Dies wurde nun das zweite wirklich geheimnisvolle, mit Geheimnis aufgeladene Buch nach >>>> den Dämonen. Und von gleicher Magie, ganz gleicher Kraft und einer ganz sogar selben Ungeheuerlichkeit sowohl der stilistischen Durcharbeitung wie Imagination; nicht eine einzige Locke wird hier auf der Glatze gedreht, da ist nicht die geringste Arabeske um ihrer selbst willen, alles ganz fort vom l‘art pour l‘art, das mich sonst so bewegte, und dennoch ist alles, alles autonome Musik. Um die es eben auch geht. So, wie ich Die Dämonen als das Buch meiner historischen Zeit empfunden habe, empfand ich den Doktor Faustus als mein Buch, und zwar als die sachliche Seite dieses Meins. So kam zu dem einen der Roman ein zweiter der Roman hinzu. Ich hatte ein kaum zu fassendes Glück, daß dies mein erster Thomas Mann war, nicht etwa Der Zauberberg und auch nicht die Josephsromane, für die ich damals gar kein Sensorium besessen hätte, schon gar nicht die Saugkraft und das Organ, das sie beim Lesen erzeugt, so daß aus der Rezeption ihrerseits produktive Tätigkeit wird. Es geschieht nur bei wenigen Büchern, daß du sie, während du sie liest, ganz selbst neuschreibst, woraufhin sie zu einem Teil deiner selbst werden. Die Identifikation ist überwältigend und rauschhaft, aber anders als ein Drogenbewirktes beißt es nicht nur von dir ab, sondern wächst in dich hinein, um lebenslang weiter von dir zu essen – nicht nach Art der Schlupfwespen, die aufessen, bis man stirbt, sondern nach Art der Symbionten, von der in einer Variation grad‘ auch >>>> Farah Day erzählt hat und denen ich bewußt erstmals bei >>>> Jadzia Dax begegnete, Jahrzehnte nachher. Noch heut bin ich in sie verliebt – einer Ähnlichkeit vielleicht des Geschicks wegen, das aus ihr und mir jemanden gemacht hat, den man mit Recht einen alten Mann nennt. Nur daß mein Symbiont nicht aus den unendlichen Weiten des Universums kommt, sondern der Literatur entstammte und im speziellen Fall mich auswählen konnte, weil ich schon vorbereitet war. Es ist enorm viel Adorno sowohl in Leverkühn wie im Teufel, der dem Komponisten da auf dem Roßhaarsofa sitzt, aber in Leverkühn auch Alban Bergs furchtbare Migräne, und die harmonische Idee stammt von Arnold Schönberg, der darum nachher mit Thomas Mann beinahe ums Urheberrecht prozessiert hätte, aber die Gestalt ist Heideggers und die Figur Gustav Mahlers.
So war ich vorbereitet worden, ich ging, anders als bei den Dämonen, nicht leer in die Begegnung, wußte schon manches zuzuordnen, das mir vertraut war, innig vertraut, und anderes war meines Widerspruchs sicher, den braucht, wer überzeugt werden soll, weil man aufs Weiße allenfalls neuschreibt; doch es gibt da nichts zu vertiefen. Der Faustus greift aber auf ein Wissen, das vorher schon gewesen sein muß, und sei‘s nur als schon gefühltes; er setzt auch voraus, daß wir Goethes humanistische U mschreibung kennen und wie das alte Stück geendet: mir war das über die Achte, die Sinfonie der Tausend, zugekommen. Die ich jetzt auflegen will, Solti, CSO mit Kollo, Shirley-Kirk, Talvela, mit Harper, Auger, Popp, meine alten beiden Schallplatten, erstanden etwas vor der Zeit, die hier in Rede steht, und dennoch, trotz ihres Alters, kommt gar keine CD an die Brillanz dieses Decca-Vinyls auch nur irgend heran… –
– schon, im Tutti, ruft sie aus, damit es aber richtig b r a u s e – und ruft h i n a u f… ach! Veni creator spiritus! dieser Ausruf aller, die da schöpfen, um Begnadung… – , während ich nun weiterschreibe, – – – und diese Zigarre will ich, dem Thomas Mann zu Ehren, rauchen,
wie e r das immer tat, und >>>> Freud. Was wissen unsre cleanen „Jungen“ denn? Denn jetzt sind wir dabei, uns wirklich zu befreien. Deshalb bekommen wir eine Ahnung, was nicht-naives Lesen sei, das aber nicht minder intensiv als alles, was wir über Plots erfahren und in den Plots gelebt haben. Nun schließt der Geist zum Gefühl auf.
Nämlich unerachtet jener Interpreten – sie haben eine eigene, und bedeutsame, Auslegungstradition -, die den Doktor Faustus als eine Parabel in allererster Linie verstehen, die auf das sogenannte Dritte Reich geht, habe damals ich das Geschehen um Adrian Leverkühn völlig konkret, ja naturalistisch verstanden. Darin schließe ich das große Gespräch mit Samuel ein, der Leverkühn, nachdem er sich einer von jenem, auch Mefistofeles genannt, ausströmenden Kühle wegen, zu der es nur noch eine einzige Entsprechung gibt, im Schneekapitel des Zauberbergs nämlich, den Wintermantel geholt hat und das Plaid, das nun dem Komponisten auf den Oberschenkeln liegt, einen Vertrag offeriert, von dem der gar nichts wußte.
Das nämlich ist das erste Ungeheure, das Thomas Mann dem alten Mythos hier an Neuem gibt. Es wird ein zweites, noch Ungeheureres folgen. Das ist ein Dichter, der es schafft, einen Mythos nicht etwa umzuschreiben, und so erbärmlich klein, wie es >>>> die Wolf tat, aber verständlich natürlich im Rahmen der pragmatischen und rechtkorrekten Denkungsart, sondern ihn aufzuladen neu mit einem ganz neuen Bild, das mit dem alten dabei gleichzieht, als hätt es drauf gewartet – ganz so, wie jedes Erkennen Liebender, sagt Bloch, Anagnorisis sei: Wiedererkennen.
Der Teufel ist Gestaltenwandler und nimmt auch physiognomisch G u t e s in sein Reich. Er wird geschluckt haben, Adorno, der den Dichter intensiv in den musikphilosophischen, aber auch faktischen Sachen der modernen Kompositionen hat beraten, in Sachen des Handwerks der Harmonielehre wie ihrer Technik, da er sich selbst aus Teufelsmund muß sprechen hören und im Aufzug des Widersachers obendrein, s e i n e s, der eben Heidegger gewesen (klicken Sie drauf, dann können Sie’s lesen):
Verwandlung. Verwandlung. Wie sind zum Greifen nahe unsere Verfahren hier, die wirklichen Menschen, ob wir sie lieben oder nicht, mit den Gestalten der Geschichte unablösbar melangieren zu lassen und mit den Ideen, allen, die uns nah sind, dieser Welt. Das Bitterste zumal: Seit vierhundert Jahren hat alle große Musik ihr Genüge darin gefunden, diese Einheit als bruchlos geleistete vorzutäuschen, – sie hat sich darin gefallen, die konventionelle Allgemeingesetzlichkeit, der sie untersteht, mit ihren eigensten Anliegen zu verwechseln. Und das, so sehr durchrann es mich, gilt für die Dichtung nicht? Und aber, sagt der Samuel und nennt den Komponisten ‚Freund‘: Freund, es geht nicht mehr. Die Kritik des Ornaments, der Konvention und der abstrakten Allgemeinheit ist ein und dasselbe. Was der Kritik verfällt, ist der Scheincharacter des bürgerlichen Kunstwerks, an dem die Musik teilhat, obgleich sie kein Bild macht. Es ist aus damit. Aus. Was das nicht sehen will, ist Industrie, Kulturindustrie. Die freilich weiter ihre Urständ‘ feiert.
Was für ein Roman! Und daß das Roman i s t. Der zugleich seine Handlung nicht verrät, die der Schein der schönen Melodie wär, wann man das vergliche. Wie bring ich‘s überein? zumal mit meinen einundzwanzig, damals –
Das hätte ich freilich hier noch beiseitelegen können. Aber dann fügt Thomas Mann dem Mythos noch ein Zweites Neues bei, legt es hinzu, amalgamiert es ein für alle Male: Nie darfst einen Menschen du lieben. Nicht die eigene Seele ist der geforderte Tribut, einzuholn nach vierundzwanzig Jahren, sondern die des Menschen, den man liebt –
Furchtbareres ist nicht zu denken und zu fühlen.
So sitzt das nun und bleibt.
