Die letzten Tage 101

Piazza del Bel Pensiero, hatten sich die Wohlmeinenden der Poesie in Toffia an die Mauer ihres Gassenwinkels gehängt. Zwei andere Gassen hatten sich in voll besetzte Refektorien verwandelt. Tischfluchten. Geruch von Gegrilltem und Pommes frittes. Ein Geschiebe und Gedränge vor den Bon-Ausgabestellen. Überhaupt die direkte Zufahrt zum Ort gesperrt, wegen eines Konzertes. Den Namen des Auftretenden habe ich schon wieder vergessen. Schlendern durch die andern Gassen auf der Suche nach „meinen“ Texten. Bei einem mußte ich mich bücken. Man hatte ihn zusammen mit anderen von der Wand genommen und auf die Straße gestellt. Um neun sollte dann auf dem Schöndenk-Platz, an dem eine Treppe hinaufführt zur Betreiberin des Ganzen und eine Wohnung angrenzt, deren Besitzer dann später für Essen und Trinken sorgte, eine gegenseitige Vorstellung von Kurzromanen stattfinden. Außer den Autoren waren die/der jeweilige Angeheiratete, die Kinder der Autorin (das schon kinderwagenlose Mädchen hatte Engelsflügel und liebkoste während der Büchervorstellung eine Nacktschnecke, ließ sie behutsam auf ihre Hand gleiten, besorgte ihr ein Blatt, neugierig hinschauend hielt sie mir lange die Hand vor die Augen), die Betreiberin und ich zugegen. Also en famille. Der eine sentimental und von zarten Gefühlen, der andere dick aufgetragen. Plötzlich füllte sich der winzige Platz. Leute, die sich alle zum Essen angemeldet hatten. Einer saß neben mir: „Alles Römer hier.“ Merkte man, Römer haben ein gewisses Verhalten, die Frauen ein gewisses Aussehen, nie wirklich schön, zurückhaltend schon gar nicht. Kurz, stadtflüchtige Römer, die ihren Kiez auch auf dem Lande durchaus brauchen (und sei’s an entlegenen griechischen Stränden). Muß an der allgemeinen staatlichen Angestelltheit liegen. Das verschwand dann irgendwann, aber ein paar mehr Leute blieben doch, allerdings Einheimische, die den Wirt wohl gut kannten und seine Verbindung zur Poesie-Veranstaltung: Nachbarschaft. Und dann machte ich mir den Spaß, etwas vorzulesen. Kam gut an. Sogar eine, die etwas grammatisch Schiefes kritisierte. Ich glaube ich werd’s ändern von „Dove si ferma l’orma dell’uccello“ in „Dove l’orma finisce dell’uccello“. Denn die erste Version klebt an der Verbposition eines deutschen Satzes fest. Eine Maria holte noch zwei Gedichte aus ihrer nahen Wohnung. Schwer war’s dem Gebißmund zu artikulieren, und das Zuhören ein Akt der Konzentration. Das eine über die sich in alle Welt zerstreuenden Auswanderer endete mit der Feststellung, man werde überall vergewaltigt. Dann die 80 km wieder zurück über Rieti und Terni.

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