In Blauesten Flammen. Das Arbeitsjournal des Donnerstags, dem 3. Januar 2013. AusAmelia (4). Darinnen Allessandro Geraldini, mehrere Sufis, ein Sengalese sowie Carlo Scaramentamano. Sogar DER SPIEGEL kommt vor.

…. so in himmlicher Bläue steht über Amelia der Himmel:

10.41 Uhr:
[Kardinalswohnung, Kaminraum.]
Cigarillo, weiter Caffelatte, seit Viertel vor neun bin ich auf.
Tränen haben wir gelacht gestern nacht einer Übersetzung halber, überboten uns in Frechheiten. „Und n o c h ein Stück weiter von Reichert weg“, triumphierte der Freund und ließ die Augen über die Ränder seiner Brille glitzen, die ihm ganz unten auf den Nasenflügeln sitzt… nein, hockt, muß ich scheiben, und zwar, wenn der Geist sehr gut drauf ist, zum S p r u n g. Daß dem so war, daran trug der Whisky etwas Anteil, den uns das hiesige Coop geschenkt. So etwas gibt es, ja, wie überhaupt Amelia voll der bizarrsten Wunder ist. – Jedenfalls werde ich die entsprechende Partie unserer Nachdichtungen direkt in den >>>> Giacomo Joyce einstellen, aber erst nachher, und hoffe, Sie teilen dann unser Entzücken. Einstweilen mag Ihnen >>>> jenes kleine poetische Ding genügen, dass ich vorhin als allererstes formulierte. Es ist ein bißchen tricky, weil der tatsächliche Text im Kommentar darunter steht.
Wichtiger sind mir heut morgen die „bizzarrerie amerine“, weil man es gar nicht faßt, wer in solch einem engen Bergort von kaum mehr als zehntausend Einwohnern anzutreffen ist. Nicht nur der Senegalese, ein Kunstschreiner, den die Stadt nicht unbedingt gleich vor ihrer repräsentablen Pforte haben wollte, weshalb sie ihm eine Werkstatt oben im alten Ort frei zur Verfügung gestellt hat – allerdings strom- und gaslos, so daß der schwarze Mann jetzt friert; dennoch ist er guter Laune & Dinge, der Senebarker, denn „Gal“ heißt „Barke“ oder Boot, wie wir gestern erfuhren; der Gasofen stand da, zwar, doch für die Gas-Bombina fehlt das Geld; nicht also nur er, nein auf dem Flaniergang zurück kam uns eine Dreierpärchen Sufis wirklich bunt entgegen, das sich zudem um ein Kindlein, gleichfalls bunt, ergänzt, das im bunten Kinderwagen wurde geschoben; die Mama, eine Engländerin, lächelte, denn das, erklärte mir nachher der Freund, tut sie immer, schon weil sie kein Italienisch kann, noch es versteht; dann gibt es hier einen Geigenbauer, der das Geigenbauen auf Kursen erlernt hat, sich derforms stetig weiterbildend – deren Gebühren er mit, wie der Weaner sagt, Aufspüü‘n zum Schiebmichunddrückmich verdient; dazu ein Paar Columbianer mit eigener Theatertruppe, ja sogar – diese Information hat mich gänzlich verzückt – einen Korrespondenten unseres SPIEGELs, der, nämlich beide, sehr genau weiß, welchem Umgang zu wählen, sowie einen in dieser Hinsicht eher libertären Biogärtner gleich hinterm Haus, Pianeta verda heißt sein Lädchen, worin es immer mal wieder Mohrrüben gibt, so gewachsen, wie ein Gott es sich wünschte, der ein bißchen knubbelig wurde; dafür aber schmeckt sdein höchst natürliches Zeug. Der erste Bischoff von Santo Domingo de Guzmán, Dominikanische Republik, kam von hierher: >>>> Allessandro Geraldini, der Beichtiger >>>> Isabellas I und in Amelia rechtens berühmt, weil ohne ihn nie ein Columbus den Seeweg nach Indien hätte suchen fahren dürfen, so daß viel später kein Karl May hätte wirklich etwas zu erzählen gehabt, ach, gar kein Charly Schmetterhand (Carlo Scaramentamano) -. Was wird der geistliche Herr, ich meine den Monsignore Geraldini, der grausamen Frau von Kastilien wohl in die scharfe feine Muschel eingeflüstert haben? ich meine – selbstverständlich – ihres Ohrs und nicht, was Sie jetzt wieder denken, eines Organes, prinzipiell betrachtet, durch welches sogar ein Erlöser gezeugt – ? da kamen die Spanier denn an, die Neue Welt zu erlösen bis ganz nach Mexiko hinauf. Alles wegen Amelia. Ohne diese Stadt, mithin, eine der wichtigsten Literaturen der Welt nie gewesen, kein Borges, kein Cortázar, kein Paz und kein Rulfo, ach Lezama Lima nicht. Man möchte sofort opfern gehen, dankbar, beschämt, die Kathedrale ist ja nicht weit.
Auch aus dem Tessin, wichtig zu bemerken, eine Kostümbildnerin, um von der aparten Sardin aus Turin zu schweigen, die >>>> Le Cisterne führt. Und Lauredana hab ich vergessen, nein, ich schreib ja nun von ihr, der Neapolitanerin, aber nur kurz, erwähnungshalber, wegen der Messer, die im Süden schnappen, daß man‘s noch im Norden hört.