Wer Spötter ist, darf das getrost ein gutes Glück im Spiel und böses Pech in der Liebe nennen, nur daß das Pech den Spieler nicht trifft, sondern ein an diesem Casus ganz unschuldiges Kind, das zu Leverkühns Verzweiflung dessen Preis zu zahlen hat. Wobei hier, als Movens des Romans, ein Pädophiles noch >>>> von Andersen herüberklingt, das mich begleiten wird bis in des Nabokovs Vollendetstes hinein, >>>> Ada or Ardor, das, weil ich‘s erst so spät gelesen, in meine Prägungen leider nicht gehört, sondern mir bestätigend Erfüllung wurde, so daß ich‘s nun ein zweites Mal schon nenne – jenes Verbotene, für das selbst ich eine Standarte halte, der Sublimation, dem dieser innre Feldzug fremd ist und auch lästig, wenn ich den Blick hinüber nach Venedig tu und Aschenbach vor Augen habe.
Der Zauberberg erreichte mich erst n a c h dem Faustus. Das war ein großes Glück. Jenen habe ich benutzt, hab ihn um- und umgegraben, habe mir Personen geliehen, um sie zu entstellen, zurechtzuentstellen vermittels eines weiteren Großen, der jetzt schon, morgen, kommen wird. Habe mit Manns Ideen geschaltet und gewaltet, wie es mir einkam, weil das die Poetik wollte. Aber den Faustus halte ich so heilig, daß mein eignes Blut erst im Namen meines Sohnes an ihn zu rühren wagte. Vielleicht, daß dieser Junge eines Tages, wenn er im Alter seines Vaters sein wird, das zurückzuschauen anfängt, dieses Buch erkennt und daß er dann, längst schon selbst ein Mann, weiß. Wir tragen unsere Namen nicht grundlos. Es geht um Gefällnis nicht, sondern Erbe.
Und spät, so spät wie Ada, erreichten mich die >>>> Josephsbücher, die nun schon Bücher nicht mehr sind, sondern Wunder, wie es nur eines ist, von dem ich >>>> hierauf sprechen möchte. Jene aber wurden mir tatsächlich in ihren Erstausgaben, die noch in Stockholm erschienen, in die Hand gegeben:
Und damit, soeben, klingt auch die Achte Sinfonie, auf daß sie nie zuendegehe, aus. Auch das ist nicht inszeniert. Und es ist nicht beliebig.
(Aber ich lege diese Sinfonie nun für mein zweites Hören auf.)
(Und n o c h ein Nachsatz:
Lieber >>>> Manfred Hausmann, Sie mögen sich mit Thomas Mann sehr schwer zerstritten haben. Doch nach dem Ende der Menschen, die wir waren, liegen wir manchmal beieinander. Und wirken dann gemeinsam. )
Entdeckung Großartig, genau diese Ausgabe des Doktor Faustus entdeckte ich soeben im Bücherschrank meiner Tochter, ein Erbe ihres Großvaters, mit einer Widmung aus dem Jahr 1949: „Zur Erinnerung an den ersten Geburtstag nach Krieg und Gefangenschaft, 1. Juni 49, Dein Freund Erich.“ Werde wohl in den nächsten Tagen auf der Spur dessen, was ANH geprägt hat, in dem Buch so manche Stunde herumschmökern, mit der Aussicht, auch zum Werk des ANH und zur zeitgenössischen Musik einen noch besseren Zugang zu finden.
Bis heute @Cellofreund wünsche ich mir, daß meine Bücher eines Tages genau in diesem Satz gesetzt sein werden; immer habe ich das gewünscht: diese Type, diesen Durchschuß, diesen Satzspiegel. Zum Beispiel für den >>>> Wolpertinger. Das ist allerdings komplett unrealistisch. Er hätte sonst nämlich nicht tausend, sondern zweitausend Seiten.
Aber schon für >>>> Thetis wäre es gegangen.
Aber vielleicht später einmal, im Alter, wenn mein letztes großes Projekt geschrieben ist, der Friedrich-Roman. Für den ich mir viel Zeit nehmen will. (Aber auch an Anderswelt sitze ich ja seit nunmehr achtzehn Jahren. Der Wolpertinger brauchte nur zehn,)
Friedrich- Roman Friedrich- Roman? Ein biographischer Roman? Über welchen Friedrich? Darf man das schon erfahren? Vielleicht haben Sie darüber schon geschrieben und es ist mir entgangen.
Friedrich Der Stauferkaiser, dessen Sarkophag im Dom von Palermo steht- 1995 war ich dort. Und der erste Satz- vielleicht „Nennt mich……….Federico??“ Schade, daß Sie den Roman erst im Alter schreiben wollen.
