Arbeitsjournal. Donnerstag, der 15. Januar 2009. Heidelberg/Mannheim-Berlin.

8.26 Uhr:
[Mannheim. Bei Kühlmanns.]
Wie typisch! „Wissen Sie, gibt es ein deutlicheres Zeichen“, sage ich, „als daß Sie als erstes zur FAZ greifen am Morgen, und ich schaue als erstes ins Netz?“ „Das müßte jemand fotografieren“, sagte er und liest parallel weiter, „das wäre ein Zeitbild…“ Noch im Bademantel, noch mit Hausschuhen, aber bereits die Pfeife fest im Mund und vorgebeugt wie ein Greif auf Bögen ziehender, präzise blickender Jagd…
Schönes >>>> Seminar gestern, danach saßen wir beim Betongriechen, und die Frage nach der Willensfreiheit wurde gestellt, woraus sich dann eine ziemlich lebhafte Diskussion entwickelte. Es ist nahezu immer von Vorteil, wenn die Teilnehmer eines Seminares aus ganz verschiedenen Fakultäten kommen und vor allem wenigstens einer dabei ist, der Philosophie studiert.
Und dann, eben, ich schaue nach und finde zu MEERE >>>> das. Offenbar kommt etwas in Bewegung, denn auch der Focus geht in der neuen Ausgabe auf MEERE ein: 8.40 Uhr:
Frühstück.

15.04 Uhr:
[ICE Frankfurtmain-Hannover/Berlin-]
Was ich vergaß. Was mir gestern nacht, als JE es erzählte, so zusetzte, daß spontan Tränen vorschossen. Was an mir ganz vorübergegangen war. Was ein bißchen so ist, als hätte ich vergessen, nach jemandem zu schauen, der ausgerechnet in der Zeit in seiner Wohnung umfällt und stirbt: >>>> Gert Jonke ist tot. Ich weiß noch nichts Näheres, ich werde gleich nachfragen. Und möchte für ihn einen Dschungeltext schreiben.

Das Leben geht weiter. Aber.
Also mein Überraschungsangriff durch Blitzbesuch bei >>>> Dielmann; ich habe von dieser meiner Absicht vorher nichts geschrieben, weil es sonst möglicherweise überraschend nicht gewesen wäre, oder es wär vielleicht überhaupt niemand dagewesen. So stand ich in der Tür, als er öffnete. „Alban??!“ „Was ist los?“ Und das Gespräch. Es war enorm beruhigend, als er mir die Palette mit „schon mal“ 600 Büchern zeigte und mir auch gleich zwanzig mitgab; allerdings fehlen die Umschläge noch immer. „Ich habe sie jetzt in Frankfurt in Auftrag gegeben; Ende nächster Woche werden sie dasein.“ Also kann ich den Gedichtband nun auch >>>> in Der Dschungel als lieferbar annoncieren. Das werde ich gleich tun und dann auch von hier nach dort verlinken. [Erledigt, 15.56 Uhr.]
Längeres Gespräch, klar. Ich immer und immer wieder: „Axel, Axel… wirklich!“ Aber die Vertreter reisen, und sie verkaufen auch, sagt er, nicht nur akzeptabel, sondern gut. „Wie? Ein Buch, das noch s o häßlich ist?“ Dann schnappte ich mir den Dummy, der bereits den richtigen Umschlag h a t, allerdings nur den halben für die Vorderseite, von der Grafikerin auf DIN-A4 ausgedruckt und zurechtgeschnitten. Ein völlig anderes Buch, das einem ins Herz geht, wenn man’s nur sieht. Sie w e r d e n es sehen. Sofern Sie’s bestellen.

Morgens, am „Bahnhof“ Mannheim-Seckenheim, drückte mir Kühlmann zweihundert Euro in die Hand: „Das will ich wiederhaben, sowie Sie den Nobelpreis bekommen.“ „Dann lad ich Sie nach Stockholm ein.“ Es gibt Ideen, die derart abwegig sind, umwolkt von absoluter Unmöglichkeit, daß man allen Ernstes mit ihnen spielt: rein aus Lust am Paradoxen. Und vorher kam von Barabara Stang eine so schöne Nachricht auf eine noch schönere Aussicht, daß ich den Teufel tun werde, Ihnen hier davon zu erzählen. Denn ich will mal die Warnung des Profis beherzigen: „Du hast so viele Feinde, da gib Ihnen doch keine Informationen, die ihnen die Möglicheit verschaffen, hinter den Kulissen zu verhindern.“ Wohl hat er recht, auch wenn mir, mich danach zu verhalten, nicht in den Dschungelkram paßt. Jedenfalls, es scheint weiterzugehen.
Sollte der ICE pünktlich sein, werde ich rechtzeitig genug in Berlin ankommen, um meinem Jungen noch zur Nacht vorzulesen. Danach will ich den Profi >>>> in der Bar treffen, sagen wir, um 22 Uhr. Ich werd aber nicht mit dem Rad fahren können, weil auch meines nun einen Platten hat: gestern früh, kurz bevor ich von Kreuzberg wieder an der Arbeitswohnung ankam, pfiff sich die Luft aus dem Reifen; zum Flicken war keine Zeit mehr gewesen.

(Mit Do zu Mittag gegessen nach dem Blitzbesuch; dann einen schönen kleinen Winterspaziergang die Schweizer Straße ganz hinunter bis an den Main gemacht und diesen entlang und über die Fußgängerbrücke zur Kaiserstraße bis zum Bahnhof. Mir war danach. In Frankfurt sind die Wege derart kurz, man glaubt es kaum. Auf dem Main schwammen Eisschollen dahin, große, stumpfflächig meist mit groben Bruchrändern; aber einige spiegelten sehr schön.Ach, >>>> Gert. Es gibt so wenige Kollegen, die ich verehre. Du bist einer von denen gewesen.)

NACHTRAG NACH >>>> CLÄRCHENS BALLHAUS:
[In dessen Spiegelsaal ich, nachdem ich dem Jungen vorgelesen, spontan vom Profi eingeladen war.]
Sowas um Viertel nach 21 Uhr war ich dort. Auch U. was aus San Francisco zurück und nun dabei, eine Freundin bei sich, die ganz am Ende des Abends tanzen wollte, ich aber wollte nicht. „Er kann’s a u c h nicht“, sagte sie; dazu der Profi: „Der hat das goldene Tanzabzeichen.“ Wie Legenden entstehen: ich hab das bronzene. „Aber das liegt Jahrzehnte zurück“, sagte ich und meinte wenigstens zwei Leben.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .