9.45 Uhr:
[Arbeitswohnung. Brahms, Doppelkonzert.]
Broßmann sitzt gerade hier, der das übers Wochenende ausgeliehene Zelt zurückbrachte; nun trinken wir beide, er am Mittel-, ich am Schreibtisch Latte macchiato und arbeiten schon vor uns hin. Ich bin wieder mal zu spät hoch, habe wie gestern verschlafen; keine Ahnung, was mit mir los ist. Doch, Ahnung schon: ich muß das Zubettgehen wieder disziplinieren. Also: um Mitternacht hat sich die Decke über mich zu legen. Sonst komm ich mit meiner Arbeit nicht durch.
Heute morgen, nachdem ich die Löwin geweckt hatte, fand ich eine Nachricht von >>>> Chromò, was mich frappiert, im ersten Moment sogar ein wenig erschreckt hat. Daniello sandte sie mir vom gmx-Postfach weiter. Etwas Rätselhaftes:Drei mal elf Zentimeter misst mein Hals. Wie viel dazuzurechnen ist, werden Sie wissen, ich überlass das Ihnen.
ChromòMehr nicht. Doch ist das ein ziemlich erotischer Fehdehandschuh, der mir da hingeworfen wird, während ich arm(kannman-dassagen?)strudelnd versuche, irgendwie meine Arbeit auf die Reihe zu bekommen. Am Donnerstag wird Ricarda Junge, zur Vorbesprechung unserer Lesung in Wiesbaden, herkommen, eine Woche später Gogolin zur Besprechung meines (ebenfalls und endlich noch zu schreibenden) Aufsatzes in Volltext. Und mit dem Giacomo Joyce fängt Die Dschungel heute an.
Ich habe eine Eigenart, einen Spleen, können Sie das vielleicht nennen. Na gut, ich habe mehrere davon, von diesen Spleens; diesen einen aber liebe ich. Wenn eine Leidenschaft vorüber, wirklich vorüber ist, die mich tief geschüttelt hat, dann besorge ich mir die Parfums der Frauen, in die sie sich grub, bewahre sie und lege sie von Zeit zu Zeit auf. Als würde ich noch einmal, wenn auch ganz aus der Ferne, geküßt. Es ist eine seltsame Treue, glaube ich, die sich darin ausdrückt. Zu diesen Parfums gehört das Mille von Patou – – mein eigenes Parfum – Patou pour homme – stammt von da, 1981/82, das außer mir so gut wie niemand trägt; Frauen, heute, identifizieren mich damit; ich habe ihm sogar >>>> dieses Gedicht geschrieben, das auch in >>>> Der Engel Ordnungen steht. Heute würde ich den Titel in „Patou pour homme“ gerne noch nachträglich ändern. Mal sehn. Falls es eine zweite Auflage gibt.
Jedenfalls. Ich erzählte der Löwin davon, wir saßen nah beieinander. Und erzählte, daß dies nur selten vorkommt: aber ihr, tatsächlich, würde ein Parfum stehen, das solch eine vergangene, lange vergangene Geliebte einmal trug, echtes Parfum, keine Wasserlösung. Quelques fleurs. Ich erinnere mich, wie S. und ich bei einem kleinen versteckten Asiaten saßen, oft gegen den frühen Abend, und sie auf meine Bitte stets eine Brust entblößte. Nur eine, das ist wichtig. Dezent brachte die asiatische Bedienung unsere Speisen. Wir hatten eine separéartige Ecke des Raumes, es war unsere, man hielt sie uns geradezu frei. Nie saß dort jemand anderes. Quelques fleurs. S. hatte schöne, geradezu „klassische“ >>>> Béart-Brüste. Ich wußte damals noch nichts von meiner sexuellen und auch erotischen Dominanz, sonst hätte unser Verhältnis eine andere Wendung genommen, als sie dann kam. S. war besetzt von Luxus, verschwand schließlich auf einer, das ist keine Erfindung, großen Yacht. Die letzte Meldung, die ich von ihr erhielt, kam, im Hafen geschrieben, von einer Insel. Das ist zwei Jahrzehnte her. „Sie sind die erste Frau“, flüsterte ich der Löwin zu, „die dieses Parfum mit jedem Recht der Welt wiedertragen könnte.“ Wir streiften umher, aber die Serengeti hatte es nirgendwo auf Lager. Ich selbst, hier in Berlin, hatte nur noch einen Tropfen bewahrt. Und suchte nun, zurückgekommen. Wurde fündig:
Die Übertragungsarbeit wartet, diese und jene. Broßmann ist noch immer da. Er arbeitet, ich arbeite. Das kann ich gut in schweigender Gesellschaft, nur zwischendurch geht mal eine Bemerkung, der Musik halber, die klingt, zwischen uns hin und her. Ich bereite einen arabischen Pefferminztee für uns beide: explodierend heiß & süß:
13.40 Uhr:
Wenn man vom Barfußlaufen in der eigenen Wohnung solche Fußsohlen bekommt:
17.45 Uhr:
[Leevi Madetoja, Zweite Sinfonie (1918).]
Lustig, daß sich bei Facebook jetzt eine noch andere Frau in meine Parfums einreihen möchte; jedenfalls nennt sie das ihre im dortigen Bild-Kommentar. Als liefe ich jetzt spornstracks los, um auch dieses zu besorgen. Ich bedaure. Es sind nur wenige Einheiten aus Frau & Duft, die unablösbar blieben.
Die >>>> Giacomo-Joyce-Rubrik ist begonnen, und mein erster Vorschlag einer Übertragung wird auch bereits diskutiert. Genau so habe ich es mir gedacht. Im übrigen bin ich auf S.198 der Argo-Übertragungen, aber noch immer ungeduscht. Nicht mal Zähne habe ich heute geputzt. Dennoch sähe mich der Profi gerne nachher in der Bar, aber dann m ü ß t e ich duschen und habe doch die Zeit nicht. Außerdem gefallen mir gerade, sogar ausgesprochen, meine Schmutzfüße, schon weil keine Kundry da ist, sie mir zu reinigen, wozu sie „dienen, dienen“ spricht.
21.10 Uhr:
[Madetoja, Erste Sinfonie.]
Jetzt habe ich für das Giacomo-Joyce-Projekt endlich auch >>>> das Editorial geschrieben und eingestellt, in welchem es vorgestellt und sein Grund ein bißchen erklärt wird. Woraufhin ich nun den Link kopieren und an einige Verteiler weiterleiten werde. Mit ist das wichtig, weil es sich wohl tatsächlich um das erste Netzprojekt dieser Art überhaupt handelt. Das wüßte ich schon gerne kommuniziert.
Quelques fleurs auf die meinen, und die Brüste der Béart sind vergessen.
Versprochen.
Das wäre aber um die Gedichte schade, Lionesse. Doch könnte der Akt einem nächsten den Verschluß öffnen, was Lust und den Poeten nahe aufeinanderlegte.