[Arbeitswohung. Allessandro Scarlatti, Telemaco.]
Bin um Viertel nach fünf aufgestanden und bereits um halb sieben schwimmen gewesen, eineinviertel Stunde. Es war schon gestern klug, daß ich nicht lief; zwar war und ist der Knieschmerz unterdessen deutlich zurückgegangen, aber leicht merke ich ihn immer noch. Keine Belastung also. Zu schwimmen dagegen funktioniert wunderbar, ebenso das Krafttraining, solange ich nicht die Beine involviere. Hab mir gestern für nach Italien folgenden Trainingsplan überlegt: Jeweils einen Tag vierzehn Kilometer laufen, am nächsten scharfes Krafttraining, am dritten Schwimmen, und dann wieder von vorn: vielleicht immer mal einen Saunatag dazwischen einlegen. Von den in Dschinnistan wieder „draufgepackten“ knappen drei Kilo bin ich bereits zweieinhalb wieder los. Da kann man also ganz gut tüchtig schlemmen, wenn man weiß, innert dreier Tage hat man das Zeug wieder weg. Wobei mir, als ich meine Bahnen zog vorhin, einfiel, wie pervers das eigentlich ist, daß wir in einer Gesellschaft leben, die, um abzunehmen, Sport treiben muß, derweil andere Völker Hunger leiden. Wir müssen Arbeit aufwenden, um das loszuwerden, für was andere Menschen, wenn sie nur könnten, zu mehr als nur dieser Arbeit bereit wären. Welch ein Wahnsinn! der mir überdies peinlich ist. Peinlichkeit ist das schlechte Gewissen des Stilgefühls – um den Sachverhalt in einer ästhetischen Kategorie auszudrücken.
Nachdem ich vom Schwimmen zurückwar, hab ich erstmal die neuen/nächsten Lesetermine in Der Dschungel eingetragen; schauen Sie in der rechten Spalte unter EREIGNISSE, ob wir uns vielleicht in Ihrer Stadt einmal sehen werden. Meine Wiener Leser:inn:en werden sich vielleicht auf den 16. Januar freuen; ich jedenfalls drückte gerne einige Hände und würde mir auch überlegen, noch zweidrei Tage dranzuhängen an meinen dortigen Aufenthalt, zumal Uwe Schütte, mein Argo-Gesprächspartner in der >>>> Alten Schmiede, tags drauf sein dann erschienenes >>>> Gerhard-Roth-Buch öffentlich vorstellen wird.
Neapel. Gut, >>>> daß Schulze reagiert hat; so kommt vielleicht ein Dialog in Gang. Freilich ärgere ich mich jetzt, daß ich mir nicht vor Ort einen Dictionario napuletano gekauft hab; ich hatte einen in der Hand. Muß also nachgeholt werden. Sowieso. Wenn ich meine Idee Wirklichkeit werden lassen sollte, mir in Neapel eine feste Unterkunft zu suchen; der Traum gärt in mir. Viel wird davon abhängen, wie Argo „läuft“, ob es also finanzierbar würde. Denn arbeiten kann ich, schon des Netzes wegen, wirklich überall. Das hat >>>> Dschinnistan wieder einmal gezeigt. Für manches ist es sogar besser, Abstand zu Deutschland zu haben; was übrigens nicht an Deutschland liegt; es wäre, wäre ich anderer Gebürtigkeit, anderswo ganz genauso; was mir nicht nur gefällt, sondern wahrscheinlich entspricht, ist tatsächlich >>>> diese Art Fremdheit – eine, für die man sich als Ausländer nicht entschuldigen muß und die einem kein schlechtes Gefühl macht, sondern man kann den fremden Blick als Kulturschatz begreifen, den man an sich austrägt.
In fünf Jahren wird mein Sohn volljährig sein und sich, wenn er klug ist, auf eigene Beine stellen. Dann werden solche Überlegungen nicht mehr müßig sein. (Ich will aber bewußt nicht aufs Land, nicht in die Provinz; zumindest sehr nah muß die Stadt sein; Henze hat das mit seinem Procida schon richtig gemacht; sowas wie die Toscana oder eine Eremitage wie >>>> Eigners Olevano reizt mich nicht.)
Zurück an die Arbeit. Bis zum Abend hätte ich die Rohfassung des Neapel-Hörstücks gerne fertig. Denn morgen will ich einen Saunatag einlegen: je morgens und abends eine Stunde schwimmen, dazwischen den Körper schwitzklären und zwischendurch ein Buch durchlesen – oder zwei, je nach Umfang. Über >>>> Herlings Insel schrieb ich heute früh mit Freund UF. Ich las sie zuletzt 1996. Also sie noch einmal und außerdem der beiden >>>> Poivre d’Avors‘ Lawrence d’Arabie auf Französisch: is nur a bisserl schwer, um’s in die Sauna mitzutragen.
Seien Sie mir alle gegrüßt.
17.45 Uhr:
Fertig geworden mit der Rohfassung. Und dank Googlebooks sogar eine sehr schönes Ende gefunden, nämlich mit der Verserzählung „Orfeus als Argonaut“ von Hesiod in Vossens Übersetzung. Das war nun wirklich ein Fund:
Peinlichkeiten sind Algen an der Böschung des Flusses: Sie wehen in der Strömung, kommen aber nie vom Fleck.
Sagt Farah Day, von der ich Sie grüßen soll.
@phyllis. Bitte bestellen Sie ihr von mir, daß dies nur dort gilt, wo es Strömung gibt. Teiche hingegen, ja ganze Seen können von den Peinlichkeiten sterben. Und selbst Gegenden der Meere ersticken an ihnen.
@read An. Aber wieso „Däumeline“? Klein finde ich Ihre Beiträge nicht.