Weiße Leinwand. 26.11.2009. Paul Reichenbach. Notizen.

Wir sollten zum Raum werden
und uns in die Länge und Breite strecken.

Meister Eckardt

Es ist ein Irrtum zu meinen, schreibt Deleuze in: „Francis Bacon, Logik der Sensation“*, dass der Maler vor einer weißen Fläche stehe. Ich muss das jetzt nicht näher ausführen, wer malt, weiß, dass weiße Blätter, lange bevor sie ein Pinsel oder Stift berührt, allein durch den Anblick des Künstlers bevölkert oder sonst wie virtuell ausgefüllt sind und eigentlich doppelt und dreifach geleert werden müssten, um wirklich rein zu sein:
Rein von Erfahrungen, Träumen, Vorurteilen, Obsessionen, Vorstellungen und Plänen, die mehr oder weniger automatisch aus dem Kopf des Künstlers in weiße Leinwände oder leere Papiere kriechen. Es bleibt Illusion, an dieses „Reine“ zu glauben.
Was uns als leere, leblose Leinwand erscheint, lebt in Wirklichkeit. Kein Bild ist jemals gemalt worden, meine ich, dem nicht andere Bilder untergründig Grundlage – im doppelten Wortsinn – gewesen sind. Die in Leinwänden oder im Papier etc. verborgenen Bilder werden also be – bzw. übermalt. Unsichtbare Icons, unerhörte, überstrichelte, überpinselte „Meme“, subjektive und allgemein kulturgeschichtliche Erinnerungen, geben dem Werk seine eigentliche Aura. Jede Kreation ist a priori auf Vielschichtigkeit ausgelegt und erzählt a posteriori mehr als nur eine Geschichte. Dass manche Künstler oder Betrachter mitunter Eineindeutigkeit behaupten, ändert daran nichts.

P.S. «Solange etwas ist», heißt es im ersten Satz eines autobiographischen
Romans von Martin Walser, «ist es nicht das, was es gewesen sein wird.»

Kind und Künstler: Noch als 9 Jähriger , wenn ich grippekrank im Bett meiner Mutter lag, sah ich im etwas saumselig schleif- lackierten Kleiderschrank, angefangen von Prügeleien auf dem Schulhof bis hin zur Hermannsschlacht Geschichten, die mich gruselten.

Zitat:* Deleuze, Francis Bacon, „Logik der Sensation“ München 1994, S. 95

Bildquelle: >>>> John Baldessari. Until January 25.

23 thoughts on “Weiße Leinwand. 26.11.2009. Paul Reichenbach. Notizen.

  1. Ich sehe was, was du nicht siehst… Was ist Farbe?
    – Nicht absorbierte Energie.
    Also eine Art Wärmeverlust, in Abhängigkeit einer Oberflächenbeschaffenheit von Materie.
    Sieht aber ganz anders aus!!! So jetzt kann ich sagen, auch so eine Illusion (aber in dem Wort steckt schon wieder das Licht), oder ich nehme die Anatomie des Auges als perfekte Anpassung an diese „Verlustenergie“ (in Anführungszeichen wegen Tesla…), also einer Sichtbarmachung einer Skala, die diese nicht aufgenommene Energie einfach bunt bunt macht… Mensch, da könnte ich so weit ausholen! … Insofern ist Farbensehen immer irgendwie ein Negativextrakt weil etwas substrahiert ist bzw. durch ein anderes Sinnesorgan und der daraus spezifisch resultierenden Wahrnehmung sich anders durchkanalisiert, -wirkelt… Reizbarkeiten und Farbgeber.
    Ach ja, die Photosynthese, das steht auf dem nächsten Blatt, und im nächsten Leben wär ich gern grün, aber das allein schon ist der Denkfehler…
    Ich mische also keine Farben, ja doch nur Pigmente und deren Trägersubstanzen. Das lässt wieder ganz andere Aussagen über Bilder zu.

    Das so als ergänzende Überlegung.

