6.15 Uhr:
[>>>> Nono: Come una ola di fuerza y luz.]
und dunkel vor Wärme das Holz
zum Blut
Erinnerung an >>>> Beth-al-Sâm, Bruchstücke: wie Tatzen aber weich, niemand schrie, keiner wurde vergewaltigt, alles war Hingabe, ohne Erlösung schließlich: dennoch. >>>> Ophelia Abeler schreibt mir zu den Auszügen aus ARGO: „Meine Herrn, das ist ja mal ein Werk! Meine Lieblingspassage ist die Beschreibung Brems, seine Lebens- und Wohnsituation, die Geschichte, wie er zu seinem Beinamen “Gelbes Messer” kam.
Die Frage ist, wie man das alles, zumal das Science-Fiction-artige Szenario mitsamt seinen Charakteren, Orten und Gesetzen dem Leser unbekannt ist, verständlich machen kann – die Länge würde passen! Eine Legende? Eine Zusammenfassung des bisher geschehenen in groben Zügen? Ab- oder zugeneigt, Du?” – Zugeneigt. Logisch. Sowieso: „na logo, statt logisch”, wie >>>> Aikmeyer in Heidelberg spottete, allerdings auf den zunehmend bildungslosen Ereignishorizont der „Neuen Deutschen Universität” gemünzt.
Um kurz vor sechs auf, Latte macchiato, Morgenpfeife und eine Erektion, die den deutlichen Character eines Vektors hatte: mathematische Erregung. Wille. Man kann sich damit recht gut konzentrieren, wenn man den Vektor verschiebt. Klar, man könnte das eine Sublimation nennen; das ist es aber nicht. Sublimation moderiert, genau darum geht es (mir/meinen Arbeiten) nicht: k e i n e Beruhigung. Deshalb heute morgen >>>> der Nono. Erst wollte ich K.A.Hartmann hören, aber dachte dann, wenn ich das mit den Eingangszeilen dieses Arbeitsjournal kombiniere, kommt eine falsche, eine unbedingt zu meidende Assoziation dabei heraus.
Der Tagesablauf ist noch unklar; es ist einiges Administrative zu erledigen, vor allem sind Rechnungen zu schreiben. Dann wird es ganz sicher wieder >>>> um Hettche und den FREITAG gehen, also durchaus um FAZ ./. DSCHUNGEL via FREITAG, was nicht ganz ohne Witz ist, weil ich ja selbst bisweilen für die FAZ schreibe, wenn auch vor allem über Musik. Ich muß meinen diesbezüglichen Dschungeltext noch ein wenig modifizieren, er muß mit der verstreichenden Zeit gehen. Ans Cello will ich. Und „zwischendurch” muß Zeit für Beth-al-Sâm sein. Nachts telefonierte ich noch einige Zeit mit der Löwin, d a rüber und über anderes, das in Zusammenhang mit Netzpoetiken steht. Ich will auch wegen der BAMBERGER ELEGIEN telefonieren, nein, besser noch: im Verlag vorbeischaun und beim anderen Verlag wenigstens anrufen.
