PP27, 28. Oktober 2013: Montag. Mit dem Traumschiff beginnen.

(8.17 Uhr.)
Ohne meinen Funkstick wär ich echt aufgeschmissen. Ich hatte gehofft, daß, wenn ich vom Schwimmen zurückkomme, mein DSL wieder freigeschaltet ist. Aber Pusteblume. Bis mittags wart ich nun noch, dann rufe ich abermals bei Vodafone an. In den Zeiten des Internets und der nahezu völligen Automatisierung ist es wirklich lächerlich, daß Kategorien wie „Wochenende“ noch eine Rolle spielen. Man könnte das für eine kleinbürgerliche Schikane halten, zumal ich diesmal wirklich unschuldig bin. Meine Rechnungen als unzustellbar zurückzuschicken, geht eindeutig zulasten der Deutschen Post, bzw. ihrer Zusteller. Soll ich da jetzt aber ein großes Bohau drum machen? Lästig.
Um halb sechs auf, Espresso, paar Züge aus dem eCigarillo, für den ich endlich Liquids gefunden habe, die tatsächlich tabakähnlich sind; eine Grundsüße freilich, wegen der Glykolbasis, scheint nicht vermeidbar zu sein, in die Frühklamotten geschlüpft und ab. Nach Rückkehr per Telefon die Löwin geweckt, dann sind jetzt erst einmal Briefe zu schreiben, einigermaßen drängende. Danach die Zugverbindung >>>> für morgen raussuchen – da Jürgensen nicht von Wuppertal aus, sondern ebenfalls von Berlin aus nach Oldenburg fahren wird, werden wir zusammen reisen -, sowie versuchen, einen Fußpflegetermin zu bekommen. Dann einen dicken Strich ziehen und dahinter einen wirklich fetten Doppelpunkt setzen: – und mit dem Traumschiff beginnen.
*******

[Frank Martin, Der Sturm, Schlußmonologe.]
Ich bin immer noch ohne DSL. Nervig. Aber viel viel Korrespondenz erledigt und Bahnfahrten und Flüge gebucht. Und soeben, zu einem Talisker, >>>> das da hingesetzt. Ich werde aber erst später dazu kommen, die ersten Sätze des alten Erzählers hinunterzuschreiben, deren ersten beide ich schon deutlich im Kopf habe: „Heute war ein guter Tag. Drei sind von uns gegangen.“ Ich sehe den ruhigen lächelnden Mann deutlich vor mir, wie er da auf dewm Achterdeck sitzt, eine Hand, die linke, immer am Knauf seines Gehstocks, während er mit der rechten notiert. Dazu diese großartige Musik.
Doch das, die ersten Notate des alten Herrn, erst später, wenn ich vom Billard zurückkomme, zu dem ich für 19 Uhr mit Eisenhauer verabredet bin.

Essen sitzt auf und wird nun eingenommen werden.
(18.18 Uhr.)

*******

[21.51 Uhr, Cigarillo, Stille.
Aber der Wind rauscht durch das Oberlicht herein.]

Die ersten Zeilen der Traumschiff-Erzählung. Einen Wein dazu. Mir ist gerade nicht nach Musik. Ich imaginiere die Szene, möchte den Ton des alten Herrn h ö r e n. Er fängt mir Geschichten an – solchen, die nicht mehr erzählt werden, weil ihre Träger soeben verstorben sind; sie werden nur als Erinnerungsspuren angespielt, und zwar, um einen Eindruck zu vermitteln, auf welche Weise der alte Herr wahrnimmt und denkt. Problematisch ist, daß ich noch nicht sicher sein kann, welche Reise das Schiff gerade unternimmt, ob in den Süden, ob ganz nach Norden, weil das davon abhängen wird, auf welche Kreizfahrt ich schließlich mitgenommen werde. Deshalb muß ich die Realitätsstimmung noch unklar lassen.

Schönes zweites Billardspiel mit Eisenhauer; beim ersten dachte ich, das kriege ich n i e wieder hin. Jetzt war es schon anders. Zufrieden dampfte ich vor mich hin, auch wenn das, so Eisenhauer, „Geodreieck in deinem Kopf“ zwar richtig angelegt wurde, aber um Spuren verschoß ich viele Stöße dann doch noch. Unsicherheiten im Handgelenk, weil der Instinkt noch nicht wieder da ist.
Selbstverständlich sprachen wir über Frauen. Eisenhauer kann auf eine geradezu emphatische Weise distanziert sein: Distanz der Innigkeit. Mir imponiert das immer wieder. Dann formulierte er „Die Wahrheit als Feindin der Liebe“; das wird mich noch etwas beschäftigen. Auch darüber könnte mein alter Herr nachsinnen auf dem Schiff, wenn er die zarten Leidenschaften der Bordbesatzung beobachtet. Wenn er sich an seine eigenen erinnert, die ihm verschleiert worden sind; aber der Schleier hebt sich nun, Millimeter um Millimeter. Es wäre schön, wäre ein Ausdruck von wirklicher Hoffnung, wenn er, bevor er selber stirbt, zu einer Erkenntnis gelangte.

(Was mir auffällt – aber sicherlich ist es mal wieder nicht klug, das hier hinzuschreiben -, das ist, daß mich die >>>> Argo-Lesungen gar nicht mehr wirklich interessieren. Ich lese am liebsten aus Büchern, an denen ich arbeite, und nicht so gerne aus solchen, die abgeschlossen sind. Allerdings ändert sich das immer nach Ablauf einiger Jahre; dann nämlich lese ich wieder gerne aus ihnen. Und zwar deshalb, glaube ich, weil sie dann fremd geworden sind und man sie sich wiedererobern muß oder überhaupt erobern – ganz so, als hätte jemand anderes sie geschrieben.)

*******

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .