Entbesonderungen. Ein maues Arbeitsjournal, unterschlafen: am Sonnabend, dem 19. Mai 2012.

16.10 Uhr:
Jetzt warte ich auf Chohan und Broßmann, die zum Probehören der Dritten Fassung herkommen wollen, um 17 Uhr; ebenfalls mein Sohn, der gleichfalls mitgesprochen hat. Ich kam gestern nacht nicht ins Bett, ums Verrecken nicht, sah zwei Filme, dann trieb es mich noch einmal – wiewohl ich die Tondatei schon weggeschickt hatte – an das Galouye-Stück, nachts um drei; entdeckte tatsächlich noch ein Fehlerchen (das außer mir niemand merken würde, ich bin mir sicher), verschob die Korrektur aber auf den Tag, um nicht in der Übermüdung einen Fehler zu machen. Ein einzelnes Wörtchen war, gleichsam mit einem Skalpell in Form einer Pinzette, aus dem Sprachfluß zu lösen. Leidlich ist‘s mir vorhin auch gelungen.
Um halb acht also erst auf, gleich an die Argo-ÜA; zwei Seiten geschafft, dann mußte einkaufen gefahren werden, weil heute abend die >>>> Kulturmaschinen ihr jährliches Grillfest geben. Da mag ich nicht mit leeren Händen stehen, sondern möchte nach Meeresfrüchten duften, zumindest an den Fingerspitzen. So daß jetzt drei Arten Kopffuß tauen für das Feuer: Calamari, indes nur die Tuben, Totani und Sepie.
Wiedergekommen, ans Cello gesetzt. Will ich gleich noch mal, bis die Freunde da sind; es war nur eine Stunde vor dem Mittag. Die Küche war zu machen, zu kochen außerdem: die Enden und Schalen des Spargels von gestern abend, mit Milch aufgefüllt, weitergekocht, durch ein Sieb passiert, zwei Kartoffeln in der Suppe weichgekocht und pürriert. Weißer Pfeffer, etwas Wein. Dazu frisches Brot und Radieschen, die man vom Bund pflückt. Allerdings hat man, und jedesmal ärger ich mich drüber, den Radieschen sämtliche Schärfe – so kommt’s mir vor: – weggezüchtet. Denn Radieschen, wie ich sie aus meiner Kindheit kenne, bekommt man nirgends mehr, die, die in die Nase schießen. Ich kenne auch die Ananas noch so, daß man, wenn man sie schneidet und ißt, die Mundschleimhäute reißt. Gibt‘s auch nicht mehr. Alles wird moderiert, auf Mittel geschliffen, Spitzen weg und Tiefen, wie bei ‘ner mp3. Was verloren dabei ging, an Intensität, spürt keiner mehr, weil wir den Unterschied entweder vergessen haben oder gar nicht, aus Altersgründen, kennen können. Sozusagen sind auch die Lebensmittel unterdessen politisch korrekt. „Es hat gar nicht nach Fisch geschmeckt“, sagen die Leute beglückt, wenn sie von einem Gastmahl des Meeres kommen.
Entbesonderungen.

Mit meinem Hörstück aber bin ich zufrieden.

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