An Vergil habe ich für das Gelage, das durch die Nacht ging, mich aber schließlich am Flughafen Rheinmain erwachen ließ, keine direkte Erinnerung mehr. An Šahrzād aber sehr wohl, und an شجرة حبة, sowie an die Dienerinnen, die uns den Tee brachten. Vergil, spüre ich, beobachtete; ich m u ß das kursiv schreiben, damit sämtliche Ober- und Untertöne dieses Wortes Klang werden können; an sich ist es kein Wort, das kursiviert werden müßte. „Sie haben”, sagte Šahrzād, „von dem Kuchen genommen, den ich Ihnen gereicht habe. Sie können ihn nicht mehr ausspeien, nachdem Sie geschluckt haben. Sie müssen jetzt verdauen. Es war Ihre eigene Wahl.” Ich verstand sie erst nicht. „Wenn einer bestimmte Übertretungen begonnen hat, kann er nicht aufhören, ohne sich einem Leiden auszusetzen, das letztlich körperlich ist. Übertretungen sind, wenn sie Erfahrung wurden, irreversibel. Es sei denn, er gründet eine Religion.” „Sie sprechen verrätselt”, sagte ich. Sie tat eine fürstliche Handbewegung: so knapp hat damals Arafat dem sich neben ihm ständig herabbeugenden christlichen Lakaien gewunken: schweige! der aussah wie ein KP-Funktionär. Ein Einflüsterer war das gewesen. 2001 in Ramallah, wohin ich tatsächlich wegen eines freilich ganz anderen Artikels im FREITAG eingeladen worden war; woraus dann für den Deutschlandfunk mein Jerusalem-Hörstück entstanden ist (wer mag, kann es als CD >>>> über das fiktionäre Kontaktformular bestellen, 10 Euro bitte plus Porto). Die Wannen wurden gebracht. „Lassen Sie sich baden”, sagte Šahrzād, „ich will Ihnen zusehen.” Da stand Vergil noch bei ihr und sah furchtbar wie Arafats christlicher Ratgeber aus. Es war eine Prüfung, das Bad war eine Prüfung. Ich erinnere mich ihrer wahrscheinlich nur der Morgenerektion halber wieder: irgendwie war das Bad Nobilitierung. Šahrzād selber, selbstverständlich, blieb unerreichbar, unberührbar, aber jede der anwesenden Frauen symbolisierte sie, symbolisierte sie körperlich. In diesem Moment, jetzt, hier am Schreibtisch, verstehe ich, in welchem Umfang sie „körperlich” meinte.
Aber zurück zum FREITAG. Ich bin wieder hier, das muß ich mir klarmachen. Mein Sohn, die Zwillingskindlein, लक, auch >>>> Aléa Torik. Und >>>> Melusine. Die Arbeitswohnung sieht aus wie Sau. Ich fange an, völlig zu verstehen, was Šahrzād mit „verdauen” gemeint hat. Der Fünfte Zwischenbefund zur Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens ist liegengeblieben. Die Skizzen zur Polyamorie sind liegengeblieben. Leute, ich brauche den zweiten Latte macchiato. Die Erzählung Der Dschungel geht weiter.7.57 Uhr:
„Alles, was dich antreibt”, sagte شجرة حبة, „ist Sexualität – ob deinen Geist, ob deine Beweglichkeit, selbst, ob du kochst. Und wenn du Musik hörst, dann sowieso.” Sie hat recht. „Alles ist für dich ein Ausdruck von Eros. Du darfst nicht den Fehler begehen anzunehmen, daß das auch bei jedem anderen so ist. Das führte auf allein Seiten, auch deiner, zu Mißverständnissen und Fehlurteilen.” Wahrscheinlich hat sie recht. Selbst Zerstörungen, Erdbeben, Kriege, das Meer, die Wüste, die Dschungel erlebe ich in allererste Linie als sexuelle Erscheinungen, erst danach kommen politische und soziale Überlegungen: sie sind für mich wie Rationalisierungen, die die eigentlich wirkenden Kräfte verschleiern.
9.37 Uhr:
Sò. Jetzt steht auch >>>> die Originalfassung meiner Polemik in Der Dschungel, allerdings als Kommentar. Auch Zintzen hat begonnen, die Geschehen zu dokumentieren, >>>> wobei sie auch FAZ-Kommentare erfaßt. Ich bin sehr gespannt, ob >>>> Johannes Auer sich ebenfalls melden wird.
13.35 Uhr:
[Vor dem Mittagsschlaf nach den Wegen.]Post: Das Finanzamt stundet einstweilen einen Betrag, das Belegexemplar >>>> vom Freitag kam an, die Visacard möchte ihren Betrag, Tammen schickt mir Besprechungen des >>>> Horenbandes und >>>> Martin v. Arndt hat mir seinen Roman >>>> „Der Tod ist ein Postmann mit Hut” eingetütet. Ich darf nicht vergessen, ihm im Gegenzug, so ist es verabredet, eines meiner Bücher zu schicken; er wünschte sich „In New York”, aber ich habe, sah ich gerade, kein Exemplar mehr außer dem eigenen für mich in meiner Bücherbordreihe. Nun steht >>>> dieser Roman aber ja online, so daß Arndt es vielleicht verschmerzen und sich etwas anderes aussuchen mag.
