8.19 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Verschlafen habe ich, wenn auch nur nach dem strengen Maßstab der Disziplin, die mich um 4.30 Uhr aufstehen heißt. Aufgestanden bin ich um fünf. Den Wecker nicht überhört, nein, aber in Trance ausgeschaltet. Es war der Teufel der Vorsicht, der mich gestern nacht, da war es Viertel vor zwei, noch eine zweite Weckzeit einstellen ließ, es war das beelzene Bübchen der Umsicht.
Und doch noch so müde. Es ist faszinierend, wie konzentriert einen Müdigkeit macht, – vielleicht tut sie’s alleine, weil an der Müdigkeit eine gewisse Willens-, nein Begehrensmattheit haftet, weil sie ihr sogar eigen ist. Deshalb nur eben, nachdem der Latte macchiato bereitet, >>>> das DTs geschrieben und dann sofort an die Erzählung gegangen. Und sofort in ihr dringewesen. Ich hätte auch jetzt noch nicht unterbrochen, wäre nicht meinem Sohn, der von der Mama kam, sein Schulranzen hinunterzubringen gewesen. Das war die erste Zäsur, der die zweite gleich folgte: der Morgenanruf bei meiner Löwin, der ich noch anhören konnte, wie sie sich duftend vor Schlafschwere wand. Sie habe bis vier noch gelesen. „Ja was denn?” „Hamsun, Mysterien.” Grandioses Buch. „Und einen Film geguckt.” „Ich auch. Zum Henker: what a waste of time! Aber >>>> ich hab mich so geärgert nachts.” Daß Alfred Harth >>>> das begriff, ja offenbar mitfühlte, erzählte ich ihr noch nicht; das wird sie nachher selber lesen.
„Noch zwei Tage.”
„Noch zwei Tage.”
Dann liegen wir uns wieder im Arm. Und nicht nur in dem; aber das liegt nicht. Jedenfalls will sie eigens aus Wien nach Frankfurt fliegen und die ganze Woche über bleiben. „Ich hab da sowieso zu tun. Bleibt ja alles liegen, wenn ich hier bin. Aber auf Buchmesse gehe ich auch.”
Ich bin in der Sainte Chapelle und gleiche, >>>> was ich aus der Imagination beschrieb, mit meiner tatsächlichen Anschauung ab, um beides zu verbinden. So etwas muß Evidenz haben noch dann, wenn ein Leser die Erzählung mit dem realen Ort vergleicht. Ich bin mir sicher, es funktioniert bislang gut. Um die Passage zu erden, habe ich noch im Netz recherchiert: Baugeschichte auch der angrenzenden Gebäude, z.B. des Zentrums der Kriminalpolizei. Die kam mir überaus gelegen. Dann quasi gleich nebenan die Seine, was eine Hinübergleiten in die Bootsszene sehr erleichtert. Fast alles, immer, bedarf der wirklichen Orte, man muß sie kennen und schmecken und riechen, damit ein um sie erhöhter fantastischer Raum sich belebt und nicht nur abstraktes Gedächtel ist. Zum Beispiel sowas:
Dennoch, meine Zeit ist eng, weil ich sowohl für die Buchmesse als auch schon für Sizilien packen muß; ich bin ja ab übermorgen anderthalb Wochen am Stück unterwegs, und dann habe ich kaum einen halben Tag in Berlin, bevor es für die folgenden zehn Tage nach Sizilien geht. Es wird darüber nicht leicht sein, die Arbeitsdisziplin für die genuin literarische Arbeit zu halten. Muß aber sein, sonst erschaffe ich nicht, was ich will.
Witzigerweise bekam ich soeben Post aus Paris. Da ist nun zur Zeit nicht etwa wieder die Löwin, die ist ja noch in Wien, sondern die Dottoressa: „…lang lebe der französische Altweibersommer!” rief sie in der Nachricht aus, als hätte sie mit einem BH’chen gewunken. Was sie mental auch getan haben dürfte.
Guten Morgen, meine Leserinen. Winken, bitte, auch Sie. Es beglückt mich und tut meiner Arbeit gut. Zum Dank für Ihre Brüste stelle ich dann ein neues Bearbeitungs->>>> Canapé, das ich von einer Täfelung der Sainte Chapelle genommen, in Der Dschungel für Sie ein.
10.37 Uhr:
Selbstgedrehte. Wie bekommt man das hin, daß die Finger nicht so häßlich gelb werden? Oder wie bekommt man das schnell wieder ab?
Habe den Einkauf vorgezogen und das Sauerkraut bereits aufgesetzt, das der Junge so sehr gerne ißt, sowie vor allem die Kasslerschulter angebraten, was, weil ich hier nach wie vor meiner Großmutter folge, viele Zwiebeln, viel Rühren und viel Zeit braucht: für die Sauce nämlich, die ich dann allerdings leicht anders bereite. Mit Spuren von Zimt, etwas Rosmarin, die beide schon zur Einbrenne kommen. Beide Tröpfe bruzzelt jetzt vor sich hin; beim Sauerkraut wird kurz vor dem Abschluß eine halbe Flasche Wein zugekippt; der Champagner war mir zu teuer.Dann eine Kanne Tee aufgesetzt, d a s Getränk für Arbeitsphasen; zu Wolpertinger- und Thetis-Zeiten trank ich literweise Pfefferminztee, schlicht und einfach auf Beutel gebrüht, kein großes Gesimse, zu dem, wenn man arbeitet, nämlich gar keine Zeit ist. Wie auch jetzt nicht. Bis mittags möchte ich die versprochene Partie für Sie einstelln.
