Der Geist, nicht Hamlets Vaters aber. Der „Mittags“schlaf des 11. Novembers 2012.

[Protokolliert im ICE.]

Eingeschlafen und dann >>>> fast drei Stunden lang nicht mehr aufgewacht (um 16.55 im Link). Sondern von meinem Vater geträumt, der nun schon bald zwanzig Jahre lang tot ist. Es war kein Angsttraum, sondern, seltsam, einer von einer Art Vereinigung. So sehr wirkt >>>> Pelléas et Mélisande nach, ganz sicher mitbewirkt durch Norbert Abels kleinen Text im Programmheft:

Die symbolistische Mystifikationstechnuk camoufliert seine (des Todes) Gestalt unablässig. Gleichwohl ist er nicht die Inkaranation der Delolatheit, sondern – im Gegenteil – die einzige wirkliche Instanz einer transzendentalen Geborgenheit inmitten einer nunmehr ohne Gott sich fortsetzenden Welt. (…) Weder für das symblistische Universum des Poeten noch für den empirischen Lebensraum des Menschen gibt es einen Ort, wo nichts ist, und noch das seit Jahrmillionen erloschene Sternenlicht durchzieht den Weltraum. Das Tote lebt fort, der Tod selbst aber ist so wenig begreifbar wie das Nichts.

Und was dabei m i twirkt! Einer meiner >>>> Seminarteilnehmer arbeitet als freiberuflicher Helfer bei der Polizei, und er war es, der am Freitag abend von seinem gestorbenen Vater sprach… nicht erzählte, nein, sondern nur erklärte, er wolle in seinem Leben seines Vater Wunsch erfüllen, den dieser an ihn gerichtet. N u n, in dem Traum, war ich ein Polizist und erhielt Nachricht über einen Verkehrsunfall auf der, ich weiß nicht mehr, sagen wir, Frankfurter Allee. Es gab Indizien, daß der dabei umgekommene Mann mein Vater gewesen, wobei ich erst einmal vergessen zu haben schien, wie lange er schon tot ist. Vielmehr rief ich auf der Wache an, stellte mich als einen Kollegen vor und erhielt wirklich Auskunft. Ja, mein Vater sei in diesen Unfall verwickelt und – umgekommen. Ich erschrak nicht, aber war irritiert – genau das trifft mein Gefühl: Irritation. Ich hatte einen Schlüssel zu seiner Wohnung, was er in der Realität gehaßt hätte, ich schien ihn mir heimlich angefertigt zu haben – schon das ist nicht ohne eine dunkle Symbolik – und fuhr hin, nahm meinen Sohn mit, der gerade bei mir in der Arbeitswohnung war.
Auf mein Klingeln öffnete niemand. Das hatte ich erwartet, aber auch befürchtet.
Ich schließe also auf. Sehe sofort, daß ich in dieser Wohnung noch nie gewesen bin. Dennoch erinnert mich etwas an sie. Nein, sie sah nicht aus wie irgend eines der heruntergekommenen, von meinem Vater mit eigener Hand instandgesetzten Hausruinen, in denen er gelebt hat, sei‘s auf dem Land in Deutschland –


(Bild: >>>> Fassen.) So,
immer, sahen seine Häuser aus. Und so,
immer, waren sie gelegen.
– sei‘s in seiner mallorcinischen Steinwüste, aber auch nicht wie die Wohnung seiner letzten Gefährtin, als er, in der Realität, dahinstarb.
Wir treten in das von einem schweren Vorhang mittengeteilte Wohnzimmer. Dies wiederum war mein Vater: so dämmte er die Wärme seines kaminbeheizten Flures gegen kühle Wände ab, Bramstedt, 1973. Vorsichtig schiebe ich den Vorhang beiseite. Da schläft mein Vater auf einer kippbaren Liege, öffnet die Augen, lächelt. „Verzeihung“, sage ich, „ich habe geklingelt, ich habe einen Zweitschlüssel“ – gleich, um mich zu entschuldigen. „Ich habe dir aber meinen Sohn mitgebracht… deinen Enkel.“
Er besinnt sich gar nicht, scheint schlafend auf uns gewartet zu haben. Sagt nichts, aber lächelt und steht auf, nimmt weder mich, das hätte er sowieso nie getan, noch aber auch meinen Jungen in den Arm, den er noch nie gesehen hat – und er nicht ihn -, sondern eilt aber, wirklich lächelnd, in die andere Wohnzimmerhälfte, um hervorzukramen, was immer einem Kind Freude machen könnte: Schokoladen, Kekse, sogar Weingummis – und eine Stofftierkatze. „Die habe ich noch“, sagt er. „Die habe ich immer behalten für solch einen Moment. Möchtest du sie haben?“ – Mein Sohn ist bereits zwölf und längst aus dem Alter für Stofftiere hinaus, reagiert auch nicht, schaut den fremden Mann nur verwundert an, der aber nicht zurücksieht, keinen Blick erwidert. Statt dessen holt er immer und immer noch weitere Geschenke aus seinen Schränken und schichtet sie, ja, so muß ich das nennen, schichten, eines um das andere auf dem großen Tisch auf, der im Raum steht. Wobei er, mein Vater, auf eine allein nach innen gewendete Weise lacht, wie auch früher stets, wenn er Freude zeigen wollte.
Darüber wache ich auf.

Wie traurig schön diese Geschichte ist, merke ich erst nun, da ich drüber nachdenke: daß mein Junge seinen Großvater tatsächlich nie kennengelernt hat. Schöner würde sie noch, hätte mein Junge diesen Traum zugleich mit mir gehabt und, irgendwo im Jenseits, mein toter Vater auch. Dann erst wäre dieses – eine Dichtung.
Also sei es so berichtet.

„Und dennoch: Dieses Meer bleibt eine“, schreibt Norbert Abels, „unüberwindbare Grenze -“

3 thoughts on “Der Geist, nicht Hamlets Vaters aber. Der „Mittags“schlaf des 11. Novembers 2012.

  1. Ich will nicht sagen: Normale Gedanken.
    Aber wenn es so sein sollte, finden Sie sich einfach damit ab.
    Wer kommt schon wirklich aus seinem “Ich” heraus?

    Der Mut, das alles öffentlich zu stellen, ist mir Grund genug, überhaupt zu antworten. Ich wünsche Ihnen hier einfach mal: Alles Gute!
    Dass ich mit Ihnen im Prinzip nichts anfangen kann, spielt dabei keine Rolle.
    Aber passen Sie auf, dass Sie dabei nicht “vor die Hunde” gehen!

    1. @888888. Wo sehen Sie da “Mut”? Wo Mut ist, muß Gefahr sein –
      Und was bedeutet “normale” Gedanken. Welche meinen Sie?
      Sie sind mir zu ungefähr. Vielleicht können Sie ja deshalb mit “mir” nichts anfangen – denn auch da wieder: was meinen Sie? Mich? Die Dschungel? Meine Bücher? Die kennen Sie gar nicht, geben Sie’s nur zu. Ist keine Schande; das geht vielen Menschen so. Aber der Satz, die Bezüge!: – “daß ich mit Ihnen”, zumal “im Prinzip” (was meinen Sie nun wieder d amit?), “nichts anfangen kann” – worauf dann gleich, “daß Sie dabei nicht vor die Hunde gehen”… – also ich soll aufpassen, daß ich nicht vor die Hunde gehe, weil Sie nichts mit mir anfangen können? Überschätzen Sie sich da nicht etwas? Vor allem aber: weshalb formulieren Sie so entsetzlich schwammig? Als mein Problem kann ich das nicht sehen.

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