Zu früh Ja, das versteh ich. So bleiben das Warten, die Neugier und die Spannung- und die Hoffnung, die Lösung des Rätsels noch zu erleben. In Gedanken werde ich sicher oft weiterraten.
Langer Weg nach Davos Thomas Mann haben wir in der Schule gelesen: „Felix Krull“. Sonderlich beeindruckt war ich nicht. Lag sicher an mir. Wie hier ja zu lesen, war der junge Alban H. anscheinend in der Entwicklung bereits weiter gewesen als ich damals. Ganz lustig, der Krull, mehr erinnere ich nicht, bis auf die endlos langen französischen Passagen, die ich nicht verstand.
Machte mir nichts. Mein Gott in der Jugend war Hermann Hesse. Und wenn mich etwas mit Büchern geprägt hat, dann das Er-Fahren, das ewige Abgleichen von Natur und Geist, von Saft und (Geistes-) Kraft, die „zwei-Seelen-wohnen-ach- in-meiner-Brust“, Leben und Denken, Märchen und Wirklichkeit im „Narziß und Goldmund“. Das hatte mich zerrissen – und vorsorglich habe ich in das Buch auch nie wieder hineingeschaut. Ähnlich, etwas anders, aber ähnlich bestimmend, wenig später und unter ganz anderen Vorzeichen, Nikos Kazantzakis mit dem Alexis Sorbas. Aber nicht Thomas Mann, viele Jahre nicht. Ich las alles von Hesse, von Mann nichts.
Wollte ich zwar gerne. Ich war häufig in Davos. Ich mochte die Bilder von Ernst Ludwig Kirchner. Ich wollte auch den Zauberberg“ mögen. Hab‘ ich aber nicht. Langweilig. Abgebrochen. Mehrmals.
Das änderte sich erst im reifen Erwachsenalter. Über den Umweg der Märchen von Hans Christian Andersen, die ich auch erst las und liebte, als ich längst erwachsen war. „Neues vom Zauberberg“ hieß da plötzlich ein Sachbuch. Und dessen Autor Michael Maar erläuterte über hunderte von Seiten in einer sensationellen Beweisführung, dass der „Zauberberg“ eine komplette zweite Ebene hatte, auf der die Märchen von Andersen neu gespielt wurden. Der verschwundene Buchstabe bei der Séance. Joachim Ziemßen als „Der Standhafte Zinnsoldat“, beide mit den Beschädigungen im Unterleib. Kai und Gerda im Schnee. Der Bergwanderer Rudi geht über die Terrasse des Zauberbergs, es ist fast so wörtlich von Andersen übernommen, man fasst es nicht.
Mit Andersens Märchen auf den Knien habe ich sodann den „Zauberberg“ verschlungen. Und seit dem die meisten der anderen Romane und Geschichten auch. Unvergesslich „Wälsungenblut“, der Rausch, die Ekstase, in die die Geschwister versinken, der Ehemann wird beschimpft; letztes Wort: „Goy“. Der Streit der Buddenbrock-Brüder über die auferlegte Selbstdisziplin des einen, während der andere die Zügel loslässt, jetzt, im Angesicht des Todes – „und Mutter liegt nebenan!“ tadelt Tony – bricht alles heraus.
Heute ist mir ein Leben ohne die ständige Begleitung von Thomas Mann (und einigen wenigen anderen) kaum vorstellbar. „Denkbar, aber sinnlos“, wie der Scherz über ein Leben ohne Hund geht (ist aber wohl doch nicht aus „Herr und Hund“!?). Heese ist versunken. Aber oft blättere ich in den TM’s „Betrachtungen über Große Meister“. Oder erinnere mich, wie auffällig unauffällig sich Joseph nach dieser Schönen am Brunnen erkundigt, aufgeregt, fahrig fragt nach dieser, wie heißt sie noch, ja, Rahel, so wohl …. Oder lese respektvoll erschüttert wieder in den Erzählungen.
Nur die Geschichte um Tonsetzer und Teufel, die habe ich noch vor mir. Und ausgerechnet nun dieses Buch, nur dieses, hatte SIE geprägt, lieber ANH – in so jungen Jahren! „Alles autonome Musik“ schreiben Sie. Na, ich bin ja `mal gespannt. Ich erinnere gut ein bewegendes Musikkapitel weiter hinten im „Zauberberg.“
weistu was so schweig Es ist ein Roman, der schwierig ist für die, die Adorno nicht kennen, die Zwölftonmusik nicht und nicht Alban Berg, und die die Deutschlin-Entwicklung nicht mögen und nicht den Nationalsozialismus im Kridwiß-Kreis, die mit der Biographie von Nietzsche nicht vertraut sind und nicht mit Mahler, die keine Musiker sind und nicht vertraut mit Komponieren, nicht mit Luther-Deutschland und den Tischreden.
Mithin haben mich – vom grandiosen Teufelspaktkapitel abgesehen – im Wesentlichen erst die letzten 250 Seiten gepackt, erst das letzte Drittel, als die Tragödie der Rodde-Schwestern sich entwickelt. Mord, Selbstmord, Auftragsmord, verbranntes Menschenfleisch, der Tod der Liebenden zusammenkomponiert, Hanno Buddenbrook II, da kommt schon Tolles zusammen! Auch die unterschwellige Andersen-Motivik ist wieder da, diesmal allerdings deutlich ausgesprochen. Auch die Scham, über die wir beide einmal diskutierten im Zusammenhang mit Deutschsein und Yad Vaschem.
Eigenartig: „Pädophiles noch“ habe ich nicht herausklingen hören. Aber ob Zeitblohm, der sonst immer von seiner Helene nur als seiner „guten Frau“ spricht, bei Leverkühn aber immer aus dem Häuschen ist und dessen Nähe braucht, ob der nicht auf Schwertfegers (oder Mann’schen) Spuren wandelt – der Gedanke kam mir häufiger!
Was für ein Roman – ja! Ja, aber doch ein bisschen aus der Zeit gefallen mittlerweile.
Das, lieber Dr. No: ein bisschen aus der Zeit gefallenkann ich nicht beurteilen, auch nicht aus meiner persönlichen, mit den musikalischen Aspekten ja einigermaßen vertrauten Sicht. Ich habe das Buch lange lange nicht mehr gelesen, sondern >>>> in dieser Reihe von Büchern geschrieben, die mich als ganz jungen Menschen geprägt haben, was wiederum bedeutet: die auf die eine oder andere Weise Quellen meiner Arbeit gewesen sind und so darin weiterwirken, bis heute gewiß, was Ihr Zitat belegt. >>>> Dort drin gibt es ein Variationsstück, das eben mit diesem Zitat umgeht, es noch ein weiteres Mal verwandelt und neu setzt, eine meiner ersten Erzählungen, übrigens.
(Ich habe auch noch Exemplare selbst hier, falls Sie Interesse haben und ein autographiertes haben sollten).
Schön, wieder von Ihnen zu lesen, der Sie mich zudem daran gemahnen, daß ich die Reihe noch abschließen muß.
Conan Doyle, Freud und Fix und Foxi Der Vertrag über, selbstverständlich, 24 Jahre. Ich nehme an, d e r Deters-Deal ist gemeint oben. Falls nein, nehme ich gerne den Erstling. Aber bei Deters lese ich von Ihrem Apotheker-Vater und denke Zeitblohm. Und aus Bremen kamen die Roddes. Und TM schreib immer an eine Agnes. Gut, gut! Die „sexuellen Bänglichkeiten“, die treffen Leverkühn wie den frühen Herbst, wie man ja den Prägungen entnehmen kann. Und dann auch nicht mehr, man muss die Bänglichkeiten ja nur englisch lesen.
Der Vertrag, der Sie band, ist ausgelaufen! Sie könnten also die Fix-und-Foxi-Sache richtig stellen, denn davon lese ich in den PRÄGUNGEN nichts, stattdessen lese ich: Tarzan.
Ja, es wäre schön, wenn Sie sich der Prägungen bei Gelegenheit wieder annähmen!
Thomas Mann: Weistu was so schweig.
Nämlich unerachtet jener Interpreten – sie haben eine eigene, und bedeutsame, Auslegungstradition -, die den Doktor Faustus als eine Parabel in allererster Linie verstehen, die auf das sogenannte Dritte Reich geht, habe damals ich das Geschehen um Adrian Leverkühn völlig konkret, ja naturalistisch verstanden. Darin schließe ich das große Gespräch mit Samuel ein, der Leverkühn, nachdem er sich einer von jenem, auch Mefistofeles genannt, ausströmenden Kühle wegen, zu der es nur noch eine einzige Entsprechung gibt, im Schneekapitel des Zauberbergs nämlich, den Wintermantel geholt hat und das Plaid, das nun dem Komponisten auf den Oberschenkeln liegt, einen Vertrag offeriert, von dem der gar nichts wußte.
Das nämlich ist das erste Ungeheure, das Thomas Mann dem alten Mythos hier an Neuem gibt. Es wird ein zweites, noch Ungeheureres folgen. Das ist ein Dichter, der es schafft, einen Mythos nicht etwa umzuschreiben, und so erbärmlich klein, wie es >>>> die Wolf tat, aber verständlich natürlich im Rahmen der pragmatischen und rechtkorrekten Denkungsart, sondern ihn aufzuladen neu mit einem ganz neuen Bild, das mit dem alten dabei gleichzieht, als hätt es drauf gewartet – ganz so, wie jedes Erkennen Liebender, sagt Bloch, Anagnorisis sei: Wiedererkennen.
Was für ein Roman! Und daß das Roman i s t. Der zugleich seine Handlung nicht verrät, die der Schein der schönen Melodie wär, wann man das vergliche. Wie bring ich‘s überein? zumal mit meinen einundzwanzig, damals –
Das hätte ich freilich hier noch beiseitelegen können. Aber dann fügt Thomas Mann dem Mythos noch ein Zweites Neues bei, legt es hinzu, amalgamiert es ein für alle Male: Nie darfst einen Menschen du lieben. Nicht die eigene Seele ist der geforderte Tribut, einzuholn nach vierundzwanzig Jahren, sondern die des Menschen, den man liebt –
Furchtbareres ist nicht zu denken und zu fühlen.
So sitzt das nun und bleibt.
Und spät, so spät wie Ada, erreichten mich die >>>> Josephsbücher, die nun schon Bücher nicht mehr sind, sondern Wunder, wie es nur eines ist, von dem ich >>>> hierauf sprechen möchte. Jene aber wurden mir tatsächlich in ihren Erstausgaben, die noch in Stockholm erschienen, in die Hand gegeben:
(Aber ich lege diese Sinfonie nun für mein zweites Hören auf.)
(Und n o c h ein Nachsatz:
Lieber >>>> Manfred Hausmann, Sie mögen sich mit Thomas Mann sehr schwer zerstritten haben. Doch nach dem Ende der Menschen, die wir waren, liegen wir manchmal beieinander. Und wirken dann gemeinsam. )
Entdeckung Großartig, genau diese Ausgabe des Doktor Faustus entdeckte ich soeben im Bücherschrank meiner Tochter, ein Erbe ihres Großvaters, mit einer Widmung aus dem Jahr 1949: „Zur Erinnerung an den ersten Geburtstag nach Krieg und Gefangenschaft, 1. Juni 49, Dein Freund Erich.“ Werde wohl in den nächsten Tagen auf der Spur dessen, was ANH geprägt hat, in dem Buch so manche Stunde herumschmökern, mit der Aussicht, auch zum Werk des ANH und zur zeitgenössischen Musik einen noch besseren Zugang zu finden.
Bis heute @Cellofreund wünsche ich mir, daß meine Bücher eines Tages genau in diesem Satz gesetzt sein werden; immer habe ich das gewünscht: diese Type, diesen Durchschuß, diesen Satzspiegel. Zum Beispiel für den >>>> Wolpertinger. Das ist allerdings komplett unrealistisch. Er hätte sonst nämlich nicht tausend, sondern zweitausend Seiten.
Aber schon für >>>> Thetis wäre es gegangen.
Aber vielleicht später einmal, im Alter, wenn mein letztes großes Projekt geschrieben ist, der Friedrich-Roman. Für den ich mir viel Zeit nehmen will. (Aber auch an Anderswelt sitze ich ja seit nunmehr achtzehn Jahren. Der Wolpertinger brauchte nur zehn,)
Friedrich- Roman Friedrich- Roman? Ein biographischer Roman? Über welchen Friedrich? Darf man das schon erfahren? Vielleicht haben Sie darüber schon geschrieben und es ist mir entgangen.
Friedrich zum Cellofreund. Ganz sicher nicht der Preuße. Wer also bleibt?
Ich weiß den ersten Satz schon. Er ist wie Ismaels.
Friedrich Der Stauferkaiser, dessen Sarkophag im Dom von Palermo steht- 1995 war ich dort. Und der erste Satz- vielleicht „Nennt mich……….Federico??“ Schade, daß Sie den Roman erst im Alter schreiben wollen.
„Nennt mich Federico.“ Zu sanft für ihn. Der Mann ist viel normativer. Er s e t z t.
Friedrich wohl eher den I., Barbarossa oder Nietzsche. Schiller nehme ich nicht an.
(@profi zum Instinkt, der ausgeprägter bei Freunden der Violoncelli ist:)
Wollte jemand ihn abgeben, Schiller, bei Ihnen?
Nö, der wurde bereits bei der Schulbibliothek abgegeben.
1. Satz des Romans Nein, weiter komm ich nicht? Verraten Sie ihn uns?
Das wäre, Cellofreund. zu früh. Zu öffentlich einfach weggegeben.
Zu früh Ja, das versteh ich. So bleiben das Warten, die Neugier und die Spannung- und die Hoffnung, die Lösung des Rätsels noch zu erleben. In Gedanken werde ich sicher oft weiterraten.
Langer Weg nach Davos Thomas Mann haben wir in der Schule gelesen: „Felix Krull“. Sonderlich beeindruckt war ich nicht. Lag sicher an mir. Wie hier ja zu lesen, war der junge Alban H. anscheinend in der Entwicklung bereits weiter gewesen als ich damals. Ganz lustig, der Krull, mehr erinnere ich nicht, bis auf die endlos langen französischen Passagen, die ich nicht verstand.
Machte mir nichts. Mein Gott in der Jugend war Hermann Hesse. Und wenn mich etwas mit Büchern geprägt hat, dann das Er-Fahren, das ewige Abgleichen von Natur und Geist, von Saft und (Geistes-) Kraft, die „zwei-Seelen-wohnen-ach- in-meiner-Brust“, Leben und Denken, Märchen und Wirklichkeit im „Narziß und Goldmund“. Das hatte mich zerrissen – und vorsorglich habe ich in das Buch auch nie wieder hineingeschaut. Ähnlich, etwas anders, aber ähnlich bestimmend, wenig später und unter ganz anderen Vorzeichen, Nikos Kazantzakis mit dem Alexis Sorbas. Aber nicht Thomas Mann, viele Jahre nicht. Ich las alles von Hesse, von Mann nichts.
Wollte ich zwar gerne. Ich war häufig in Davos. Ich mochte die Bilder von Ernst Ludwig Kirchner. Ich wollte auch den Zauberberg“ mögen. Hab‘ ich aber nicht. Langweilig. Abgebrochen. Mehrmals.
Das änderte sich erst im reifen Erwachsenalter. Über den Umweg der Märchen von Hans Christian Andersen, die ich auch erst las und liebte, als ich längst erwachsen war. „Neues vom Zauberberg“ hieß da plötzlich ein Sachbuch. Und dessen Autor Michael Maar erläuterte über hunderte von Seiten in einer sensationellen Beweisführung, dass der „Zauberberg“ eine komplette zweite Ebene hatte, auf der die Märchen von Andersen neu gespielt wurden. Der verschwundene Buchstabe bei der Séance. Joachim Ziemßen als „Der Standhafte Zinnsoldat“, beide mit den Beschädigungen im Unterleib. Kai und Gerda im Schnee. Der Bergwanderer Rudi geht über die Terrasse des Zauberbergs, es ist fast so wörtlich von Andersen übernommen, man fasst es nicht.
Mit Andersens Märchen auf den Knien habe ich sodann den „Zauberberg“ verschlungen. Und seit dem die meisten der anderen Romane und Geschichten auch. Unvergesslich „Wälsungenblut“, der Rausch, die Ekstase, in die die Geschwister versinken, der Ehemann wird beschimpft; letztes Wort: „Goy“. Der Streit der Buddenbrock-Brüder über die auferlegte Selbstdisziplin des einen, während der andere die Zügel loslässt, jetzt, im Angesicht des Todes – „und Mutter liegt nebenan!“ tadelt Tony – bricht alles heraus.
Heute ist mir ein Leben ohne die ständige Begleitung von Thomas Mann (und einigen wenigen anderen) kaum vorstellbar. „Denkbar, aber sinnlos“, wie der Scherz über ein Leben ohne Hund geht (ist aber wohl doch nicht aus „Herr und Hund“!?). Heese ist versunken. Aber oft blättere ich in den TM’s „Betrachtungen über Große Meister“. Oder erinnere mich, wie auffällig unauffällig sich Joseph nach dieser Schönen am Brunnen erkundigt, aufgeregt, fahrig fragt nach dieser, wie heißt sie noch, ja, Rahel, so wohl …. Oder lese respektvoll erschüttert wieder in den Erzählungen.
