Peter Handke, Niemandsbucht (1): Sich verwundbar machen.

Und daß das vorgefaßte Registrieren, Berichten, Chronikherstellen, Draußenbleiben sich zu einer Erzählung verdreht hat, und eine in der Ich-Form, das kam aus der Erkenntnis, gleich schon am Anfang des Jahres, daß ich, der Schreiber, mit meinem Buch scheitern müßte, würde ich mich nicht wechselweise selber hineinspielen, um meiner Sache die nötige Blöße zu geben, ähnlich einem Tier, welches während eines Zweikampfes für Phasen ungeschützt seine Kehle herzeigt (und schon seit je tat es mir, dem Leser, gut, wenn in einem Buch solch ein Ich sich zu Wort meldete und die Sache beglaubigte, auch in sie eingriff).
Handke, >>>> Mein Jahr in der Niemandsbucht, 698/699
(kursivierte Hervorhebung durch mich).

>>>> Niemandsbucht 2
Siehe Litblog 1 <<<< ,
sowie
>>>> das erste PP dieser Jahreswende.

10 thoughts on “Peter Handke, Niemandsbucht (1): Sich verwundbar machen.

  1. Und fünfzig Seiten später spricht er von einem nach 1997 (!) im deutschen Bürgerkrieg umgekommenen jungen Mann, womit er im Zusammenhang allein die Greuel des sich zugrundemordenden – richtiger: sich morden lassenden – Jugoslawiens meinen kann. Dazu siehe dann dieses:

    Am 27. Juli 1991 trat der Konflikt ans Licht der Weltöffentlichkeit: Slowenien und Kroatien erklärten ihre Unabhängigkeit. Es folgte ein kurzer Krieg um die Unabhängigkeit Sloweniens und ein sehr blutiger und grausamer Krieg zwischen Kroatien und Rest- Jugoslawien einerseits und der Krajna sowie serbischen Volksgruppen in Ost- und West-Slawonien andererseits. Alle Seiten taten sich durch die Bestialität der sog. ethnischen Säuberungen hervor, die planmäßige Ermordung und Vertreibung der Bevölkerung ganzer Landstriche. Von Anfang an war die BRD aufgrund ihrer ökonomischen Interessen auf der Seite Kroatiens, während sich die übrigen westeuropäischen Mächte mit Parteinahme zurückhielten, Großbritannien und Frankreich hauptsächlich aus Rücksichtnahme auf ihre eigenen ethnischen Minderheiten.
    „Che21“, zitiert nach >>>> dort. Wichtig hier besonders die Vorgeschichte.
    Es ist aus der Entfernung rasend schwierig, ideologische von tatsächlichen Darstellungen zu unterscheiden. Vor alles schiebt sich immer das Interesse.

  2. das ist ganz einfach herauszufinden, um was es ging, man muss sich einfach nicht mit Handke befassen, der kein einziges mal in Bosnien war, der Fragen von bosnischen Flüchtlingen bei einer Lesung in Wien nicht beantworten wollte…

    http://www.amazon.de/Das-Land-Null-Bora-Cosic/dp/3518416111/ref=sr_1_6?s=books&ie=UTF8&qid=1389031868&sr=1-6

    http://www.amazon.de/Keiner-war-dabei-Kriegsverbrechen-Gericht/dp/3552052909/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1389032125&sr=1-1&keywords=keiner+war+dabei

    http://www.amazon.de/Vom-Gl%C3%BCck-St%C3%A4dten-Bogdan-Bogdanovic/dp/3552051783/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1389032233&sr=1-2&keywords=bogdan+bogdanovic

    http://www.amazon.de/Sarajevo-Blues-Semezdin-Mehmedinovic/dp/3932622553/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1389032260&sr=1-1&keywords=sarajevo+blues

    Faruk Šehić

    Abzeichen aus Fleisch
    Aus dem Bosnischen von Hana Stojić

    KRIEGSSPIEL

    auf dem höchsten Turm
    der Altstadt
    hat der Heckenschütze
    seinen Bau
    die Entfernung zwischen
    uns und ihm
    an der Stelle die
    wir durchlaufen
    beträgt fünfzig
    Meter
    Luftlinie
    wenn du für einen Augenblick in Gedanken verfällst
    und vergisst
    dass du schnell rennen musst
    wirst du vom Zischen der Kugel ermahnt
    wenn du nicht ermahnt wirst
    heißt es du bist tot.

    »Im Krieg verliert jeder etwas (und jemanden). Dieses Buch ist der Beweis, dass manchmal auch etwas Wertvolles gewonnen werden kann. Es stellt sich bloß die Frage, wie hoch der Preis dafür ist«, schrieb Nikola Petković über die Gedichte von Faruk Šehić.
    Šehić war 22 Jahre alt, als 1992 der Krieg in Bosnien und Herzegowina begann und er sich freiwillig zur Armee meldete. Vier Jahre kämpfte er aufseiten der bosniakischen Truppen. Sein Erleben von Angst und Gewalt, der Alptraum der Front, aber auch die Aura der Landschaft und die gespannte Ruhe in den Gefechtspausen stehen seitdem im Mittelpunkt seines Schreibens. Das Rattern von Maschinengewehren über den stillen Fluss hinweg, die Gesichter der getöteten Kameraden und die gemeinsam gerauchten Zigaretten …
    In seinem Blick auf den Kriegsalltag spiegeln sich eindringlich Wut und Ohnmacht einer vom Krieg überrollten Generation. Aber auch von der Nachkriegszeit in Sarajevo erzählen Šehićs Gedichte, von dem, was Psychologen »posttraumatisches Belastungssyndrom« nennen, und dem Schielen auf die Verheißungen des Westens und seiner Hochglanzhelden: Capitain Picard, Oprah Winfrey und Superman.