12.06 Uhr:
Hab ich >>>> gemacht. Jetzt eine Stunde schlafen.
17.11 Uhr:
Das Schöne ist, daß sich über anonyme Kommentatoren >>>> die Wahrheit frank und frei aussprechen läßt, ohne personenrechtliche Folgen fürchten zu müssen. Das ist bei kenntlichen Leuten ganz anders, da kann die Wahrheit Beleidigungsklagen nach sich ziehen.
Bin an der kleinen Blogtheorie. Dazwischen mit meinem Sohn Englisch geübt: unregelmäßige Verben.
18.55 Uhr:
Immer noch an der Blogtheorie gewesen, dann abermals mit dem Jungen diese Verben eingepaukt; versucht sie in eine rhythmische Melodie zu verpacken, die ich dann vorsang und ihn nachsingen ließ. So sangen wir schließlich zusammen. Wolf Singer sagt, man solle unbedingt direkt vor dem Schlafengehen noch einmal lernen: das behalte sich am allerbesten. Hab drüben angerufen, wo er heute schläft, daß bitte seine Mama das mit ihm tut.
Lesezeit, bis halb neun. Dann zum Profi. Manche Blogtheorie-Segmente sind ziemlich umständlich verknorkst; ich brauch dann immer lange, um herauszufinden, was ich da eigentlich gedacht habe, als ich das schrieb. Dann entzwirble ich. Andere Segmente wiederum sind völlig klar, fast gläsern. Unbedingt erhalten in dem Buch will ich die Chronologie… das Ding also nicht nach Themen ordnen.
Lieber Herbst, ich finde Ihre Replik auf Edith88 nicht klug, strategisch sowieso nicht. Denn die Frau wird bestätigt. Vor allem aber riskieren Sie, daß Sie abermals Melusine verlieren, die schon in einem ähnlichen Fall verärgert auf Distanz ging. Ich fände das so schade wie einige Ihrer anderen Leser offenbar auch. Löschen Sie so Kommentare wie Ediths doch einfach, auch wenn ihnen eine gewisse Literarizität nicht abzusprechen ist. Ich verstehe natürlich, daß Ihnen die Hutschnur platzt. Aber möglicherweise ist Ediths Auftauchen auch nur eine Reaktion —-> auf diesen heutigen Beitrag. Damit haben Sie sie wahrscheinlich provoziert und sie damit zurück in die Dschungel geholt.
Denken Sie mal drüber nach.
HED
Lieber Deters, Sie meinen >>>> diese Replik? Offenbar. Und >>>> Sie spielen auf jenes „wieder“ Melusines an? Ich bin nicht korrumpierbar. Gegen manches hilft nur Deutlichkeit, und wenn sie nicht hilft, macht sie doch wenigstens freieren Atem. Wenn ich deshalb Leser verliere, dann sei’s drum; auch für diese, und wenn ich sie noch so schätze, bin ich nicht korrumbierbar.
Daß Edith Kritik an meinen Formulierungen hat, finde ich übrigens in Ordnung; ich diskutiere so etwas bereitwillig aus. Es geht ihr aber gar nicht um den Text, sondern um Häme. Damit mißbraucht sie mein Angebot an die Leser. Das ja niemand wahrnehmen muß. Man kann es mit Der Dschungel halten wie mit irgend einem Buch, das einem nicht gefällt: man legt es beiseite. Oder?
So oder so, Herr Herbst, aber das nehmen Sie zurück: Melusies!!!
@Melusine. Aua! Sie haben recht, Entschuldigung. Meine Tastatur ist bereits wieder so durchgeschrieben, daß einige Lettern mehrfach an- nicht -geschlagen, sondern –gehauen werden müssen, oft sogar mehrfach. Zweimal vier Buchstaben sind bereits mit Tesa verklebt, was ganz gut hält einige Zeit; die Lettern sprangen schon heraus. In diesem Fall nun wollte einfach das „n“ nicht. Wenn ich schnell bin, übersehe ich solche Tippfehler bisweilen, vor allem, wenn das DTs drängt. Aber ich korrigiere so etwas oft auch noch Monate später, sowie es mir auffällt.
Korrigiert: √
Es scheint, als bringe mein Lob, sprachlich gefüllt in letzter Konseqenz meiner Biografie, ihn, den Autor in Verlegenheit, ihn, den Freund und Mitstreiter, in eine Vorwurfshaltung, die allein strategischer Überlegungen geschuldet ist. Wie schade, sage ich, die begeistert Lobende, und wie unerklärlich: diese Mißverständnisse. Und doch, was zählt ist: sie, die Kecke, die aus seinem wilden Aufschrei das Anerkennende filtert, er, der Verzeihende, der so fortschreibend wie zärtlich drängt, ihr Zeit und einen grünen Haken schenkt. Hin zum Gipfel. Werden sie sich oben gar treffen. In Vorfreude: Edith
gegen gelbe finger 1. eine zigarettenspitze. muss dann mit dicken filtern gedreht werden. oder
2. bimstein. nagelfeile geht auch, wenn sie grob ist. über die nägel selber kann man mit einer ganz feinen gehen. oder
3. in der drogerie gibt es bisweilen stifte mit irgendeiner phosphorverbindung, wenn ich nicht irre. „gegen gelbe nägel.“ — die wirken auch auf der haut.
habe ansonsten schon einiges probiert, falls es noch bessere tips gibt, mein ohr ist offen.
schönen gruss!
„Und sie dreht sich doch“ Zitat ANH