatives konstrukt, aufgrund dessen gleichberechtigte chancen letztlich verhindert werden. m sagt, das sei ihm zu theoretisch. es steht ausser frage, es muss jemand da sein und ein pflichtgefühl allein füttert die seele nicht.
die mostra, das filmfestival hier, prämierte ‚das fremde in mir‘. bei meiner frauenärztin liegen die flyer aus. meine freundin gesteht mir durch die blume, dass es ihr etwas ähnlich gegangen sei. ich habe es nicht bemerkt, im gegenteil, ich dachte, sie hegt kein anderes interesse mehr, als die sorge um ihr kind. bis zum dritten monat habe sie einfach funktioniert, und das wohl so gut, wie sie es immer tat. dann wurde es besser. die struktur gab ihr den halt und beförderte vielleicht auch das gefühl. im nachhinein tut es mir unsäglich leid, dass ich mal etwas entnervt sagte, komm, du kannst ja eh nicht anders, das sind die hormone. aber die natur regelt eben längst nicht alles zum besten. gestern gestand mir eine bis dahin völlig unbekannte schwangere auf einer party, sie wollte das kind gar nicht, sie könnte auf all das gut verzichten, aber sie habe es zu spät bemerkt.
ich kann nicht umhin, etwas geschockt zu sein, aber diese person machte wiederum nicht den eindruck, dass sie ihrem kind keine gute mutter sein würde.
auch x, die so sehr an ihrer tochter hängt, sagte mir, als sie erfuhr, dass es ein mädchen würde, wollte sie das kind nicht mehr. das verhältnis zu ihrer mutter sei früher fürchterlich gewesen. auf der anderen seite sehe ich diese familie heute und denke, sie macht das gut, mehr als das. keine spur von herzlosigkeit.
ich schreibe über familie und meine mutter ruft an. jemand, der immer für mich da war, ohne sich je aufzudrängen. dazu gehört schon was. und bei allem, was auch schief lief, überwiegt das gefühl von dankbarkeit. ich habe nichts vermisst. was man als kind für das selbstverständlichste von der welt hielt. wie wenig selbstverständlich das jedoch sein kann, wird mir erst heute bewusst.
@diadorim. Und ich hatte noch vor zwei Wochen und davor auch schon mal den Gedanken erwogen, als der gestrauchelte Junge eines Freundes mit bei uns untergeschlupft war, ob man nicht eine große Wohnung nehmen und noch fünf oder sechs solcher Kinder aufnehmen sollte, um sie mit den eigenen zusammen familiär und eben nicht institutionell zu umsorgen. Ich dachte, die Liebe zu den Kindern eine. So fern war ich, bei aller subkutanen Ahnung, der Realität. Ihr Beitrag aber bringt das Bedürfnis in mir wieder hoch.