N i c h t hört man das Internet zuweilen. So erging es uns gestern, dem Übersetzerfreund, der >>>> ein famoser Lyriker, und mir. Was – aber nicht, wie Parallalie Gedichte schreibt – mißlich zu sein schien, weil er all seine Texte auf je neuestem Stand bei Google deponiert. Da kamen wir nun nicht mehr herran. „Kenn ich schon, kann ein paar Stunden dauern“, weil nämlich http://Alice.it das „rete“ nicht so richtig ausgebaut hat; da liegt dann auch die Bank schon mal lahm. Man kann darüber schimpfen, sollte aber bedenken, daß die Ursache dieselbe ist all jener Schönheiten, die wir an Italien bewundern: etwa die Mauern, die schiefen Hauseingänge aus altem splitternden Holz; ein deutscher Architekt einmal über dies alles gegangen, und es wäre restlos dahin, „die Euter mit dem Zollstock vermessen“, so Hermann Peter Piwitt einst in einem Brief an mich, drin ging’s um das – Grauen des Grauens – Emsland und UnserDorfSollSchönerWerden. Also lehnten wir uns, des widrigen Umstands zufrieden, zurück und – lasen; ich das ganze Neue Leben Dantes, das ich mir, als wir ins Internet wieder kamen, >>>> um 99 Cents für meinen eKindle kaufte, zu welchem Anlaß aber jetzt ich mich gezwungen sehe, Sie neuerlich und unbedingt zu ermahnen, sich die >>>> Isabella Maria Vergana herunterzuladen, denn schließlich wolln Sie doch mitreden dürfen. Sonst haben wir uns doch gar nichts zu sagen. Sie brauchen nicht mal das Lesegerät, sondern >>>> kostenlos hiermit läßt sich die böse Erzählung direkt an Ihrem Bildschirm erfahren.
Gut, wir schoben den Einkauf vor, schoben noch das Abendessen, an der Rehkeule zweiter Schmausetag, und schoben einigen Whisky vor und Petrucciani und Jarrett, und dann war das Internet wieder da, so daß wir den bislang wahrscheinlich inspiriertesten Übersetzungs- und Nachdichtungsabend begannen, der bis in die Nacht hinein von dieser jungen Zicke erfüllt war, der Joycens Obesession einmal galt. Und jetzt stell ich von unseren Versionen die eine endlich ein. Bis Sie sie lesen können, wird aber noch ein Stündchen vergehen. Und weiter strahlt der Himmel in flammend kalter Bläue.

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