Die Menge, Béart!
seit du dich erstmals entblößtest zum Ansehn von Menge…
Welche Skandale! billig wie Aarons kraftvolles Kalb gegen Moses dürren Jehova
(ein weibliches Kalb, so verschwiegen) –
Götzin, zum Verwechseln gleich in immergleicher Wohnungstatt,
Hundert Stätten, geshapten, der Wellness
meines Massengeschmackes entstiegen, die Muschel
zu unberührbarer Süße designt:
drauf aus dem Meer bunt Illustrierter
gehoben, so in das unermeßliche Heer
begehrlicher Männer getaucht, die nur das Bild sehn und hungern –
Pietà ohne den Leib überm Schoß, den sie beschluchzte,
kein Husten, das sie erreichte, von vergreisten
zu frühen Haltungsschädlern, keine Hand
die sie nähme als wieder nur Hände von Bildern:
wie einfache Frauen im Alter Prinzessinnen lesen
so wir Dich in den Posters der Spinde;
an Werkstattwänden darfst Du Dich räkeln der
Siebzigerjahre von Kindheit erschienst Du im Fernsehn:
machtvoll plötzlich verdreht zur Oper der Teufel Loudons
war die Süße zu beißendem Pfeffer zerfallen,
dessen bitterer Kuß Jugend auf immer verdirbt;
das Messer schält die Kindheit vom Mann, bevor er’s schon ist,
dann derart viel Lüge darübergeworfen, Unschuld,
die zum Kino schielt, ihrem Gespiel des Verlustes –
Unschuld, welch Wort! Schuld, welch ein Irrtum!
als läg es an uns…
…Menge und Schliff,
bis keiner mehr wirklich noch glaubt, was er glaubte,
doch allewir tun, als wären wir einig,
und beten gemeinsam, Béart, ohne Göttin
Göttinnen an – wir Fans des Profanen,
dem die Erscheinung sich in den Erscheinungen wegzog;
übrig die Geste, übrig das große entleerte Gefäß,
übrig nicht Wille, sondern Erweckung Bedarfs
aus dem entleerten Bedürfnis – bis Stars
ohne Sternbild (so viele, Béart)
die Bedürftigkeit milchlos zu stillen bereitstehn
in jeder beliebigen Nächsten,
die man uns, austauschbar ferne,
austauschbar plötzlich auswählt,
doch nährt’s sich noch immer von Einer.
Die immer noch nicht vor den Hund ging.
Die Menge, Béart!
seit du dich erstmals entblößtest zum Ansehn
(“von Menge”… würde ich weglassen, so steht sie vor der Menge, und die Menge vor ihr)
Welche Skandale! billig wie Aarons kraftvolles Kalb gegen Moses dürren Jehova
(ein weibliches Kalb, so verschwiegen) –
Götzin, zum Verwechseln gleich in
(“immergleicher Wohnungstatt” würde ich auch weglassen, “gleich in Hundert Stätten” sagt das gleiche aus)
Hundert Stätten, (“geshapten”… was für ein häßliches Wort), der Wellness
(m) eines Massengeschmackes (dem Massengeschmack der Menge)
entstiegen, die Muschel
zu unberührbarer Süße designt:
drauf aus dem Meer bunt Illustrierter
gehoben, so in das unermeßliche Heer
begehrlicher Männer getaucht, die nur das Bild sehn
(“und hungern” auch weglassen, die hungern eh, weil sie nur das Bild sehn)
Pietà ohne den Leib überm Schoß, den sie beschluchzte,
kein Husten, das sie erreichte, von vergreisten
zu frühen Haltungsschädlern, keine Hand
die sie nähme als wieder nur Hände von Bildern:
wie einfache Frauen im Alter Prinzessinnen lesen
so wir Dich in den Posters der Spinde; (meines Erachtens nach heißt das “in den Postern”)
an Werkstattwänden darfst Du Dich räkeln der
Siebzigerjahre von Kindheit erschienst Du im Fernsehn:
machtvoll plötzlich verdreht zur Oper der Teufel Loudons
war die Süße zu beißendem Pfeffer zerfallen,
dessen bitterer Kuß Jugend auf immer verdirbt;
das Messer schält die Kindheit vom Mann, bevor er’s schon ist,
dann derart viel Lüge darübergeworfen, Unschuld,
die zum Kino schielt, ihrem Gespiel des Verlustes –
Unschuld, welch Wort! Schuld, welch ein Irrtum!
als läg es an uns…
…Menge und Schliff,
bis keiner mehr wirklich noch glaubt
(“was er glaubte”… ist überflüssig, Redundanz)
doch allewir tun, als wären wir einig,
und beten gemeinsam, Béart
(“ohne Göttin”… nein, denn sie beten Göttinen an)
Göttinnen an – wir Fans des Profanen,
dem die Erscheinung sich (“in den Erscheinungen”… auch weglassen) wegzog;
übrig die Geste, übrig das große entleerte Gefäß,
übrig nicht Wille, sondern Erweckung (“Bedarfs”… auch weglassen)
aus dem entleerten Bedürfnis – bis Stars
ohne Sternbild (so viele, Béart)
die Bedürftigkeit milchlos zu stillen bereitstehn
in jeder beliebigen Nächsten,
die man uns, austauschbar ferne,
austauschbar plötzlich auswählt,
doch nährt’s sich noch immer von Einer.
Die immer noch nicht vor den Hund ging.
“Die immer noch nicht vor den Hund ging”… damit komm ich nicht klar… weil der Spruch aus einer Zeit stammt, in der die Bergleute, die unter Tage arbeiteten, und nicht genug geschafft hatten, als Strafe “vor die Hunte gespannt” wurden, sie mußten “vor die Hunte” (das waren diese Loren, die mit Steinen beladen auf den Schienen mit körperlicher Kraft geschoben wurden, um die Steine von einem Ort zum anderen zu schaffen) und sie allein schieben, schwer mit Steinen beladen.
im Ganzen – richtig gut!
Mir gefällt sehr, was Sie da schreiben. Auch im Detail habe ich keinerlei Kritik.
Cellinis Versuch, Ihr Reflektionsniveau zu retten, in Ehren, aber ich lese die Zeilen zumeist viel körperlicher. Das kann – nicht mann, natürlich, sondern besser eine nicht bloß männliche Gedanklichkeit – jemand als ehrlicher bezeichnen. Aber zu viel Nachdenken nähme Ihren Äußerungen das Wirksame. Ihr Text hier ist lebendig, weil er Genauigkeit hinter sich lassend (siehe das immer wiederkehrende Oszillieren) sehr schön ungestüm geistarm drauf los stürmt. Das ist angenehem direkt und viel unmittelbarer als jeder Ihrer Versuche, gedanklich ‘korrekt’ oder ‘genau’ zu sein. Ihre Lyrik gefällt mir da viel mehr als Ihre ‘Nachdenklichkeit’.
Ich bin sehr gespannt, was Sie damit machen werden (angesichts Ihrer neueren Einlassungen zum Thema ‘Adeln via Printing, i.e. Publishing’)