Facebooks Down, nicht Fall. Replay (3).

Ein Zusammenhang muß vermutet werden: Nachdem der Facebook-Konzern gestern >>>> vor dem Landgericht Berlin einer Grundsatzklage der VZBV unterlag, woraus sich weitere Klagen, ergeben könnten, die auf Zahlung von Geldsummen gehen, war das „soziale“ Netzwerk, obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, heute morgen >>>> im Internet nicht mehr zu erreichen. Die Daten freilich sind eingesammelt. Julian Assange hat Facebook denn auch „die schrecklichste Spionage-Maschine“ genannt, „die jemals entwickelt wurde“.
Nun kann man sie nach eigenem Gutdünken nutzen – oder vermeinen, das tun zu können -, etwa als eigene kostenlose Acquise-Plattform oder, wie Die Dschungel tut, als Wand für Affichen; im übrigen tut man gut daran, tatsächliche Kommunikation zu verweigern, also vermeiden, auf Facebook Gespräche zu führen, nämlich allein schon aufgrund des von Facebook durchgesetzten >>>> „Werte“-Kanons. Den direkten Zugriff erhalten Sie >>>> dort; „confidential“ wird über dem Manual vermerkt.
Die drin vermerkten „Werte“ sind, gemessen an der in mehrere Millionen gehenden Verbraucherzahl, nicht mehr nur private eines Unternehmens, sondern sie haben öffentliche Gewalt. Und zwar eben eines „sozial“ nur genannten, tatsächlich enormen Konkurrenzdruck ausübenden Wettbewerbs-Netzes, das zugleich Privatheit und gleichberechtigte Schwester- und Brüderlichkeit vorschützt, an welche die allermeisten Users glauben. Deshalb kommt, wer andere Menschen erreichen will, um Facebook bereits nicht mehr herum. Vor allem bei jungen Leuten hat das Unternehmen längst die Email ersetzt, um von Briefen und ihren alten Geheimnissen ganz zu schweigen. Interessanterweise wirkt eine VomNetzNahme Facebooks wie ein Entzug. Wer nicht jenseits dieses Netzwerks eigene Plattformen aufbauen konnte, hat dann nicht nur mehr keinen Zugriff auf sein Eigenes, das aber auch nicht etwa gelöscht, sondern in der Verfügungsgewalt des Unternehmens und seiner mehr oder minder direkten Subunternehmen frei zur unkontrollierbaren Nutzung verbleibt. Vielmehr ist man sich selbst verlustig gegangen, eines Teils wenigstens der eigenen Identität, die Facebook zur Betreuung überlassen war, gutgläubig, ganz sicher, in den meisten Fällen jedenfalls.
Dies wird nun allerdings den verlorenen Prozeß ganz besonders bekannt machen. Am Fall Facebook werden auf moderne Weise Verantwortung und Verantwortlichkeit neudiskutiert. So daß sich das Unternehmen in ebender moralischen Falle fängt, die es seinen Users grub – wobei Die Dschungel durchaus nicht von Vorsätzlichkeit ausgeht, jedenfalls nicht von Beginn des Unternehmens an, sondern von einer juristischen Zwickmühle, in die es aufgrund seines rasenden Wachstums geriet. Diese kneift um so mehr unerbittlich, als es weltweit den einen moralischen Konsens nicht gibt. Insofern wird Facebook zum Lehrstück in Sache Globalisierung; es ist bereits die Speerspitze – und in einigen Ländern schon besatzungsartiger Brückenkopf – sowohl der in den USA formulierten, mehr oder minder puritanischen, wenn nicht sektischen Werte von Gesellschaft als auch ihrer ökonomischen Grundlagen und Auswirkungen. Zugleich steht Facebook aber auch für eine mögliche Formierung von Widerstand, der allerdings von dem Unternehmen, bzw. seinen Gönnern und Partnern detailliert überwacht und je nach politischem, bzw. ökonomischem Interesse, zu dem auch die eine Staatsraison gehört, gefördert oder behindert werden kann.

Replay 2 <<<<

11 thoughts on “Facebooks Down, nicht Fall. Replay (3).

  1. Facebook ist jetzt bereits unumgänglich. Es gilt dasselbe Gesetz der Konzentration wie für das Kapital. Wo Geldmittel fehlen, ein eigenes Projekt am Markt zu annoncieren, bleibt einem schon gar nichts anderes mehr, das vergleichbar wirkte, wie dieses Netzwerk. Seine Anziehungskraft wird deshalb immer größer, zumal sich zur steigenden sozialen Akzeptanz, der eine zunehmende Attraktivität parallelgeht, nunmehr auch enorme Marktkraft addiert. Sie können das mit der Massen-Anziehungskraft, also der Gravitation, von Planeten vergleichen.
    Das ist tatsächlich bereits global ein Problem, das sich auch durch neue Konkurrenzen wahrscheinlich nicht mehr austarieren lassen wird.

