Arbeitsjournal. Dienstag, der 24. Februar 2009.

6.37 Uhr:
[In der Muschel. Küchentisch.]
Seit fünf auf, gehen mir moralische Splitter durch den Kopf, auch Erzählstücke, sowas >>>> wie das, wovon ich meine, es könnte sowohl der Nukleus einer Erzählung sein, oder das Stückchen wäre zurechtzufeilen auf diamantene Härte und müßte klein b l e i b e n. Davon dann einige mehr, skandalöse Kürzesterzählungen – skandalös aber nur, weil sie quer zum Allgemeinen Wohlverständnis stehen. Keine Schwalbe noch in Orte, aber dafür, aus Alkohol und lesender Einsamkeit, ganz >>>> enorme Sätze von einer Schönheit, die man ohne Schmerz nicht erreicht. Während >>>> hier voll heller, gegenwärtiger Zivilcourage ein Arbeitskampf gegen Zumutungen geführt wird, die einem die Logik des Kapitals, die sich mit einer Normalität jener verbündet hat, welche selber ihr Einkommen haben, von anderen aber, weil die schwächer sind, erwarten, sie mögen das eigene darangeben – mich erinnert das an die sich häufenden Aufforderungen, jemandem etwas zu schreiben, für das es kein Geld gibt; was auch L. vom Funk erzählte: im >>>> hr habe man von Verwaltungsseiten schon laut gesagt: Wenn ein Musiker für uns kompononiert, dann soll er doch froh sein, daß wir es aufführen; es macht ihn bekannt, also warum soll er noch Geld dafür kriegen? Diese Tendenz gegenüber Künstlern ist eine allgemeine geworden; noch die Feudalisten hatten mindestens die innere Ehre, die Künstler zu alimentieren, von denen sie sich etwas schaffen ließen; das ist mit der Demokratie restlos vorüber, scheint`s. Und es ist ja auch was dran. Ich bin drauf angewiesen zu publizieren; dieses Pfund wirft man mir voll auf die Füße. Auch die Logik ist nachvollziehbar. Im demokratischen Kapitalismus ist production ausschließlich das, was meßbar Geld produziert; jemandes Arbeit, die dies nicht tut, gilt in ihm für unproduktiv – als man noch schrieb und musizierte, um zu preisen, ob einen weltlichen oder den ewigen Herrn, war das anders: hier lag der Lohn im Preisen, nicht im Preis, und der weltliche Lohn begründete sich eben hieraus.
Dann hatte ich es gestern mit etwas zu tun, das mir höchst eklig ist. In der Erbschaftssache meiner Mutter. Nun ist da also wer, der einem neunjährigen Jungen ein mögliches Erbe vorenthalten will, weil er wahrscheinlich meint, damit mich zu treffen. Ich hab nur gedacht: Es gibt eine Art Menschencharacter – bereits das Wort Character ist Euphemismus bei ihnen -, von dem ich nie kapieren werde, weshalb seine Träger nicht von morgens bis abends kotzen, wenn sie sich im Spiegel zufällig sehn oder in einer Scheibe des Wohnzimmerschranks reflektieren. Hübsch ist besonders, daß es sich beim Genannten um einen Pädagogen handelt… nun ja, ich sag nicht, wer es ist, obgleich mich’s juckt, daß man seinen Namen gleich unter den ersten zehn Google-Nennungen findet. Da kam mir die Idee, >>>> diese Liste anzulegen. Daraus wurde dann der Einfall, ein Anzahl solcher Stücke zu komponieren. Auch über Laurin machte ich mir Rachegedanken, die schließlich wohltuend intensiv wurden. Wer mit einem Text an die Öffentlichkeit tritt, sagte ich am Wochenende meinen Seminaristen – als die sich (leicht) drüber beklagten, daß ich ein paar der Texte verriß -, der müsse nicht nur damit rechnen, aus sachlichen, bzw. poetologischen Gründen öffentlich niedergemacht zu werden, sondern in fast allererster Linie aus absichtlich falschen, ganz bewußt, damit einem geschadet werde. Und man dürfe sich, so die schweigende Übereinkunft, nicht einmal wehren; es sei auch nicht geraten, sich zu wehren, weil das dann erst recht zu nächsten öffentlichen Sanktionen führe. Undsoweiter. Man kann nur versuchen, den jungen Autoren eine solche Wut auf die Verhältnisse zu machen, daß sie sich an die Übereinkünfte rein aus Ekel nicht halten, auch wenn sie das, mehr oder minder metaphorisch, umbringt. Bei alledem ist aber der Grundzug zu befeuern, daß man dennoch gern lebt. „Das Prinzip Trotz“, so habe ich das, als ich fünfzehn war, notiert, „und zwar Trotz, weil es für Hoffnung keinen Grund gibt“.

Um zehn werd ich in dem kleinen Musikhaus sein, um mir auf dem elektronischen Cello vorzuspielen; wenn es nur irgend klingt, nehm ich es, dank Do, mit. Das ist die andere Seite: „Du hast so viele Freunde“, sagte Αναδυομένη gestern abend, „du hast so viele wunderbare Freunde: weißt du eigentlich, w i e beschenkt du bist?“

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