Journale zwischen den Jahren. Nunmehr eines Platonikers zweites, darin zweifach gefeiert wird, nämlich Geburtstag. Am Mittwoch, dem 28. Dezember 2011.

7.06 Uhr:
[Arbeitswohnung.]
Ich entsinne mich, wie wir abgeholt wurden, in die Charité, und wie dann, erst der Junge, dann das Mädchen nicht da erst ins Leben kamen, leben taten sie vorher schon, aber an die Luft, und ich nahm erst das eine Kind in die Hände, nachdem es abgenabelt war, und trug es hinüber zum Wiegen, und Finger- und Zehchen wurden gezählt, dann das andere Kind, und die Frau war erschöpft, und als die Plazenta ans Licht kam, legte die Ärztin sie auseinander, breitete sie aus, striff sie, kann man fast sagen, glatt, und ihr Gesicht schimmerte vor Bewunderung: „wie wunderschön“, sagte sie und bat darum, für ihre Studenten. „Nicht für die kosmetische Industrie“, sagte ich. „Nein“, sagte sie, „wirklich für meine Studenten“. Da stimmte sie, die Mutter, zu, bevor sie in ihr Zimmer geschoben wurde, bevor die Kleinen für kurzes ihr aufgelegt wurden, die aber dann in die Kästchen mußten, weil sie, für Zwillinge typisch, Frühchen waren. Aber die Augen der Mutter, wenigstens, konnten ständig bei ihnen sein; es waren kleine Webcams an den umschützten Lagerchen angebracht. Der Junge erkannte schon früh das Elend der Welt; ein wenig hat er‘s beibehalten. Das Mädchen war meist wohlgemut. Täglich zweimal fuhren mein Sohn und ich dort hin. Wir trugen die Kleinen umher, mal die Mutter das Mädchen, den Jungen ich, mal ich das Mädchen, den Jungen sie, mal nahm sie unser nun Großer auch.
Nun sind sie fünf. Und zart zwar geblieben, aber robust. Und frech.
Um neun radle ich hinüber. Es wird ein Fest gefeiert werden, das möchte vorbereitet sein. Freunde kommen und der genetische Vater, der unterdessen auch, einmal pro Woche, zärtlicher Papa ist. „Weißt du“, hat das Mädchen mir neulich gesagt, „ich habe nämlich z w e i Papas.“ Wozu meine >>>> kulturelle Codierung, wie sie‘s ohnedies immer wieder mal tut, leise geschluchzt hat, so aber, selbstverständlich, daß es das Kind nicht mitbekam. Wir Väter sind wollende oder gar keine Väter:Ein ganz unpragmatisches, nicht-instinktives, nicht von Hormonen geleitetes, unplazentisches Sorgen, das eines, das will und nicht muß, ist? – man nimmt es vielmehr als Entscheidung an sich, und man folgt?
>>>> Zwölfte Bamberger Elegie.

Zweiter Latte macchiato, preparato senza Pavoni. Ich muß noch, bevor ich losziehe, die Geschenke verpacken und Kohlen aus dem Keller holen. In mir geht das Gedicht um. Wie muß es, dachte ich gerade, jede andere Frau, die mir nah ist, schmerzen, daß zwei meiner schönsten und schmerzlichsten Bücher für diese eine geschrieben sind, aus der Erfahrung dieser einen, der andere aber, ich darf das nicht vergessen, vorhergegangen sind. Auch auf diese Weise macht man sich schuldig. Über solche Zusammenhänge wäre ebenfalls zu dichten: etwa darüber, wie manche Personen zu Bildern werden – oder sind Bild schon gewesen, als man sie zum ersten Mal sah. Auch sie wären dann, letzten Grundes, Allegorie.

8.07 Uhr:
Man kriegt einen hustigen Lachanfall, wenn man sich >>>> die Charts anguckt. Lauter Kochköpfe und zwischen denen nur noch meiner.

8.42 Uhr:
Offen wahrhaftig, und wahrhaft, zu leben, gehört zum Schwierigsten, das es gibt – von schwerer Krankheit und sowieso Krieg, selbstverständlich, abgesehen. Und dabei gern zu leben, nämlich in ungebrochener Leidenschaft.

Ich zieh los.

22.15 Uhr:
Ich komme vom Am Terrarium zurück, von dem Fest, soeben, und finde >>>> das. Man kann nur den Kopf schütteln, muß indes ein bißchen Mitleid haben ob einer derart uninformierten, doch um so gefärbteren Naivetät. Wollen wir hoffen, daß sie sich nicht als Feminismus versteht. Das hätte die Frau nicht und hätten nicht die Frauen verdient.

7 thoughts on “Journale zwischen den Jahren. Nunmehr eines Platonikers zweites, darin zweifach gefeiert wird, nämlich Geburtstag. Am Mittwoch, dem 28. Dezember 2011.

  1. Zwillinge Zu bewundern diese Frau, die 3 Kinder, darunter ein Zwillingspärchen offensichtlich alleine großzieht, berufstätig dazu noch, ohne den Vater im Haus, der ganz selbstverständlich einen Großteil der alltäglich zu verrichtenden Arbeiten übernimmt. Wem das Glück beschieden war, einen solchen Partner an der Seite zu haben, weiß, was das bedeutet.

    1. @Magaira. Selbstverständlich übernimmt der Vater die Arbeit, die ihm, sowieso und liebend, obliegt. Auch dort, wo es seine nicht wäre (aber selbstredend ist). Und auch im übrigen werten Sie, wohl aus Unwissenheit, falsch und schätzen entsprechend irrig ein: nicht zu Ungunsten der Frau; dafür gäbe auch in der Tat keinen Grund; wohl aber zu Ungunsten des Mannes. Dafür g i b t es einen Grund, doch der liegt nicht in uns, sondern Ihnen. Hätten Sie öfter hier, über die Jahre, gelesen, wüßten Sie mehr, als Sie offensichtlich auch überhaupt wollen. Aber grundlos ebenfalls nicht nennen Sie sich selbst eine >>>> Megäre.

    2. Ich lese hier unvereingenommen nur Hochachtung vor der Frau, die Kritik am Mann legen Sie selbst hinein. Oder sehen Sie irgendeine Mutmassung über Ursachen und Zusammenhänge, die notwendig wäre, um den Mann tatsächlich in ein negatives Licht zur rücken?
      Sie haben – leider will ich meinen, weil sie Ihr Leben damit um eine Nuance schwieriger machen als es sein müsste – die Tendenz, die Anfeindung Ihrer Person in Bereiche auszuweiten, wo sie kein Geger von alleine hinzutreiben auf die Idee käme und geben sich damit eine Blöße, die mich manchmal an den Wolf erinnert, der untertännig den Hals hinhält.

    3. “Untertännig”. Ist ein feines Neuwort.
      Für das ich sehr sensibel bin.

      Ich bin überhaupt ein Seismograph, weshalb ich zwar ein Gras wachsen höre, aber das auch k a n n. Besäßen auch Sie, dobar, diese meine Fähigkeit, dann m ü ß t e ich, worum es geht, nicht nennen; in Bereiche auszuweiten, wo sie kein Gegner von alleine hinzutreiben auf die Idee käme: denn auch darin irren Sie. Lesen sie die Dschungeljahre mal ein bißchen nach, dann erfahren Sie’s.

  2. “Wir Väter sind wollende oder gar keine Väter”

    Ein guter Satz. Auch darum, weil er mich in der Reflexion auf Unklarheiten in meiner eigenen Position stößt. Dafür vielen Dank.

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