    Der Gedichtband Abzeichen aus Fleisch ist Teil der gemeinsam mit dem literarischen Netzwerk TRADUKI in der Edition Korrespondenzen herausgegebenen Reihe tradukita poezio, junge Poesie aus Südosteuropa.

    Faruk Šehić, geb. 1970 in Bihać, studierte nach dem Bosnienkrieg Literatur. Er lebt als freier Schriftsteller und Rezensent für Literatur und darstellende Kunst in Sarajevo. Abzeichen in Fleisch ist eine Auswahl aus seinen Gedichtbänden Pjesme u nastajanju (»Worte im Entstehen«, 2000), Hit depo (2003) und Transsarajevo (2006).

    1. @Max: Danke für diesen Kommentar.

      Dennoch halte ich die Aussage für falsch, man müsse sich, zumal „einfach nicht“, nicht mit Handke befassen. Man muß, meine ich – aber ebenso wie mit den von Ihnen genannten und verlinkten Quellen. Das Problem besteht darin, daß wir alle gar nicht die Zeit haben, uns immer mit allem zu befassen; nicht mit dem Sudan, nicht mit Bangla Desh, nicht mit Pakistan, nicht mit den Hintergründen Al Q’aidas. Wir können es schlichtweg nicht, sind letztlich immer darauf angewiesen zu glauben. Und wir können nicht glauben, schon gar nicht dem, was in den Zeitungen steht. Den Dichtern vielleicht, aber Handke ist eben auch ein Dichter, und einer der besten. Gesichert ist, daß auch an Serbien, in Kroatien, Massaker verübt worden sind, auch an Juden und anderen Religionsgruppen. Die Frage ist also: Wieso definieren sich Bevölkerungen mit einem Mal völkisch-religiös? Und wer hat ein Interesse daran, daß dem so ist? Wer befördert es?

    2. @Max Wenn man keine Ahnung hat, sollte man doch einfach das blöde Maul halten. Handke war -zig mal in Bosnien, darunter mehrfach in Srebrenica. In seinem „Sommerlicher Nachtrag“ erzählt er davon.

    3. Die Kriegsherren haben sie so definiert,.. Die Bosnnier hatten sich vor dem Krieg nie als muslemisch definiert.
      Karadzic hat eine flammende Rede in Sarajevo gehalten, in der er bereits von der ethnischen Säuberung sprach, er ließ von der Kaserne aus auf Demonstraten in Sarajevo schiessen.
      In einer Stadt in der Herzegowina mussten muslemische Menschen gelbe Armbänder tragen.

      Karadzic ist übrigens auch ein Dichter

    4. Warum sind Sie und Ihre Frau nach den jahrelangen Drangsalierungen durch das Miloševic -Regime 1993 ausgerechnet nach Wien geflohen?

      Wir brachen damals nicht direkt nach Wien auf. Ksenija und ich gingen, wie alle Serben, zunächst nach Paris. Außerdem konnten wir damals besser Französisch als Deutsch. Wir wurden sehr freundlich, sehr feierlich empfangen, auch auf höchster Ebene. Doch bei unserer ersten Begegnung mit dem sogenannten Belgrader Kreis, mit den jugoslawischen Immigranten in Paris erlebten wir einen wahren Schock: Das waren lauter Vollbärte, Tschetniks, Nationalisten, die uns furchtbar schikanierten. Uns war sofort klar: „Aus Paris wird nichts, wir sehen uns nach etwas anderem um.“
      Da meldete sich mein Belgrader Jugendfreund Milo Dor: „Was habt Ihr denn in Paris verloren? Kommt doch nach Wien!“ Und so kamen wir in diese Stadt, in der wir uns sehr schnell wieder- und zurechtgefunden haben, von deren Ambiente wir uns angezogen fühlen und wo wir sehr angenehm aufgenommen wurden.

      http://www.balkanforum.info/f9/bogdan-bogdanovic-war-schlechter-kommunist-50210/

      http://youtu.be/4j84JNDqtt8

    5. Wer deshalb@Max, w a r e n (sind) die Kriegsherren? Wer und was steht dahinter. Die Einzelschicksale sind wichtig, ja, und müssen erzählt werden, verbergen aber oft zugleich die dahinterstehenden Prozesse.

    6. http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article10609891/Handke-besuchte-Karadzic-kurz-vor-seiner-Flucht.html

      Dieser Herr war vor dem Krieg in Sarajevo belächlt worden, den Menschen dort verging das Lachen, lesern sie Jergovic, lesen sie Cosic, schauen sie in die Gesichter von Mlladic, schauen sie sich Karadzic an. Das sind Faschisten.
      Ich war 1990 in Zenica gewesen und kann mich gut erinnern, dass im Fernsehen eine Parlamentssitzung war und mein Bekannter meinte, das ist ein Nationaslust und das und das und das und das.
      Lesen Sie Danilo Kis, er hatte das ganze vorausgesehen. Viele Jugoslawen habe das voraus gesehen.
      Wenn Tito tot ist, bricht Jugoslawien auseinander. Da gäbe ich übrigens Handke recht, man hätte dieses Jugoslawien unterstützen müssen und nicht Slowenien und Kroatien anerkennen, zumal so schnell und so was von unsensibel.
      Aber mit Milosovic war Jugoslawien nicht mehr zu machen, mit Tudman auch nicht, sie haben dieselbe Gesinnung, die Gesinnung ist rechts wie es rechter nicht mehr geht.

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