Stellen friemeln, ohne Elstern noch. Das Arbeitsjournal des Dienstags, dem 27. März 2012. Mit einer kleinen Sprachkritik.

8.40 Uhr:
[Arbeitswohnung. Alfred Schnittke, Zweites Cellokonzert.]
Punkt eine Minute nach halb fünf auf, saß ich mit Latte macchiato und frisch gestüpfter Pfeife um Punkt fünf Uhr in den Morgenklamotten am Schreibtisch: dunkle Leggins, TShirt, Rollkragenpullover, Alpacajacke und darüber noch den Hausmantel:: vom sperrangelweiten Oberlicht wehte es recht kühl herein. Noch jetzt sieht es nicht mehr nach der Frühlingsonne der vergangenen Tage aus, sondern diesig scheint sich ein Regen anzukündigen; die Temperaturen sind objektiv hinab. Außer im Hochsommer ist Berlins Leitmotiv der November. So kommt’s mir manchmal vor – aber nur, wenn es grau ist.
War auch ganz egal. Mein Amselhahn sang um zehn vor sechs los: es ist, als riefe er das Licht und lockte es immer tatsächlich. Auch wenn’s, wie heute morgen, verhalten bleibt. Ich mag meinen Amselhahn, aber freue mich auch schon aufs Knarren und Knattern der Elstern. Beherzt ging ich, manche Stanzen muß man bewahren, ans Werk. Kam indessen heute früh nicht weit: bei TS-Seite 281 bin ich steckengeblieben. Die 248, bis in ihren Übergang zur 249, war ein Gefissel; imgrunde hab ich alles umgeschrieben und werde das gleich sichertippen und dann, mal wieder zur Probe, in Die Dschungel stellen. Heikle Szene, geschlechterpolitisch unkorrekt. Aber wahr halt; deshalb zu erzählen.

Danach werd ich über den Untertitel des Openaufsatzes sinnen, hoffentlich auch einen finden, ihn an >>> Werner Hintze schicken, dann Galouyes Dunkles Universum weiterlesen. Bis S. 101 drang ich gestern noch vor, da war es zehn vor Mitternacht. Punkt drei nach zwölf lag ich im Bett. Hatte den ganzen Abend über zur Lektüre den Schnittke-Celli zugehört. Manche Musik, nach rauschhaftem Hören, läßt man monatelang liegen, manchmal Jahre, dann nimmt man sie erneut vor und fängt erst jetzt an zu begreifen. Und, nachts, mit dem Dämpfer, bin ich auch immer noch mal wieder ans Cello, um die beiden Etüden bemüht, die mir nun auch die zweite und die dritte Lage bringen: fisselig auch das, und schief. Dennoch bin ich immer mehr entschlossen, diesmal auch die Klänge für das Hörstück selbst zu besorgen: am Cello eben. Mal sehen, das heißt: hören.
Guten Morgen.

9.45 Uhr:
[Schnittke, Erstes Cellokonzert.]
Jetzt >>>> steht’s drin: als „liebesverloren“ hab ich’s annonciert; „liebesunhglücksverloren“ wäre vielleicht genauer. Aber eben doch nicht.
Jetzt an den OpernUnterTitel.

10.08 Uhr:
Bin jetzt d a rauf gekommen:

Rausch und Erkenntnis.
Zehn Jahre Oper der Gegenwart. Eine Art Resümee.


Nun wieder an Galouye. Aber falls es Sie bereits jetzt interessiert: Übermorgen nacht, am 29. und 23.05 Uhr wird im WDR mein >>>> Hörstück zu Christian Filips wiederholt. Ich werd’s aber noch eigens annoncieren.

15.16 Uhr:
[Penderecki, Erstes Cellokonzert.]
Sehr tief geschlafen mittags, schon, weil ich vormittags eigentlich alles hinbekam, was ich wollte. Anderthalb Stunden zudem am Cello geübt.
Jetzt Galouye weiter, zu Penderckis wirklich gewaltiger Cellomusik. Aber hier so eine der Stellen, deren sprachliche Ungenauigkeit für Unterhaltungsliteratur ziemlich typisch ist:

Jared ist in eine Hütte gesperrt und sinnt über seine Möglichkeiten nach zu entkommen. Aber Flucht – wohin? Der Haupteingang war von den Männern betreits blockiert, die dort die Mauer errichteten, und jetzt kommt’s: und angesichts der starken Gegenströmungen im Fluß erwies sich die Flucht aus der Hütte als sinnlos; nämlich wenn schon, dann müßte es heißen: wäre die Flucht aus der Hütte sinnlos gewesen, Irrealis nämlich, weil er den Fluchtversuch erst gar nicht unternimmt.
Was im Buch steht, tut grammatisch so, als flöhe er bereits. So falsch angewandte Sprache ist es, was mich beim Lesen immer wieder nervt. Ich meine, daß ein Übersetzer selbst dann so etwas zu korrigieren hat, wenn das Original schon schlampig sein sollte.
Aus ganz ähnlichem Grund feile ich >>>> an zum Beispiel so etwas stundenlang herum.
Egal, weiterlesen. (Übrigens ist auch das Wort „angesichts“ in dem Zitat nicht richtig, das aus der Sicht von Menschen spricht, die nicht sehen können. Die Idee-selbst, allerdings, ist wieder einmal galouye-typisch hinreißend.)

19.31 Uhr:
[Penderecki, Klavierkonzert „Resurrezione“.]
Nix Bar heute abend; Merkel hat den Profi eingespannt. Irgend ein Staatsbesuch, ich kümmer mich um sowas ja nicht. Egal. Statt dessen treff ich gegen 23 Uhr Broßmann auf einen Absacker am Beaker’s.
Eben noch die Kalkulation fürs Hörstück geschrieben und hinausgeschickt. Jetzt wärm ich mir das Lauchgemüse von gestern auf, esse was, dann lese ich >>>> Döblins Wallenstein. Worauf ich mich ziemlich freue. Und höre meine neuen Musiken wieder. Für die auch neue Aufträge hereinkamen, also zur Rezension. Habe der Redakteurin gesteckt, daß ich diesmal, eigentlich, die Musiken des Hörstücks selbst einspielen will. Mal sehn, ob sie erschreckt reagiert – aber falls das nicht funktioniert, würde ich eh umdisponieren.
Mit Galouye ist es gut für heute.

Was mir auffällt: wenn’s >>>> etwas komplexer wird, schweigen die meisten Kommentatoren. Doch dieses Komplexere ist es, was mich interessiert.

Duos mit dem Jungen gespielt. Immer wieder schön ist das.

20.12 Uhr:
[Wolf-Ferrari, Cellokonzert.]

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