    1. Also beginnt es jenseits von Facebook exklusiv zu werden? Oder wird Exklusivität zum Stigma der Schlechtweggekommenen? Sichwort: kommunistischer Kapitalismus.

    2. @tom. Es geht nicht um Exklusivität. Sondern um mainstream-, bzw. Pop-, also um einen sozialen Druck. in seiner kleinen Erzählung „Scheingericht“ entwirft bereits zu Anfang der Sechziger Daniel F. Galoye, über den ich mein nächstes Hörstück vorbereite, eine Gesellschaft, in der Transparenz absolut geworden ist: Jede kann jedes anderen Gedanken hören, und zwar im Moment, da sie gedacht werden. Der Vorteil daran ist, daß es zu anderen als zu aus dem Affekt geschehenden Verbrechen nicht mehr kommen kann; alles ist quasi unter die eine Moral gebeugt. Es gibt kein Entkommen.
      Darunter leiden die Menschen nicht, eher im Gegenteil: ihnen obliegt es sogar, durch gemeinsame Abstimmung, bzw. Bildung mächtiger Meinungswolken Verurteilungen selbst herbeizuführen. Diese Art gemeinsamer Abstimmung findet in einer Vorläuferform auch über ein Netzwerk wie Facebook statt, und zwar allein aufgrund der dem Netzwerk eigenen Dynamik.
      Ich denke, es geht eher darum, Netzwerke wie Facebook zu unterlaufen, nicht aber, indem man sie meidet, sondern indem man Formen findet, sie zu konterkarieren. Das geht vielleicht über starke externe Verlinkungen, die dem Umstand entgegenwirken, daß sogar schon ganze Seiten traditioneller Zeitungen nicht mehr direkt über deren Sites, sondern direkt über Facebook-Server aufgerufen werden können.

  2. Ist Romantik ihrem Wesen nach eigentlich vollkommen obsolet?
    Und wenn ja, was bedeutet dann Liebe in einer wissenschaftsloyalen Welt, im ,,kapitalistischen Kommunismus“?

    1. romantisch Die Liebe, das Glück und der Mensch, das sind Kategorien aus dem 19 Jahrhundert, und glückliche Menschen gibt es ohnehin nicht.
      Ein immer wieder wunderbares und sich täglich ereignendes Kunsttstück ist daher das Entfachen der Flamme des Anderen (das Andere einer wirklichen Emanzipation) aus wenigen Schwundfunken. Indes droht ohn` Unterlaß die menschlichem Handeln implizite Möglichkeit endgültigen Scheiterns.

    2. Glückliche Menschen. Gibt es.
      Selbstverständlich.
      Nur ist Glück keine Kategorie, zu der eine andere der Dauer gehört. Glück ist sehr oft nur ein Moment; dieser Moment aber ist. Und er kann sich wiederholen, sogar oft. Auch ein Leid – es sei denn, es liegt, >>>> wie bei der Depression, eine Krankheit vor – ist kein währender Zustand. Insofern finde ich, daß es sich Ihre Aussage, Glück usw. seien Kategorien des 19. Jahrhunderts, zu sehr vereinfacht. Ja, Sie machen es sich damit einfach, Tom. Z u einfach. Und selbstverständlich ist „Mensch“ keine abgelegte Kategorie. Andernfalls – horribile dictu – wäre das „Menschlichkeit“ auch.

    3. Und wenn Menschlichkeit auch nur als fokusierter Moment realisierbar wäre?
      Gleichwie moralisches Handeln, nämlich Moral, einzig im Moment (ich springe in den Fluß, um einen anderen zu retten) noch vollziehbar wäre. Müßte dann nicht der Mensch als anthropologische Kategorie, bei allem Respekt, doch eine hochtragende Zumutung sein?

  3. immer wieder… ICH beeinflusse, was ICH auf Facebook
    veröffentliche, somit habe ICH in der Hand,
    was die GeheimDienste, Polizei & Co.
    ermitteln. Wenn sie möchten tun sie es
    soundso. Via Schlagworte wird schon ewig
    in Telefon & Co. gesammelt.

    Assange traue ich vor allen Dingen nicht
    über den Weg! Wie viele Hacker sind seit
    Wikileaks verhaftet worden? Ich fand trotz
    allem das Buch von Domscheid-Berg SEHR
    aufschlussreich bezüglich der *Identität*
    Assange. FaceBook , Internet & Co. bieten
    dem Menschen ein riesiges Potential, das
    den Mächtigen NICHT gefällt!

    Vernetzen:
    In wie vielen Ländern ist die Versammlungs-
    Freiheit beschränkt? WIR versammeln uns
    tagtäglich mit VIELEN bei FaceBook!!!

    1. @Belleer. Nun ja.
      Ich dagegen sage: dem Vielen ist n i e zu trauen. Nur dem Wenigen. Allenfalls.
      (Daß Facebook auch Vorteile hat, etwa politische, habe ich nicht bestritten. Aber was wissen Sie, was weiß ich? Wir glauben. Sie das eine, ich eher das andere.)

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