Arbeitsjournal. Donnerstag, den 3. September 2009. Mit Genderkommentaren.

5.37 Uhr:
[Maderna, Grande Aulolia.]
Hoch um Viertel nach fünf, gegen eins lag ich im Bett. Das erleuchtete Wellenspiel ging über die Front des Bode-Museums, es wehte so sehr das Gefühl eines Abschieds von den Tagen, da die Frauen sich aus den Wintersachen schälen und ihre Haut glänzt, jedenfalls sieht man’s, als atmete sie auf, und sie spielen mit Körpern und Kleidern und schreiten auf hohen Sandalen – war so sehr das Gefühl erneuerten Abschieds, schon waren wieder Blousons zu sehen, an den Männern sogar Lederjacken, ja – freilich noch leichte – Mäntel, — daß wir einfach nur schauten, der Profi und ich, manchmal seufzten auf unseren Stühlen an der Strandbar Mitte nachts, derweil unterm Weg das Hängchen hinab, für uns, wenn wir saßen, aber nicht sichtbar, auf der Fläche nah am Wasser die Tangopaare tanzten; bisweilen wehte blecherne (zu leise die) Musik herauf; schließlich ging im hölzernen Amphitheater hinter uns der Molière zu Ende, das Publikum kam heraus, und die in die Außenwand des Theaterchens eingebaute Strandbar spielte wieder lauten alten Pop auf.
Gestern, das war: Arbeitsimpuls, Arbeitsfreude – im Nu hatte ich meinen Maderna-Text für die FAZ fertig; ElB rief, gleich nachdem sie ihn hatte, an: sie habe ihn sofort bereits für die Sonnabendausgabe in den Satz gestellt, nur Kleinigkeiten verändert, und ich möchte doch bitte noch drei Sätze dazuschreiben; er sei zu kurz. Das werd ich jetzt gleich tun, mittags soll abgegeben sein, um 10 aber habe ich wieder Cello-Unterricht, den ersten seit dem Ferienende. Mein Junge, à propos, ist geradezu schullüstern; er kommt jetzt immer mittags direkt nach dem Gymnasium her, sind ja nur zehn Schritte, seine Freundin auch, gemeinsam machen sie ihre Hausaufgaben und schlürfen den täglichen Milchshake; dann wird eine halbe Stunde, Sohn und Vater, Cello geübt, dann ziehn die beiden in ihren Nachmittag ab. Ich las >>>> weiter, dann telefonierte ich mit >>>> Martin Maria Schwarz an, um meine MEERE-Lesung im Frankfurtmainer Hauptbahnhof, die er moderieren wird, mit ihm zu besprechen; schönes Gespräch, also freu ich mich auf die Veranstaltung. Viele Lesungen, insgesamt, habe ich ja nicht in diesem Jahr.
Schließlich bastelte ich noch am nächsten Teil >>>> der Brüste der Béart herum (ein Freund und Leser schrieb dazu ein paar Zeilen, die mir, was sie sicher nicht sollten, schmeichelten: „die verse werden geschichtsmächtig, wenden sich, ohne vom eros abzulassen, in archaische tiefen…; auf >>>> Cellinis Lektoratseinwände bin ich bewußt noch nicht eingegangen, weil ich erstmal abwarten möchte, ob sich noch andere Stimmen melden; Sie, >>>> Sie „Ovid“, sind damit n i c h t gemeint) und übte für mich selber Cello. spätvormittags/mittags hatte Αναδυομένη hereingeschaut, so daß ich sogar zu einer Art Mittagsschlaf kam; sie auch. Schließlich rief >>>> Lothar Zagrosek an, sich für >>>> DER ENGEL ORDNUNGEN zu bedanken und um von der Konzertidee zu erzählen, die das Konzerthausorchester und er >>>> morgen abend realisieren werden; ich hab per Email schnell noch um Karten nachgesucht, hatte vorher auch ElB gefragt, ob vielleicht für die Sonntagszeitung… – aber die Kritikenseite läuft an diesem Wochenende über, „schade“ sagte sie; also werd ich meine Erzählung über das Konzert am Sonnabend auf der Fahrt nach Frankfurt für Die Dschungel schreiben.

Zweites Mal „Aulodia“, damit ich dann gleich auf die richtigen drei Sätze komme, die meinem Artikelchen noch fehlen. Aulos, αὐλός, von Athene gespielt, eine Art Doppelflöte, besser: -Schalmei; des Rohrblattes wegen eher Oboe als Flöte – der Oboenklang ist Maderna sehr nah. Hier fügt er die Instrumente gleichsam zusammen: eigentlich ist das Stück ein in Episoden erzählendes Doppelkonzert für Flöte und Oboe und Orchester mit höchst characteristischen Percussion-Partien. (Das sind nach Zeichen jetzt mehr als die noch nötigen „drei Sätze“).

Heute also, Maderna ff, mich am Cello einspielen, nach Charlottenburg radeln für den Unterricht, dann mit den Brüsten weiter„machen“; ich möchte mir außerdem die BAMBERGER ELEGIEN mal wieder vornehmen; dann ist noch wegen des geplanten und mir in Auftrag gegebenen >>>> Daniela-Danz-Hörstücks Kontakt mit >>>> Wallstein aufzunehmen. Unter Arbeitsmangel kann ich nicht klagen, also pack mer’s mal an.
Draußen gießt es wüst, und ich höre auch gelegentlichen Donner: Donar über den Wolken brüllt in der Ferne nach Herbst.

14.44 Uhr:
[Maderna, Grande Aulolia; abermals.]
Meine Güte, bin ich was naß geworden auf dem Rad; erst auf dem Hinweg, dann noch mal auf dem Rückweg; die Cello-Hülle war bis innen durchgeweicht. Also gleich alles Zeug abgeworfen, heißen Fencheltee aufgegossen, dann schnell den Maderna-Text fertiggestellt, also ergänzt, dabei leicht umgeschrieben und rausgemailt. Danach Mittagsschlaf, erst unruhig, dann traumtief, und erst seit einer Viertelstunde wieder auf. Keinen Espresso jetzt, weil ich auf meinen Buben warte, der einen langen Schultag hatte, mit mir zusammen was futtern soll, danach wird der Espresso dann passen. Cello üben, ich selbst für mich „muß“ heute nicht mehr, sondern mach lieber mit meinen Vorsätzen weiter. Und >>>> weiterlesen will ich.

8 thoughts on “Arbeitsjournal. Donnerstag, den 3. September 2009. Mit Genderkommentaren.

  1. Liebe Anna, >>>> Dazu kann ich nur empfehlen: Lesen Sie mal ein wenig in Flauberts ‚MAdame Bovary‘ herum. Und sagen Sie mir dann, ob Sie einen Mann spüren dabei oder eine Frau. Ob sich das eckig liest oder rund, rauh oder zart etc. etc.

    „ich will wissen, was das ist MANN.“

    das sin zunächst einmal: vier Buchstaben.

    PS.: h/a: Pardon, daß ich diese EMpgfehlung unter Ihr Arbeitsjournal setze, aber irgendwie, scheint mir, passt es auch.

    1. die frau liebt an dem mann die verfügbarkeit.
      die verfügbarkeit bezieht sich auf diverses – meist abtrünnlich dem lagerfeuer
      in der mitte,
      das hat dann etwas mit atommeilern zu tun oder mit dioden, welche leuchten und glühbirnen inhärent sein können.
      das hat aber nichts mit landtagswahlen zu trun, um es gleich zu sagen.