Auf dem Fahrrad ging mir >>>> Sumuzes Kommentar durch den Kopf, vor allem eine Stelle in ihm, auf die ich hier und nicht in dem Hettche-Beitrag eingehen will; dort gehörte meine Replik nicht hin, führte zu weit vom Thema ab:Sie lieben den Gestus des Risikos, das macht sie oft amüsant und spannend, aber auch sie müssen Miete zahlen und ihre Kinder in die Schule schicken.Das finde ich ein bißchen allerhand („sie” ist nicht großgeschrieben, sondern meint „die Künstler”), denn auch ich habe Kinder zu versorgen, ohne daß ich mich korrumpiere. Dieses nicht zu tun, ist sogar Pflicht des Vorbilds. Ja, das Leben wird dadurch ein wenig weniger leicht, das ist wahr. Aber es geht doch im Kunstbetrieb nicht darum, wie unter der Securitate, daß man selbst oder die Familie tatsächlich an Leib und Leben bedroht wäre; es geht doch wirklich nur um ein bißchen mehr oder weniger Einkünfte. Sich deretwegen korrumpieren zu lassen, ist, schaut man sich andere Länder an, nicht nur peinlich, sondern geradezu ekelhaft. Daß bei tatsächlicher Lebensbedrohung manche Werte disponibel werden, rein aus Notwehr, stelle ich nicht in Abrede – wohl aber innerhalb einer Gesellschaft, in der niemand wirklich umkommen kann. Mitläuferei h i e r ist durch nichts, durch gar nichts zu entschuldigen. Und jetzt lege ich mich schlafen.
21.30 Uhr:
[>>>> Bar am Lützowplatz. Straßenterrasse.]Warten auf den Profi. Ich hab den Laptop mitgenommen, um die Hettchediskussion in Der Dschungel im Auge zu behalten: die Trolls sind wieder unterwegs. Vorher Am Terrarim bei der Familie gewesen, zu Abend gegessen, mein Sohn kam von einem Fest; >>>> Susanne Schleyer, mit der ich mich nachmittags traf, gab mir eine Serie Fotos, die sie mit meinem Jungen wie jedes Jahr, seit er zwei Jahre alt ist, im Oktober aufgenommen hat: sie stellt eine Reihe zusammen dreier gleichaltriger Kinder, die ihre Entwicklng bis zur Volljährigkeit begleitet. Spannendes Unternehmen, mein Bub ist eh eine Rampensau. Morgen, à propos, ist er bei einem Filmcasting dabei; das war nicht meine Idee. Aber ich werde ihn begleiten und bin gespannt.
>>>> D a war viel los, aber unterm Strich bestätigt sich gegen meine Meinung seine Vorausschau, es werde letztlich alles beim Alten bleiben; jedenfalls bestätigt sie sich vorübergehend&einstweilen: man muß nur mal auf der FAZ-Site schauen. >>>> Dafür melden sich beim Freitag die alten Widersacher, mit denen ohnedies zu rechnen war, wieder: Stulli ist Hadie, für den ich eine Haßnummer bin; keine Ahnung, welches Mädel ich ihm mal ausgespannt habe oder ob er nur für sich selbst aus der Ostherkunft eine innere Ethnie gemacht hat. Immerhin mäßigt er sich im Freitag, während er hier stets ordinär herumblökt.
1.12 Uhr (17.4.):
[Arbeitswohnung.]
„Was w i l l >>>> der denn?” rief der Profi aus, als er kam und hatte gerade des Stumpfrichters Kommentar gelesen. „Das ist doch ein ganz großartiger Romananfang! Da wollte ich sofort weiterlesen!”
Einen Talisker noch, bin soeben heimgekommen, auch etwas essen sollte ich noch. شجرة حبة war nicht erreichbar, ich versuchte es gegen Mitternacht. Vorher über eine Frau Dadu, eine Sudanesin, gesprochen, die dem Profi die Sehnsucht verdreht; schließlich kam seine Geliebte in die Bar, wir sprachen über Heilkunde & Literatur, auch über >>>> Dietmar Sievers und seine Haßnummer(n), sogar die Löwin kam, aber nur am Rande, diskretionshalber, vor. Ich hatte zwei Ideen für die Paralipomena, vergaß sie dann aber wieder im bißchen Alkohol, den wir nahmen. „Du kriegst noch Geld von mir, ich weiß”, sagte ich. Zum Profi. Er kriegt sogar noch v i e l Geld von mir, ich würde das nie bestreiten. Visionen sind teuer, und wenn man sie selbst nicht bezahlen kann, aber ihnen konsequent nachjagt, zahlen andere die Rechnung. Das ist in Ordnung, aber sie müssen wissen, daß man es ernst meint und die anderen nicht ausnutzt.