    1. Danke!

      Von dieser Warte aus habe ich noch gar nicht gedacht.
      Der Witz bei den Farben, Sinne kümmern sich wenig um Physik, steckt im Detail der Wahrnehmung: So haben z.B. sattes, tiefes Blau, Himmelbläue und Türkis die gleichen Wellenlängen.
      Im nächsten Leben Grün – warum nicht?
      Da fällt mir >>>>>reiner maria matysik ein, der Lebensformen wie >>>diese entwirft. Eine andere Variante finden Sie auch hier >>>>>

    2. Ja, ich kam über das Wort „bevölkern“ darauf, das ist saftgrün, so ein bemoostes Utopia, anders entwickelte Lebewesen, wie Pflanzen es sind & Photosynthese, ich hatte ja schon einmal so eine Idee, saftgrün muselt die Vogelfrau, was man eben so vor dem inneren Auge entwirft und wie sehr Farbwahrnehmungen doch das Denken, im Sinne einer Anschauung beeinflussen, nein anders herum: die Anschauung das Denken…, diese Wahrnehmungen werden wiederrum zu einem Träger… und im Denken kann ich diese Anschauungen wieder hintergehen… usw.

      Ins Gras beißen. Mmhh, das meint dann auch etwas anderes…

      Und ab da entsteht so etwas wie Eigentlichkeit…

    3. Entschieden Ja Habs an anderer Stelle schon gesagt. Man kann es auch mit ihren Wroten sagen, dass mit dem „ins Gras beißen“. Sollten diese Schmierfinken wie „“ovid““, die die abendländische Literatur mit dem Namen ihres größten verschmutzen. Wir Mitleser, die bisher stillgehalten haben und dachten wird schon werden, wir sollten uns mehr einmischen, wie Sie sagen, wir sollten hier Die Dschungel „bevölkern“, gut ausgedrückt. Bevölkern ist wirklich ein feiner Ausdruck, deshalb: entschieden Ja.

    4. Ein Gute Nachtlied für den „Schutzmann“, der die Dschungel entvölkern will und dessen Fake an „Ovid“ erinnert.
      <a href=“„>>>>>

    5. atticus betreffend:
      Mancher Schmeichler kleidet deutlich schlechter,
      als der ein oder andere Kritiker.
      Und damit distanziere ich mich ausdrücklich
      von Ihrem populistisch heischenden ‚Wir‘.

    1. frage nach der verhältnismäßigkeit nun haben sie ihm:
      schon wieder viel:
      aufmerksamkeit:
      geschenkt wo ein:
      kopfschütteln:
      gereicht hätte

    2. @atticus Wieso genau gefällt Ihnen dieses Wort? Da steckt ja eigentlich noch etwas anderes drinnen, eine Größenrelation z.B., die aber trotzdem infantil ist… Ich frage nur aus Neugier.

      Erkenne deine Wortschweine am Gang!!!

    3. Da will ich mal dem Wortschwein auf die Sprünge helfen. Die ersten zwei Zeilen gehen so durch, die dritte und vierte sind handwerklich infantiler Realismus. Jedoch seine Rührung zu loben , wäre ein Akt der Überhöhung. Also:

      sticht er zu und IHN
      rührt ist das helle Blut

    4. bitte read An versuchen sie ma in gerührtes blut
      zu blicken.
      ist nicht. mich wieder meinem spiegel zuwendend.
      schonen sie sich, sonst werden sie zum knechte des schweinehirtens.

    5. @ krautschwalbe Sie sind nicht krautschwalbe – wir stufen sie von nun an als undercover ein und mustern von nun an ein wenig akribischer durch als es unsere Aufmersamkeitsökonomie eigentlich anrät.

    6. «Solange etwas ist», heißt es im ersten Satz eines autobiographischen
      Romans von Martin Walser, «ist es nicht das, was es gewesen sein wird.»

    7. Es gibt Tage, da bin ich völlig humorlos. Heute ist so ein Tag. Wenn die Herrschaften ihren Rotwurstkessel vielleicht an anderer Stelle in den Dschungeln zum Kochen bringen würden,
      wäre ich nicht traurig, ja ich vermute sogar, dass der Humor zurück käme.

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