    2. @Dame La Maxernstin(e). Diese Empfehlung finde ich sogar h ö c h s t angemessen, Flaubert sowieso, egal ob unterm Arbeitsjournal, wo sie allerdings ehrt, oder anderswo. Dennoch gehe ich mit Frau Häusler dahingehend einig. daß es allein biologisch Differenzen zwischen Frau und Mann gibt, die sich auf das Gehirn auswirken, dessen Handlungen und Wirkungsweisen ja doch auf physiologische Weise zustandekommen. Geist ist Chemie; nicht mehr, aber auch nicht weniger. Selbstverständlich lassen sich die Ausprägungen sozial (moralisch) modifizieren, weil etwa sprachliche Inhalte, aber vor allem Erfahrungen als Reize erlebt werden, die auf dem Umweg der chemischen Reiz-Wirkung-Verarbeitung dann wieder Wirkungen provozieren. Wenn aber die, sagen wir einmal etwas zu starr, Grundgefüge der chemischen Prozessoren verschieden sind, wird es nie zu identischen Wirkungen kommen können. Diese Grundgefüge sind verschieden. Zum einen, individuell, sowieso (schon kein Baumblatt ist mit irgend einem andern identisch), zum anderen aufgrund der geschlechtlichen Vor-Einstellung – „Einstellung“ mal im medizinischen Sinn verstanden („jemand wird auf ein Medikament eingestellt“: so wurden wir’s embryonal/fötal auf das Geschlecht). Keine Frage, daß Gesellschaft einige der Folgen (Wirkungen) ausbremsen kann und daß es auch erbdefiniert alle möglichen Mischtypen gibt; Testosteron bleibt aber Testosteron, Östrogen Östrogen, und Männer werden niemals menstruieren: so etwas hat ganz selbstverständlich Einfluß auf die Weltwahrnehmung, erst recht, gebären bzw. nicht gebären zu können.Nicht einmal ein Transvestit oder Transsexueller menstruiert und wird das auch nach der operativen Geschlechtsumwandlung nicht tun. Um es provokant auszudrücken: Die politische Idee der Gendercorrectnes wird sich erst dann wirklich umsetzen lassen, wenn ihre VertreterInnen ausführende Biotechnikerinnen geworden sind. Bislang studieren sie alle das falsche Fach.

      (Ich will dabei gar nicht bestreiten, daß es ausgesprochen „weibliche“ männliche Autoren gab und gibt, etwa Proust; mit der Nennung deutschsprachiger Gegenwartsautoren halte ich mich hier besser zurück, ich wüßte aber sofort zwei zu nennen. In der Tat würde es lohnen, Rezeptionsmuster duchzuchecken: man legt drei signifikanten Gruppen von Versuchspersonen – je gebildet aus nur-Frauen, nur-Männern, Frauen und Männern gemischt; sowie dann noch mal unterteilt nach Altersgruppen und möglichst auch sozialer Herkunft – nach noch zu bestimmenden Kriterien ausgewählte Dichtungen vor, deren Autoren ihnen nicht bekannt sind, und läßt sie wählen, ob sie jene für weiblich oder männlich halten.)

    3. @ femme100tetes Vielen Dank für den flaubertschen Hinweis. Es ehrt mich sehr, dass Sie sich meines Problems annehmen, dennoch glaube ich Sie sind da auf der falschen Spur. Denn es geht ja nicht darum dass sich ein Mann vortrefflich in das Liebesgefühl einer Frau versetzen kann oder nicht in der Lage sei weiblich zu schreibt, was für sich gesehen natürlich auch wieder spannend ist. Es geht darum den Mann zu erkennen wenn er sich zeigt (wo schrieb ich das schon mal so ähnlich? Weiß nicht mehr, finden Sie es selbst heraus), die Männlichkeit zu erkennen, die mich aus besagtem Gedicht geradezu ansprang. Die quietschende Bitterkeit zu der ein Mann aber keine Frau fähig ist und wie dieser Eindruck so ganz vergehen kann, nimmt sich eine Frau der Übersetzung an.

      Obwohl mir das eigentlich zu blöd ist: FRAU sind auch nur vier Buchstaben, aber ein x Chromosom mehr oder vielleicht, und ich frage mich immer warum das nie so gesehen wird, ein fehlendes y-Chromosom.

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