Ich versuch’s nochmal bei der Löwin, dann geh ich schlafen. Beth-al-Sâm ist weit weg. Aber da.
Das Foto steht drin.
Damit schießen Sie weit über das Ziel hinaus, das ich habe stecken wollen: „Aber es geht doch im Kunstbetrieb nicht darum, wie unter der Securitate, daß man selbst oder die Familie tatsächlich an Leib und Leben bedroht wäre; es geht doch wirklich nur um ein bißchen mehr oder weniger Einkünfte.
Abgesehen davon, daß es erstaunlich ist, wie billig Menschen aus dem zweiten Glied oft zu kaufen sind , bezog sich meine Aussage weniger auf Anreize zur Korrumption als auf die simple Tatsache, daß Menschen ihr Leben bezahlen können sollten und daß dieses in der Regel Kompromisse (an Zeiteinteilung, an Zielsetzungen, an diversen Unannehmlichkeiten wie etwa ungeliebten Arbeiten usw.) erzwingt.
Ich würde eine Busfahrerin jedenfalls nicht als korrumpiert ansehen, nur weil sie, die lieber Astronautin geworden wäre, das aber nicht geschafft hat, nun einen Bus in der Stadt herum kutschiert, statt verbissen unter dem Dach Apollo-Kapseln aus Pappe zu basteln. Und ebensowenig einen Musiker, der, weil er seine Kompositionen nicht staatlich alimentiert vor einem handverlesenen Publikum darbieten kann, im Kurorchester den Tanzmucker gibt, statt sein Instrument in die Ecke und den kleinen Spiegel auf den Tisch zu stellen.
Bedrohungen von Leib und Leben sind da ein ganz anderes Kaliber. Und das Verhalten gerade von Künstlern (wie auch von manch anderer Berufsgruppe) in solchen Zeiten ist ein eigenes (sehr trübes) Kapitel. Ich bin froh, das nie selbst erlebt zu haben, in jeder Hinsicht, und würde solchen Entscheidungen gegenüber den Mund lieber nicht zu voll nehmen.
“solchen Entscheidungen gegenüber den Mund lieber nicht zu voll nehmen.” Genau das k a n n ich mir, meines geraden Lebens halber, leisten. Wobei es kein “zu voll” bei mir gibt: Ich beiße, was ich auch kauen kann. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Ich stand und stehe dafür mit meinem Leben ein. So pathetisch das klingt, so pathetisch lebe ich es. Ob Sie mir das glauben oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
aus :
“die lebensbedrohlichkeit der schrift in konnex mit elektronischem schriftverkehr und einer alleinstehenden dame “
der literat als virtueller internet-despot.
nutsed version.
( part x )
@calegrabber: Erlauben Sie mir, obwohl es sich um meine eigene Website handelt, daß ich einmal lache? Ich betreibe eine Netzpräsenz unter Millionen und bestimme in ihr Beiträge und Ästhetik ganz so, wie ich es für richtig halte und wie Millionen weiterer Betreiber von Netzpräsenzen das tun, d.h., ich behalte mir vor, Kommentare und auch Beiträge nach meinem Ermessen zu moderieren. Das ist bei der FAZ nicht anders als beim Freitag, bei sämtlichen Netzpräsenzen von Parteien und Unternehmen. Wenn Sie das “despotisch” nennen, fällt der Begriff völlig in sich zusammen. Despotisch wäre ich, hätte ich die Macht und den Willen, das Internet-Geschehen insgesamt zu moderieren – so, wie das gegenwärtig je nach Nationeninteresse politisch versucht wird. Man nennt so etwas >>>> “Regulation”. Übrigens gibt es für sie durchaus bedenkenswerte Gründe.
Meine Aussage, den Mund lieber nicht zu voll zu nehmen, bezog sich gänzlich auf den meinen. Wie voll Sie Ihren nehmen wollen, ist allein Ihre Entscheidung und geht mich nichts an.
Ich neige dazu, bis zum Beweis des Gegenteils Menschen Aussagen über sich selbst abzunehmem. Und Pathetik stört mich keineswegs, falls sie kein Wolkenkuckucksheim bewohnt.