Nur die Geschichte um Tonsetzer und Teufel, die habe ich noch vor mir. Und ausgerechnet nun dieses Buch, nur dieses, hatte SIE geprägt, lieber ANH – in so jungen Jahren! „Alles autonome Musik“ schreiben Sie. Na, ich bin ja `mal gespannt. Ich erinnere gut ein bewegendes Musikkapitel weiter hinten im „Zauberberg.“
Beste Grüße
NO
weistu was so schweig Es ist ein Roman, der schwierig ist für die, die Adorno nicht kennen, die Zwölftonmusik nicht und nicht Alban Berg, und die die Deutschlin-Entwicklung nicht mögen und nicht den Nationalsozialismus im Kridwiß-Kreis, die mit der Biographie von Nietzsche nicht vertraut sind und nicht mit Mahler, die keine Musiker sind und nicht vertraut mit Komponieren, nicht mit Luther-Deutschland und den Tischreden.
Mithin haben mich – vom grandiosen Teufelspaktkapitel abgesehen – im Wesentlichen erst die letzten 250 Seiten gepackt, erst das letzte Drittel, als die Tragödie der Rodde-Schwestern sich entwickelt. Mord, Selbstmord, Auftragsmord, verbranntes Menschenfleisch, der Tod der Liebenden zusammenkomponiert, Hanno Buddenbrook II, da kommt schon Tolles zusammen! Auch die unterschwellige Andersen-Motivik ist wieder da, diesmal allerdings deutlich ausgesprochen. Auch die Scham, über die wir beide einmal diskutierten im Zusammenhang mit Deutschsein und Yad Vaschem.
Eigenartig: „Pädophiles noch“ habe ich nicht herausklingen hören. Aber ob Zeitblohm, der sonst immer von seiner Helene nur als seiner „guten Frau“ spricht, bei Leverkühn aber immer aus dem Häuschen ist und dessen Nähe braucht, ob der nicht auf Schwertfegers (oder Mann’schen) Spuren wandelt – der Gedanke kam mir häufiger!
Was für ein Roman – ja! Ja, aber doch ein bisschen aus der Zeit gefallen mittlerweile.
Das, lieber Dr. No: ein bisschen aus der Zeit gefallenkann ich nicht beurteilen, auch nicht aus meiner persönlichen, mit den musikalischen Aspekten ja einigermaßen vertrauten Sicht. Ich habe das Buch lange lange nicht mehr gelesen, sondern >>>> in dieser Reihe von Büchern geschrieben, die mich als ganz jungen Menschen geprägt haben, was wiederum bedeutet: die auf die eine oder andere Weise Quellen meiner Arbeit gewesen sind und so darin weiterwirken, bis heute gewiß, was Ihr Zitat belegt. >>>> Dort drin gibt es ein Variationsstück, das eben mit diesem Zitat umgeht, es noch ein weiteres Mal verwandelt und neu setzt, eine meiner ersten Erzählungen, übrigens.
(Ich habe auch noch Exemplare selbst hier, falls Sie Interesse haben und ein autographiertes haben sollten).
Schön, wieder von Ihnen zu lesen, der Sie mich zudem daran gemahnen, daß ich die Reihe noch abschließen muß.
Conan Doyle, Freud und Fix und Foxi Der Vertrag über, selbstverständlich, 24 Jahre. Ich nehme an, d e r Deters-Deal ist gemeint oben. Falls nein, nehme ich gerne den Erstling. Aber bei Deters lese ich von Ihrem Apotheker-Vater und denke Zeitblohm. Und aus Bremen kamen die Roddes. Und TM schreib immer an eine Agnes. Gut, gut! Die „sexuellen Bänglichkeiten“, die treffen Leverkühn wie den frühen Herbst, wie man ja den Prägungen entnehmen kann. Und dann auch nicht mehr, man muss die Bänglichkeiten ja nur englisch lesen.
Der Vertrag, der Sie band, ist ausgelaufen! Sie könnten also die Fix-und-Foxi-Sache richtig stellen, denn davon lese ich in den PRÄGUNGEN nichts, stattdessen lese ich: Tarzan.
Ja, es wäre schön, wenn Sie sich der Prägungen bei Gelegenheit wieder annähmen!
Beste Grüße
NO