Erich Wolfgang Korngold: „DIE TOTE STADT“. Premiere an der Oper Frankfurt

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DIE TOTE STADT
Erich Wolfgang Korngold 1897 – 1957, Oper in drei Akten, Text frei nach Georges Rodenbachs Roman Bruges la morte (1892) von Paul Schott, Uraufführung am 4. Dezember 1920, Stadttheater Hamburg und Opernhaus Köln.

„Ein Traum hat mir den Traum zerstört.“

„Den Ort, wo sich die geliebten Toten/ befinden, weiß ich nicht;/ den wo sie sich nicht befinden,/ weiß ich: Das Grab.“ (Hebbel). Korngolds Oper liefert dafür den Beweis. Paul, ein Witwer, trauert manisch, quasireligiös um seine Frau Marie. Sie geistert ihm Tag und Nacht durch den Kopf und durch seine „Kirche des Gewesenen“, wie er den Raum nennt, wo er Bilder und Haare von Marie in verhängnisvolle Fetische und anbetungswürdige Reliquien verwandelt hat. In diese tiefe Trauer bricht das Leben, die Lust, in Gestalt der Tänzerin Marietta ein, die äußerlich bis in die Haarwurzeln der toten Marie gleicht.

Die einzelnen Szenenbilder, die Beleuchtung, Kulissen, Kostüme und Videos lassen das Publikum in Pauls „Kopfkino“ schauen, in dem 2 Filme parallel zu laufen scheinen. „Marie, die Erinnerung, die Heilige“ heißt der eine, der andere trägt den Titel „Marietta, die Lasterhafte“, Musikalisch nimmt Korngold in dieser Oper, die er im Alter von 23 Jahren geschrieben hat, seine Komponistenperspektive als d e r Filmmusikkomponist Hollywoods vorweg. Die Musik ist dramatisch, wo sie dramatisch, und lyrisch, wo sie lyrisch sein muss. Grenzgängerisch, manchmal etwas süßlich, bewegen sich Korngolds Klänge auf dem schmalen Grat zwischen Oper und Operette. Das suggestive Liebesdrama des um seine Frau trauernden Paul mit der Tänzerin Marietta entgeht der Operette dadurch, dass Musik und Spektakel ein wirklich großes Thema verhandeln: Wer die Kunst des Vergessens nicht beherrscht, den regiert fruchtlose Erinnerung. Pierrot, gesungen von Michael Nagy, der auch in der Rolle von Pauls Freund Frank Stimmstärke beweist, serviert eben kein Glas Lethe sondern singt verführerisch – nostalgisch vom „Zurück“. Gegen den Reliquienkult, das Leben lässt sich einfach nicht verdrängen, geht die Fiktion von gegenwärtiger Liebeslust an. Und hat gesiegt, als Paul singt: „Ein Traum hat mir den Traum zerstört.“ Das alles wird umrahmt von Etagengräbern, die besser nach Messina als nach Brügge passen. Die einzelnen Szenenbilder könnten der symbolistischen Spukwelt eines >>>Ensor oder >>>Khnopff entsprungen sein. Phantastisch und traumnah entführen sie die Zuschauer in freudsche „Traumwelten“, die Paul nur fiktional zum Mörder werden lassen. Tatiana Pavlovskaya als Marietta und Klaus Florian Vogt als Paul, die, sehr differenzierend zwischen Fiktion und Fiktion, fast die ganze Aufführung über Bühnenpräsenz zeigen, gehen genauso ganz in ihren Gestalten auf. Bühnenbild, szenisches reales und fiktionales Geschehen und Musik kommentieren sich wechselseitig. Das ist vor allem deshalb erwähnenswert, weil die perfekte Einfühlung des gesamten Ensembles in die Handlung und des Orchesters in die Komposition, unter der Leitung von Sebastian Weigle, den Verdacht auf korngoldschen musikalischen Eklektizismus aus dem Klanggedächtnis räumt.

Bildquelle >>>ENSOR

Nächste Aufführungstermine:
Do 26.11.2009, 19:30 Uhr
So 29.11.2009, 19:30 Uhr
Sa 05.12.2009, 19:30 Uhr

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